S 96 AS 21253/12

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
96
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 96 AS 21253/12
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe:

Der Antrag des Klägers vom 15. August 2012, ihm Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin J M , W str ..., B , zu gewähren, war abzulehnen. Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gelten für die Gewährung von Prozesskostenhilfe im sozialgerichtlichen Verfahren die Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechend. Danach ist einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder in Raten aufbringen kann, auf seinen Antrag Prozesskostenhilfe zu gewähren, wenn die Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 114 ZPO). Für die Annahme hinreichender Erfolgsaussicht reicht "die reale Chance zum Obsiegen", nicht hingegen eine "nur entfernte Erfolgschance". Prozesskostenhilfe darf also nur verweigert werden, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, aber fernliegend ist (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 7. April 2000, 1 BvR 81/00, NJW 2000, S. 1936). Nach diesen Maßstäben war der Antrag hier abzulehnen, da für das Klagebegehren nur entfernte Erfolgschancen bestehen. Der Kläger macht mit seiner Klage höhere Leistungen allein mit Begründung geltend, die seit dem 1.1.2011 geltende Regelleistung sei nicht entsprechend den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts bemessen bzw. ermittelt worden. Für dieses Begehren bestehen allenfalls entfernte Erfolgaussichten. Das Bundessozialgericht hat in seinem Urteil vom 12. Juli 2012 (B 14 AS 153/11 R) die Höhe der Regelleistung und den Weg ihrer Ermittlung als verfassungsgemäß angesehen. Diese Entscheidung war – jedenfalls in Form eines Terminsberichts - auch bereits bekannt, als die Bewilligungsreife für den vorliegenden Antrag eingetreten ist. Damit unterscheidet sich der vorliegende Fall auch von dem der Entscheidung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 26.10.2012, Az: L 12 AS 1689/12 B, juris) zugrundeliegenden Fall. Allein die Tatsache, dass unter dem Zeichen 1 BvL 10/12 ein Vorlageverfahren zu der vorliegenden Rechtsfrage anhängig ist, begründet eine hinreichende Erfolgsaussicht nicht. Dies gilt umso mehr als das vorliegende Klagebegehren auf die Gewährung höherer Leistungen gerichtet ist. Selbst wenn man von einer gewissen Wahrscheinlichkeit ausgehen wollte, dass das Bundesverfassungsgericht die Ermittlung der Höhe der Regelsätze (erneut) beanstanden könnte, so kann das Klagebegehren doch nur erreicht werden, wenn das Bundesverfassungsgericht entweder selbst anordnet, dass höhere Leistungen auch rückwirkend bzw. für noch nicht rechtskräftig abgeschlossene Zeiträume zu gewähren sind oder der Gesetzgeber in einer eventuell erforderlich werdenden Neuregelung eine solche Rückwirkung anordnet. Dies ist jedoch in Hinblick auf die Vorgehensweise des Bundesverfassungsgerichts und des Gesetzgebers bei der Entscheidung über die "alten" Regelsätze nicht zu erwarten. Etwas anderes ergibt sich – entgegen der Auffassung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 4. Oktober 2012, Az: L 7 AS 1491/12 B – auch nicht daraus, dass das Bundesverfassungsgericht in seinen Urteilen zu den "alten" Regelsätzen vom 9. Februar 2010 (1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09) bestimmt hat, dass "die Verfassungswidrigkeit der vorgelegten Vorschriften und ihrer Nachfolgeregelungen bei Kostenentscheidungen zugunsten der klagenden Hilfebedürftigen angemessen zu berücksichtigen seien, soweit dies die gesetzlichen Bestimmungen ermöglichen" (BVerfG, a.a.O., Rn. 219). Denn die Bewilligung von Prozesskostenhilfe kennt allein das Kriterium der hinreichenden Erfolgsaussichten. Diese beziehen sich auf die Hauptsache, in der das Bundesverfassungsgericht Leistungen rückwirkend gerade nicht zugesprochen hat. Eine Kostenentscheidung im Sinne des zitierten Ausspruches des Bundesverfassungsgerichts ist die Prozesskostenhilfeentscheidung nach Auffassung der Kammer nicht und die gesetzlichen Bestimmungen ermöglichen (wegen des Kriteriums der Erfolgsaussicht) die vom Bundesverfassungsgericht angemahnte "angemessene" Berücksichtigung gerade nicht. Ebenso wenig lässt sich – entgegen der Auffassung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. September 2012, Az: L 6 AS 1895/11 B – eine Erfolgsaussicht in Hinblick auf die Gewährung höherer Leistungen daraus herleiten, dass das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 18. Juli 2012 zu den Regelungen des Asylbewerberleistungsgesetzes (Aktenzeichen: 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11) eine Übergangsregelung dergestalt getroffen hat, dass die Höhe der Geldleistungen auch im Anwendungsbereich des Asylbewerberleistungsgesetzes entsprechend den Grundlagen der Regelungen für den Bereich des SGB II und SGB XII zu berechnen seien und angeordnet hat, dass dies rückwirkend für nicht bestandskräftig festgesetzte Leistungen ab 2011 gelte und im Übrigen für die Zukunft, bis der Gesetzgeber seiner Pflicht zur Neuregelung nachgekommen ist. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht in Bezug auf das Asylbewerberleistungsgesetz einen Anspruch auf höhere Leistungen auch für vergangene, noch nicht rechtskräftig abgeschlossene Zeiträume angeordnet. Dort ging es jedoch um die Regelungen des Asylbewerberleistungsgesetzes, deren Leistungssätze teilweise erheblich hinter den hier streitgegenständlichen Leistungen zurückblieben. Und das Bundesverfassungsgericht hat als Übergangslösung eine Anspruchshöhe gewählt, die noch nicht einmal ganz den hier vom Kläger für nicht ausreichend erachteten Leistungen entspricht. Dies spricht aber gerade dafür, dass das Bundesverfassungsgericht diese Leistungen zumindest für so bemessen hält, dass sie geeignet sind, ein Leistungsniveau zu gewährleisten, das bis zu einer gesetzlichen Neuregelung als ausreichend anzusehen ist. Dies spricht aber eindeutig dagegen, dass das Bundesverfassungsgericht für Leistungsberechtigte nach dem SGB II für zurückliegende oder laufende Zeiträume einen Anspruch auf höhere Leistungen selbst anordnen oder dies dem Gesetzgeber aufgeben wird. Nach alledem war der Prozesskostenhilfeantrag wegen fehlender Erfolgaussichten abzulehnen (so im Ergebnis auch: Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7. August 2012, Az: L 18 AS 1908/12 B, sowie Beschluss vom 29. Februar 2012, Az: L 14 AS 206/12; Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 27. Mai 2011, Az: L 7 AS 342/11 B PKH, alle juris).
Rechtskraft
Aus
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