L 1 LW 31/11

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 30 LW 28/11
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 1 LW 31/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 10 LW 2/13 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Regelung des § 3 Abs. 2 Satz 4 zweiter Halbsatz ALG ist nicht verfassungswidrig; sie verstößt insbesondere weder gegen das Rückwirkungsverbot noch gegen die Grundrechte der Klägerin aus Art. 2 Abs. 1, Art. 3 GG, Art. 6 und Art. 14 GG.
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 4. August 2011 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig zwischen den Beteiligten ist die rückwirkende Befreiung der Klägerin von der Versicherungspflicht als Ehefrau eines Landwirts.

Die 1983 geborene Klägerin ist seit 08.08.2010 mit dem Beigeladenen verheiratet. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 04.01.2005 wurde festgestellt, dass der Beigeladene als Landwirt für die Zeit ab 01.01.2005 bei der Beklagten versicherungs- und beitragspflichtig ist. In einem Begleitschreiben vom 04.01.2005 an den Beigeladenen wurde darauf hingewiesen, dass ab 01.01.1995 alle Ehegatten der landwirtschaftlichen Unternehmer zur Beitragspflicht zu veranlagen sind, sofern nicht Versicherungsfreiheit kraft Gesetzes vorliege oder eine Befreiung auf Antrag möglich sei. Zur Vervollständigung der Unterlagen wurde der Beigeladene gebeten, in einem beigefügten Formular innerhalb von zwei Wochen Auskunft über den Familienstand zu geben. Am 25.02.2011 benachrichtigte der Beigeladene die Beklagte über die Eheschließung und seine Namensänderung.

Am 08.03.2011 beantragte die Klägerin die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) wegen berücksichtigungsfähiger Rentenversicherungszeiten aufgrund der Erziehung ihres 2010 geborenen Sohnes.

Mit Bescheiden vom 01.04.2011 stellte die Beklagte die Versicherungspflicht der Klägerin ab 08.08.2010 als Ehegattin eines Unternehmers fest und sprach die Befreiung der Klägerin davon ab 01.04.2011 aus. Die Befreiung wirke grundsätzlich vom Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen an. Voraussetzung hierfür sei jedoch, dass die Eheschließung unverzüglich gemeldet werde. Die Eheschließung sei aber erst im Februar 2011 angezeigt worden. Die Befreiung sei daher erst ab Antragseingang möglich. Für den Antragsmonat sei noch der volle Beitrag zu entrichten.

Mit ihrem Widerspruch bestritt die Klägerin die Verfassungsmäßigkeit der für die Entscheidung maßgeblichen Regelung des § 3 Abs. 2 Satz 4 ALG. Danach gelte die bisherige Regelung über den Beginn der Antragsfrist für die rückwirkende Befreiung nicht mehr für diejenigen Fälle der Versicherungspflicht nach § 1 Abs. 3 ALG, in denen die Versicherungspflicht aktuell durch die Eheschließung mit einem Landwirt ausgelöst werde, dessen Versicherungspflicht nach § 1 Absatz 2 ALG zum Zeitpunkt der Eheschließung bereits festgestellt war. Dies verstoße gegen Art. 3 und Art. 6 Grundgesetz (GG). Zum Vergleich wird eine Fallkonstellation zu bedenken gegeben, in der der Ehemann den landwirtschaftlichen Betrieb zwar bereits vor Eheschließung übernommen, die Übernahme aber noch nicht an die Landwirtschaftliche Alterskasse gemeldet hat. Wenn deshalb die Versicherungspflicht des Ehemannes nach § 1 Abs. 2 ALG noch nicht festgestellt worden sei, könne auch die Ehefrau rückwirkend ab Betriebsübernahme die Befreiung von der Versicherungspflicht beantragen. Dies stelle eine Ungleichbehandlung im Vergleich zur Klägerin dar, die Art. 3 GG widerspreche. Die angegriffene Regelung treffe überwiegend Frauen, die in einen landwirtschaftlichen Betrieb einheiraten würden. Die Klägerin erfülle außerdem für das gesamte Jahr 2010 den Befreiungstatbestand, weil sie in diesem Jahr regelmäßig außerlandwirtschaftliches Erwerbseinkommens als Arbeitnehmerin in einem Therapiezentrum über 4800 EUR bezogen habe; sie hat einen Ausdruck der Lohnsteuerbescheinigung für 2010 vorgelegt (01.01.-31.12.2010: 21.587 EUR brutto).

Mit Widerspruchsbescheid vom 24.05.2011 wies die Beklagte den Widerspruch überwiegend zurück. Da der Beigeladene seit Januar 2005 Landwirt nach § 1 Abs. 2 ALG sei, unterliege seine Ehefrau ab der Eheschließung am 08.08.2010 der Versicherungspflicht nach § 1 Abs. 3 ALG. Die Klägerin erfülle zwar die materiellen Voraussetzungen für eine Befreiung ab 08.08.2010. Nach der Grundregel des § 3 Abs. 2 ALG wirke die Befreiung aber nur dann vom Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen an, wenn sie innerhalb von drei Monaten beantragt werde, ansonsten vom Eingang des Antrags an. Hier müsse der Befreiungsantrag vom 08.03.2011 herangezogen und festgestellt werden, dass die Antragsfrist für eine rückwirkende Befreiung bereits am 07.11.2010 geendet habe. Auch bei einer Anwendung des § 94 Abs. 2 ALG könne die Antragsfrist nur bis zum 30.11.2010 verlängert werden. Dem Widerspruch wurde insoweit abgeholfen, als die Befreiung bereits ab 01.01.2011 ausgesprochen wurde. Wegen der Geburt des Sohnes am 19.12.2010 lägen die Befreiungsvoraussetzungen nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 ALG bereits ab 01.01.2011 vor; der Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht vom 08.03.2011 sei innerhalb von drei Monaten vom Vorliegen dieser Befreiungsvoraussetzungen gestellt worden. Der Beitragsrückstand betrage noch 1060,00 EUR.

Mit der Klage vom 17.06.2011 beim Sozialgericht München (SG) hat die Klägerin beantragt, sie unter Aufhebung der Bescheide bereits ab August 2010 von der Versicherungspflicht zu befreien. Die Vorschrift des § 3 Abs. 2 Satz 4 ALG verstoße gegen Art. 3 und Art. 6 GG.

Mit Urteil vom 04.08.2011 ist die Klage abgewiesen worden. Das SG hat keinen Verfassungsverstoß gesehen. Die Beschränkung der Rückwirkung einer materiell möglichen Versicherungsbefreiung bedeute eine Sanktion für die Verspätung bei der Stellung des Befreiungsantrages. Grundsätzlich bestehe an der Befugnis des Gesetzgebers zur Verhängung einer solchen Sanktion kein Zweifel, weil den Landwirtschaftlichen Alterskassen die Möglichkeit gegeben werden müsse, die Befreiungsvoraussetzungen zeitnah zu prüfen und überflüssige Abläufe wie beispielsweise die Beitreibung und anschließende Rückzahlung hoher Beitragssummen zu vermeiden. Unabdingbare Voraussetzung für die Anwendung der skizzierten Sanktion sei die Kenntnis der zur Befreiung berechtigten Person über den Eintritt der Versicherungspflicht und die Notwendigkeit, zur Vermeidung der daraus resultierenden Beitragsschulden das Befreiungsverfahren einzuleiten. Insoweit bestehe ein erkennbarer Unterschied zwischen der Situation der Klägerin und der Ehefrau in dem konstruierten Vergleichsfall. Die Klägerin habe nämlich einen bereits versicherungspflichtigen Landwirt geheiratet, der seit 2005 im Besitz eines Bescheides nebst Merkblättern gewesen sei, worin er über so wichtige Tatsachen wie Beginn und Ende der Versicherungspflicht sowie deren Erstreckung auf eine künftige Ehefrau informiert worden sei. Es sei kaum vorstellbar, dass eine im aktiven Erwerbsleben stehende Person nicht anlässlich der Eheschließung für sich und für die zukünftige Partnerin bzw. den zukünftigen Partner Klarheit darüber schaffe, welche rechtlichen und gegebenenfalls finanziellen Konsequenzen sein eigener beruflicher Status für die künftige Ehefrau oder den künftigen Ehemann auslöse. Eine erkennbar andere Situation sei in dem von dem Klägervertreter gebildeten Vergleichsfall gegeben, in dem eine alleinstehende Person oder ein Partner einer bestehenden Ehe ein landwirtschaftliches Anwesen neu übernehme, so dass die Versicherungspflicht eintrete und das Bedürfnis nach einer Befreiung hiervon entstehe. Zwar seien die grundsätzlichen Regelungen der Alterssicherung der Landwirte weithin bekannt, doch sei in einem solchen Falle noch kein Beteiligter im Besitz eines konkret an ihn ergangenen Bescheides, der ihn auf diese Regelungen hinweise. Diese Unterscheidung genüge, um einen Verstoß der Neuregelung gegen das Willkürverbot auszuschließen.

Gegen das am 05.10.2011 zugestellte Urteil ist am 24.10.2011 Berufung eingelegt worden. Zur Begründung hat die Klägerin weiter ausgeführt, warum sie die Neuregelung des § 3 Abs. 2 Satz 4 ALG für verfassungswidrig halte. Es liege ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot vor. Weder sie noch ihr Ehegatte habe an die Meldung der Verheiratung an die Beklagte gedacht bzw. von der Meldepflicht gewusst. Es sei auch nicht nachvollziehbar, weshalb eine dem Ehegatten unterstellte Kenntnis der Klägerin zuzurechnen sei. Der Bundesrat habe die angegriffene Regelung als eine zu weitgehende Sanktion eingestuft; der Ehegatte könne den Bewirtschaftungsumfang und das Erreichen der Mindestgröße nicht einschätzen. Außerdem werde der Familienstand ohnehin turnusmäßig alle zwei Jahre überprüft; wenn dann ein Befreiungsantrag gestellt werde, könne nur ein Rentenanspruch von wenigen Monaten erwachsen, der eine Kleinstrente zwischen 1 EUR und 24 EUR ergeben würde. Der Verwaltungsaufwand stünde dazu in keinem Verhältnis. Die angegriffene Vorschrift sei auch nicht durch den Zweck der Ehegattenversicherung (sozialversicherungsrechtlicher Schutz) gerechtfertigt. Außerdem sei ein Verstoß gegen Art. 3 GG gegeben; hierzu ist erneut auf den zuvor thematisierten Vergleichsfall verwiesen worden. Es seien zudem typischerweise Frauen betroffen, die wie die Klägerin zunächst regelmäßig Arbeitsentgelt bezogen hätten und sich nach der Eheschließung der Kindererziehung widmen würden, so dass die Regelung nur zu unangemessenen Kleinstrenten mit unverhältnismäßigem Verwaltungsaufwand führen würden. Ein Verstoß gegen Art. 6 GG liege vor, weil die Ehegattin eines Landwirts, dessen Versicherungspflicht zum Zeitpunkt der Eheschließung bereits festgestellt worden sei, schlechter stehe als die Ehegattin eines Landwirts, dessen Versicherungspflicht noch nicht festgestellt worden sei. Außerdem werde die Klägerin durch ihre Heirat versicherungspflichtig, obwohl sie in keiner Rechtsbeziehung zur Beklagten vor der Heirat gestanden habe und ihr diese auch nicht bekannt gewesen sei. Es liege auch ein Verstoß in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb vor (Art. 14 GG), da die Nachveranlagung zu Beiträgen aufgrund des langen Zeitraums eine erdrosselnde Wirkung für einen kleinen Betrieb mit 8 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche habe; dieser erziele bei einer Einkünfteermittlung nach § 13a EStG bei einem durchschnittlichen Hektarwert von 1066 DM durchschnittlich 3.280 EUR pro Jahr. Damit komme einem monatlichen Beitrag von 212 EUR im Jahr 2010 erdrosselnde Wirkung zu. Die angegriffene Vorschrift sei auf Anregung des Bundesrechnungshofs geschaffen worden; rein fiskalische Interessen dürften nicht zum Nachteil der Klägerin führen.

Die Beklagte hat hierzu darauf hingewiesen, dass sie in entsprechender Anwendung des § 94 Abs. 2 ALG den betroffenen Ehegatten eine Übergangsfrist bis 30.11.2010 zur Vermeidung nachteiliger Folgen eingeräumt habe. Diese Übergangsfrist sei auch vom Bay. Bauernverband im "landwirtschaftlichen Wochenblatt" publiziert worden. Die Beklagte habe im "LSV kompakt" rechtzeitig auf die geänderten Fristen zur Beitragsbefreiung in der Alterskasse für Ehepartner informiert. Die Beklagte hat außerdem auf das Begleitschreiben zum Aufnahmebescheid an den Beigeladenen vom 04.01.2005 hingewiesen. Dieses gebe eindeutig zu verstehen, dass eine etwaige Eheschließung anzuzeigen sei. Im Übrigen fordere § 3 Abs. 2 Satz 4 ALG kein Verschulden in irgendeiner Form. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch könne hier nicht zur Anwendung kommen. Gesetze würden mit der Verkündung im Bundesgesetzblatt allen Normadressaten als bekannt gegeben gelten ohne Rücksicht darauf, ob und wann diese tatsächlich davon Kenntnis erhalten hätten (BSG - B 13 R 44/09 R). Der Gesetzgeber habe mit der neuen Vorschrift Manipulationsmöglichkeiten verhindern wollen, die nach der alten Regelung des § 3 Abs. 2 ALG denkbar gewesen seien. Bei verspäteter Meldung der Eheschließung hätten die Eheleute bei Eintritt eines Versicherungsfalls (z.B. auf Betriebshilfe) noch Beiträge nachzahlen können, um die Leistung zu realisieren. Bei Nichteintritt des Versicherungsfalles sei für den Ehegatten noch die 3-Monatsfrist für eine rückwirkende Befreiung gegeben gewesen.

Dazu hat die Klägerin erklärt, dass sie selbst nicht Adressatin der Zeitschrift "LSV kompakt" gewesen sei. Weder aus dem Aufnahmebescheid des Beigeladenen noch aus dem Begleitschreiben ergebe sich für den Beigeladenen als Laien, dass er verpflichtet sei, eine spätere Eheschließung der Beklagten mitzuteilen. Er sei von der Beklagten damals nur aufgefordert worden, zum status quo Stellung zu nehmen. Es gebe für die Meldepflicht auch keine Vorschrift des ALG; somit liege kein Verstoß vor, der für die negative Folge des § 3 Abs. 2 Satz 4 ALG eine Rechtsgrundlage liefern könne. Es sei ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch begründet. Das von der Beklagten in Bezug genommene Urteil des BSG (B 13 R 44/09 R) sei nicht einschlägig. Das Argument, wonach die Neuregelung des § 3 Abs. 2 Satz 4 ALG Manipulationsmöglichkeiten verhindern solle, greife nicht, da im Fall der Klägerin und auch in anderen Fällen keine Kenntnis von der Versicherungs- und Beitragspflicht vorgelegen habe, als sie in den Betrieb eingeheiratet habe und außerlandwirtschaftlich tätig gewesen sei. Die Manipulationsmöglichkeit sei rein theoretisch und habe nicht der Praxis entsprochen.

Mit Beschluss vom 22.11.2012 ist der Ehemann der Klägerin notwendig beigeladen worden.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung am 18.12.2012 den Antrag gestellt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 4. August 2011 und des Bescheids vom 1. April 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Mai 2011 zu verurteilen, die Klägerin ab August 2010 von der Versicherungspflicht zu befreien.

Der Vertreter der Beklagten beantragt, die Berufung abzuweisen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten der Beklagte sowie des gerichtlichen Verfahrens Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 01.04.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.05.2011 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

1. Die Beklagte hat die geltenden Vorschriften richtig angewandt.

Wie mit (insoweit unangegriffenem) Bescheid vom 01.04.2011 festgestellt worden ist, war die Klägerin ab Eheschließung am 08.08.2010 bei der Beklagten nach § 1 Abs. 3 ALG versicherungspflichtig.

Danach gilt der Ehegatte eines Landwirts nach § 1 Absatz 2 ALG als Landwirt, wenn - wie hier - beide Ehegatten nicht dauernd getrennt leben und der Ehegatte nicht voll erwerbsgemindert nach § 43 Abs. 2 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VI) ist. Für den Beigeladenen ist mit Bescheid vom 04.01.2005 die Versicherungs- und Beitragspflicht nach § 1 Abs. 2 ALG bestandskräftig festgestellt worden, weil sein landwirtschaftliches Unternehmen die Mindestgröße überschreitet.

Die Klägerin erfüllt für den hier noch strittigen Zeitraum seit Eheschließung am 08.08.2010 bis zum 31.12.2010 den Befreiungstatbestand des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ALG. Sie hat mit der vorgelegten Lohnsteuerbescheinigung belegt, dass ihr Lohn im Jahr 2010 die Grenze von 4800 EUR überschritten hat.

Der Zeitpunkt der Befreiung richtet sich im Fall der Klägerin aber nach der Grundregel des § 3 Abs. 2 Satz 1 ALG. Danach läuft die Antragsfrist vom (erstmaligen) Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen an, zu denen auch der Eintritt der Versicherungspflicht gehört; hier traten die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ALG zum frühestmöglichen Zeitpunkt, dem Tag der Eheschließung am 08.08.2010 ein. Um die Befreiung bereits ab Eintritt der Versicherungspflicht erhalten zu können, hätte die Klägerin den Antrag deshalb grundsätzlich innerhalb von drei Monaten, also bis zum Ablauf des 07.11.2010 stellen müssen. Darüber hinaus hat die Beklagte der Klägerin in entsprechender Anwendung des § 94 Abs. 2 ALG noch eine Übergangsfrist von drei Kalendermonaten nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes bis 30.11.2010 eingeräumt. Die Klägerin hat den Befreiungsantrag aber erst am 08.03.2011 gestellt; dieser bezieht sich auf alle vorhandenen Befreiungsgründe (§ 3 Abs. 2a ALG). Bezüglich des genannten Befreiungsgrunds des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ALG kam daher eine Befreiung erst ab dem 01.04.2011 in Betracht.

Die rückwirkende Befreiung aufgrund der in § 3 Abs. 2 Satz 4 ALG angeordneten entsprechenden Anwendung von § 34 Abs. 2 Satz 3 und 4 ALG wird nach der neuen Gesetzeslage (§ 3 Abs. 2 Satz 4 Halbsatz 2 ALG) für die Klägerin ausgeschlossen, weil sie einen Landwirt heiratete, dessen Versicherungspflicht bereits bestandskräftig festgestellt war.

2. Ebenso wie das Sozialgericht und anders als die Klägerin ist der Senat nicht von der Verfassungswidrigkeit des § 3 Abs. 2 Satz 4 zweiter Halbsatz ALG überzeugt.

2.1 Die Anwendung der Vorschrift verstößt nicht gegen den aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG abzuleitenden Grundsatz des Vertrauensschutzes. Das vom Klägerbevollmächtigten geltend gemachte Rückwirkungsverbot greift im vorliegenden Fall nicht. Das grundsätzliche Verbot rückwirkender belastender Gesetze beruht auf den Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes (vgl. BVerfGE 45, 142 (167 f.)). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wird zwischen der echten und der unechten Rückwirkung unterschieden. Eine Rechtsnorm entfaltet "echte" Rückwirkung, wenn sie nachträglich in einen abgeschlossenen Sachverhalt ändernd eingreift (vgl. BVerfGE 101, 239 (263); 123, 186 (257)). Normen mit echter Rückwirkung sind grundsätzlich verfassungsrechtlich unzulässig (vgl. BVerfGE 13, 261 (271); 101, 239 (263)). Eine unechte Rückwirkung liegt vor, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition entwertet (vgl. BVerfGE 101, 239 (263); 123, 186 (257)), so wenn belastende Rechtsfolgen einer Norm erst nach ihrer Verkündung eintreten, tatbestandlich aber von einem bereits ins Werk gesetzten Sachverhalt ausgelöst werden ("tatbestandliche Rückanknüpfung"; vgl. BVerfGE 63, 343 (356); 72, 200 (242); 97, 67 (79); 105, 17 (37 f.); 127, 1 (17)). Sie ist grundsätzlich zulässig. Allerdings können sich aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip Grenzen der Zulässigkeit ergeben. Die Klägerin kann sich hier auf ein schützenswertes Vertrauen schon deshalb nicht berufen, weil ihre Eheschließung im engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Erlass des Gesetzes stand. Mit der Einbringung eines Gesetzentwurfs im Bundestag werden geplante Gesetzesänderungen öffentlich; damit wird das Vertrauen in den zukünftigen Bestand einer Rechtslage in Frage gestellt. Jedenfalls ab dem endgültigen Beschluss des Deutschen Bundestages über einen Gesetzentwurf müssen die Betroffenen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts mit der Verkündung und dem Inkrafttreten der Neuregelung rechnen, weshalb es ihnen von diesem Zeitpunkt an zuzumuten ist, ihr Verhalten auf die beschlossene Gesetzeslage einzurichten (vgl. BVerfGE 97, 67 (79); 127, 31 (58)). Diese Zuordnung hat das Bundesverfassungsgericht als den "verhältnismäßig besten Ausgleich" zwischen den denkbaren Positionen - Abstellen auf die Einbringung des Gesetzentwurfs einerseits und die Verkündung der Neuregelung andererseits - bezeichnet (vgl. BVerfGE 72, 200 (261 f.); 127, 31 (58)). Die Einfügung des zweiten Halbsatzes des § 3 Abs. 2 Satz 4 ALG ist durch Art. 7 des Dritten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze am 5. August 2010 (BGBl I S. 1127) durch den Bundestag beschlossen worden und am 11.08.2010 in Kraft getreten. Das Gesetz findet auf die Klägerin erst durch ihre Eheschließung am 08.08.2010 Anwendung. Ein schützenswertes Vertrauen auf das Fortbestehen der alten Gesetzeslage bestand nach den o.g. Grundsätzen zu diesem Zeitpunkt daher schon nicht mehr. Einer Rechtfertigung unter dem Gesichtspunkt der Rückwirkung bedarf es bereits deshalb nicht.

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte die Übergangsregelung des § 94 Abs. 2 ALG entsprechend angewendet hat. Nach § 94 Abs. 2 ALG sind aufgehobene und ersetzte Vorschriften auch nach dem Zeitpunkt ihrer Aufhebung noch auf den bis dahin bestehenden Anspruch anzuwenden, wenn der Anspruch bis zum Ablauf von drei Kalendermonaten nach der Aufhebung geltend gemacht wird. Die Regelung ist bei jeder Änderung des ALG einschlägig (s. Komm. zur Alterssicherung der Landwirte, hrsg. v. Spitzenverband der landwirtschaftl. Sozialversicherung, § 94 Seite 2.2). Ohne Übergangsregelung hätte die Neuregelung in manchen Fällen dazu führen können, dass der Antrag auf Befreiung wegen des neuen - womöglich in der Vergangenheit liegenden - Fristbeginns bereits im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Gesetzesänderung verfristet gewesen wäre. Um eine solche echte Rückwirkung zu vermeiden, war die entsprechende Anwendung des § 94 Abs. 2 ALG im Rahmen verfassungskonformer Auslegung geboten. Dadurch konnten die bisherigen Vorschriften noch bis zum Ablauf von drei Kalendermonaten nach der Gesetzesänderung, d.h. bis zum 30.11.2010, Anwendung finden. Bei dieser Gesetzesauslegung liegt eine problematische Rückwirkung nicht mehr vor. Die Betroffenen hatten es durch ihr Verhalten nach Inkrafttreten der Gesetzesänderung noch in der Hand, nachteilige Wirkungen zu vermeiden. Wegen der dreimonatigen Frist ab Inkrafttreten des Gesetzes nach § 94 Abs. 2 ALG gab es letztlich für "Altfälle" keinen anderen Handlungsbedarf als wenn die Befreiungsvoraussetzungen erst nach dem 11.08.2011 eingetreten sind.

Insoweit besteht kein durch die alte Rechtslage vermittelter Vertrauensschutz mehr. Für Tatbestände, die nach Verkündung des Gesetzes begonnen werden, fehlt es selbst an einer unechten Rückwirkung (s. Jarass: in Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl., Art. 20, Rn. 69). Die bloß allgemeine Erwartung, das geltende Recht werde zukünftig unverändert fortbestehen, genießt keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz (vgl. BVerfGE 38, 61 (83); 68, 193 (222); 105, 17 (40); 109, 133 (180 f.); 127, 1 (17)).

Die Klägerin kann sich auch nicht mit dem Argument auf die alte Gesetzeslage berufen, dass sie von der Gesetzesänderung keine Kenntnis hatte. Nach dem Grundsatz der formellen Publizität gelten Gesetze mit ihrer Verkündung im Bundesgesetzblatt allen Normadressaten als bekannt, ohne Rücksicht darauf, ob und wann diese tatsächlich davon Kenntnis erhalten haben (vgl. BSG; Urteil vom 06.05.2010 - B 13 R 44/09 R, SozR 4-1200 § 14 Nr 13, juris Rn. 24; BSG, Urteil vom 24.11.2005 - B 12 RA 9/03 R, SozR 4-2600 § 6 Nr. 5, juris Rn.21). Die neuen Fristen sind darüber hinaus auch in den Publikationen der Beklagten und des Bauernverbands oder des Deutschen LandFrauenverbands e.V. allgemein bekannt gegeben worden.

2. 2. Auch soweit die Klägerin einen verfassungswidrigen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nach Art. 14 GG sieht, weil durch die angegriffene Regelungen zur Antragsfrist eine Beitragsbelastung mit erdrosselnder Wirkung entstehe, erkennt der Senat keinen Verfassungsverstoß.

Ist die Antragsfrist für die Befreiung versäumt worden, so hat dies die Aufrechterhaltung der Pflichtmitgliedschaft der Klägerin in der Alterssicherung der Landwirte zur Folge. Die daran anknüpfende Beitragsbelastung durch das ALG hält sich aber in verfassungsgemäßem Rahmen (vgl. insbesondere BVerfGE 109, 96).

Art. 14 Abs. 1 GG schützt nicht vor der staatlichen Auferlegung von Geldleistungspflichten und Zwangsbeiträgen. Diese sind nicht mittels eines bestimmten Eigentumsobjekts zu erfüllen, sondern werden aus dem fluktuierenden Vermögen bestritten. Eine Eigentumsverletzung kommt nur dann in Betracht, wenn die Geldleistungspflichten den Betroffenen in einer Weise übermäßig belasten und seine Vermögensverhältnisse so grundlegend beeinträchtigen, dass sie eine erdrosselnde Wirkung haben (vgl. BVerfGE 78, 232 (243); 95, 267 (300) stRspr). Eine solche Wirkung liegt nicht bereits dann vor, wenn eine Geldleistungspflicht die Fortführung einzelner Unternehmen unmöglich macht. Sie muss diese Wirkung als Regel haben (vgl. BVerfGE 95, 267 (301)). Eine solche Wirkung ist nicht ersichtlich. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass zur Vermeidung einer unzumutbaren Belastung die Regelung zum Beitragszuschuss (§ 32 ALG) eingreift (vgl. BVerfGE 109, 96). Danach erhalten versicherungspflichtige Landwirte einen Zuschuss zu ihrem Beitrag und zum Beitrag für mitarbeitende Familienangehörige, wenn das nach Absatz 2 ermittelte jährliche Einkommen 15.500 Euro nicht übersteigt. Das jährliche Einkommen wird dabei aus dem Jahreseinkommen des Landwirts und seines nicht dauernd von ihm getrennt lebenden Ehegatten ermittelt; das Einkommen wird jedem Ehegatten zur Hälfte zugerechnet, so dass die Grenze für Beitragszuschüsse für Ehegatten bei 31.000 EUR im Jahr liegt. Die Belastung mit einem Gesamtjahresbetrag von 2544 EUR (ausgehend von einem Monatsbeitrag von 212 EUR im Jahr 2010) betrug damit im Jahr 2010 16,4 % der dem Ehegatten zuzurechnenden Einkommenshälfte. Das lag unter den Beiträgen der in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherten selbständig Tätigen, die im Jahr 2010 19,9 % betrugen (s. § 68 ALG zur Höhe des Beitrags).

Soweit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin darauf hinweist, dass gerade bei kleinen Betrieben von 8 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche daraus nur ein Einkommen von 3.280 EUR pro Jahr erzielt werde, käme ein Zuschuss in solchen Fällen somit grundsätzlich in Betracht. Für den Antrag auf den Zuschuss beginnt bei rückwirkender Feststellung der Versicherungspflicht die Frist nach § 34 Abs. 2 Satz 3 ALG, also mit Bekanntgabe des Bescheids über die Feststellung der Versicherungspflicht, soweit nicht die besonderen Voraussetzungen des § 34 Abs. 2 Satz 4 vorliegen. In den hier problematischen Fällen der erstmaligen (rückwirkenden) Feststellung der Versicherungspflicht kann der Zuschuss daher in der Regel auch rückwirkend in Anspruch genommen werden.

Soweit ein Zuschuss wegen des sonstigen Einkommens des Ehepaares nicht in Betracht kommt, hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 9. Dezember 2003 festgestellt, dass die Beiträge oberhalb der Zuschussgrenze zumutbar sind. Insbesondere ist es auch verfassungsgemäß, dass bei der Bemessung der Beitragszuschüsse das gesamte Familieneinkommen, nicht nur das aus dem landwirtschaftlichen Betrieb berücksichtigt wird. Es handelt sich bei dem Beitragszuschuss um eine beitragsmindernde Subvention, die an die Leistungsfähigkeit des Familieneinkommens anknüpfen darf (vgl. BVerfGE 109, 96, juris Rn. 61). Die Belastung auch der außerlandwirtschaftlichen Einkünfte ist letztlich mit Blick auf das Ziel einer eigenständigen Sicherung der Ehefrau zumutbar (vgl. BSG, Urteil 25.11.1998 - B 10 LW 10/97 R, BSGE 83, 145, juris Rn. 47).

Bei der Beitragsbelastung ist auch zu berücksichtigen, dass die Beiträge nicht verloren sind (vgl. BSG, Urteil v. 25.11.1998 - B 10 LW 10/97 R, BSGE 83, 145, juris Rn.28), weil durch sie Anwartschaften auf Leistungen der Alterssicherung erworben werden (z.B. auf Altersrente, Renten wegen Erwerbsunfähigkeit, Witwenrente). Aus den Beiträgen wird kein geringerer Wert erzielt als aus den Beiträgen zur Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten. Der Beitragsabschlag zugunsten der Landwirte und deren Ehegatten von 20% (§ 68 Satz 1 ALG) erklärt sich aus dem geringeren Leistungsspektrum in der Versicherung der Landwirte verglichen mit der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Rendite der landwirtschaftlichen Alterssicherung wird wegen der hohen Beitragszuschüsse als relativ gut angesehen. Außerdem entsteht der Rentenanspruch bereits nach 15 Jahren; eine vergleichbare private Versorgung kann in diesem Zeitraum nicht aufgebaut werden (vgl. BVerfGE 109, 96, 118; BVerfGK 3, 213).

Soweit der Klägerbevollmächtigte darauf hinweist, dass bei der vorliegenden Problematik nur Kleinstrenten entstehen könnten, führt auch dieser Gesichtspunkt nicht zur Überzeugung des Senats von der Verfassungswidrigkeit. Dass bei wenigen Beiträgen auch nur eine geringe Rente resultiert, entspricht grundsätzlich dem Äquivalenzprinzip. An der Rendite als solcher ändert dies nichts. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die aufgrund verspäteter Antragstellung erfolgte Beitragszahlung nur einen geringen Ausschnitt aus dem Versicherungsleben betrifft. Eine Befreiung wegen der Kindererziehung ist begrenzt. Ob und wann die Befreiungsvoraussetzungen wegen einer eventuellen entgeltlichen Tätigkeit erneut eintreten und auch geltend gemacht werden, steht in dem Zeitpunkt noch nicht fest. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Klägerin erneut versicherungspflichtig wird. Bei der Wartezeit können außerdem Zeiten der Pflichtversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung berücksichtigt werden (§ 17 ALG), so dass die Klägerin nicht befürchten muss, dass mangels Erfüllung von Wartezeiten keine Leistungsansprüche folgen.

Dass die u.U. entstehenden Kleinstrenten einen unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand verursachen, stellt keine spezifische Belastung der Klägerin dar und begründet jedenfalls keine erdrosselnde Wirkung.

2. 3 Die Klägerin ist auch nicht in ihrem Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) verletzt.

2.3.1 Der Einwand der Klägerin, dass sie versicherungspflichtig geworden sei, obwohl sie in keiner Rechtsbeziehung zur Beklagten vor der Heirat gestanden habe und ihr diese auch nicht bekannt gewesen sei, richtet sich zunächst gegen die Versicherungspflicht als solche. Diese tritt bereits von Gesetzes wegen bei Vorliegen der Voraussetzungen ein; der (spätere) Bescheid über die Feststellung hat insoweit nur deklaratorische Bedeutung (vgl. BSG, Urteil v. 12.06.2001, B 10 LW 16/00 R, juris Rn. 16). Die Versicherungspflicht der Ehegatten in der Alterssicherung der Landwirte ist verfassungsgemäß (vgl. BVerfGE 109, 96). Der damit verbundene Eingriff in die wirtschaftliche Handlungsfreiheit wird durch den Zweck der eigenständigen Sicherung der Frau gerechtfertigt. Dass die Klägerin nicht selbst als Landwirtin tätig, sondern zum Zeitpunkt der Eheschließung erwerbstätig war, hindert den Eintritt der Versicherungspflicht nicht. Die Ehegattenversicherung beruht auf einer gesetzlichen Fiktion. Auf eine tatsächliche Mitarbeit im landwirtschaftlichen Unternehmen kommt es nach § 1 Abs. 3 ALG nicht an (vgl. BSG - B 10 LW 40/00r, a.a.O., juris Rn. 19 mwN: BSGE 81, 294, 295f, BSGE 83, 145). Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 09.12.2003 - 1 BvR 558/99 - ausdrücklich und überzeugend dargelegt (juris Rn. 43f, 48), dass die Einbeziehung der Ehegatten von Landwirten in die Versicherungspflicht der landwirtschaftlichen Alterssicherung nach § 1 Abs. 3 ALG mit Art. 2 Abs. 1 GG auch insoweit vereinbar ist, als sie Ehegatten betrifft, die im Betrieb des Ehepartners nicht mitarbeiten. Die Einbeziehung der Ehegatten von Landwirten in die Versicherungspflicht war erforderlich, um einerseits einen wirksamen Beitrag zur Alterssicherung dieses Personenkreises zu leisten und andererseits die Funktionsfähigkeit der Alterssicherung in der Landwirtschaft zu sichern. Der Gesetzgeber durfte sich am Regelfall orientieren und unter Zugrundelegung eines Konzepts der Typisierung und Generalisierung alle Ehegatten für schutzbedürftig halten (s. dazu im Einzelnen BVerfG, aaO, juris Rn. 48ff).

2.3.2 Auch die darüber hinaus gehende angegriffene Regelung zur Antragsfrist für die Befreiung von der Versicherungspflicht verstößt nicht gegen Art. 2 Abs. 1 GG. Zwar wird in die allgemeine Handlungsfreiheit dadurch eingegriffen, dass eine Befreiung nur auf Antrag und rückwirkend nur innerhalb einer bestimmten Frist erfolgt. Die darin liegende Beeinträchtigung ist aber gerechtfertigt.

Mit den Befreiungsmöglichkeiten können die Folgen der von Gesetzes wegen eintretenden Versicherungspflicht (wie z.B. eine Übersicherung) bei Vorliegen individueller Voraussetzungen verhindert werden. Der Gesetzgeber hat es mit dem Antragserfordernis den Betroffenen anheimgestellt, den Tatbestand selbst geltend zu machen. Bei der Befreiung wegen Überschreitens des Grenzwerts (außerlandwirtschaftliche Einkünfte über 4.800 EUR jährlich, § 3 Abs. 1 Nr. 1 ALG) handelt es sich somit um ein Angebot des Gesetzgebers, eine mögliche doppelte Beitragslast zur gesetzlichen Alterssicherung zu vermeiden (BSG, Urteil vom 30.06.1999 - B 10 LW 17/98 R, juris Rn. 18). Die Doppelversicherung als solche ist dabei nicht systemwidrig, sondern eine vom Gesetzgeber gewollte Gestaltungsmöglichkeit.

Der Antrag auf Befreiung realisiert somit das Prinzip der Wahlfreiheit und Eigenverantwortung; der Landwirt soll sich jeweils überlegen können, ob er angesichts des Teilversorgungscharakters der AdL von dem Befreiungsrecht Gebrauch machen will (vgl. BSG, Urteil v. 05.10.2006 - B 10 LW 6/05 R, juris Rn. 20).

Dabei steht dem Dispositionsinteresse der Versicherten an einer unbefristet rückwirkenden Antragsmöglichkeit das schützenswerte Interesse der Versichertengemeinschaft an Rechtsklarheit über das Versicherungsverhältnis gegenüber (vgl. LSG NRW, Urteil vom 24.11.2010 - L 8 R 187/09, juris Rn. 23 zu der Antragsfrist des § 6 Abs. 4 SGB VI). Betrifft eine Rechtsausübung den Status des Berechtigten innerhalb der Sozialversicherung, besteht ein besonderes Bedürfnis nach Rechtsklarheit und eindeutiger Festlegung, wer zum Kreis der Berechtigten gehört und wer nicht (vgl. BSG, Urteil vom 08.03.1979 - 12 RK 27/77, SozR 2200 § 1227 Nr 25). Der Versichertengemeinschaft soll nicht über das unvermeidliche Maß hinaus eine Ungewissheit über den Bestand des Versichertenverhältnisses und eine negative Risikoauslese zu ihren Lasten überbürdet werden (vgl. etwa BSG, Urteil v. 24.11.2005, B 12 RA 9/03 R, SozR 4-2600 § 6 Nr. 5, juris Rn. 18 zu § 6 Abs. 4 SGB VI, BSG, Urteil vom 11. Februar 1988, 4/11a RA 9/87, SozR 2400 § 124 Nr 5 S 8 f und vom 1. September 1988, 4 RA 18/88, SozR 2400 § 124 Nr 6 S 16 f zur Jahresfrist in der Nachversicherung; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 24.11.2010 - L 8 R 187/09).

Bis zum 31.12.1994 war nach § 14 Abs. 2 des bis dahin geltenden Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte (GAL) eine Befreiung von der Beitragspflicht wegen versicherungspflichtiger außerlandwirtschaftlicher Beschäftigung bei erfüllter Wartezeit in der gesetzlichen Rentenversicherung zeitlich unbegrenzt rückwirkend möglich. Diese unbefristete rückwirkende Befreiungsmöglichkeit hatte eine nicht unerhebliche Begünstigung bedeutet (s. dazu BSG, Urteil v. 17.08.2000, B 10 LW 22/99 R, SozR 3-5868 § 3 Nr 3, juris Rn. 27). Der Betroffene konnte auch erst nach langer Zeit entscheiden, ob sich die Doppelversicherung gelohnt hatte. War zwischenzeitlich ein Versicherungsfall eingetreten, der einen Leistungsanspruch begründete - oder war ein solcher zu erwarten - blieb die Alterskasse auf dem (schlechten) Risiko hängen, während der Betroffene jederzeit rückwirkend die Beitragspflicht "aufkündigen" konnte, wenn er keine Leistungen erwartete. Dem wollte der Gesetzgeber mit der Neuregelung des Befreiungsrechts erkennbar entgegenwirken. Mit dem Agrarsozialreformgesetz 1995 hat er - im Gegensatz zum bisher geltenden Recht (BTDrucks 12/5700 S. 71 zu § 3) - in § 3 ALG für die rückwirkende Befreiung nur eine Antragsfrist von drei Monaten eingeräumt. Die begrenzte Rückwirkung eines Befreiungsantrags ist zum Zwecke der Rechtsklarheit im Interesse der Versichertengemeinschaft gerechtfertigt.

Soweit sich die Klägerin auf Unkenntnis über den Beginn der Versicherungspflicht und das Befreiungsrecht beruft, lässt sich damit ein Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG nicht begründen. Die Pflichten bzw. Rechte der Klägerin ergeben sich unmittelbar aus dem Gesetz. Es findet auch insoweit der Grundsatz der formellen Publizität von Gesetzen Anwendung (s.o.), der sich aus Art 82 GG ergibt und damit selbst Verfassungsrang hat; danach genügt für die Bekanntmachung von Gesetzen, die sich an einen unbestimmten Kreis von Personen richten, die Verkündung im Bundesgesetzblatt. Mit der Verkündung gelten die Gesetze grundsätzlich allen Normadressaten als bekannt, ohne Rücksicht darauf, ob und wann sie von ihnen tatsächlich Kenntnis erlangt haben (vgl. BSGE 67, 90, 92; BSGE 72, 80; BSG, Beschluss v. 24.03.2003 - B 12 KR 2/03).

2.4 Die angegriffene Norm erscheint dem Senat auch vor dem Hintergrund der Gesetzessystematik (Rechtsgedanke des § 34 Abs. 2 Satz 3 und 4 ALG) und im Vergleich mit anderen Fallgruppen mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG wäre gegeben, wenn der Gesetzgeber eine Gruppe anders behandeln würde als eine andere, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht vorliegen, die die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. BVerfGE 109, 96 (123); stRspr). Dies ist nach Ansicht des Senats nicht der Fall.

Der Gesetzgeber hat zwar mit der Regelung in § 34 Abs. 2 Satz 3 ALG und dem Verweis darauf in § 3 Abs. 2 ALG deutlich gemacht, dass er die Publizitätswirkung des Gesetzes nicht in allen Fällen für ausreichend hält, um die Betroffenen über ihre Gestaltungsmöglichkeiten zu informieren. § 34 Abs. 2 Satz 3 ALG soll eine Bevorzugung solcher Personen vermeiden, die noch so rechtzeitig einen Bescheid über die Feststellung der Versicherungspflicht erhalten haben, dass sie die Antragsnotwendigkeit erkennen und noch vor Ablauf der allgemeinen Antragsfrist den Beitragszuschuss beantragen konnten (so BSG v. 28.03.2000 - B 10 LW 4/99). Dieser Rechtsgedanke wurde in der Rechtsprechung auf die Versicherungsbefreiung nach § 85 ALG (Übergangsregelung zur Einführung der Ehegattenversicherung zum 01.01.1995) übertragen (BSG, Urteil vom 28.03.2000 - B 10 LW 4/99; B 10 LW 2/99 R); auch bei einem Befreiungsantrag nach § 3 ALG wurde die Heranziehung des § 34 Abs. 2 Satz 3 ALG in der Rechtsprechung schon diskutiert (BSG 17.08.2000 - B 10 LW 22/99 R), bevor die entsprechende Anwendung des § 34 Abs. 2 Satz 3 und 4 ALG in § 3 Abs. 2 Satz 4 ALG mit dem RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.07.2007 ausdrücklich angeordnet wurde; sie entsprach zu diesem Zeitpunkt bereits der Verwaltungspraxis (vgl. BTDrucks 16/3794 S. 49). Hinter der entsprechenden Anwendung des § 34 Abs. 2 Satz 3 ALG steht der Gedanke, dass die betroffenen Laien die gesetzlichen Regelungen oft nur schwer durchschauen können und eine realistische Möglichkeit haben sollen, die Frist einhalten zu können (vgl. BSG 28.03.2000 - B 10 LW 4/99 R).

Allerdings kann auch nicht übersehen werden, dass die Versicherten selbst über besondere Kenntnisse verfügen, soweit ihre individuellen Lebensumstände (Aufnahme einer Unternehmenstätigkeit, Eheschließung etc.) betroffen sind. Erst die Kenntnis dieser Tatbestände setzt den Versicherungsträger in die Lage, mit der Prüfung der Versicherungspflicht überhaupt zu beginnen. Mit der anzustrebenden Klarheit über den Eintritt der Versicherungspflicht wäre es nicht zu vereinbaren, wenn deren Feststellung durch die Versicherten verzögert werden könnte. Aus § 34 Abs. 2 Satz 4 ALG ergibt sich insoweit der nachvollziehbare Rechtsgedanke, dass die rückwirkende Feststellung der Versicherungspflicht dann nicht maßgeblich ist, wenn die Herauszögerung der behördlichen Prüfung vom Versicherten zu vertreten ist. So heißt es in der Begründung zum RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz (BTDrucks 16/3794 S. 49): "Hat der Berechtigte z.B. Mitwirkungspflichten verletzt und ist es dadurch zu einer verzögerten Feststellung der Versicherungspflicht gekommen (§ 34 Abs. 2 Satz 4), ist eine rückwirkende Befreiung nicht möglich."

Während die direkte Anwendung des § 34 Abs. 2 Satz 4 ALG darauf abstellt, ob der Berechtigte die verzögerte Antragstellung persönlich zu vertreten hat (vgl. BSG, Urteil vom 11.12.2002 B 10 LW 14/01 R - SozR 3-5868 § 85 Nr 8), geht der Gesetzgeber mit der hier angegriffenen Vorschrift pauschal davon aus, dass bei der Eheschließung "die erst nachträgliche Feststellung der Versicherungspflicht ihre Ursache in einem Mitteilungsverstoß der Betroffenen findet" (so BTDrucks 17/1684 S. 17). Auf die Bedenken des Bundesrats (BTDrucks 17/1684 S. 23), dass der Ehegatte noch weniger als der Landwirt beurteilen könne, ob ein Betrieb die Mindestgröße überschreite, hat der Gesetzgeber noch den letzten Halbsatz eingefügt. Danach gilt auch bei Eintritt von Versicherungspflicht durch Eheschließung der verzögerte Fristlauf des § 34 Absatz 2 Satz 3 ALG (mit der rückwirkenden Befreiungsmöglichkeit), sofern im Zeitpunkt der Eheschließung auch der Unternehmer noch keinen Bescheid über seine Versicherungspflicht erhalten hat (s. BTDrucks 17/2169 S. 10 zu Art. 7 Nummer 1 Buchst. B).

Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber noch innerhalb seines Gestaltungsspielraums gehandelt und die Rechte der Betroffenen in einen zumutbaren - typisierten - Ausgleich gebracht:

Eine Mitteilungspflicht über die Eheschließung besteht nach § 76 ALG iVm § 196 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI. Die LAK soll durch Mitteilungen der Versicherten in die Lage versetzt werden, die Versicherungspflicht zu prüfen (GLA-Komm, § 73 1.1). Darüber hinaus fordert auch § 1 Abs. 3 Satz 3 ALG innerhalb von drei Monaten nach Eheschließung die Erklärung, welcher Ehegatte das Unternehmen als Landwirt betreibt. Um einen Tatbestand wie die Eheschließung mitzuteilen, sind keine Spezialkenntnisse erforderlich, die die Versicherten überfordern könnten. Da der Gesetzeszweck der sozialen Absicherung der Betroffenen dient, erscheint es auch grundsätzlich gerechtfertigt, den Versicherten - im eigenen Interesse - eine Mitverantwortung für den rechtzeitigen Vollzug des Gesetzes zu geben.

Hat ein Unternehmer nach § 1 Abs. 1 ALG bereits einen Bescheid erhalten, so kann er über die Versicherungspflicht und seine grundsätzliche Eigenverantwortung bei der Ausübung von Gestaltungsrechten nicht mehr im Unklaren sein. Zu der formellen Publizität des Gesetzes, die sich an die Allgemeinheit richtet, ist damit eine individuelle und formelle Information hinzugetreten. Die u.U. schwierig zu ermittelnden und zu beurteilenden Fragen der Mindestgröße, die bei dem erstmaligen Eintritt der Versicherungspflicht zu prüfen sind, sind vom Versicherungsträger bereits geklärt. Dem Beigeladenen ist hier mit dem an ihn gerichteten Bescheid die Anwendbarkeit des Gesetzes auf seine individuelle Situation bekannt gegeben worden. Damit ist der Bereich der Eigen- und Selbstverantwortung des Beigeladenen ausreichend aktiviert worden. Bei Fragebedarf steht ihm ein konkret benannter Ansprechpartner zur Verfügung. Für den Landwirt selbst, hier den Beigeladenen, ist es daher zumutbar, dass seit der Feststellung der Versicherungspflicht mit Bescheid vom 04.01.2005 für evtl. künftige eigene Befreiungsanträge die Frist des § 3 Abs. 2 Satz 1 ALG gilt.

Ebenso zumutbar erscheint, dass unter diesen Umständen auch für den Ehegatten (hier die Klägerin) eines solchen Landwirts die Antragsfrist des § 3 Abs. 2 Satz 1 ALG gilt. Zwar ist der Ehegatte bis zu der die Versicherungspflicht auslösenden Eheschließung selbst noch nicht mit dem Versicherungsträger in Kontakt gestanden. Es liegt aber nach Überzeugung des Senats noch im Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, wenn dieser bei der Verteilung der Verantwortlichkeiten für den rechtzeitigen Vollzug des Gesetzes nicht eine individuell von der Ehefrau zu vertretende Verletzung einer Mitteilungspflicht fordert, sondern von einer Einheit der Ehegatten im Sinne einer Solidaritäts- und Verantwortungsgemeinschaft ausgeht. Der Gesetzgeber darf in einer pauschalen Betrachtungsweise zugrunde legen, dass auch der Ehegatte eines bereits erfassten Unternehmers von dessen Kenntnisstand profitiert. Zu einer Versicherungspflicht des Ehegatten kommt es nur dann, wenn die Ehegatten nicht dauernd getrennt leben. Es kann daher als Regelfall angenommen werden, dass der Unternehmer im Sinne des § 1 Abs. 1 ALG den Ehegatten über die eigene und abgeleitete Versicherungspflicht in Kenntnis setzt. Die Versicherungspflicht des Ehegatten als von der Versicherungspflicht des Unternehmers abgeleiteter Tatbestand ist relativ leicht zu erkennen, wenn der Unternehmer selbst bereits erfasst ist. Die Versicherungspflicht des Ehegatten eines Landwirts ist außerdem nun schon seit über 15 Jahren eingeführt, so dass von einem höheren Bekanntheitsgrad als etwa bei der Ersterfassung im Jahr 1995 ausgegangen werden kann. Der Landwirt im Sinne des § 1 Abs. 1 ALG hat zudem ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der frühzeitigen Klärung des Versichertenstatus seiner Ehefrau. Er haftet nach § 72 ALG gesamtschuldnerisch für die Beiträge der Ehefrau. Auch beim Beitragszuschuss wird das jährliche Einkommen zunächst aus dem des Landwirts und seines nicht dauernd von ihm getrennt lebenden Ehegatten ermittelt; erst dann wird das Einkommen jedem Ehegatten zur Hälfte zugerechnet.

Die Situation unterscheidet sich dagegen erheblich, wenn die Versicherungspflicht des Ehemannes zum Zeitpunkt der Eheschließung noch nicht festgestellt worden ist. Ohne den Feststellungsbescheid fehlt ein klarer und individualisierter Anhaltspunkt, um pauschal von einem ausreichenden Wissen über die Versicherungspflicht des Landwirts und der davon abgeleiteten Versicherungspflicht des Ehegatten auszugehen. Eine Kontaktaufnahme ist noch nicht erfolgt; ein Ansprechpartner noch nicht bekannt. Die Voraussetzung der Mindestgröße ist noch nicht amtlich geklärt. Der Landwirt hat die Höhe seiner Beitragspflicht noch nicht erfahren, und die Zahlungsmodalitäten noch nicht klären müssen. Der Antrag des Landwirts auf Befreiung kann daher noch rückwirkend gestellt werden. In diesem Fall darf der Gesetzgeber daher pauschal von einer vergleichsweise schwierigeren Informationslage auch des Ehegatten ausgehen (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16.11.2011 - L 8 LW 20/11 B ER).

Der Gesetzgeber muss dabei nicht als Regelfall annehmen, dass (im Vergleichsfall) die rückwirkende Feststellung der Versicherungspflicht des Unternehmers und damit auch der Ehefrau stets auf Umständen beruht, die keinen erhöhten Schutz verdienen würde. Der Bevollmächtigte der Klägerin hat insoweit selbst ausgeführt, dass generell weniger Missbrauch, sondern Unwissenheit dazu führen würde, dass Mitteilungen unterblieben. Im Fall der Klägerin bestanden insoweit jedenfalls bessere Voraussetzungen für die Kenntnis der Rechtslage, als wenn die Versicherungspflicht des Ehemannes noch gar nicht geklärt gewesen wäre.

Ein grundsätzliches Vollzugsdefizit, das zu einem Gleichheitsverstoß führen könnte, ist nicht ersichtlich. Das BVerfG hat in der nicht erfolgten Beitragsnacherhebung bei verspäteter und unvollständiger Erfassung eines versicherten Personenkreises keinen Verfassungsverstoß gesehen, sofern der Gesetzgeber jedenfalls durch eine Meldepflicht Maßnahmen zur Erfassung des betroffenen Personenkreises trifft (s. BVerfG SozR 4-2600 § 2 Nr. 10, juris; BSG, Urteil v. 09.11.2011- B 12 KR 21/09 R, juris Rn. 20). Ein Vollzugsdefizit des Versicherungsträgers ist auch deshalb nicht ersichtlich, als die Beklagte regelmäßig im zweijährigen Turnus nach dem Personenstand der Landwirte fragte (vgl. BTDrucks 17/1684 S. 23). Ab 01.01.2013 hat der Gesetzgeber einen Datenabgleich mit der DRV bzw. mittelbar mit den Meldebehörden (§ 73 Abs. 2 ALG; § 196 Abs. 2a SGB VI) vorgesehen. Damit wird das hier vorliegende Problem entschärft, da nunmehr die Beklagte von sich aus zeitnah tätig werden kann. Der Gesetzgeber war jedoch nicht verpflichtet, eine solche in das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen eingreifende bzw. mit Verwaltungsaufwand verbundene Regelung bereits früher einzuführen; er durfte auf die Mitwirkung der Betroffenen setzen und an deren Unterlassen Folgen knüpfen.

2. 5 Auch eine besondere geschlechtsspezifische Benachteiligung ist nicht erkennbar (Art. 3 Abs. 3 GG); die Differenzierungsgründe knüpfen nicht an das Geschlecht oder die Person an. Die o.g. Erwägungen gelten unabhängig davon, ob es sich bei dem Ehegatten im Sinne des § 1 Abs. 3 ALG um einen Mann oder eine Frau handelt.

2.6 Ob im Einzelfall rechtlich relevante Umstände vorlagen, die die Klägerin an einer Mitteilung der Eheschließung bzw. Antragstellung gehindert haben, kann ggf. mit den Instrumenten der Wiedereinsetzung oder dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch geklärt werden.

Hierfür liegen hier aber die Voraussetzungen nicht vor.

Soweit sich die Klägerin hier auf ihre Unkenntnis der Gesetzlage beruft, kommt eine Wiedereinsetzung nach § 27 SGB X nicht in Betracht. Mit dem Grundsatz der formellen Publizität (s.o.) ist es nicht vereinbar, wegen der Unkenntnis von einem gesetzlich eingeräumten und befristeten Recht eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zuzulassen. Denn dadurch wäre die Wirkung der Frist nicht mehr von der Bekanntgabe des Gesetzes und dem Fristablauf abhängig. Eine Unkenntnis von dem Recht und der Befristung seiner Ausübung, die im Gesetz selbst ausdrücklich geregelt ist, kann eine Wiedereinsetzung daher nicht rechtfertigen (vgl. BSG, Urteil vom 24.11.2005 - B 12 RA 9/03 R, SozR 4-2600 § 6 Nr 5; Urteil v. 25.07.2002 - B 10 LW 7/02 R; BSGE 97, 168, 171; 72, 80, 83; 67, 90, 92).

Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch kann nicht mit einer Verletzung der allgemeinen Informationspflicht nach § 13 SGB I begründet werden. Voraussetzung für das Entstehen einer Beratungspflicht nach § 14 SGB I ist ein Beratungsbegehren oder zumindest ein konkreter Anlass. Grundsätzlich sind Versicherungsträger nicht gehalten, anlässlich einer Gesetzesänderung in Bezug auf alle Versicherten zu prüfen, ob sie betroffen sind und ohne konkreten Anlass zu informieren. Eine solche Verpflichtung besteht selbst bei gesetzlichen Änderungen mit schwerwiegenden Folgen nicht (vgl. BSGE 79, 168, 172). Auch für eine Auskunftspflicht iSv § 15 SGB I muss der Informationsbedarf offen zu Tage treten (vgl. BSGE 79, 168, 173). Die Hinweispflicht auf die Möglichkeit einer Leistung nach § 44 Abs. 2 Satz 1 ALG, die der Regelung des § 115 Abs. 6 SGB VI entspricht, setzt - unabhängig von der Frage, ob es sich bei einer Befreiung um eine Leistung im Sinne der Vorschrift handelt - "geeignete Fälle" voraus. Das sind etwa solche Fälle, in denen das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen vom Versicherungsträger generell aufgrund des Versicherungskontos ohne Befragung der Versicherten festgestellt werden kann. Zum anderen handelt es sich um Leistungen, die von Versicherten nicht nur in bestimmten Situationen, sondern im Regelfall in Anspruch genommen werden (vgl. BSGE 79, 168, 175). Entscheidend ist jeweils, dass es dem Versicherungsträger möglich ist zu erkennen, dass der Antrag einer abgrenzbaren Gruppe von Versicherten aus Unwissenheit nicht gestellt wird (vgl. BSGE 81, 251, 256; BSG SozR 3-5868 § 44 Nr 1).

Da nach der hier vertretenen Ansicht auch der Informationsstand des Unternehmers als Rechtfertigungsgrund im Rahmen des Art. 3 GG für die angegriffene Vorschrift dient, erscheint es denkbar, dass auch ein Beratungsfehler gegenüber dem Unternehmer (Beigeladenen) einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch zugunsten des Ehegatten auslösen könnte. Der Beigeladene ist hier mit dem Schreiben der Beklagten vom 04.01.2005 konkret darauf hingewiesen worden, dass die Alterskassen ab 01.01.1995 alle Ehegatten der landwirtschaftlichen Unternehmer zur Beitragspflicht veranlagen müssen, sofern nicht Versicherungsfreiheit kraft Gesetzes vorliegt oder eine Befreiung auf Antrag möglich ist. Das vom Beigeladenen auszufüllende Formular betraf zwar die damals aktuelle Familienstandssituation; im Zusammenhang mit dem Informationsschreiben konnte der Beigeladene aber nicht daraus schließen, dass seine künftige Eheschließung unerheblich wäre. Der Bescheid vom 04.01.2005 weist auch auf die gesamtschuldnerische Haftung für den Ehegatten hin.

Eine falsche oder irreführende Mitteilung, die dazu führen könnte, dass der Klägerin im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs die Frist nicht entgegengehalten werden könnte, ist daher nicht ersichtlich. Zu einer weitergehenden Information war die Beklagte nicht verpflichtet. Für eine eingehendere Beratung des Beigeladenen bzw. für die Beratung der Ehegattin bestand mangels Kenntnis der Eheschließung kein konkreter Anlass; dieser war erst mit der Mitteilung vom 25.02.2011 gegeben.

2.6 Zu Art. 6 GG

Der Senat sieht auch keinen Eingriff in das Grundrecht auf Ehe und Familie.

Die Einführung der Versicherungspflicht der Ehegattin hat das Rechtsinstitut der Ehe in unbedenklicher Weise ausgestaltet und an die eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft spezielle soziale und wirtschaftliche Rechtsfolgen geknüpft (vgl. BSG, Urteil v. 25.11.1998 - B 10 LW 10/97 R, juris Rn. 48). Die Beitragspflicht begründet in dieser Sichtweise keine neue Rechtspflicht, sondern gestaltet eherechtliche Unterhaltspflichten sozialrechtlich aus.

Eine unterschiedliche benachteiligende Behandlung, die gerade an die Ehe anknüpft, liegt in den von der Klägerin geschilderten Vergleichsfällen nicht vor. Beide Fallgruppen betreffen die Versicherungspflicht des Ehegatten. Nicht die Ehe ist das Differenzierungskriterium, sondern die bereits getroffene Feststellung der Versicherungspflicht.

Die Berufung ist nach alledem zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung nach § 193 SGG berücksichtigt, dass die Klägerin auch in der Berufungsinstanz unterlegen ist.

Die Revision wird zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG), da die Verfassungsmäßigkeit des § 3 Abs. 2 Satz 4 ALG noch nicht höchstrichterlich geklärt worden und eine Vielzahl an Fällen (grundsätzliche Bedeutung, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) betroffen ist.
Rechtskraft
Aus
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