S 29 AS 3996/10

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
29
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 29 AS 3996/10
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 AS 1310/11
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid der Beklagten vom 09.08.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.09.2010 wird aufgehoben und der Beklagte wird unter Abänderung der Bescheide vom 17.09.2010 und 20.10.2010 verpflichtet, für den Zeitraum Oktober 2010 bis April 2011 Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 664,70 Euro zu bewilligen. Der Beklagte trägt 3/20 der außergerichtlichen Kosten der Kläger. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Übernahme der tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung im Zeitraum 01.10.2010 bis 30.04.2011.

Die Kläger beziehen Leistungen nach dem SGB II. Sie bewohnen eine 91 qm große Wohnung. Die Kaltmiete beträgt monatlich 445,00 Euro hinzukommen Betriebskosten-Vorauszahlungen in Höhe von 177,00 Euro und Heizkostenvorauszahlungen in Höhe von 96,00 Euro, damit insgesamt 718,00 Euro monatlich. Mit Schreiben vom 25.03.2010 teilte der Beklagte den Klägern mit, dass für einen Drei-Personen-Haushalt eine Wohnfläche von 77 qm sowie ein Kaltmietpreis in Höhe von 381,15 Euro, dies entspricht einem Quadratmeterpreis von 4,95 Euro, angemessen seien. Die von den Klägern bewohnte Wohnung sei mit einer Wohnfläche von 91 qm um einen Betrag von 63,85 Euro unangemessen. Mit Schreiben vom 10.06.2010 wiederholte der Beklagte die Ausführung zu der Unangemessenheit der Grundmiete der Kläger und teilte mit, dass er beabsichtige, bei der Festsetzung der Leistung ab dem 01.10.2010 eine Grundmiete in Höhe von 381,15 Euro zzgl. Betriebs- und Heizkosten zu berücksichtigen. Den Klägern wurde Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 28.06.2010 eingeräumt. Mit Schreiben vom 09.08.2010 teilte der Beklagte den Klägern mit, dass ab dem 01.10.2010 anteilig für drei Personen und 77 qm Unterkunftskosten i. H. von 381,15 Euro zzgl. Betriebs- und Heizkosten berücksichtigt werden. Das Schreiben enthielt eine Rechtsbehelfsbelehrung. Die Klägerin legte am 08.09.2010 Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie aus, dass sie auf der Suche nach einer angemessenen Wohnung sei. Leider gestalte sich diese Suche sehr schwierig, da das soziale Umfeld der Kinder (z. B. Schule, Sportverein, Freunde) beibehalten werden soll. Sie könne deshalb nur in der näheren Umgebung umziehen. Eine Wohnung zu einem Preis von 381,00 Euro sei in der näheren Umgebung bisher nicht zu finden.

Mit Bescheid vom 17.09.2010 bewilligte der Beklagte den Klägern Leistungen nach SGB II für den Zeitraum Oktober 2010 i. H. von 1.270,15 Euro. Dabei wurden Kosten der Unterkunft und Heizung i. H. von insgesamt 654,15 Euro (381,15 Euro Kaltmiete, 177,00 Euro Nebenkosten, 96,00 Euro Heizkosten) berücksichtigt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 24.09.2010 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Zu dem Inhalt wird auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid Bezug genommen. Dem Widerspruchsbescheid waren Auszüge aus IMMOBILIEN SCOUT 24 vom 24.09.2010 mit offenen Wohnungsangeboten beigefügt.

Mit Bescheid vom 20.10.2010 bewilligte der Beklagte den Klägern Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum 01.11.2010 bis 30.04.2011. Hierbei berücksichtigte der Beklagte ebenfalls monatliche Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 654,15 Euro.

Die Kläger haben am 12.10.2010 Klage erhoben. Sie beantragen,

den Bescheid des Beklagten vom 09.08.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.09.2010 aufzuheben sowie den Beklagten zu verpflichten, die Bescheide vom 17.09.2010 und 20.10.2010 dahingehend abzuändern, dass die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 718,00 Euro für den Zeitraum Oktober 2010 bis April 2011 zu bewilligen sind.

Zur Begründung führen sie im Wesentlichen aus, dass es ihnen nach Absenkung der Unterkunftskosten nicht möglich gewesen sei, eine Alternativwohnung anzumieten. Zudem gehe der Beklagte von falschen Höchstgrenzen für die Wohnungsgröße aus. Für einen Dreipersonenhaushalt seien entsprechend der Wohnraumnutzungsverordnung 80 qm angemessen. Auch sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin zu 2.) und die Klägerin zu 3.) auf eine Grundschule im benachbarten T gingen. Diese Schule sei vom jetzigen Wohnort aus gut zu erreichen. Soweit ein Umzug in ganz Wuppertal erfolgen solle, sei dies jedoch nicht mehr gewährleistet. Selbst Wohnungen in Unterbarmen und Barmen würden dazu führen, dass die Grundschulen nur schwierig mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreicht werden könnten. Mindestens bis zum Schulwechsel 2011 seien daher die Wohnkosten zu übernehmen, da es ansonsten eine unzumutbare Härte darstellen würde. Auch das Jugendamt befürworte einen Verbleib in der Wohnung. Schließlich seien die von der Klägerin zu 1.) angestrengten umfangreichen Bemühungen, eine andere Wohnung anzumieten, bisher erfolglos. Sie scheiterten zudem daran, dass sie von Vermietern abgelehnt worden seien, da sie eine allein erziehende Mutter sei.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wiederholt und vertieft sie im Wesentlichen ihre Ausführungen aus dem Widerspruchsverfahren. Selbst wenn eine 80 Quadratmeter-Wohnung für drei Personen angemessen wäre, würde die Wohnung immer noch über der Angemessenheitsgrenze, und zwar mit einem Betrag von 49,00 Euro, liegen. Zudem seien im Stadtteil, in dem die Klägerin wohne, allein schon 28 angemessene Wohnungen verfügbar. Aufgrund der Vielzahl der Schulen, einschließlich weiterführenden Schulen im Bereich C und des dichten öffentlichen Personennahverkehrs, sei eine Problematik hinsichtlich des Schulwechsels nicht gegeben. Hinsichtlich des beim Bundessozialgericht geforderten schlüssigen Konzepts verwies die Beklagte auf die Ausführung im Widerspruchsbescheid und übersandte den Mietpreisspiegel für Wuppertal aus dem Jahr 2010. So habe das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 17.12.2009, B 4 AS 27/09 klargestellt, dass der Grundsicherungsträger zur Feststellung der Angemessenheitsgrenze ein schlüssiges Konzept vorlegen müsse. Danach biete unzweifelhaft ein Mietspiegel nach § 558 c BGB die Grundlage für das schlüssige Konzept. Ein solcher qualifizierter Mietspiegel liege für die Stadt Wuppertal vor. Für Wuppertal sei entschieden worden, dass von einem Quadratmeterfestpreis nach dem aktuellen Mietpreisspiegel auszugehen sei, der innerhalb der Gruppen I bis III berechnet werde. Im Fall der Klägerin seien die Kosten der Unterkunft nicht aufgrund des ab 13.07.2010 gültigen Mietpreisspiegels umgesetzt, sondern aufgrund des bis dahin gültigen Mietpreisspiegels festgesetzt worden. Vor diesem Hintergrund sei anstelle eines Betrages von 4,85 Euro pro Quadratmeter ein Betrag von 4,95 pro Quadratmeter bei der Klägerin zugrunde gelegt worden.

Zur weiteren Sachverhaltsdarstellung wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die vorgelegen hat und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat teilweise Aussicht auf Erfolg.

Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 09.08.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.09.2010 sowie die Bescheide vom 17.09.2010 und 20.10.2010 sind insoweit rechtswidrig, als den Klägern monatlich ein Betrag für Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von insgesamt 664,70 Euro im Zeitraum Oktober 2010 bis April 2011 zusteht. Die Kläger haben jedoch keinen Anspruch auf Übernahme der vollständigen tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 718,00 Euro (545,00 Euro Grundmiete, 177,00 Euro Betriebskostenvorauszahlungen und 96,00 Euro Heizkostenvorauszahlungen für den Zeitraum Oktober 2010 bis April 2011.

Der Bescheid vom 09.08.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.09.2010 war vollständig aufzuheben. Denn dieser Bescheid, mit welchem der Beklagte die Kosten der Unterkunft und Heizung ab Oktober 2010 isoliert auf einen Betrag in Höhe von insgesamt 654,15 Euro (381,15 Euro Kaltmiete, 177,00 Euro Nebenkosten-Vorauszahlung und 96,00 Euro Heizkosten-Vorauszahlung) mitteilte, entbehrt einer Rechtsgrundlage. Der Grundsicherungsträger kann nicht losgelöst von Bewilligungsabschnitten über einen Anspruch auf Gewährung von Kosten der Unterkunft und Heizung entscheiden. Die Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II stellen lediglich ein Berechnungselement des Gesamtbedarfs dar und sind keiner vom Bewilligungszeitraum losgelösten Regelung zugänglich (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 04.11.2010, Az. L 11 AS 759/10 B PKH zu Mehrbedarfen nach § 21 SGB II). Nach Auffassung der Kammer handelt es sich vorliegend nicht um einen Verwaltungsakt, da eine Regelungswirkung fehlt. Das Gericht wertet den ?Bescheid? lediglich als reinen formellen Verwaltungsakt, der aufzuheben war. Um das Rechtsschutzinteresse der Kläger zu wahren, hielt die Kammer es für erforderlich, die Bewilligungsbescheide für den Zeitraum Oktober 2010 bis April 2011, d. h. die Bescheide vom 17.09.2010 und 20.10.2010, mit welchem der Beklagte die Kosten der Unterkunft und Heizung i. H. von insgesamt 654,15 Euro monatlich bewilligte, als streitgegenständlich anzusehen. Dass die Kläger gegen diese Bescheide keinen Widerspruch eingelegt haben, ist unerheblich, als dass sie gegen den formellen Bescheid vom 09.08.2010 Widerspruch eingelegt haben und dieser Widerspruch fortwirkt. Vor dem Hintergrund des eingelegten Widerspruchs ist der Bescheid vom 17.09.2010 gemäß § 86 SGG und der Bescheid vom 20.10.2010 gemäß § 96 SGG Gegenstand dieses Verfahrens geworden.

Die Kläger haben zwar einen Anspruch auf Übernahme der Kosten der Unterkunft und Heizung i. H. von insgesamt monatlich 664,70 Euro für ihre 91 Quadratmeter große Wohnung in X, für den Zeitraum 01.10.2010 bis 30.04.2011. Ein Anspruch auf Übernahme der tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung i. H. von 718,00 Euro monatlich ist dagegen nicht begründet. Dabei ist hier alleine streitig, ob die von den Klägern gezahlte Kaltmiete den Angemessenheitskriterien entspricht.

Als grundsicherungsrechtlicher Bedarf für Kosten der Unterkunft und Heizung sind nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II a.F. grundsätzlich die tatsächlichen Aufwendungen des Hilfebedürftigen zu gewähren. Die Vorschrift begrenzt die Übernahme der tatsächlichen Aufwendungen jedoch zugleich auf die nach dem SGB II angemessenen Kosten.

Der Begriff der Angemessenheit ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, also ein ausfüllungsbedürftiger Wertungsmaßstab. Ihm wohnt der Gedanke der Begrenzung inne (vgl Voelzke/ Knickrehm/Spellbrink, Kosten der Unterkunft nach § 22 SGB II, DSGT Praktikerleitfaden, S 25 ), hier im Zusammenhang mit den Unterkunftskosten, der der Bestimmung einer Mietobergrenze. Diese Mietobergrenze ist unter Berücksichtigung der Bedingungen eines existenzsichernden Leistungssystems festzulegen (Knickrehm in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 2009, § 22 RdNr 7 ). Sie soll dabei die Wirklichkeit, also die Gegebenheiten auf dem Mietwohnungsmarkt des Vergleichsraums abbilden, denn der Hilfebedürftige soll durch die Leistungen nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II in die Lage versetzt werden, sein elementares Grundbedürfnis "Wohnen" zu grundsicherungsrechtlich angemessenen Bedingungen zu befriedigen (vgl. auch Krauß in Hauck/Noftz SGB II, Stand IX/09, § 22 RdNr 2; Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl, 2008, § 22 RdNr 15c). Sein Lebensmittelpunkt soll geschützt werden. Die festgestellte angemessene Referenzmiete oder die Mietobergrenze muss mithin so gewählt werden, dass es dem Hilfebedürftigen möglich ist, im konkreten Vergleichsraum eine "angemessene" Wohnung anzumieten. Die Mietobergrenze ist nach der Rechtsprechung des BSG auf Grundlage eines dieses beachtenden schlüssigen Konzepts zu ermitteln (vgl BSG, Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R). Der Grundsicherungsträger muss mithin nicht nur ein Konzept haben, nach dem er die Referenzmiete bestimmt, sondern dieses Konzept muss zudem einer gerichtlichen Überprüfung Stand halten, also schlüssig sein (BSG, Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R). Ein schlüssiges Konzept liegt nach der Rechtsprechung des BSG dann vor, wenn der Ersteller planmäßig vorgegangen ist im Sinne der systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenn gleich orts- und zeitbedingter Tatsachen im maßgeblichen Vergleichsraum sowie für sämtliche Anwen¬dungsfälle und nicht nur punktuell im Einzelfall (BSG, Urteil vom 22.09.2009, B 4 AS 18/09 R; B 4 AS 27/09 R, Urteil vom 17.12.2009). Danach muss das Konzept folgende Schlüs¬sigkeitsanforderungen erfüllen:

? Die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen (keine Ghettobildung), ? es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung, zB welche Art von Wohnungen - Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete (Vergleichbarkeit), Differenzierung nach Wohnungsgröße, ? Angaben über den Beobachtungszeitraum, ? Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, zB Mietspiegel), ? Repräsentativität des Umfangs der eingezogenen Daten, ? Validität der Datenerhebung, ? Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung und ? Angaben über die gezogenen Schlüsse (zB Spannoberwert oder Kappungsgrenze).

Der von dem Beklagten ermittelte Quadratmeterpreis von 4,95 Euro beruht nicht auf einem schlüssigen Konzept. Das von dem Beklagten mit Schriftsatz vom 02.05.2011 eingereichte Konzept genügt den vom Bundessozialgerichts aufgestellten Anforderungen nicht. In seinem Konzept stellt der Beklagte auf den in Wuppertal gültigen qualifizierten Mietspiegel ab. Das Bundessozialgericht hat zwar in seiner Entscheidung vom 17.12.2009, Az.: B 4 AS 27/09 R, entschieden, dass ein Mietspiegel als Grundlage eines schlüssigen Konzepts zur Ermitt¬lung der angemessenen Referenzmiete im Vergleichsraum geeignet sein kann. Vorliegend ermittelt der Beklagte jedoch den Quadratmeterpreis unterschiedlich nach den Wohnungsgrößen, nach dem Durchschnittswert der Mittelwerte der Gruppen I bis III. Nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 19.10.2010, Az.: B 14 AS 50/10 R, ist die Bildung eines arithmetischen Mittelwertes aus den Mittelwerten der Baualtersklassen als abschließender Schritt zur Berechnung einer grundsicherungsrelevanten Netto-Kalt-/Vergleichsmiete nicht geeignet, die Anforderung an ein mathematisch-statistisch nachvollziehbares Konzept zu erfüllen. Denn die Bildung eines solchen arithmetischen Mittelwertes bietet gerade bei ausdifferenzierten Tabellenmietspiegeln nicht die Gewähr dafür, dass der abgebildete Wert als solcher tatsächlich den Schwerpunkt eines Mietpreises im einfachen Segment abbildet. Vielmehr kann der Grundsicherungsträger einen solchen Mittelwert nur bilden, wenn aus den Grundlagendaten des qualifizierten Mietspiegels oder anderer Quellen erkennbar ist, wie viele Wohnungen in den jeweiligen Baualtersklassen abgebildet sind und wie sie in die Berechnung des Mittelwertes eingeflossen sind. Dass solche Grundlagendaten seitens des Beklagten überhaupt vorliegen, noch dass diese in das Verfahren eingereicht werden können, hat sich aus der mündlichen Verhandlung nicht ergeben. Es ist nicht nachvollziehbar und schlüssig, weshalb der Beklagte hier allein auf die Baualtersklassen I bis III abgestellt hat.

Liegt somit ein schlüssiges Konzept des Beklagten nicht vor, ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts hilfsweise auf die Werte der rechten Spalte der Wohngeldtabelle zu § 8 des Wohngeldgesetzes (WoGG) in der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung (a. F.) bzw. zu § 12 WoGG in der seit 01.01.2009 geltenden Fassung zurückzugreifen, die zudem durch einen maßvollen Zuschlag zu erhöhen sind (vgl. BSG, Urteil vom 22.09.2009, Az.: B 4 A 18/09 R und Urteil vom 17.12.2009, Az. B 4 AS 50/09 R). Als maßvollen Zuschlag sieht das Gericht einen Wert von 10 % als angemessen an (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 02.07.2010, Az.: L 7 AS 204/10).

Unter Zugrundelegung dieser Kriterien ist als angemessener Betrag für die Kosten der Unterkunft und Heizung ein Betrag in Höhe von 664,70 Euro gerechtfertigt. Die Stadt Wuppertal war im streitgegenständlichen Zeitraum der Mietstufe 4 zugeordnet (Anlage zu § 1 Abs. 4 Wohngeldverordnung). Bei drei zum Haushalt rechnenden Familienmitgliedern ergibt sich unter Zugrundelegung des Wertes in der rechten Spalte der Wohngeldtabelle nach § 12 Wohngeldgesetz n.F. ein Höchstbetrag für Wohnungskosten einschließlich Nebenkosten in Höhe von 517,00 Euro. Bei einem Sicherheitszuschlag von 10 % ergibt sich somit ein Betrag für Kaltmiete und Nebenkosten i. H. von 568,70 Euro. Hinzuzurechnen sind noch die tatsächlichen Nebenkosten i. H. von 96,00 Euro monatlich, so dass insgesamt ein Betrag von Kosten der Unterkunft und Heizung i. H. von 664,70 Euro zu bewilligen waren.

Eine Senkung der Unterkunftskosten, insbesondere durch Anmietung einer anderen Unterkunft, war den Klägern möglich und zumutbar. Bereits zu der von der Beklagten angegebenen Referenzmiete von 381,15 Euro (Kaltmiete) waren im streitbefangenen Zeitraum und auch zum jetzigen Zeitpunkt auf dem Wohnungsmarkt in Wuppertal, der als sehr entspannt einzustufen ist, Wohnungen konkret verfügbar. Dies belegen die eingereichten Wohnungsangebote aus der Immobiliendatenbank IMMOBILIEN SCOUT 24. Zur Überzeugung des Gerichts war vorliegend die Suche der Kläger nach einer neuen Unterkunft auch nicht auf den Stadtteil Barmen zu beschränken. Zudem lagen bereits in diesem Stadtteil zahlreiche Wohnungsangebote vor, die den Angemessenheitskriterien entsprachen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist als räumlicher Vergleichsmaßstab in erster Linie auf den Wohnort des hilfebedürftigen abzustellen, der im Hinblick auf dessen Größe durchaus unterschiedlich sein kann (BSG, Urteil vom 18.06.2008, B 14/7 AS 44/06 R). So hat das Bundessozialgericht sowohl für die Stadt Essen als auch für die Stadt Berlin bereits entschieden, dass ein Umzug im gesamten Stadtgebiet zumutbar ist. Nichts anderes kann vorliegend auch für die Stadt Wuppertal gelten, die über einen gut ausgebauten öffentlichen Personennahverkehr verfügt. Auch aus dem Umstand, dass die Kläger zu 2.) und 3.) Schulen im benachbarten T besuchen, ergibt sich nichts anderes. Zum einen ist ein Schulwechsel durchaus zumutbar, zum anderen ist es auch zumutbar, aus anderen Stadtteilen den Vorort T aufzusuchen. Soweit sich aus dem Schreiben des Jugendamtes ergibt, dass ein Wohnortwechsel nicht empfohlen wird, da in der Vergangenheit in der jetzigen Wohnung der Kläger Misshandlungen der Kläger zu 2.) und 3.) seitens des Vaters stattgefunden haben, führt dies zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung. Zum einen wird die Wohnung von den Klägern noch nicht sehr lange bewohnt. Zum anderen stellt die Wohnung den Ort der Misshandlungen dar, so dass ein Wohnraumwechsel durchaus sinnvoll erscheint.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Das Gericht hat gemäß § 144 Abs. 2 Ziff. 1 SGG die Berufung zugelassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, auch wenn vorliegend nicht 750,00 Euro im Streit stehen. Die Frage, nach welchen Kriterien die Kosten der Unterkunft und Heizung in der Stadt Wuppertal zu bestimmen sind, steht im allgemeinen Interesse und ist bisher höchstrichterlich noch nicht entschieden. ?
Rechtskraft
Aus
Saved