L 6 U 192/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 2 U 718/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 192/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Schriftliche Bekundungen von Ärzten, insbesondere solche, die im Verwaltungsverfahren als Gutachten gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 2 SGB X eingeholt werden, sind als Urkunden i. S. des § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 415 ff. ZPO zu verwerten und haben deshalb einen anderen Beweiswert und eine andere, nämlich begrenzte Beweiskraft, somit einen anderen Aussagewert als ein Gutachten im Rechtssinne (BSG SozR 1500 § 128 Nr. 24). Schon aus diesem Grund ist den eingeholten gerichtlichen Gutachten einen höheren Beweiswert zuzumessen. Anders als der im Verwaltungsverfahren beauftragte Gutachter muss sich der gerichtliche Sachverständige nämlich bewusst sein, dass seine Angaben unter der Strafdrohung der §§ 153 ff. Strafgesetzbuch stehen und er als Sachverständiger vereidigt werden kann (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. §§ 402 ff. ZPO).
2. Solange noch Anspruch auf Verletztengeld besteht, hat der Kläger nach § 72 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII keinen Verletztenrentenanspruch, dieser setzt vielmehr die Beendigung des Verletztengeldes voraus.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts M. vom 3. Dezember 2010 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger unter Abänderung des Bescheides vom 20. Juni 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Januar 2007 eine Verletztenrente wegen des am 6. Mai 2005 erlittenen Arbeitsunfalls nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 80 vom Hundert ab 26. August 2006 zu gewähren.

Die Beklagte trägt 4/5 der außergerichtlichen Kosten des Klägers im erstinstanzlichen Verfahren sowie vollumfänglich dessen außergerichtliche Kosten im Berufungsverfahren.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt eine Verletztenrente aufgrund eines von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfalls vom 06.05.2005.

Der 1951 geborene, als Marketingchef versicherungspflichtig beschäftigte Kläger prallte anlässlich eines Trainings für ein firmeninternes (IKEA) Fußballturnier am Freitag, den 06.05.2005 (fehlerhaft insoweit die Richtigstellung vom 16.06.2005, Bl. 11 d. B-Akten), gegen 21.40 Uhr mit einem Gegner zusammen, als dieser plötzlich stehenblieb und sich umdrehte (H-Arzt-Bericht vom 23.05.2005, Unfallanzeige vom 10.06.2005). Nach eigenen Angaben des Klägers sei er in vollem Lauf mit nach vorn gebeugtem Kopf auf den etwa um einen Kopf größeren Gegenspieler aufgelaufen und dabei mit der Stirn gegen dessen Schlüsselbein bzw. Schulterregion geprallt. Die Kollision habe zu einer sofortigen vollständigen Lähmung von Armen und Beinen geführt. Er sei in sich zusammengesackt und auf den Rücken gefallen. Er sei ansprechbar und nicht bewusstlos gewesen (anders in verschiedenen Arztberichten), habe aber seinen Körper nicht mehr gespürt und Arme, Beine und Zehen nicht bewegen können. Nach 5 oder 10 Minuten habe er ein starkes Stromstoßempfinden in den Fingern 2, 3 und 4 verspürt (GA Prof. Dr. L. vom 03.08.2005).

Seit dem 07.05.2005 bezog der Kläger durchgehend bis 24.05.2006 Verletztengeld, danach Krankengeld, unterbrochen durch Übergangsgeld vom 26.08. bis 28.10.2006, danach ab 04.11.2006 Arbeitslosengeld I. Aufgrund seines Rentenantrags vom 17.08.2006 wurde ihm zunächst befristet Erwerbsminderungsrente bewilligt (Bescheid vom 20.04.2007), die dann in eine unbefristete Rente bis zur Regelaltersrente abgeändert wurde (Bescheid vom 29.11.2007). Der Grad der Behinderung (GdB) des Klägers beträgt seit 06.05.2005 80 (abgeändert in 90 seit 20.08.2009, Bescheid vom 24.02.2010), es sind die Nachteilsausgleiche "G" und "B" anerkannt (Bescheid vom 08.01.2007).

Der Kläger wurde zunächst mit dem Krankenwagen in die Chirurgische Abteilung der Universitätsklinik H. gebracht, wo eine knöcherne Computertomographie durchgeführt und eine Fraktur der Wirbelsäule ausgeschlossen und er in die Abteilung Orthopädie I der Orthopädischen Universitätsklinik H. verlegt wurde. Dort wurden Hypästhesien an der Oberschenkelinnenseite entsprechend dem Dermatom L 3 beidseits sowie dem Dermatom C6 beidseits festgestellt, wobei Miktion, Stuhlgang und Reiterhose unauffällig gewesen seien und ein motorisches Defizit nicht bestanden habe. Es habe eine mehrstündige Tetraplegie bestanden. Es sei eine Schmerzmedikation durchgeführt, vorübergehende Bettruhe angeordnet und mit krankengymnastischen Übungsmaßnahmen begonnen worden. Der urologische Konsiliarius habe bei Restharn eine Prostatahypertrophie sowie eine BOC diagnostiziert, die mit Alna-Medikation behandelt worden sei. Der neurologische Konsiliarius habe ein Carpaltunnelsyndrom beidseits, eine Contusio spinalis, eine motorische Dysästhesie und Pallästhesien im Bereich des Daumens, Zeige- und Mittelfingers festgestellt. Im magnetresonanztomographischen (MRT-) Befund der Wirbelsäule seien breitbasige, mehretagige Protrusionen im Bereich der Lendenwirbelsäule (LWS) sowie Bandscheibenvorwölbungen im Bereich der Halswirbelsäule (HWS), aber keine myelopathischen Veränderungen des Rückenmarks gesehen worden. Während des stationären Aufenthaltes bis 18.05.2005 sei es zu einer deutlichen Rückbildung der Dysästhesien im Bereich der Hände gekommen, motorische Defizite seien nicht aufgetreten (Oberarzt Dr. S. und Chirurg Dr. T. vom 23.05.2005, Bl. 6 VA). Eine Vorstellung in der Abteilung Orthopädie II (Querschnittszentrum) der Orthopädischen Universitätsklinik H. erfolgte zu diesem Zeitpunkt ebenso wenig wie eine querschnittsspezifische Diagnostik auf urologischem und neurologischem Fachgebiet.

Nach Entlassung aus der Klinik wurde der Kläger zunächst bei niedergelassenen Fachärzten wegen fortbestehender urologischer Beschwerden, Sensibilitätsstörungen und Gangunsicherheit weiter behandelt (vgl. diverse Zwischenberichte Dr. Dr. K., Arzt für Chirurgie, (Contusio spinalis C6 mit Parästhesien D2/3 bds), Arztschreiben Dr. B., Facharzt u.a. für spezielle Schmerztherapie, vom 02.06.2005 (persistierende Schmerzen und Parästhesien bei Contusio spinalis C6), Befundberichte Dr. W., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, vom 12.05. und 15.06.2005 (Z. n. Contusio spinalis C6 mit Querschnittssyndrom, Carpaltunnelsyndrom beidseits, rechts betont), vom 28.06.2005 (zusätzlich: postparoxysmaler Lagerungsschwindel, Spannungskopfschmerzen), vom 22.09.2005 (Contusio spinalis mit Querschnittssyndrom, Carpaltunnelsyndrom beidseits, dissoziierte Sensibilitätsstörung, reaktive Depression)). Im fachneurochirurgischen Befundbericht des Universitätsklinikums H. vom 13.07.2005, wo sich der Kläger wegen einer Zunahme der Symptomatik bei dumpfen holozephalen Kopfschmerzen sowie einem leichten Schwindel vorstellte, wurde nach Durchführung einer kranialen Computertomographie ein altersentsprechender Normalbefund ohne Anhalt für stattgehabte Blutungen oder Frakturen bei regelrechten Liquorräumen erhoben.

Am 16.09.2005 stellte sich der Kläger erstmals ambulant in der Abteilung Orthopädie II der Orthopädischen Universitätsklinik H. vor, wo aktuell eine persistierende Harninkontinenz diagnostiziert wurde (Bericht vom 19.09.2005). Er wurde deswegen zur weiteren Diagnosestellung vom 04. bis 14.10.2005 stationär aufgenommen. Dabei wurden eine inkomplette Tetraplegie unterhalb C4 bei Z. n. Contusio spinalis, degenerative HWS mit Retrospondylose und Uncovertebralarthrose C3 bis C6, Spinalkanalstenose, neurogene Harnblasenlähmung, persistierende Harninkontinenz bei hyperreflexiver Blasenlähmung, zunehmende Sensibilitätsstörung festgestellt. Während sich anhand der am 11.10.2005 durchgeführten Kernspintomographie der HWS und Brustwirbelsäule (BWS) kein eindeutiges Myelopathiesignal im Bereich der BWS fand, konnte dies im Bereich der HWS nicht eindeutig ausgeschlossen werden. Anhaltspunkte für eine Syringomyelie fanden sich ebenso wenig wie ein frisches Wirbelkörperödem. Die durchgeführte Urodynamik zeigte eine hyperreflexive Blase mit Restharnbildung von ca. 150 mml. Der Kläger erlernte deshalb den intermittierenden Selbstkatheterismus und es wurde eine entsprechende medikamentöse Therapie begonnen (Bericht vom 20.10.2005, Bl. 86 VA). Die Verlaufskontrolle vom 05.12.2005 ergab im neurologischen Status ebenso wenig Differenzen zu den Vorbefunden vom Oktober 2005 wie keine Veränderung der Lähmungen der Blasensituation, auch die Medikation hatte auf die Blasenfunktion keinen Einfluss. Der Kläger entleerte weiterhin über intermittierenden Selbstkatherterrismus regelmäßig vier bis fünf Mal täglich die Blase bei konstanten Blasenvolumina. Außerdem berichtete der Kläger weiterhin über Kopfschmerzen mit Konzentrationsstörungen, schnell auftretenden Ermüdungserscheinungen, Hypersensibilität im Bereich der oberen Extremitäten beidseits mit Schmerzhaftigkeit bei Berührung und im rechten Bein sowie das Gefühl offenen Fleisches im Bereich des rechten Fußes (Bericht vom 06.12.2005, Bl. 104 VA).

Die Beklagte zog das Vorerkrankungsverzeichnis des Klägers bei (Bl. 58 VA). Hieraus ergibt sich, dass der Kläger u. a. vom 23.11. bis 24.12.1992 wegen einer Retrobulbineuritis (richtig: Retrobulbärneuritis, entzündliche Erkrankung des Sehnervs), vom 03. bis 12.09.1997 wegen einer HWS-Distorsion, vom 18. bis 26.05.1999 wegen Lumboischialgie und vom 07.12.2000 bis 30.06.2001 wegen Angina pectoris, Reaktion auf schwere Belastung, Herzinsuffizienz, V. a. funktionelle Herzbeschwerden sowie psychovegetativem Erschöpfungszustand arbeitsunfähig gewesen ist.

Auf den Gutachtervorschlag der Beklagten vom 28.11.2005 teilte der Kläger am 13.12.2005 telefonisch mit, die Begutachtung solle durch Prof. W. erfolgen. Im dann allerdings von Dr. B., Facharzt für Orthopädie-Chirotherapie, erstatteten und von diesem in Vertretung für Prof. Dr. K. unterzeichneten Gutachten vom 10.03.2006 wurde ein leichtes Carpaltunnelsyndrom beidseits ohne Unfallzusammenhang, eine unklare und neurologisch nicht zuzuordnende Oberflächensensibilität im Bereich des rechten Oberschenkels und des Fußes sowie Schmerzen bedingt durch verschiedene degenerative Veränderungen im Bereich des Skeletts diagnostiziert. Der Kläger habe wohl durch den Unfall eine Contusio spinalis erlitten, allerdings zeige die Schnittbilddiagnostik keine richtungsweisenden Veränderungen im Myelom (richtig: Myelon). Das anfängliche Bild einer Contusio spinalis lasse sich nach der jetzigen Untersuchung nicht wahrscheinlich machen. Es seien wesentliche unfallunabhängige Vorerkrankungen wie Angina pektoris, Zustand nach HWS-Distorsion, depressive Erschöpfungszustände, degenerative Wirbelsäulenveränderungen, HWS-, Karpaltunnelsyndrom bds. und Meniskusschaden Kniegelenke bekannt, so dass der Unfall eine Gelegenheitsursache darstelle. Die Arbeitsfähigkeit sei bis zum 05.07.05 gerechtfertigt. Im nervenfachärztlichen Zusatzgutachten vom 07.02.2006 führte der Arzt für Neurologie und Psychiatrie B. aus, die Sensibilitätsstörung an den Händen entspreche einem Carpaltunnelsyndrom, das auch elektrophysiologisch habe objektiviert werden können. Ein Unfallzusammenhang bestehe insoweit nicht. Auch die angegebenen Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen und die abnorme Ermüdbarkeit seien ohne jeglichen Unfallzusammenhang, bei der kernspintomographischen Untersuchung sei insoweit eine beginnende mikroangiopathische Gefäßerkrankung festgestellt worden. Befunde, die die Anfangsdiagnose einer Contusio spinalis bestätigen könnten, hätten sich bei den Untersuchungen nicht ergeben und seien bei einem normalen Wirbelsäulen-MRT auch unwahrscheinlich. Insgesamt bestehe aus rein nervenärztlicher Sicht keine unfallbedingte MdE. Im radiologischen Zusatzgutachten gab Dr. S. unter dem 09.02.2006 an, der Kläger habe klinisch durch den Unfall eine Contusio spinalis erlitten. Allerdings zeige die Schnittbilddiagnostik keine richtungsweisenden Veränderungen im Myelon und im Bereich der Knochen und Bandscheiben keine posttraumatischen Veränderungen. Prädisponierend für die Contusio sei mit ziemlicher Sicherheit die ausgedehnte Degeneration knöchern und weichteilbedingt im Bereich der HWS. Hier sei der Liquorraum zum Teil vollständig aufgebraucht, das Myelon werde sowohl von knöchernen als auch Bandscheibenstrukturen erreicht, jedoch noch nicht eindeutig komprimiert (Bl. 122 VA).

Ergänzend hat Dr. B., auch hier zusätzlich in Vertretung für Prof. Dr. K., unter dem 04.04.2006 mitgeteilt, die Arbeitsunfähigkeit sollte vom Unfalltag bis zum 05.07.2005 wegen einer vorübergehenden Verschlechterung der Beschwerden bei vorstehendem Befund an der Wirbelsäule akzeptiert werden. Darüber hinaus bestehe keine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) mehr (Bl. 168 VA).

Im Verlaufsbericht vom 12.04.2006 hat Dr. Dr. K. von einem insgesamt unveränderten Befund berichtet, die Schmerzen seien nach wie vor vorhanden, an der Blasenentleerungsstörung habe sich nichts geändert, auch der Stuhlgang bedürfe der regelmäßigen Einnahme von Abführmitteln. Nach zweistündigem Sitzen träten Kopf- und Nackenschmerzen auf, am rechten Fuß seien beim Auftreten die stechenden Schmerzen immer noch vorhanden, die Sensibilitätsstörungen am rechten Bein seien ebenfalls unverändert. Der Kläger sei vermutlich auf Dauer arbeitsunfähig.

Mit Bescheid vom 20.06.2006 lehnte die Beklagte einen Anspruch auf Rente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 06.05.2005 ab. Arbeitsunfähigkeit sowie Behandlungsbedürftigkeit hätten für einen Zeitraum von zwei Monaten, also bis einschließlich 05.07.2005 bestanden. Die Voraussetzungen für einen Rentenanspruch lägen nicht vor, da die Erwerbsfähigkeit nicht über die 26. Woche hinaus nach Eintritt des Arbeitsunfalls bzw. nach dem Ende des Verletztengeldanspruchs um wenigstens 20 vom Hundert (v. H.) gemindert sei. Das Ereignis vom 06.05.2005 sei entsprechend der fachärztlichen Beurteilung in den Gutachten der BG-Klinik L. allenfalls geeignet gewesen, zu einer vorübergehenden Verschlimmerung der vorbestehenden Aufbrauchserscheinungen der Wirbelsäule zu führen. Diese Verschlimmerung sei auf einen Zeitraum von zwei Monaten zu begrenzen. Die über den 05.07.2005 hinaus noch bestehenden Beschwerden seien demnach nicht mehr dem Arbeitsunfall zuzuordnen.

Mit dem hiergegen eingelegten Widerspruch rügte der Kläger Verfahrensfehler hinsichtlich des eingeholten Gutachtens. Er habe sich für Prof. Dr. W. als Gutachter entschieden, der jedoch das Gutachten nicht erstellt habe. Vielmehr sei das Hauptgutachten von Oberarzt Dr. B. erstellt und von Prof. Dr. K. mit unterzeichnet worden. Außerdem sei lediglich ein nervenfachärztliches Zusatzgutachten bei Dr. B., das Hauptgutachten jedoch auf orthopädischem Fachgebiet eingeholt worden. Auffällig sei, dass weder die Behandlungsunterlagen der Erstbehandlung in der Abteilung Orthopädie I noch die weiteren Behandlungsunterlagen über den stationären Aufenthalt vom 04. bis 14.10.2005 in der Abteilung Orthopädie II der Orthopädischen Universitätsklinik H. bei der Begutachtung vorgelegen hätten. Unberücksichtigt geblieben seien auch die beim Kläger vorliegende Blasenlähmung, aufgrund derer er eines Blasenkatheters bedürfe, sowie die bestehenden Mastdarm-Miktions-Probleme und die seit dem Unfallereignis vorliegenden Erektionsstörungen.

Mit Schreiben vom 18.10.2006 teilte Prof. Dr. W. gegenüber der Beklagten mit, er habe sich das Gutachten zur Zusammenhangsfrage, erstattet durch Herrn Prof. Dr. K., am 10.03.2006 durchgesehen. Das Gutachten sei schlüssig und werde von ihm inhaltlich geteilt (Bl. 232 d. VA).

Prof. Dr. K. wandte sich mit Schreiben vom 21.11.2006 an die Beklagte und führte aus, dass eine neuro-urologische Zusatzbegutachtung im Hinblick auf die erfolgte urodynamische Untersuchung im Rahmen der stationären Behandlung in H. im Oktober 2005 nicht notwendig sei. Diese habe eine hyperreaktive Reflexblase ergeben, wie sie bei der Schädigung des Rückenmarks typisch sei. Unmittelbar nach dem Unfallereignis mit der passageren Tetraplegie sei eine starke Rückbildung der Symptomatik erfolgt, bis zuletzt im Prinzip nur noch Sensibilitätsstörungen vorgelegen hätten. Erst vier Wochen später sei es zu einem erneuten Auftreten von Beschwerden gekommen, die in die jetzt bestehende Symptomatik übergegangen seien. Gegen eine Contusio spinalis, also eine schwere Kompression des Rückenmarks, spreche, dass zu keinem Zeitpunkt kernspintomographisch eine Veränderung des Myelons habe festgestellt werden können. Es sei daher nur von einer Commotio spinalis mit entsprechend rascher Rückbildung der Querschnittsymptomatik bzw. Lähmungssymptomatik gekommen. Die im weiteren Verlauf erneut aufgetretene Beschwerdesymptomatik sei auf eine Myelopathie im Rahmen der ausgeprägten Spinalkanalstenose im Cervikalbereich zurückzuführen.

Der Kläger legte den Entlassungsbericht der Asklepios Klinik Sch. (Rehabilitationsmaßnahme vom 24.08. bis 28.10.2006) vom 16.11.2006 vor. Hierin wird ausgeführt, der Kläger leide an einer spinaler Contusion mit einer reversiblen Querschnittsymptomatik sowie einer zervikalen Spinalkanalstenose HWK 3-6, wobei weder eine sichere Parese noch eine spastische Tonuserhöhung vorliege, wohl aber ein herabgesetztes Schmerzempfinden. Der Kläger sei weder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch in seiner letzten beruflichen Tätigkeit über 3 Stunden täglich leistungsfähig. Bei völlig leerer Vorgeschichte und beim objektiven Befund einer Tetraparese könne an einer unfallbedingten Entstehung der Querschnittlähmung kein Zweifel bestehen. Auch die vorbestehenden degenerativen Veränderungen der HWS seien nicht ausreichend, um eine akute Querschnittsymptomatik zu erklären. In der wissenschaftlichen Literatur werde nicht diskutiert, dass das Vorhandensein von sog. degenerativen Veränderungen der HWS zu spinalen Contusionen disponiere. Bekannt sei allerdings, dass es z.B. zwischen Rückenschmerzen und den sichtbaren Veränderungen in der Bildgebung (vor allem im Röntgenbild) keine Korrelation gebe.

Der Bitte des Klägers, zur Feststellung des Zusammenhangs eine neurologische Begutachtung bei Dr. F. zu veranlassen, kam die Beklagte nicht nach, da im Feststellungsverfahren ausreichend ermittelt worden sei (Schreiben der Beklagten vom 13.12.2006). Dem trat der Kläger entgegen und legte des Weiteren das Gutachten nach Aktenlage des Dr. A., Agentur für Arbeit M., vom 05.12.2006 vor. Hierin kommt dieser zu dem Ergebnis, dass aus ärztlicher Sicht kein Zweifel an der unfallbedingten Entstehung der Querschnittlähmung besehe. Die Verengung des Spinalkanals sei nicht Auslöser der Symptomatik, ohne den Sportunfall wäre es nie zu dieser Schädigung gekommen. Die inkomplette Querschnittlähmung sei trotz intensiver therapeutischer Maßnahmen bisher nicht völlig beseitigt worden. Der Kläger sei besonders durch eine erhebliche Schmerzsymptomatik belastet, daneben bestünden deutliche Gefühlsstörungen im linken Arm, in den Händen und an der rechten Fußsohle.

Mit Widerspruchsbescheid vom 23.01.2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, da die Gutachter übereinstimmend zu dem Ergebnis gekommen seien, dass das Ereignis vom 06.05.2005 zwar geeignet gewesen sei, eine schwere Prellung der Wirbelsäule zu verursachen, diese aber lediglich zu einer vorübergehenden Verschlimmerung bereits vorbestehender Aufbraucherscheinungen der Wirbelsäule geführt habe. Darüber hinaus sei der Geschehensablauf nicht geeignet gewesen, die anschließend festgestellten Gesundheitsstörungen wesentlich zu verursachen. Neben dem Sturzereignis sei zu werten, dass bereits vor dem 06.05.2005 eine ausgeprägte Spinalkanalstenose vorgelegen habe. Es hätten massive altersbedingte Veränderungen der HWS, weniger ausgeprägt der unteren BWS und oberen LWS sowie ebenfalls degenerative bandscheibenbedingte Veränderungen bestanden. Befunde, welche die anfangs gestellte Diagnose einer Contusio spinalis hätten bestätigen können, hätten sich durch weitere Untersuchungen nicht ergeben. Keinesfalls sei es jedoch durch eine derartige Verletzung zu einer richtungsweisenden Veränderung gekommen.

Hiergegen hat der Kläger am 23.02.2007 mit dem Begehren Klage beim Sozialgericht M. (SG) erhoben, die Beklagte zur Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE von 100 v. H. zu verurteilen. Die im September 1997 berichtete HWS-Distorsion sei auf einen der BG gemeldeten Wegeunfall (Schleudern des Pkw bei Glätte) zurückzuführen. Er habe damals eine Bewegungseinschränkung und Schmerzen erlitten, drei Tage eine Halskrause tragen müssen und sei in den Folgejahren beschwerdefrei gewesen. Neben bereits aktenkundigen ärztlichen Unterlagen hat der Kläger das im Auftrag seiner privaten Unfallversicherung in Auswertung sämtlicher Behandlungsberichte erstattete neurologisch-psychiatrische Gutachten des Prof. Dr. L., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, vom 03.08.2006 vorgelegt.

Danach haben die von Prof. Dr. L. durchgeführten klinisch neurophysiologischen Untersuchungen eine beiderseitige rechtsbetonte Reduktion der zervikalen Reizantworten über HWK 2 und HWK 7 sowie einen Verlust der Antwort rechts über HWK 7 gezeigt, was für eine schwere Leitungsstörung im unteren bis mittleren Halsmark rechts mehr als links spreche, wobei die Fortleitung insgesamt noch erhalten sei. Hinweise auf ein peripheres Engpass-Syndrom etwa in Höhe des Carpaltunnels oder der Ulnarisrinne beiderseits seien nicht zu erkennen. Es handele sich also um eine Contusio spinalis in Höhe von C6 durch das stumpfe spinale Trauma am 06.05.2005 ohne nachweisbare traumatische knöcherne Veränderungen oder Bandscheibenschäden in dieser Höhe. Der initiale Verlauf sei gekennzeichnet durch einen spinalen Schock mit Tetraparese sowie schon Minuten später beginnenden elektrisierenden Reizerscheinungen in den Segmenten C7 beiderseits. Nach Abklingen des initialen spinalen Schocks am nächsten Tag sei es zu einer Erholung der motorischen Funktionen, jedoch mit rechtsbetonten leichten Restparesen, insbesondere im rechten Bein sowie mit deutlichen Sensibilitätsstörungen und Reizerscheinungen in den Armen sowie einem deutlichen dissoziierten sensiblen unteren Quadrantensyndrom rechts mit entsprechender Funktionsbehinderung gekommen. Außerdem habe sich eine neurogene Reflexblase neben einer erektilen Dysfunktion mit einer inkompletten Stuhlinkontinenz entwickelt. Zwar hätten die kernspintomographischen Untersuchungen keine Verletzungen der Wirbelsäule sowie direkte traumatische Läsionen des Rückenmarks oder der Nervenwurzeln erkennen lassen. In keiner der Kernspinotomographie-Untersuchungen seien jedoch hochauflösende Schichten im Zervikalmarkbereich gefahren worden, so dass Mikroläsionen und K.ste Einblutungen nicht hätten ausgeschlossen werden können. Die von Anfang an im CT und im MRT nachweisbare weitgehend während des folgenden Jahres bis zum heutigen Tage unveränderte cervikale Spinalkanalstenose der mittleren bis unteren Halswirbelsäule aufgrund vorangehender und somit vorliegender degenerativer Veränderungen der Wirbelsäule sei als höhergradig bis hochgradig anzusehen und messe an der engsten Stelle nur sechs Millimeter im AP-Durchmesser. Diese cervikale Spinalkanalstenose habe als sog. Hypomochlion im Sinne eines Widerlagers gewirkt, da es bei völlig aufgebrauchtem Subarachnoidalraum durch den plötzlichen Anprall zu einer Dehnung bis Überdehnung und Zerrung des Rückenmarks schräg nach rechts vorn in diesem zu engen Spinalkanal gekommen sei. Hieraus habe die Zerrung der Hinterwurzeln bzw. Hinterwurzeleintrittszonen C7 beiderseits resultiert, möglicherweise auch leicht der Wurzeln C6, also oberhalb, da offenbar am Anfang der Daumen mitbeteiligt gewesen sei und deshalb irrtümlicherweise ein Carpaltunnel-Syndrom diagnostiziert worden sei. In dieser Höhe habe der Scheitelpunkt der Überdehnung auf der Rückseite des Rückenmarks gelegen. Zusätzlich sei es durch die schräge Überdehnung zu einer Dehnung oder Kontusion des Traktus spinothalamikus links, also des Vorderseitenstrangs des Rückenmarks links gekommen, wobei durch den lamellären Aufbau in dieser Höhe die sakralen und lumbalen Segmente am weitesten außen lägen und daher als erste in Mitleidenschaft gezogen würden. Hieraus resultiere die dissoziierte Quadrantenstörung rechts mit sog. afferenter Parese des rechten Beines, d. h. Lähmung aufgrund der vorliegenden Gefühlsstörung. Als Folgen der Hinterwurzel- bzw. Hinterwurzeleintrittszonenläsionen C7 beiderseits bestehe eine erhebliche Schmerzsymptomatik mit Hyperpathie und Parästhesie sowie Dysästhesie und Allodynie von radikulärem Charakter in den Dermatomen C7 beiderseits. Folge der Läsion des Traktus spinothalamikus links in Höhe des unteren Halsmarks sei eine quadrantenförmige hochgradige Störung der protopathischen Sensibilität ab Th 12 rechts verbunden mit Phantomgefühl im rechten Bein und Gangstörung. Als Folge der spinalen Contusion in Höhe der unteren Halswirbelsäule mit zentralem Marksyndrom bestehe ein vegetatives Syndrom mit neurogener Reflexblase, erektiler Dysfunktion und inkompletter Stuhlinkontinenz. Folge der posttraumatischen Gefügelockerung im Bereich des kranio-cervikalen Übergangs seien bewegungsabhängige rechts okzipitale Schmerzen mit rechtsseitigen Kopfschmerzen und hierdurch bedingten cervikalen Schwindelerscheinungen. Das stumpfe Halswirbelsäulentrauma am 06.05.2005 sei wesentliche Ursache für den Eintritt der jetzt vorliegenden Gesundheitsstörungen.

Die Großhandels- und Lagerei-BG hat am 24.07.2007 auf Nachfrage des SG mitgeteilt, medizinische Unterlagen zu der Unfallsache vom 03.09.1997 lägen nicht mehr vor. Es habe sich nach den per EDV gespeicherten Daten um eine Bagatellverletzung gehandelt.

Das SG hat Prof. Dr. G., Abteilung Orthopädie II der Orthopädischen Universitätsklinik H., mit der Erstattung eines fachorthopädischen Gutachtens beauftragt. Das auf Anraten des Oberarztes Dr. F. zunächst bei Dr. R., Neurourologische Universitätsklinik H., in Auftrag gegebene Zusatzgutachten hat wegen Unzustellbarkeit des Gutachtensauftrags nicht eingeholt werden können. Nach orthopädischer Untersuchung des Klägers am 12.11.2007 und neurourologischer Untersuchung vom 06.03.2008 ist der Sachverständige in seinem am 08.07.2009 erstatteten Gutachten zu dem Ergebnis gelangt, dass unfallbedingt eine inkomplette Tretraplegie unterhalb C4, eine neurogene Harnblasenlähmung sowie eine neurogene Mastdarmlähmung nach Contusio spinalis des Halsmarks mit zentralem Rückenmarkssyndrom, die nicht zwangsläufig zu einer im Kernspinn darstellbaren Myelopathie führe, bestehe. Die degenerative Spinalkanalstenose der Halswirbelsäule sei unfallunabhängig und bis zum Unfallzeitpunkt asymptomatisch gewesen, sie hätte dies auch den Rest des Lebens bleiben können. Die durch den Unfall bedingte MdE hat der Sachverständige mit 100 v. H. ab dem 07.05.2007 eingeschätzt.

Die Beklagte hat an ihrer Auffassung festgehalten, eine Contusio spinalis sei nicht erwiesen. Allein der Hinweis des Sachverständigen, bei einer Contusio spinalis müsse es nicht zwingend zu einer in der Kernspintomographie darstellbaren Myelopathie kommen, genüge dafür nicht. Zumindest erfordere das entsprechende Fachliteratur zur Bekräftigung dieser Aussage. Außerdem sei die Wesentlichkeit der unfallbedingten Krankheitsschäden nicht detailliert dargelegt worden.

Nachdem Prof. Dr. G. zum 01.10.2009 in den Ruhestand getreten war, hat Dr. F. die ergänzende Stellungnahme vom 23.08.2010 abgegeben. Hierin wird nochmals im Einzelnen unter Benennung zahlreicher Literaturnachweise dargelegt, dass nicht bildmorphologische Veränderungen, sondern die bleibenden klinischen Ausfälle im Zusammenhang mit einem entsprechenden Trauma für die Diagnostik einer Contusio spinalis zwingend erforderlich seien. Außerdem könne eine morphologische Veränderung im Myelon auch deshalb nicht erkennbar sein, weil diese durch die entsprechende Schichtdicke in einer kernspintomographischen Darstellung nicht geschnitten worden sei. Dies sei bei einer sehr K.en Läsion, wie sie bei dem Kläger zu erwarten sei, äußerst wahrscheinlich. Sämtliche im Gutachten vom 08.07.2009 genannten Diagnosen und aktuellen Beschwerden des Klägers seien mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit durch den Unfall vom 06.05.2005 bedingt. Es sei hierbei in direktem Zusammenhang mit dem Unfallereignis zu einer Querschnittlähmung im Bereich des Halsmarks mit zentralem Rückenmarksyndrom und sich dann teilweise zurückbildender folgender Tetraparese (inkomplette Tetraplegie) mit neurogener Harnblasen- und Mastdarmlähmung gekommen. Diese Verletzung entspreche dem klassischen Verlauf und den Symptomen des zentralen Rückenmarksyndroms bei Contusio spinalis. Die Hinweise auf die Vorerkrankungen gingen fehl. Lumboischialgiforme Beschwerden bezögen sich ausschließlich auf die LWS und nicht auf die HWS. Die im Vorerkrankungsverzeichnis genannten Rückenbeschwerden seien nicht morphologisch bedingt, sondern funktionell. Vorerkrankungen wie lumboischialgiforme Beschwerden des Rückens und der HWS und ein psychovegetatives Erschöpfungssyndrom bedingten darüber hinaus keine traumatische Querschnittlähmung, welche bei dem Kläger eindeutig vorliege. Hierzu bedürfe es eines entsprechenden Traumas, welches hier auch vorgelegen habe. Der Kläger habe zwar an einer vorbestehenden Spinalkanalstenose gelitten, diese sei jedoch nicht schwer gewesen. Hierfür wären sanduhrförmige Einengungen des Rückenmarks in der Bildgebung erforderlich gewesen, die bei dem Kläger nicht vorlägen. Es habe sich vielmehr um eine bis zum Unfallereignis asymptomatische Spinalkanalstenose gehandelt. Diese sei nicht ursächlich für die Querschnittlähmung. Das eindeutig diagnostizierte Carpaltunnelsyndrom sei vor dem Unfallereignis vom 06.05.2005 nicht vorhanden gewesen. Aufgrund der Querschnittlähmung seien sowohl in der Phase der Rehabilitation als auch in der weiteren Zeit die oberen Extremitäten deutlich stärker belastet als bei einem Nicht-Querschnittgelähmten. Dies könne zur Entstehung von Erkrankungen der oberen Extremität führen, wie z.B. dem Carpaltunnelsyndrom. Da bei dem Kläger ein Carpaltunnelsyndrom vor dem Unfallereignis nicht bekannt gewesen, sondern erst im späteren Verlauf aufgetreten sei, sei dieses somit als Unfallfolge zu werten.

In der vorgelegten beratungsärztlichen Stellungnahme des Dr. M., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, vom 17.11.2010 wird ausgeführt, dass eine Tetraplegie in den ärztlichen Unterlagen nicht dokumentiert sei. Würde man eine solche vorübergehend bis zur Aufnahme in der Orthopädischen Klinik in der Unfallnacht annehmen, so wäre hier von einer reversiblen Symptomatik im Sinne einer Commotio spinalis, niemals von einer Contusio spinalis auszugehen. Entscheidend für den Ursachenzusammenhang sei auch die Beurteilung des weiteren Verlaufes, so dass bei zunächst eher weniger gravierenden Symptomen in den ersten Monaten und einer deutlichen Zunahme der Symptomatik (Sensibilitätsstörungen) von einem Crescendoverlauf auszugehen wäre, der mit einem angenommenen Unfallmechanismus Contusio oder auch Commotio spinalis nicht übereinstimme. Es sei von allen Gutachtern im Verfahren übersehen worden, eine demyelinisierende Erkrankung als mögliche Ursache der Beschwerdesymptomatik (z.B. Restharnbildung) zu diskutieren, obwohl entsprechende Kernspinbefunde des Schädels vorgelegen hätten und aus der Vorgeschichte eine Retrobulbärneuritis beim Versicherten beschrieben sei. Eine MdE von 100 v. H. sei weder vor dem Hintergrund der vorliegenden Funktionsausfälle noch nach den Ausführungen der unfallversicherungsrechtlichen Literatur nachvollziehbar, ganz abgesehen davon, dass der Vorschaden nicht berücksichtigt worden sei. Es sei daher eine neue umfangreiche Begutachtung des Versicherten erforderlich, die eine differenzierte Vorerkrankungsanamnese enthalten müsse. Es sei unwahrscheinlich, dass eine Retrobulbärneuritis nicht auch z.B. neurologischerseits untersucht oder behandelt worden sei. Käme der neue Gutachter zu dem Schluss, dass die Symptomatik ausschließlich durch den Unfall erklärbar sei, sei auch noch ein biomechanisches Gutachten zu fordern, in dem zu klären sei, ob überhaupt ein so geschilderter Unfallablauf zu einer derartigen Contusion bzw. Commotio spinalis führen könne.

Mit Urteil vom 03.12.2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat sich das Gericht auf die Äußerungen des Neurologen und Psychiaters B. im nervenärztlichen Zusatzgutachten vom 07.02.2006 und die Stellungnahme des Prof. Dr. K. in seinem Gutachten vom 10.03.2006 gestützt. Diese Gutachten seien verwertbar, obwohl insbesondere die Begutachtung durch Prof. Dr. K. unter Verstoß gegen § 200 Abs. 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) zustande gekommen sei. Voraussetzung für ein Verwertungsverbot wäre jedoch gewesen, dass der Kläger selbst zeitnah Widerspruch gegen die Begutachtung durch einen anderen, ihm nicht vorab benannten Arzt erhoben hätte. Hieran fehle es vorliegend. Weder im Zusammenhang mit der Untersuchung noch nach Erteilung des Gutachtens habe sich der Kläger insoweit geäußert. Ein Widerspruch gegen die Begutachtung sei erst nach Ablehnung seines Antrags durch die Beklagte im Bescheid vom 20.06.2006 im Rahmen der Widerspruchsbegründung erfolgt. Die maßgeblichen Befunde ließen die Diagnose einer Contusio spinalis nicht zu, denn es fehle an Veränderungen im Myelon. Auch im Bereich der Knochen und der Bandscheiben seien keine posttraumatischen Veränderungen feststellbar gewesen. Dr. Sch. habe zwar eine Contusio spinalis diagnostiziert, allerdings seien Miktion und Stuhlgang unauffällig gewesen, so dass die Befunde eine solche Diagnose nicht rechtfertigten. Auch das Gutachten des Sachverständigen Dr. G. sei nicht geeignet, diese Zweifel auszuräumen. Er setze in seinem Gutachten voraus, dass eine Contusio spinalis des Halsmarks mit einem zentralen Rückenmarksyndrom vorgelegen habe. Gerade dies lasse sich aber aufgrund der geschilderten Einwendungen nicht mit dem erforderlichen Wahrscheinlichkeitsgrad annehmen. Die Beklagte habe zu Recht darauf hingewiesen, dass der Kläger allenfalls eine Commotio spinalis erlitten haben könne, die jedoch definitionsgemäß nach wenigen Tagen abheile. Gerade dies sei jedoch nicht der Fall gewesen, der zeitliche Verlauf der Erkrankung habe sich im Gegenteil anders dargestellt. Unmittelbar nach dem Unfall seien keine derart gravierenden Unfallfolgen festzustellen gewesen, diese hätten sich erst im zeitlichen Ablauf und in deutlichem zeitlichen Abstand zum Unfallereignis selbst entwickelt. Dieser zeitliche Ablauf spreche gegen einen Zusammenhang der Beschwerden des Klägers mit dem Unfallereignis, worauf Dr. M. in der beratungsärztlichen Stellungnahme zu Recht hingewiesen habe.

Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 22.12.2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 14.01.2011 Berufung eingelegt. Zur Begründung wird darauf hingewiesen, dass der Sachverständige Prof. Dr. G. keineswegs eine Contusio spinalis vorausgesetzt, sondern diese unter Berücksichtigung der Vorbefunde selbst diagnostiziert habe. Ebenfalls unberücksichtigt gelassen habe das SG die Feststellung des Dr. S. im radiologischen Zusatzgutachten vom 09.02.2006, wonach der Kläger klinisch durch den Unfall eine Contusio spinalis erlitten habe. Diese Diagnose decke sich mit der des Sachverständigen Prof. Dr. G ... Soweit Dr. S. aufgrund seiner radiologischen Untersuchung keine Veränderungen im Myelon festgestellt habe, sei im Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. G. im Einzelnen erklärt, weshalb dies nicht zwingend gegen die diagnostizierte Contusio spinalis spreche. Außerdem habe das Gericht die Vielzahl weiterer Befundberichte, die eine Contusio spinalis ebenso wie den Ursachenzusammenhang bejaht hätten, schlichtweg ignoriert. Weder sei das Gutachten von Prof. Dr. L. noch seien die gleichlautenden Diagnosen der behandelnden Ärzte und der ärztliche Entlassungsbericht der Asklepius Klinik Sch. berücksichtigt worden.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hat der Senat Prof. Dr. Z., Ärztlicher Direktor der Abteilung allgemeine Neurochirurgie des Universitätsklinikums F., mit der Erstattung des neurochirurgischen Fachgutachtens vom 28.10.2011 beauftragt. Hierin ist dieser zu dem Ergebnis gekommen, dass bei dem Kläger eine traumatische Rückenmarkschädigung mit inkompletter Tetrasymptomatik ab C6 vorliege. Er habe mit Gewissheit eine Contusio spinalis am 06.05.2005 erlitten. Für die vom Beratungsarzt Dr. M. beschriebene mögliche Ursache der Symptomatik im Sinne einer demyelisierenden Erkrankung bestehe kein ausreichender Anhalt. Die Verdachtsdiagnose werde lediglich durch den Eintrag einer retrobulbären Neuritis in der Hausarztkartei im Jahre 1992 unterstützt. Weitere neurologische Untersuchungen sowie Abklärungen nach diesem Eintrag seien nicht erfolgt. Der Verdacht auf eine Multiple Sklerose hätte sicherlich zu einer weiteren ausführlichen neurologischen Abklärung geführt. Weder klinisch noch bildgebend hätten sich Hinweise auf eine demyelinisierende Erkrankung des Rückenmarks im Verlauf erwiesen. Die neurologischen Verlaufsuntersuchungen hätten sensible Ausfälle gezeigt, so dass die fehlende Dokumentation motorischer Ausfälle zum Zeitpunkt der Aufnahme eine Contusio spinalis nicht ausschließen könne, zumal unmittelbar nach dem Trauma die motorische Funktionsprüfung schmerzbedingt eingeschränkt seien. Im Entlassungsbrief sei eine Tetraparese, aber keine Miktionsstörung erwähnt, was aber eine Blasenentleerungsstörung nicht ausschließe. Denn eine Restharnbestimmung sei nicht dokumentiert worden. Im weiteren Verlauf sei durch die urodynamische Untersuchung eine neurogene Blase zweifelsfrei diagnostiziert worden, für die - außerhalb des Traumas - keine Ursache vorliege. Die Symptome seien zweifelsfrei durch das Trauma während des Unfalls entstanden. Die diagnostizierte Spinalkanalstenose sei nicht als unmittelbare Ursache für die seit dem Unfall bestehende neurologische Symptomatik zu sehen, denn sie sei bis zum Zeitpunkt des Unfalls asymptomatisch gewesen und könne lediglich als prädisponierender Faktor gewertet werden. Dem Unfall komme somit die Bedeutung einer richtungsgebenden Verschlimmerung eines in der Anlage vorhandenen Leidens zu. Das fehlende myelopathische Signal in den akut sowie im Verlauf durchgeführten MRT-Untersuchungen schließe eine Contusio spinalis nicht aus. Die akute Rückenmarkschädigung wäre ohne ein traumatisches Ereignis nicht aufgetreten. Auslöser der Rückenmarkschädigung sei die mechanische Wirkung mit Hyperextention sowie Rotationsbewegung der Halswirbelsäule. Ohne ein traumatisches Ereignis wäre es zu diesem akuten Schaden nicht gekommen. Klinisch bestehe bei dem Kläger eine leichte Tetraparese mit Sensibilitätsstörungen ab C6, verbunden mit Blasenentleerungsstörungen. Der Kläger sei besonders durch das erhebliche Schmerzsyndrom belastet. Diesbezüglich sei die regelmäßige Einnahme mehrerer Schmerzmittel erforderlich. Die Gehstrecke sei erheblich eingeschränkt. Mit einer Besserung des aktuellen Zustandes sei nicht mehr zu rechnen. Die MdE werde ab dem 06.05.2005 mit 100 v.H. bewertet.

Die Beklagte ist dem entgegen getreten und hat die weitere beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. M. vom 01.12.2011 vorgelegt. Dieser hat nochmals auf die im Jahr 1992 diagnostizierte Retrobulbärneuritis hingewiesen und dringend die Beiziehung der entsprechenden Akten aus der Universitätsklinik H. empfohlen, wo sich der Kläger vom 23.11. bis 24.12.1992 in stationärer Behandlung befunden habe. Der von ihm beschriebene Crescendoverlauf werde nicht gewürdigt, obwohl bei einem entsprechenden Unfallereignis ein Dekrescendoverlauf zu erwarten gewesen wäre. Der Unfallmechanismus sei ebenfalls nicht auf seine Geeignetheit überprüft und die eindeutig vorliegende Vorschädigung zu wenig gewürdigt worden. Da eine neurochirurgische Verletzung nicht vorgelegen habe, sei eine fachkompetente neurologische Begutachtung durchzuführen.

In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 23.02.2012 hat Prof. Dr. Z. nochmals im Einzelnen dargelegt, dass eine Myelitis, die unmittelbar posttraumatisch nach 13 Jahren nach einer einmaligen retrobulären Neuritis, die zudem bei unterschiedlichsten Erkrankungen, so auch Infektionen entstehen könne, anhand der evidenz-basierten Datenlage äußerst unwahrscheinlich sei. Auch habe Dr. M. nicht beachtet, dass sich kernspintomographisch kein Anhaltspunkt für Entmarkungsherde im zervikalen Myelon gezeigt habe. Die Leukenzephalopathie belege nicht die für die Diagnostik einer Multiplen Sklerose erforderlichen neun Entzündungsherde mindestens drei Monate nach dem klinischen Ereignis. Eine neurologische Begutachtung sei daher entbehrlich, denn weder bildmorphologisch noch klinisch bestehe Anhalt für das Vorliegen einer demyelinisierenden Erkrankung. Dass keine gravierenden Unfallfolgen vorhanden seien, widerspreche den Feststellungen von PD Dr. S ... Die Behauptung, die Miktion sei unauffällig, treffe angesichts der im urologischen Konzil festgestellten erhöhten Restharnmenge und der Miktionsstörungen nicht zu. Ein Crescendoverlauf sei nach Aktenlage nicht nachzuvollziehen. Das HWS-Trauma und die persistierende Spinalkanalstenose bedingten nicht die traumatische Querschnittslähmung. Durch den Unfall sei es zu einer plötzlichen Dezeleration und biomechanisch zu einer Hyperextension der HWS gekommen, wobei das zentrale Rückenmarkssyndrom üblicherweise in dessen Zusammenhang zu beobachten sei.

Die Beklagte hat hierzu eine weitere beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. M. vom 10.04.2012 vorgelegt.

Der Senat hat noch die Rentenakten des Klägers beigezogen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts M. vom 3. Dezember 2010 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 20. Juni 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Januar 2007 zu verurteilen, ihm wegen des am 6. Mai 2005 erlittenen Arbeitsunfalls eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 80 v. H. ab 25. August 2006 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat zur Begründung auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils sowie die eingeholten beratungsärztlichen Stellungnahmen verwiesen und mitgeteilt, der Kläger habe vom 18.06.2005 bis 24.05.2006 durchgehend Verletztengeld bezogen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die vorgelegten Behördenakten, die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die beigezogenen Akten der ehemaligen Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (jetzt Deutsche Rentenversicherung Bund) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG form- und fristgemäß eingelegte sowie auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente im begehrten Umfang und ab dem 26.08.2006 zu.

Der Senat konnte vorliegend entscheiden, ohne die von der Beklagten angeregte neurologische Untersuchung zu veranlassen. Der Sachverhalt ist aufgeklärt. Dem Senat liegen ausreichende chirurgische, urologische und neurologische Gutachten zur Entscheidungsfindung vor. Soweit Dr. M. die Möglichkeit einer Multiplen Sklerose als Alternativursache sieht, so hat Prof. Dr. Z. für den Senat nachvollziehbar dargelegt, dass es an jeglichen Kriterien für das Vorliegen dieser Erkrankung fehlt. Die 1992 aufgetretene Augenentzündung, die demnach viele Ursachen haben kann, ist folgenlos ausgeheilt, der Kläger hat danach weder eine weitere Behandlung erfahren noch wurde die Krankheit jemals diagnostiziert. Insofern handelt es sich um einen bloßen Ausforschungsbeweis ohne jegliche Anknüpfungstatsachen (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 10. Auflage 2012, § 103 Rz. 7a), dem der Senat nicht nachzugehen brauchte.

Soweit der Kläger im Berufungsverfahren nur noch eine Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 80 v. H. und nicht mehr wie im Klageverfahren von 100 v. H. beantragt hat, liegt hierin konkludent eine teilweise Klagrücknahme.

Rechtsgrundlage sind die §§ 7, 8 und 56 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII).

Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII), das heißt auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 2 Satz 2 SGB VII).

Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (§ 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII).

Aus diesen gesetzlichen Vorgaben hat die Rechtsprechung (zuletzt in BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R) die folgenden Grundsätze entwickelt:

Für die Feststellung eines Arbeitsunfalls ist erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer beziehungsweise sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem Unfallereignis als einem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkendem Ereignis geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität). Erforderlich ist für die Gewährung einer Verletztenrente, dass längerandauernde Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens entstanden sind (haftungsausfüllende Kausalität) und eine hierdurch bedingte MdE um mindestens 20 v. H. beziehungsweise bei bereits erfolgter Gewährung einer Verletztenrente wegen eines anderen Versicherungsfalls mindestens 10 v. H. erreicht wird.

Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, die Art und das Ausmaß des Unfallereignisses, der Gesundheitserstschaden und die hierdurch verursachten längerandauernden Unfallfolgen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Lässt sich ein Nachweis nicht führen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der materiellen Beweislast zu Lasten des Versicherten.

Für die haftungsbegründende und die haftungsausfüllende Kausalität, welche nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen sind, ist grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit, ausreichend, aber auch erforderlich. Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht, so dass auf diesen Grad der Wahrscheinlichkeit vernünftiger Weise die Entscheidung gestützt werden kann und ernste Zweifel ausscheiden. Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen. Dies schließt eine Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet ist, eine bestimmte körperliche oder seelische Störung hervorzurufen. Der wissenschaftliche Erkenntnisstand ist die Grundlage, auf der die geltend gemachten Gesundheitsstörungen des konkreten Versicherten zu bewerten sind. Bei dieser einzelfallbezogenen Bewertung kann nur auf das individuelle Ausmaß der Beeinträchtigung des Versicherten abgestellt werden, aber nicht so wie er es subjektiv bewertet, sondern wie es objektiv ist. Die Aussage, der Versicherte sei so geschützt, wie er die Arbeit antritt, ist ebenfalls diesem Verhältnis von individueller Bewertung auf objektiver, wissenschaftlicher Grundlage zuzuordnen. Die Ursachenbeurteilung im Einzelfall hat anhand des konkreten individuellen Versicherten unter Berücksichtigung seiner Krankheiten und Vorschäden zu erfolgen, aber auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes.

Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs beziehungsweise Gesundheitsschadens abgeleitet werden. Wenn es mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen gibt, ist sozialrechtlich allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere/n Ursache/n keine überragende Bedeutung hat/haben. Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur diese Ursache/n "wesentlich" und damit Ursache/n im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Ist die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen, so ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte.

Bei dieser Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen. Dass der Begriff der Gelegenheitsursache durch die Austauschbarkeit der versicherten Einwirkung gegen andere alltäglich vorkommende Ereignisse gekennzeichnet ist, berechtigt jedoch nicht zu dem Umkehrschluss, dass bei einem gravierenden, nicht alltäglichen Unfallgeschehen ein gegenüber einer Krankheitsanlage rechtlich wesentlicher Ursachenbeitrag ohne Weiteres zu unterstellen ist. Gesichtspunkte für die Beurteilung der besonderen Beziehung einer versicherten Ursache zum Erfolg sind neben der versicherten Ursache beziehungsweise dem Ereignis als solchem, einschließlich der Art und des Ausmaßes der Einwirkung, die konkurrierende Ursache unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens - aber eine Ursache ist nicht deswegen wesentlich, weil sie die letzte war -, ferner das Verhalten des Verletzten nach dem Unfall, die Befunde und Diagnosen des erstbehandelnden Arztes sowie die gesamte Krankengeschichte. Ergänzend kann der Schutzzweck der Norm heranzuziehen sein. Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung gegebenenfalls in einem oder mehreren Schritten zu prüfende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Dies wird häufig bei einem klar erkennbaren Ursache-Wirkungs-Zusammenhang, vor allem wenn es keine feststellbare konkurrierende Ursache gibt, kein Problem sein. Aber es gibt im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache das angeschuldigte Ereignis eine Ursache ist oder die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festgestellte versicherte Ursache im naturwissenschaftlichen Sinn automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde.

Mit dem hier teilweise angefochtenen Bescheid vom 20.06.2006 hat die Beklagte das Unfallereignis konkludent als Arbeitsunfall anerkannt.

Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass der Kläger aufgrund dieses Unfallereignisses eine Rückenmarkschädigung (Contusio spinalis) i. S. eines zentralen Rückenmarksyndroms erlitten hat. Folge dieser unfallbedingten Verletzung ist eine leichte Tetraparese (inkomplette Tetraplegie) mit Sensibilitätsstörungen ab C6, eine erhebliche Schmerzsymptomatik mit Hyperpathie und Parästhesie sowie eine neurogene Harnblasen- und Mastdarmlähmung (inkomplette Stuhlinkontinenz) und eine erektile Dysfunktion. Dass der Kläger auch an einem Carpaltunnelsyndrom leidet, ist nicht mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit (Vollbeweis) erwiesen, sodass es insoweit auf Kausalitätsfragen nicht ankommt. Während die Neurologen B. und Dr. W. und - deren Diagnose übernehmend - Prof. Dr. G./Dr. F. ein Carpaltunnelsyndrom beidseits diagnostiziert haben, findet sich im fachneurochirurgischen Befundbericht des Universitätsklinikums H. vom 13.07.2005 eine solche Diagnose ebenso wenig wie im Gutachten von Prof. Dr. Z ... Da auch Prof. Dr. L. ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass ein peripheres Engpass-Syndrom in Höhe des Carpaltunnels oder der Ulnarisrinne nicht zu erkennen ist, hält der Senat ein Carpaltunnelsyndrom nicht für erwiesen.

Für den Senat ergibt sich die Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs zwischen den beim Kläger noch bestehenden Gesundheitsstörungen und dem Unfallereignis vom 06.05.2006 aus den gänzlich zweifelsfreien medizinischen Feststellungen der Sachverständigen Prof. Dr. G./Dr. F. und Prof. Dr. Z., die nach gründlicher ambulanter Untersuchung des Klägers und Auswertung des wesentlichen Akteninhalts einschließlich der bildgebenden Dokumente sowohl auf orthopädischem als auch auf neurochirurgischem Fachgebiet übereinstimmend den von der Beklagten bestrittenen Kausalzusammenhang bejaht haben. Hinzukommt, dass auch der Neurologe und Psychiater Prof. Dr. L. in seinem, insbesondere die neurologischen Folgen des Unfalls und die Wirkungszusammenhänge im Einzelnen darstellenden, gut verständlichen und in sich schlüssigen Gutachten eine unfallbedingte Contusio spinalis bejaht hat und die festgestellten Gesundheitsstörungen mit überzeugender Begründung allesamt auf das Unfallereignis zurückführt. Dieses im Auftrag der privaten Unfallversicherung des Klägers erstattete Gutachten ist Bestandteil seines Parteivorbringens und als solches bei der Überzeugungsbildung des Gerichts zu berücksichtigen (BSG SozR Nr. 68 zu § 128 SGG). Ebenfalls von einer Contusio spinalis und nicht lediglich von einer Commotio spinalis als unfallbedingtem Gesundheitserstschaden gehen Dr. F., Asklepios Klinik Sch., Dr. A., Agentur für Arbeit, und die behandelnden Ärzte Dr. Dr. K., Dr. B. und Dr. W. aus. Selbst der von der Beklagten beauftragte Radiologe Dr. S. hielt klinisch eine Contusio spinalis für erwiesen.

Der Senat misst den entgegenstehenden Ausführungen des Dr. B. in seinem von der Beklagten eingeholten fachorthopädischen Gutachten und des Neurologen und Psychiaters B. im Rahmen seines nervenfachärztlichen Zusatzgutachtens sowie den nach Aktenlage formulierten Einwendungen des Beratungsarztes Dr. M. keine derart überragende Bedeutung bei, dass hierdurch die Überzeugungskraft aller anderen aktenkundigen medizinischen Erkenntnisse gemindert wird. Vielmehr hält der Senat die Ausführungen der von der Beklagten beauftragten Ärzte für keineswegs überzeugend.

Dabei sind allerdings auch nach Auffassung des Senats die im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten verwertbar. Zwar wurden das fachorthopädische Hauptgutachten sowie die radiologischen und nervenfachärztlichen Zusatzgutachten unter Verstoß gegen § 200 Abs. 2 Halbsatz 1 SGB VII erstellt. Dies wurde vom Kläger jedoch nicht rechtzeitig gerügt.

Die Beklagte hat entsprechend der Auswahlentscheidung des Klägers Prof. Dr. W. zum Hauptgutachter bestellt. Ihm wäre die Bestimmung der Zusatzgutachter überlassen gewesen (BSG, Urteil vom 18.01.2011 - B 2 U 5/10 R - zit. n. juris). Zur ambulanten Untersuchung wurde der Kläger mit Schreiben vom 09.01.2006 durch Prof. Dr. K. geladen. Im selben Schreiben wurde auf die Zusatzbegutachtung durch den Neurologen B. hingewiesen, der somit nicht von Prof. Dr. W., sondern durch Prof. Dr. K. bestimmt worden ist. Tatsächlich erstellt wurde das Hauptgutachten durch den Oberarzt Dr. B., der auch das radiologische Zusatzgutachten in Auftrag gegeben hat. Da ausschließlich Dr. B. das Hauptgutachten sowie das weitere Schreiben vom 04.04.2006 unterzeichnet hat, kann dieses nicht Prof. Dr. K. zugerechnet werden. Dass das Gutachten unter dem Briefkopf des Prof. Dr. K. verfasst wurde, genügt für eine Zurechnung nicht. Auch wenn ein im Verwaltungsverfahren eingeholtes Gutachten nicht denselben strengen Anforderungen wie ein gerichtlich eingeholtes Gutachten unterliegt (vgl. § 21 Abs. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X)), ist doch zumindest erforderlich, dass der beauftragte Gutachter, der nicht persönlich die maßgeblichen Feststellungen trifft, erklärt, die Arbeit seines Mitarbeiters selbst nachvollzogen zu haben und sich geistig zu eigen zu machen. Eine vergleichbare Erklärung enthält das Schreiben des Prof. Dr. K. vom 21.11.2006 nicht. Nicht zutreffend ist daher das Schreiben des Prof. Dr. W. vom 18.10.2006, in dem er auf ein von Prof. Dr. K. am 10.03.2006 erstattetes Gutachten Bezug nimmt, dem jedoch das Gutachten des Dr. B. nicht zugerechnet werden kann. Ob die Erklärung des Prof. Dr. W., das Gutachten von Prof. Dr. K. durchgesehen zu haben, es sei schlüssig und werde von ihm inhaltlich geteilt, genügt, um hierdurch in der gebotenen Weise die volle Verantwortung für das Gutachten zu übernehmen, bedarf daher keiner Entscheidung.

Trotz dieses Verfahrensmangels können die Gutachten jedoch im gerichtlichen Verfahren Berücksichtigung finden. Denn wenn ein Versicherter meint, dass nicht der von ihm ausgewählte Arzt das Gutachten erstellt, muss er dem Unfallversicherungsträger unverzüglich mitteilen, dass er sein Auswahlrecht verletzt sieht (Rügeobliegenheit). Grundsätzlich hat er dies unverzüglich anzuzeigen, sobald er erkennt oder vermutet, dass ein anderer als der von ihm gewählte Gutachter zum Gutachter bestellt wurde oder die Begutachtung übernimmt (BSG SozR 4-2700 § 200 Nr. 2). Das muss er nicht hinnehmen; es obliegt ihm aber, sein Auswahlrecht unverzüglich zu verteidigen. Daher kann nach den Umständen des Einzelfalls seine Mitwirkung an einer Gutachtenerstellung durch einen vom Träger bestellten Gutachter, den der Versicherte zuvor als von ihm nicht ausgewählt erkannt hat, die Genehmigung der vom Träger getroffenen Gutachterauswahl bedeuten. Erkennt der Versicherte den Fehler ausnahmsweise erst später, etwa bei Kenntnisnahme von dem Gutachten, obliegt es ihm besonders dringlich, dies unverzüglich dem Träger mitzuteilen. Denn nur dann kann dieser sofort die Lage klären und notfalls rechtzeitig ein Gutachten des vom Versicherten ausgewählten Sachverständigen einholen. Nur so kann der Träger sicherstellen, dass er seine das Verwaltungsverfahren abschließende Entscheidung auf ein Gutachten stützen kann, das ohne eine Verletzung des Auswahlrechts erstellt wurde.

Ob der Kläger schon bei Einbestellung zur ambulanten Untersuchung durch Dr. B. hätte erkennen können, dass nicht der von ihm genannte Gutachter tätig werden wird, ist fraglich, da die Ladung zum Untersuchungstermin noch unter dem Briefkopf des Prof. Dr. W. erfolgt ist. Auch die sodann von Dr. B. vorgenommene Untersuchung musste sich für den Kläger noch nicht als Verstoß gegen seine Auswahlentscheidung aufdrängen, da für ihn noch nicht erkennbar war, durch wen das Gutachten letztendlich gefertigt würde. Nachdem die Beklagte ihm jedoch mit Schreiben vom 03.03.2006 (Bl. 136 VA) mitgeteilt hatte, dass er einen rechtsmittelfähigen Bescheid erhält, sobald das Hauptgutachten von Prof. Dr. K. vorliege, konnte kein Zweifel mehr daran bestehen, dass jedenfalls Prof. Dr. W. das Gutachten nicht erstellen wird. Der Kläger hätte somit unverzüglich nach Erhalt des Schreibens vom 03.03.2006 der Beklagten den Verfahrensmangel anzeigen müssen. Das Auswahlrecht des § 200 Abs. 2 Halbsatz 1 SGB VII ist rein verwaltungsverfahrensrechtlicher Natur. Eine Verletzung des Auswahlrechts kann grundsätzlich nur bis zum Abschluss des jeweiligen Verwaltungsverfahrens vom Unfallversicherungsträger geheilt werden. Deshalb wird die Verletzung, auch wenn sie ungeheilt bleibt, mit dem Abschluss des Verwaltungsverfahrens grundsätzlich unbeachtlich. Wird erst danach gerügt, ist eine zweckwahrende Heilung des Auswahlrechts, die zu einem verfahrensfehlerfreien Abschluss des Verwaltungsverfahrens allein durch eine Entscheidung der Verwaltung führt, nicht mehr möglich. Der Verfahrensfehler kann nicht gesondert angefochten werden (BSG, a. a. O.; Kranig in: Hauck/Noftz, SGB VII, § 200 Rdnr. 26; offen gelassen u. a. in BSGE 100, 25, 39). Der Kläger hat nicht bis zum Abschluss des Ausgangsverfahrens, sondern erst nach Erlass des Bescheides vom 20.06.2006 im Widerspruchsverfahren mit Schreiben vom 27.07.2006 und somit zu spät den Verfahrensmangel gerügt.

Die von der Beklagten im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten können zwar deshalb verwertet werden. Schriftliche Bekundungen von Ärzten, insbesondere solche, die im Verwaltungsverfahren als Gutachten gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 2 SGB X eingeholt werden, sind aber als Urkunden i. S. des § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 415 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) zu verwerten und haben deshalb einen anderen Beweiswert und eine andere, nämlich begrenzte Beweiskraft, somit einen anderen Aussagewert als ein Gutachten im Rechtssinne (BSG SozR 1500 § 128 Nr. 24). Schon aus diesem Grund misst der Senat den in erster und zweiter Instanz eingeholten gerichtlichen Gutachten einen höheren Beweiswert zu. Anders als der im Verwaltungsverfahren beauftragte Gutachter muss sich der gerichtliche Sachverständige nämlich bewusst sein, dass seine Angaben unter der Strafdrohung der §§ 153 ff. Strafgesetzbuch stehen und er als Sachverständiger vereidigt werden kann (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. §§ 402 ff. ZPO). Die von der Beklagten bei Dr. B. und dem Neurologen B. eingeholten Gutachten können jedoch im Gegensatz zu den im radiologischen Zusatzgutachten getroffenen, den übrigen medizinischen Erkenntnissen entsprechenden und unstreitigen Feststellungen, wonach richtungsweisende Veränderungen im Myelon sowie posttraumatische Veränderungen im Bereich der Knochen und Bandscheiben nicht nachgewiesen sind, auch inhaltlich nicht überzeugen. Die im Hauptgutachten gemachten Ausführungen von Dr. B. sind nicht geeignet, die im Vergleich hierzu erheblich detaillierteren und alle wesentlichen Gesichtspunkte erfassenden Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. G./Dr. F. und Prof. Dr. Z. bzw. das gegenüber der privaten Unfallversicherung erstattete Gutachten des Prof. Dr. L. in Zweifel zu ziehen. Dr. B. hat lediglich einen äußerst knappen Untersuchungsbefund wiedergegeben und sich im Übrigen darauf beschränkt, die Untersuchungsergebnisse des radiologischen und des nervenfachärztlichen Zusatzgutachtens zu wiederholen. Hierbei hat er noch nicht einmal die sich daraus ergebenden Widersprüche aufgelöst, sondern sie kommentarlos zum Gegenstand seines Gutachtens gemacht. So hat er zum einen ausgeführt, der Kläger habe durch den Unfall wohl eine Contusio spinalis erlitten (so auch Dr. S. im radiologischen Zusatzgutachten), an späterer Stelle wird dann das Untersuchungsergebnis des Neurologen B., in grammatikalisch fehlerhafter Weise, wiedergegeben. Bezeichnend ist, dass Dr. B. sich deshalb auch nicht in der Lage sah, die Frage der Beklagten nach dem Befund zeitlich nach dem angeschuldigten Ereignis eindeutig und zweifelsfrei zu beantworten, sondern hier angab: "Fragliche Contusio spinalis bei bestehenden degenerativen Veränderungen". Da sich weder Dr. B. noch der Neurologe B. mit der entscheidenden Frage auseinander gesetzt haben, wie sich die unmittelbar im Anschluss an den Zusammenprall während des Fußballspiels aufgetretene Querschnittlähmung im Bereich des Halsmarks mit der von der Beklagten vertretenen Auffassung einer bloßen Commotio spinalis vereinbaren lässt, sondern beide sich im Wesentlichen darauf beschränkt haben, eine Contusio spinalis wegen der fehlenden Nachweise einer Schädigung des Myelons im bildgebenden Befund abzulehnen, vermögen die von ihnen gefundenen Ergebnisse nicht zu überzeugen.

Inhaltlich hält der Senat deren Einschätzung durch die Gutachten des Prof. Dr. G./Dr. F. und des Prof. Dr. Z., aber auch durch das als Parteivortrag zu wertende Gutachten des Prof. Dr. L. für widerlegt. Danach muss es bei einer Verletzung des Rückenmarks, insbesondere einer Contusio spinalis, nicht zwingend zu einer in der Kernspintomographie auch darstellbaren Myelopathie kommen. Entscheidend ist vielmehr das Vorliegen der bleibenden klinischen Ausfälle im Zusammenhang mit einem entsprechenden Trauma, wie sie beim Kläger bis heute nachgewiesen sind. Dass trotz der Contusio spinalis kernspintomographisch zu keinem Zeitpunkt eine Veränderung des Myelons festgestellt worden ist (vgl. Schreiben Prof. Dr. K. vom 21.11.2006), hat nach den auch für den medizinischen Laien verständlichen und gut nachvollziehbaren Ausführungen des Oberarztes Dr. F. seine Ursache darin, dass bei dem Unfallereignis lediglich eine sehr kleine Läsion zu erwarten gewesen ist. Die hierdurch bedingte morphologische Veränderung im Myelon wurde wegen der Schichtdicke in der kernspintomographischen Darstellung nicht geschnitten. Der fehlende bildgebende Nachweis einer morphologischen Veränderung spricht daher nicht zwingend gegen eine solche Veränderung. Auch Prof. Dr. L. hat darauf hingewiesen, dass in keiner der kernspintomographischen Untersuchungen hochauflösende Schichten im Zervikalmarkbereich gefahren worden sind und daher Mikroläsionen und K.ste Einblutungen nicht ausgeschlossen werden können. Dass die fortbestehenden Gesundheitsstörungen auf das durch das Unfallereignis verursachte zentrale Rückenmarksyndrom zurückzuführen sind, haben die Sachverständigen Prof. Dr. G./Dr. F. und Prof. Dr. Z. in sich schlüssig und widerspruchsfrei im Einzelnen erläutert. Sie kommen insoweit zum selben Ergebnis wie Prof. Dr. L., der auch den Unfallmechanismus untersucht und für den Senat überzeugend ausgeführt hat, dass die beim Kläger unstreitig vor dem Unfall bereits vorhandene cervikale Spinalkanalstenose als sogenanntes Hypomochlion i. S. eines Widerlagers gewirkt hat, da es bei völlig aufgebrauchtem Subarachnoidalraum durch den plötzlichen Anprall zu einer Dehnung bis Überdehnung und Zerrung des Rückenmarks schräg nach rechts vorn in dem zu engen Spinalkanal gekommen ist. Auch welche weiteren neurologischen Folgewirkungen sich hieraus ergeben, hat Prof. Dr. L. eindrucksvoll geschildert.

All dem haben die Neurologen B. und Dr. M. nichts entgegen zu setzen. Soweit Dr. M. einen Kausalzusammenhang zwischen den jetzigen Gesundheitsstörungen und dem Unfallereignis wegen einer im Jahr 1992 erlittenen Retrobulbärneuritis in Frage stellt, hat Prof. Dr. Z. mit überzeugender Begründung klargestellt, dass es sich bei einer retrobulbären Neuritis um eine Entzündung des Sehnervs handelt, die bei unterschiedlichen Erkrankungen entstehen kann. Außer entzündlichen Erkrankungen kommen andere mögliche Ätiologien in Betracht wie chronische Intoxikation, Infektionskrankheiten wie Diphterie, Typhus, Fleckfieber und Grippe, Entzündung der Nasennebenhöhle oder metabolische und internistische Erkrankungen wie Leberinsuffizienz. Als entzündliche Erkrankung kann zwar u. a. auch eine Multiplen Sklerose sein, sie stellt aber nur eine von vielen möglichen Ursachen einer Retrobulbärneuritis dar. Der Senat hält die von Dr. M. ausgesprochene Erwägung, dass Ursache für die Symptomatik des Klägers eine unmittelbar posttraumatisch 13 Jahre nach einer einmaligen retrobulbären Neuritis erstmals manifest gewordene Multiple Sklerose sein könnte, für allenfalls theoretisch möglich. Dass anhand der evidenz-basierten Datenlage die These von Dr. M. nicht haltbar ist, hat Prof. Dr. Z. unter Bezugnahme auf die einschlägige medizinische Literatur für den Senat überzeugend dargelegt. Der klinische Verlauf entspricht nämlich nicht den unterschiedlichen Verlaufsformen einer Multiplen Sklerose. Außerdem hat Dr. M. unberücksichtigt gelassen, dass sich bei einer Myelitis in der akuten Phase eine Schwellung des Rückenmarks findet und sich nach Gadoliniumgabe eine Kontrastmittelanreicherung zeigt und nach der akuten Phase stumme Läsionen im MRT nachweisbar bleiben. Im Falle des Klägers ergeben sich hingegen kernspintomographisch keinerlei solche Anhaltspunkte für Entmarkungsherde im zervikalen Myelon. Darüber hinaus ist Voraussetzung für den kernspintomographischen Nachweis einer Multiple Sklerose, dass neun Entzündungsherde nach einem Zeitraum von mindestens drei Monaten nach dem klinischen Erstereignis im MRT nachgewiesen werden können. Beim Kläger sind jedoch nur zwei kirschkerngroße Herde periventrikulär sowie links pontin zwei erbsengroße Herde zu erkennen. Da somit weder nach dem Krankheitsverlauf noch bildmorphologisch noch klinisch ein Anhalt für das Vorliegen einer demyelisierenden Erkrankung vorliegt, bestand keine Notwendigkeit für eine weitere medizinische Aufklärung des Sachverhalts in Form der von Dr. M. angeregten Liquoruntersuchung, zumal diese nicht ohne Weiteres vom Kläger verlangt werden kann.

Auch die weiteren Einwendungen des Beratungsarztes Dr. M., auf die sich die Beklagte berufen hat, können die hinreichende Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs zwischen den genannten Gesundheitsstörungen und dem Unfallereignis nicht in Frage stellen. Insbesondere in ihren ergänzenden Stellungnahmen haben Dr. F. und Prof. Dr. Z. nochmals im Einzelnen dargestellt, weshalb der Argumentation des Dr. M. nicht gefolgt werden kann. Danach entspricht der Krankheitsverlauf dem klassischen Verlauf eines zentralen Rückenmarksyndroms bei einer Contusio spinalis mit dem Eintritt einer Querschnittlähmung im Bereich des Halsmarks im direkten Zusammenhang mit dem Unfallereignis und sich dann teilweise zurückbildender Tetraparese mit neurogener Harnblasen- und Mastdarmlähmung.

Soweit Dr. M. darauf hingewiesen hat, dass im Entlassungsbrief der Orthopädie I vom 23.05.2005 von unauffälliger Miktion und unauffälligem Stuhlgang berichtet worden ist, hat Prof. Dr. Z. zu Recht angezweifelt, ob bei Übernahme des Klägers von der Chirurgischen Abteilung überhaupt eine Restharnbestimmung durchgeführt worden ist. Eine entsprechende Dokumentation findet sich insoweit nämlich nicht. Im weiteren Verlauf wurde durch die urodynamische Untersuchung eine neurogene Blase zweifelsfrei diagnostiziert, für die es außerhalb des Traumas keine Ursache gibt. Dies gilt auch für die Mastdarmstörung, an der der Kläger erst seit dem Unfall leidet und die er mit entsprechender Medikamenteneinnahme therapiert. Dass es sich auch hierbei um die typischen Folgen eines Rückenmarksyndroms handelt, hat auch Prof. Dr. L. überzeugend ausgeführt.

Soweit Dr. M. einen der Contusio spinalis fremden Crescendoverlauf behauptet hat, stimmt dies nicht mit der Aktenlage überein. Unmittelbar nach dem Unfall wurde eine Contusio spinalis mit einer inkompletten Tetrasymptomatik diagnostiziert. Zahlreiche neurologische Untersuchungen belegen sensible Ausfälle in einem frühen Stadium. Die fehlende Dokumentation motorischer Ausfälle zum Zeitpunkt der Aufnahme in der Abteilung Orthopädie I kann eine Contusio spinalis nicht ausschließen, da unmittelbar nach dem Trauma motorische Funktionsprüfungen schmerzbedingt nicht erfolgen bzw. eingeschränkt sind. Demzufolge wurde auch zunächst unter Schmerzmedikation eine vorübergehende Bettruhe angeordnet. Im Entlassungsbrief wird dann eine Tetraparese genannt. Lediglich die Schmerzsymptomatik war im Verlauf progredient. Gerade dies ist nach den übereinstimmenden Ausführungen der Sachverständigen bzw. der Darstellung im Gutachten von Prof. Dr. L. im Rahmen eines zentralen Rückenmarksyndroms mit einer neuropathischen Schmerzkomponente aber nicht unüblich.

Ebenfalls fehl geht Dr. M. und mit ihm die Beklagte in der Annahme, die beim Kläger bestehende Spinalkanalstenose im Bereich der HWS könne zu den neurologischen Ausfällen nach dem Unfallereignis beigetragen haben. Denn sowohl die Sachverständigen Prof. Dr. G./Dr. F. und Prof. Dr. Z. als auch Prof. Dr. L., Dr. F. und Dr. A. sehen in der vorbestehenden Spinalkanalstenose keine wesentliche Ursache für die Tetraparese mit neurogener Harnblasen- und Mastdarmlähmung. Nach deren übereinstimmender Erkenntnis war die unzweifelhaft bestehende Spinalkanalstenose, die jedoch nicht mit einer sanduhrförmigen Einengung des Rückenmarks in der Bildgebung einhergeht und daher nicht als schwer einzustufen ist, bis zum Unfallereignis asymptomatisch. Sie ist nicht die unmittelbare Ursache für die Querschnittlähmung und für die erst seit dem Unfall bestehende neurologische Symptomatik. Sie kann nur als prädisponierender Faktor für die traumatisch ausgelöste Rückenmarkschädigung angesehen werden, der jedoch keine wesentliche Bedeutung i. S. der Wesentlichkeitstheorie zukommt. Denn der Kläger war ausweislich des aktenkundigen Vorerkrankungsverzeichnisses bis zum Zeitpunkt des Unfalls am 06.05.2005 von einer einwöchigen Arbeitsunfähigkeit wegen Lumboischialgie im Jahre 1999 abgesehen von Seiten der Wirbelsäule beschwerdefrei. Somit hat die zervikale Spinalkanalstenose vor dem Unfall zu keinerlei klinischen oder gar behandlungsbedürftigen Reiz- oder Ausfallerscheinungen geführt. Zu Recht hat Prof. Dr. L. daher auch nur von einer vorbestehenden Krankheitsanlage, jedoch nicht von einem Vorschaden im HWS-Bereich gesprochen. Die degenerativen Veränderungen im Bereich der Wirbelsäule mit Spinalkanalstenose hätten nach der überzeugenden Einschätzung des Sachverständigen Prof. Dr. G. durchaus auch ein Leben lang weiter asymptomatisch bleiben können. Trotz vorbestehender Spinalkanalstenose ist daher die alleinige wesentliche Ursache für die Rückenmarkschädigung die mechanische Wirkung mit Hyperextension sowie Rotationsbewegung der Halswirbelsäule im Rahmen des Unfallereignisses. Nicht weniger überzeugend ist die Darlegung von Prof. Dr. L., wonach diese äußere Einwirkung durch den Zusammenstoß in ihrer Dynamik sowie im Hinblick auf die zervikale Spinalkanalstenose so bedeutsam gewesen ist, dass sie auch nicht durch alltägliche Belastungen im privaten oder beruflichen Leben i. S. einer Gelegenheitsursache ersetzt werden könnte. Denn es handelte sich nicht um ein bloßes Bagatelltrauma, sondern um ein erhebliches, unvorhergesehenes HWS-Trauma. Nach alledem ist das Unfallereignis mit Wahrscheinlichkeit die wesentliche Ursache für die o. g. Gesundheitsstörungen.

Diese bedingen im Falle des Klägers eine MdE von 80 v. H.

Die Bemessung des Grades der MdE trifft das Gericht gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung (st. Rspr. vgl. statt aller BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 8 m. w. N.). Dies gilt für die Feststellung der Beeinträchtigung des Leistungsvermögens des Versicherten ebenso wie für die auf der Grundlage medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen zu treffende Feststellung der ihm verbliebenen Erwerbsmöglichkeiten (BSG a. a. O.). Hierbei sind ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind (BSG SozR 2200 § 581 Nrn. 22, 23; BSGE 82, 212). Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE geschätzt werden (BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 8). Die zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind deshalb bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel (BSG SozR 4-2700 § 56 Nr. 1).

Der Sachverständige Prof. Dr. Z. hat die seit 06.05.2005 bestehende MdE aufgrund der unfallbedingten Rückenmarkschädigung i. S. eines zentralen Rückenmarksyndroms mit 100 v. H. bewertet und hierbei eine leichte Tetraparese mit Sensibilitätsstörungen ab C6, verbunden mit Blasenentleerungsstörungen sowie eine besondere Belastung durch das erhebliche Schmerzsyndrom mit regelmäßiger Einnahme mehrerer Schmerzmittel und den Umstand berücksichtigt, dass die Gehstrecke erheblich eingeschränkt ist. Prof. Dr. G./Dr. F. haben die Unfallfolgen ebenfalls mit einer MdE von 100 v. H. eingeschätzt und sind hierbei von einer inkompletten Tetraplegie schon bereits unterhalb C4 sowie von einer Harnblasen- und Mastdarmlähmung als Unfallfolge ausgegangen. Sie haben darauf hingewiesen, dass Probanden mit inkompletter Tetraplegie und zentralem Rückenmarksyndrom zwar häufig eine gute Stand- und Gehfähigkeit mit nur leichter Paraspastik sowie eine häufig nur inkomplett gestörte Blasen- und Mastdarmkontrolle entwickeln, in ihren Möglichkeiten der Mobilität sowie der Berufswahl und Berufsausübung aber trotzdem äußerst stark eingeschränkt sind.

Der Senat hält diese Bewertungen für leicht überhöht und für nicht vollständig kongruent mit dem unfallversicherungsrechtlichen Schrifttum. Danach erfolgt die Einschätzung der MdE in Abhängigkeit von Lähmungsniveau und -ausmaß sowie der hieraus resultierenden Funktionsstörungen. Besonderen Einfluss auf die MdE hat der Umfang der Blasen- und Mastdarmentleerungsstörung. Bei einer vollständigen Halsmarkschädigung mit vollständiger Lähmung von Körperstamm, Armen und Beinen sowie Blasen- und Mastdarmentleerungsstörung wird eine MdE von 100 v. H., bei unvollständiger Halsmarkschädigung mit ausgeprägter Teillähmung von Armen und Beinen sowie Blasen- und Mastdarmentleerungsstörung eine MdE von 80 bis 100 v. H., bei unvollständiger Halsmarkschädigung mit mäßigen motorischen und sensiblen Defiziten sowie Blasen- und Mastdarmentleerungsstörung eine MdE von 60 bis 80 v. H. und bei einer unvollständiger Halsmarkschädigung mit mäßigen motorischen und sensiblen Defiziten ohne Blasen- und Mastdarmentleerungsstörung eine MdE von 40 bis 60 v. H. angenommen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, S. 474, 475).

Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs hält der Senat die Erwerbsfähigkeit des Klägers für um 80 v. H. gemindert. Folge des Unfalls ist eine unvollständige Halsmarkschädigung mit einer neurogenen Blasen- und Mastdarmentleerungsstörung. Da lediglich eine leichte Tetraparese besteht, ist der Bewertungskorridor für eine MdE von 60 bis 80 v. H. eröffnet. Hier hält der Senat die Ausschöpfung des Bewertungsrahmens für gerechtfertigt. Dabei stützt sich der Senat auf die im Rahmen der von den Sachverständigen Prof. Dr. G./Dr. F. am 12.11.2007 und 06.03.2008 und von Prof. Dr. Z. am 12.07.2011 durchgeführten Untersuchungen erhobenen Befunde, die keine wesentlichen Veränderungen im Gesundheitszustand gezeigt haben. Zwar hat Prof. Dr. Z. nicht explizit die Mastdarmentleerungsstörung als Befund aufgenommen. Da der Kläger auch bei ihm die Einnahme von Abführmitteln (Movicol 1 Btl. pro Tag) angegeben hat, ist aber auch insoweit von einer fortbestehenden unfallbedingten Gesundheitsstörung auszugehen. Den Umfang der Blasenentleerungsstörung hat der Kläger bei Prof. Dr. G. damit umschrieben, dass er 4-5 mal täglich den intermittierenden Selbstkatheterismus zum Entleeren der Harnblase durchführen muss, sodass von einer erheblichen Beeinträchtigung auszugehen ist. Bei der Kraftprobe der unteren Extremitäten hat Prof. Dr. Z. eine Einschränkung um 1/5 im Bereich der Hüfte und im Bereich der Knie, Füße und Zehen um 1/5 rechts und 2/5 links gemessen. Der Beinhalteversuch war rechts nicht und links nur 30 sec. durchführbar, Zehengang, Hackengang sowie monopedales Hüpfen waren nicht durchführbar. Während der Muskeltonus ohne pathologischen Befund gewesen ist, war das Gangbild breitbasig und unsicher, Strich- und Blindgang waren nicht durchführbar. Von ganz wesentlicher Bedeutung für die Einschätzung der MdE sind vorliegend die unfallbedingten Sensibilitätsstörungen bzw. die hierdurch verursachte außerordentliche Schmerzempfindlichkeit des Klägers. So kann der Kläger nur maximal 2 Stunden stehen oder sitzen, dann kommt es zu starken Schmerzen im Nackenbereich bis in den Kopf ziehend und starken Kopfschmerzen. Außerdem besteht eine Hyposensibilität im Bereich der oberen Extremitäten beidseits, welche bei Berührung in Schmerzhaftigkeit wechselt. Auch im rechten Bein besteht eine Hyposensibilität mit der Folge eines regelmäßigen Wegknickens bei Gehen ohne Gehhilfe (Gutachten Prof. Dr. G./Dr. F.). Dies deckt sich mit den von Prof. Dr. Z. erhobenen Befunden. Danach bestanden auch noch am 12.07.2011 erhebliche Parästhesien bei leichter Berührung, insbesondere ab C6 abwärts, sowie eine handschuhförmige Hypästhesie und Hyperpathie des linken Armes, eine Hypästhesie und Hyperpathie des rechten Beines ab L2, Vibrationsempfinden am Handgelenk beidseits 6/8, am Außenknöchel rechts 1/8, links 4/8, Temperaturempfinden ab C6 herabgesetzt sowie eine deutliche Herabsetzung der Dermolexie sowie der Zwei-Punkte-Diskrimination insbesondere am linken Arm und rechten Bein. In der Zusammenschau dieser unfallbedingten Befunde, der deutlichen Beeinträchtigung der Gehfähigkeit, der hohen Schmerzempfindlichkeit sowie der Miktions- und Darmentleerungsstörungen ist die MdE mit 80 zu bewerten. Zwar hat Prof. Dr. L. in seinem für die private Unfallversicherung erstatteten Gutachten die Funktionsbeeinträchtigungen aufgrund der unvollständigen Halsmarkschädigung mit beiderseitigen geringen motorischen und mittelgradigen sensiblen Reiz- und Ausfallerscheinungen sowie Störungen von Blase, Mastdarm und Potenz lediglich mit einer MdE von 70 v. H. bewertet. Er hat sich hierbei aber zum einen an den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Ausgabe 2004) orientiert, die für die Bewertung der nach § 56 SGB VII festzustellenden MdE nicht maßgeblich sind. Während sich die Höhe der Verletztenrente nach dem Umfang der Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit richtet, sind im Sozialen Entschädigungsrecht und im Schwerbehindertenrecht die Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen in allen Lebensbereichen und nicht nur im Erwerbsleben zu berücksichtigen und grundsätzlich unabhängig vom ausgeübten oder angestrebten Beruf zu beurteilen. Dementsprechend hat Prof. Dr. L. auch die unfallbedingte erektile Dysfunktion in seine Bewertung einbezogen, obwohl sich hieraus für den Kläger keine Einschränkung im Erwerbsleben ergibt. Zum anderen hat er im Rahmen seines für die private Unfallversicherung des Klägers erstatteten Gutachten die zervikale Spinalstenose als unfallunabhängige Krankheitsanlage mit einem Anteil von 20 v. H. berücksichtigt. Dies ist im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung vorliegend nicht gerechtfertigt. Zwar hat die Rechtsprechung aus der gesetzlichen Definition der MdE sowie den Grundsätzen der gesetzlichen Unfallversicherung abgeleitet, dass auch unfallunabhängige Gesundheitsstörungen bei der Bewertung der MdE u. U. zu berücksichtigen sind. Voraussetzung hierfür ist aber, dass es sich um vor dem Versicherungsfall bereits bestehende gesundheitliche, auch altersbedingte Erkrankungen handelt, die zu einer Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit geführt haben (sog. Vorschäden) und dass die Folgen des Versicherungsfalles durch die Vorschäden beeinflusst werden (BSG SozR 4-2700 § 56 Nr. 2; BSG SozR 2200 § 581 Nr. 28; Kranig in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 56 Rdnr. 42 m. w. N). Prof. Dr. L. hat hingegen ausdrücklich die zervikale Spinalkanalstenose nicht als Vorschaden eingestuft. Dies ließe sich im Hinblick darauf, dass es infolge der Spinalkanalstenose vor dem Unfall zu keinem Zeitpunkt zu physischen Funktionsstörungen gekommen und somit die Erwerbsfähigkeit des Klägers hierdurch nicht beeinträchtigt war, auch nicht vertreten.

Da der Kläger im Berufungsverfahren nur noch eine Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 80 v. H. begehrt, ist die Berufung in vollem Umfang begründet.

Die Verletztenrente beginnt vorliegend mit dem Ende der Verletztengeldzahlung, also dem 26.08.2006. Die Beklagte hatte zwar die Zahlung bereits faktisch mit dem 24.05.2006 beendet, allerdings nicht, wie nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung erforderlich, das Ende des Anspruchs nach § 46 Abs. 3 SGB VII durch Bescheid festgestellt (BSG, Urteile vom 13.06.2005 - B 2 U 4/04 R- Juris und 30.10.2007- B 2 U 31/06 R- SozR 4 -2700 § 46 Nr. 3). Diese Feststellung war im Falle des Klägers auch notwendig, denn die Beurteilung des Wiedereintritts der Arbeitsfähigkeit erfordert eine Prognoseentscheidung nach § 46 Abs. 3 Satz 2, Halbsatz 1 SGB VII. Das hat zur Folge, dass der Verletztengeldanspruch - was aber im Berufungsverfahren nicht streitbefangen war - noch bis zum Beginn der Übergangsgeldzahlung nach § 46 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB VII besteht, die ihrerseits gesetzlich zur Beendigung des Verletztengeldanspruchs führt. Insoweit ist ohne Belang, dass das Übergangsgeld vom dem Rentenversicherungsträger geleistet wurde, zumal die Beklagte rechtlich für die allein durch den Unfall erforderliche Rehabilitationsmaßnahme zuständig gewesen wäre, der Rentenversicherungsträger also als erstangegangener Träger nach § 14 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) gezahlt hat. Solange aber noch Anspruch auf Verletztengeld besteht, hat der Kläger nach § 72 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII keinen Verletztenrentenanspruch, dieser setzt vielmehr die Beendigung des Verletztengeldes voraus. Der Senat hat deshalb antragsgemäß den Anspruch erst mit dem 26.08.2006 beginnen lassen.

Im Rahmen der nach § 193 SGG zu treffenden Kostenentscheidung war zu berücksichtigen, dass der Kläger im Berufungsverfahren das ursprüngliche Klagebegehren nicht in vollem Umfang aufrecht erhalten hat.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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