S 10 AS 87/09

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
10
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 10 AS 87/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 2 AS 2252/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Hinweis: Nachdem die Klage vor dem LSG NRW (L 2 AS 2252/12) zurückgenommen wurde, ist dieses Urteil wirkungslos.

Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheids vom 12.11.2008 in der Gestalt des Bescheids vom 09.04.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 14.04.2009 verurteilt, einen Betrag i.H.v. 292,83 ? an die Kläger zu zahlen. Der Beklagte trägt die außergerichtlich erstattungsfähigen Kosten der Kläger. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Frage der Anrechenbarkeit einer gezahlten Urlaubsabgeltung als Einkommen im Sinne des Zweiten Sozialgesetzbuches (SGB II).

Mit Änderungsbescheid vom 12.11.2008 wurden den Klägern Leistungen der Grundsicherung für die Monate Januar und Februar 2008 unter Anrechnung einer Urlaubsabgeltung in Höhe von monatlich 57,30 ? bewilligt. Die Urlaubsabgeltung i.H.v. 414,68 ? brutto (292,83 ? netto) wurde seitens des Beklagten auf einen angemessenen Zeitraum, hier die Monate Januar und Februar, aufgeteilt und entsprechend eines Teilbetrags i.H.v. 146,41 ? ab Januar 2008 angerechnet.Sodann wurde mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 09.04.2009 der Bescheid vom 12.11.2008 insoweit abgeändert, als dass nunmehr Leistungen für die Monate Januar und Februar 2008 in Höhe von insgesamt 177,53 ? zurückgefordert wurden. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass nunmehr eine Anrechnung von Krankengeld im Januar 2008 vorgenommen worden sei. Dagegen erhoben die Kläger Widerspruch, welcher mit streitgegenständlichen Widerspruchsbescheid vom 14.04.2009 als unbegründet zurückgewiesen wurde.

Sodann haben die Kläger vor dem erkennen Gericht Klage erhoben. Sie sind ? nach der Durchführung eines Erörterungstermins ? nur noch der Auffassung, dass die Anrechnung der Urlaubsabgeltung i.H.v. 414,68 ? brutto (292,83 ? netto) im Bescheid vom 12.11.2008 als Einkommen unzulässig gewesen sei. Bei der Urlaubsabgeltung handele es sich um eine zweckbestimmte Einnahme. Die Rückforderung hinsichtlich der Anrechnung des Krankengeldes sei hingegen rechtmäßig.

Die Kläger beantragen,

den Beklagten unter Abänderung der Bescheide vom 12.11.2008 in der Gestalt des Bescheids vom 09.04.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 14.04.2009 zu verurteilen, einen Betrag i.H.v. 292,83 ? an die Kläger zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass er im Hinblick auf die Ansehung einer Urlaubsabgeltung als zweckbestimmte Einnahme keine Analogie zu einer etwaigen Schmerzensgeldzahlung erkennen könne. Vielmehr entspreche es bereits im Rahmen des Arbeitslosengeldes I bei Erhalt einer Urlaubsabgeltung dem Gesetz, dass ein Ruhen des Anspruches auf Arbeitslosengeld eintrete.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogenen Gerichts- sowie die beigezogene Verwaltungsakte Bezug genommen, welche Gegenstand des Verfahrens gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

Der Bescheid des beklagten Jobcenters vom 12.11.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.04.2009 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten, § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Die Kläger haben ? nach Zahlung der 177,53 ? aus dem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 09.04.2009 ? einen Anspruch auf weitere Grundsicherungsleistungen i.H.v. 292,83 ? unter Außerachtlassung der an die Klägerin gezahlten Urlaubsabgeltung.

Die gemäß § 7 Abs. 4 BurlG (Bundesurlaubsgesetz) an die Klägerin zu 2) gezahlte Urlaubsabgeltung stellt nach Auffassung der erkennenden Kammer kein anrechenbares Einkommen im Sinne des § 11 SGB II dar.

Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der bis zum 31.03.2011 geltenden Fassung sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder in Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach diesem Buch, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen und der Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden am Leben sowie an Körper oder Gesundheit erbracht werden bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz. Da § 77 SGB II (2011) keine Übergangsregelung bezüglich des Inkrafttretens der neuen §§ 11, 11a, 11b SGB II (2011) enthält, sind diese mit Wirkung für die Zeit ab 01.04.2011 zu berücksichtigen. Danach sind nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II (2011) als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert abzüglich der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträgen mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen.

Die gezahlte Urlaubsabgeltung stellt eine zweckbestimmte Einnahme im Sinne des § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II a.F. bzw. § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II n.F. dar. Für die Frage nach der Zweckbestimmtheit einer Einnahme kommt es darauf an, ob die in Frage stehende Leistung ebenso wie die Leistungen nach dem SGB II der Existenzsicherung des Begünstigten dient (BSG, Urteil vom 17.03.2009, B 14 AS 63/07 R, SozR 4-4200 § 11 Nr. 21). Derartige Funktion kommt der Urlaubsabgeltung nach Auffassung des Gerichts nicht zu. Vielmehr dient die gemäß § 7 Abs. 4 BurlG gewährte Urlaubsabgeltung allein dem Zweck, dem Arbeitnehmer aus betrieblichen Gründen nicht gewährte Urlaubsfreuden durch eine finanzielle Abgeltung zu entschädigen. Die Urlaubsabgeltung hat mithin ? ähnlich wie das Schmerzensgeld ? einen Entschädigungs- und Kompensationscharakter. Sie soll nicht zur Bestreitung des Lebensunterhalts dienen, sondern dem Arbeitnehmer durch einen finanziellen Zuschuss ermöglichen, die seitens des Arbeitgebers nicht gewährte ?körperliche Rehabilitationsphase? durch anderweitige Unternehmungen, welche auch ohne die Gewährung von Urlaub möglich sind (Wellness, Essen gehen etc.), zu kompensieren. Mithin ist die Urlaubsabgeltung ein Surrogat des Urlaubsanspruchs und scheidet demzufolge als anrechenbares Einkommen aus.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Berufung wird zugelassen, da die Voraussetzungen des § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG gegeben sind. Die Frage der Anrechnung einer Urlaubsabgeltung als Einkommen ist von der obergerichtlichen Rechtsprechung noch nicht geklärt.
Rechtskraft
Aus
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