S 82 AS 17717/11

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
82
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 82 AS 17717/11
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Kläger begehren vom Beklagten die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für den Zeitraum vom 1. Dezember 2010 bis 28. Februar 2011. Die Klägerinnen sind lettische Staatsbürgerinnen und leben nach eigenen Angaben seit 2007, ausweislich des Kindergeldbescheides seit Mai 2008 in Deutschland. Die Klägerin zu 2) ist die im Jahr 2005 geborene Tochter der Klägerin zu 1), beiden wurde eine Freizügigkeitsbescheinigung nach § 5 FreizügigkeitsG/EU ausgestellt. Die Klägerin zu 1) heiratete im März 2009 in Dänemark ihren Ehemann mit sudanesischer Staatsbürgerschaft, ist im Besitz einer am 18. Mai 2010 ausgestellten unbefristeten und unbeschränkten Arbeitsberechtigung-EU und gebar im März 2011 ihr zweites Kind. Die Klägerin zu 1) hatte vom 9. Februar 2009 bis 18. Januar 2010 ein Gewerbe zur Ausübung einer selbständigen Tätigkeit als Zimmermädchen angemeldet. Die Ausübung der Tätigkeit als Zimmermädchen musste die Klägerin zu 1) am 18. Januar 2010 aus gesundheitlichen Gründen aufgeben. Die Familie erhielt (bis Januar 2010 ergänzend) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes vom Beklagten, zuletzt bewilligt mit vorläufigem Bescheid vom 8. Juni 2010 für die Zeit vom 1. Juni bis 30. November 2010. Am 9. November 2010 beantragten die Klägerinnen die Weiterbewilligung der Leistungen. Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 17. November 2010 mit der Begründung ab, das Aufenthaltsrecht der Klägerinnen ergebe sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche. Hiergegen erhoben die Klägerinnen am 26. November 2010 Widerspruch. Am 6. Dezember 2010 beantragten die Klägerinnen beim Sozialgericht Berlin den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Sie vertraten die Ansicht, dass ihnen aufgrund der Erwerbstätigkeit der Klägerin zu 1) ein Erwerbstätigenstatus zustehe. Mit Beschluss vom 21. Dezember 2010 wies die erkennende Kammer den Antrag der Klägerinnen zurück. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass sich aus der früheren Tätigkeit der Klägerin zu 1) unabhängig von der Frage, ob sie im Rahmen einer selbstständigen Tätigkeit oder abhängige Beschäftigung ausgeübt wurde, kein Aufenthaltsrecht (mehr) ergebe, der Klägerin zu 1) allein ein Aufenthaltsrecht zum Zwecke der Arbeitssuche zustehe und die deswegen nach § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II von einem Anspruch auf Gewährung von Arbeitslosengeld II ausgeschlossen sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 28. Januar 2011, dem Klägervertreter zugegangen am 3. Februar 2011, wies der Beklagten den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung verwies auf den Ausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II. Auf die gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin erhobene Beschwerde hob das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg mit Beschluss vom 28. Februar 2011 die erstinstanzliche Entscheidung teilweise auf und verpflichtete den Beklagten zur vorläufigen Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für den Zeitraum von März bis August 2011. Zur Begründung nahm es auf eine Folgenabwägung bei unklarer Rechtslage Bezug. Am 3. März 2011 erhobenen die Klägerinnen gegen den Ablehnungsbescheid Klage und beantragten zunächst, ihnen unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides Arbeitslosengeld II für den Zeitraum von Dezember 2010 bis einschließlich Mai 2011 zu gewähren. Mit Bescheid vom 21. April 2011 bewilligte der Beklagte den Klägerinnen in Umsetzung des Beschlusses des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vorläufig Leistungen für den Zeitraum von März bis August 2011 in Höhe von insgesamt ca. 460 EUR monatlich, am 5. Juli 2011 erging ein ebenfalls vorläufiger Änderungsbescheid für die Monate März und April 2011. Mit Schriftsatz vom 13. Februar 2012 erklärte der Klägervertreter den Rechtsstreit für die Zeit ab 1. März 2012 für erledigt. Die Klägerinnen sind der Ansicht, dass der Ausschluss in § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II europarechtswidrig sei und ihnen daher Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu gewähren sind. Der Ausschuss nach § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II gelte jedenfalls nur für Personen, die erstmalig zum Zweck der Arbeitssuche nach Deutschland einreisen. Die Kläger beantragen, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 17. November 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Januar 2011 zu verurteilen, den beiden Klägern für den Zeitraum vom 1. Dezember 201 bis 28. Februar 2011 Arbeitslosengeld II zu gewähren. Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Zur Begründung verweist er auf die Begründung im Widerspruchsbescheid. Er hält den Ausschluss auch für EU-Bürger, deren Recht allein aus dem Zweck der Arbeitssuche folgt, für rechtmäßig. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und die von der Beklagten übersandte Verwaltungsakte verwiesen, die der Kammer bei der Entscheidung vorlagen und Gegenstand der Beratung waren.

Entscheidungsgründe:

1. Die Klage ist als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 1 S. 1 SGG zulässig. Mit der Klage wenden sich die Klägerinnen gegen die Ablehnung der Leistungsbewilligung ab Dezember 2010. Nach ständiger Rechtsprechung erstreckt sich in diesem Fall der Streitzeitraum – sofern nicht ein neuer Antrag beschieden wurde – auf den Zeitraum bis zur letzten mündlichen Verhandlung, vgl. BSG, Urteil vom 11. Dezember 2007, B 8/9b SO 12/06 R. Vorliegend hat der Klägervertreter den Rechtsstreit nach vorläufiger Bewilligung vom 21. April 2011 ab März 2011 für erledigt erklärt. Zwar erfolgte die Bewilligung lediglich vorläufig in Umsetzung des Beschlusses des Landessozialgerichts. Die Erklärung der Erledigung des Rechtsstreits stellt jedoch eine davon unabhängige Prozesshandlung dar, so dass die hier streitige Ablehnungsentscheidung ab März 2011 bestandskräftig wurde und sich der Streitzeitraum (nur noch) auf die Zeit vom 1. Dezember 2010 bis 28. Februar 2011 erstreckt. 2. Die Klage hat keinen Erfolg, sie ist unbegründet. Der Bescheid vom 17. November 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Januar 2011 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerinnen nicht in ihren Rechten. Die Klägerinnen haben keinen Anspruch auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Sie sind gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II von einem Leistungsanspruch ausgeschlossen. Leistungen nach dem SGB II erhalten gemäß § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II Personen, die (1.) das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben, (2.) erwerbsfähig sind, (3.) hilfebedürftig sind und (4.) ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Hilfebedürftige). Nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige können, wenn sie mit Erwerbsfähigen in einer Bedarfsgemeinschaft leben, nach § 28 SGB II Sozialgeld erhalten. Die Klägerinnen erfüllen diese Voraussetzungen, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist. Ausgenommen vom Leistungsanspruch sind nach § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II 1. Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmer oder Selbständige noch auf Grund des § 2 Abs. 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts, 2. Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen, 3. Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes. Die Klägerinnen sind als lettische Staatsbürgerinnen Ausländer und EU-Bürger, § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II findet Anwendung. Da sich die Klägerinnen zum einen vor Beginn des Leistungszeitraums zu Dezember 2010 mehr als drei Monate in der Bundesrepublik aufgehalten haben und zum anderen nicht nach dem Asylbewerberleistungsgesetz leistungsberechtigt sind, ist allein entscheidend, ob sich ein Leistungsausschluss aus § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II ergibt. Dies bejaht die Kammer nach eingehender Prüfung. Nach Überzeugung der Kammer können die Klägerinnen ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ableiten (dazu a.). Der Leistungsausschluss für EU-Bürger, deren Recht zum Aufenthalt sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, ist nach Überzeugung der Kammer europarechtskonform (dazu b.) Ein Anspruch der Klägerinnen auf Gewährung von Arbeitslosengeld II folgt auch nicht aus dem Europäischen Fürsorgeabkommen (dazu c.) oder der Leistungsbewilligung bis November 2010 (dazu d.). a. Nach Überzeugung der Kammer sind die Klägerinnen gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II von einem Leistungsanspruch ausgeschlossen, da sie ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ableiten können. Das Aufenthaltsrecht ergibt sich für die Klägerinnen aus den Bestimmungen des FreizügigkeitsG/EU. Nach § 2 Abs. 1 FreizügigkeitsG/EU haben Unionsbürger und ihre Familienangehörigen das Recht auf Einreise und Aufenthalt, wenn sie freizügigkeitsberechtigt sind. Die Freizügigkeitsberechtigung ergibt sich wiederum aus § 2 Abs. 2 und 3 FreizügigkeitsG/EU. aa. Ein Freizügigkeitsrecht ergibt sich nicht aus einer selbständigen Tätigkeit oder Beschäftigung. Die Klägerin zu 1) war im Streitzeitraum nicht nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 oder Nr. 3 FreizügigkeitsG/EU freizügigkeitsberechtigt. Sie ging keiner abhängigen Beschäftigung nach und war nicht selbständig tätig, sie war damit nicht Arbeitnehmerin oder Selbständige. Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 FreizügigkeitsG/EU, wonach ein zuvor erworbener Status erhalten bleiben kann, liegen ebenso nicht vor. Danach bleibt das Freizügigkeitsrecht nach § 2 Abs. 1 FreizügigkeitsG/EU für Arbeitnehmer und selbständig Erwerbstätige unberührt bei 1. vorübergehender Erwerbsminderung infolge Krankheit oder Unfall, 2. unfreiwilliger durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit oder Einstellung einer selbständigen Tätigkeit infolge von Umständen, auf die der Selbständige keinen Einfluss hatte, nach mehr als einem Jahr Tätigkeit, 3. Aufnahme einer Berufsausbildung, wenn zwischen der Ausbildung und der früheren Erwerbstätigkeit ein Zusammenhang besteht; der Zusammenhang ist nicht erforderlich, wenn der Unionsbürger seinen Arbeitsplatz unfreiwillig verloren hat. Bei unfreiwilliger durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit nach weniger als einem Jahr Beschäftigung bleibt das Recht gemäß § 2 Abs. 3 S. 2 FreizügigkeitsG/EU während der Dauer von sechs Monaten unberührt. Die Klägerin zu 1) kann die Tätigkeit als Zimmermädchen dauerhaft nicht mehr ausüben und ist damit nicht nur vor¬übergehend erwerbsgemindert im Sinne von § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 FreizügigkeitsG/EU. Ferner erfolgte keine unfreiwillige Einstellung einer selbständigen Tätigkeit von mehr als einem Jahr im Sinne von § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 FreizügigkeitsG/EU, da die Tätigkeit – oder Beschäftigung – als Zimmermädchen weniger als ein Jahr lang ausgeübt wurde. Schließlich hat die Klägerin zu 1) keine Berufsausbildung Jahr im Sinne von § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 FreizügigkeitsG/EU aufgenommen. Ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht konnte sich für die Klägerin zu 1) gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 FreizügigkeitsG/EU – und nach § 3 Abs. 1 S. 1 FreizügigkeitsG/EU für die Klägerin zu 2) – allenfalls für die Dauer von sechs Monaten nach Aufgabe der weniger als einjährigen Erwerbstätigkeit ergeben. Die Sechsmonatsfrist war jedoch zu Beginn des Streitzeitraums zu Dezember 2010 bereits abgelaufen, da die Klägerin zu 1) ihre Tätigkeit schon im Januar 2010 aufgegeben hatte bzw. aufgeben musste. bb. Ein Freizügigkeits- und damit Aufenthaltsrecht der Klägerinnen ergibt sich auch nicht aus weiteren Regelungen des FreizügigkeitsG/EU. Ein Aufenthaltsrecht folgt nicht aus § 2 Abs. 2 Nr. 4 FreizügigkeitsG/EU. Danach sind Empfänger von Dienstleistungen freizügigkeitsberechtigt. Diese Vorschrift findet jedoch nur Anwendung auf den grenzüberschreitenden Verkehr, was hier nicht einschlägig ist. Ein Aufenthaltsrecht der Klägerinnen ergibt sich nicht aus § 2 Abs. 2 Nr. 5 FreizügigkeitsG/EU. Nach dieser Vorschrift sind nicht erwerbstätige Unionsbürger auch dann freizügigkeitsberechtigt, wenn sie über ausreichenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel verfügen. Das war bei den Klägerinnen nicht der Fall. Eine Freizügigkeitsberechtigung ergibt sich auch nicht gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 6 FreizügigkeitsG/EU aus der Stellung als Familienangehöriger. Die Ehe mit dem sudanesischen Staatsangehörigen vermittelt den Klägerin zu 1) oder die Stellung des Ehemanns als Vater der Klägerin zu 2) kein weitergehendes Aufenthaltsrecht. Ein Aufenthaltsrecht der Klägerin zu 2) ergibt sich nach § 3 Abs. 1 FreizügigkeitsG/EU ebenfalls nur abgeleitet von dem Recht auf Freizügigkeit zum Zwecke der Arbeitssuche von der Klägerin zu 1). Die Freizügigkeitsberechtigung folgt auch nicht aus § 2 Abs. 2 Nr. 7 FreizügigkeitsG/EU, es bestand kein Daueraufenthaltsrecht. Denn Gründe, die einen dauerhaften Aufenthalt der Klägerinnen in der Bundesrepublik Deutschland begründen und rechtfertigen könnten, ergeben sich nicht aus § 4 a Abs. 1 FreizügigkeitsG/EU. Nach dieser Regelung haben Unionsbürger, die sich seit fünf Jahren ständig rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten haben, unabhängig vom weiteren Vorliegen der Freizügigkeitsvoraussetzungen das Recht auf Einreise und Aufenthalt (Daueraufenthaltsrecht). Diese Voraussetzungen erfüllen die Klägerinnen nicht, da sie sich vor Beginn des Streitzeitrums nicht seit fünf Jahren im Bundesgebiet aufgehalten haben. cc. Auch aus dem sonstigen Gemeinschaftsrecht folgt kein über den Zweck der Arbeitssuche hinausgehendes Aufenthaltsrecht. Denn Art. 7 Abs. 1 lit. a) Richtlinie 2004/38/EG – sog. Unionsbürgerrichtlinie – gewährt ein Recht auf Aufenthalt für mehr als drei Monate nur, wenn der Unionsbürger Arbeitnehmer oder Selbständiger ist, er für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügt, so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaates in Anspruch nehmen müssen. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Daher resultiert das Freizügigkeitsrecht der Klägerinnen allein aus dem Zweck der Arbeitssuche. Die gemeinschaftsrechtliche Freizügigkeitsberechtigung folgt in ihrem Fall allein aus § 2 Abs. 2 Nr. 1 Var. 2 FreizügigkeitsG/EU. Nach § 7 Abs. 1 S. Nr. 2 SGB II sind sie jedoch in diesem Fall von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen.

b. Nach Überzeugung der Kammer steht der Anwendung des Leistungsausschlusses in § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II das Europarecht nicht entgegen. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ist als geltendes Recht anzuwenden. aa. Die Kammer ist zum einen der Ansicht, dass der Ausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II auch auf Personen Anwendung findet, die bereits eine Verbindung zum Arbeitsmarkt im Deutschland aufgebaut haben, a.A. LSG Hamburg, Beschluss vom 2. März 2010, L 5 AS 54/10 B ER. Nach Ansicht des Landessozialgerichts Hamburg fehlt es an einer alleinigen Arbeitssuche bei Unionsbürgern schon dann, wenn sie in Deutschland bereits beschäftigt oder erwerbstätig waren, ihre Beschäftigung oder selbständige Erwerbstätigkeit aber verloren haben. Der EuGH hat festgestellt, dass die Mitgliedstaaten die Gewährung einer finanziellen Leistung, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollen, davon abhängig machen dürfen, dass die Arbeitsuchenden mit dem Arbeitsmarkt des Staates eine tatsächliche Verbindung hergestellt haben, EuGH Urteil vom 4. Juni 2009 – C-22/08, Rn. 38 – zitiert nach juris. Die Verbindung zum Arbeitsmarkt hat der Gesetzgeber jedoch im FreizügigkeitsG/EU konkretisiert und in § 2 Abs. 3 die Fortwirkung eines Status´ bei Verlust der Beschäftigung bzw. selbständigen Tätigkeit geregelt. Soweit der Gesetzgeber bei einer weniger als einjährigen Tätigkeit das Fortbestehen eines Aufenthaltsrecht für sechs Monate regelt, hat er abschließend angeordnet, in wie weit ein Bezug zum Arbeitsmarkt erhalten bleibt. Die Kammer sieht keinen Anlass hiervon abzuweichen. bb. Das Gericht ist nicht davon überzeugt, dass der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II gegen das Gleichbehandlungsgebot in Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG – sog. Unionsbürgerrichtlinie – verstößt, soweit Leistungen zum Lebensunterhalt begehrt werden. Nach Art. 24. Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG genießt jeder Unionsbürger, der sich aufgrund dieser Richtlinie im Aufnahmemitgliedstaat aufhält die gleiche Behandlung wie die Staatsangehörigen des Mitgliedsstaates. Nach Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG ist – ausdrücklich abweichend von Absatz 1 – der Aufnahmemitgliedstaat jedoch nicht verpflichtet, anderen Personen als Arbeitnehmern oder Selbständigen, Personen, denen dieser Status erhalten bleibt, und ihren Familienangehörigen während der ersten drei Monate des Aufenthalts oder gegebenenfalls während des längeren Zeitraums nach Artikel 14 Absatz 4 Buchstabe b einen Anspruch auf Sozialhilfe oder andere hier nicht einschlägige Leistungen zu gewähren. Art. 14 Abs. 4 Buchstabe b der Richtlinie bestimmt, dass auf keinen Fall eine Ausweisung verfügt werden darf, wenn die Unionsbürger in das Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats eingereist sind, um Arbeit zu suchen. In diesem Fall dürfen die Unionsbürger und ihre Familienangehörigen nicht ausgewiesen werden, solange die Unionsbürger nachweisen können, dass sie weiterhin Arbeit suchen und dass sie eine begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden. Die Kammer hat auch keine Bedenken, die vorliegend erstrebten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als Sozialhilfeleistungen im Sinne des Art. 24 Abs. 2 der Unionsbürgerrichtlinie anzusehen, auch da zum Zeitpunkt des Erlasses der Richtlinie das SGB II noch nicht galt. Daher bestimmt Art. 24 der Unionsbürgerrichtlinie ausdrücklich die Zulässigkeit des Leistungsausschlusses. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II beruht auf diesen europarechtlichen Bestimmungen (vgl. BT-Drs. 16/688, S. 13). Das in der Unionsbürgerrichtlinie statuierte Gleichbehandlungsgebot begründet somit keinen Leistungsanspruch der Klägerinnen in Abweichung vom gesetzlichen Ausschluss, vgl. auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29. Februar 2012, L 20 AS 2347/11 B ER – juris, a.A. LSG Rheinland-Pfalz im Beschluss vom 21. August 2012, L 3 AS 250/12 B ER. cc. Das Gericht ist sieht auch keinen Verstoß des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II gegen das Gleichbehandlungsgebot in Art. 4 der Verordnung zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit – Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 (i.F. VO 883/2004). Nach Überzeugung der Kammer erfasst dieses Gleichbehandlungsgebot das hier streitige Arbeitslosengeld II nicht; a.A. SG Berlin, Urteil vom 8. August 2012, S 173 AS 18394/11 und SG Berlin, Urteil vom 27. März 2012, S 110 AS 28262/11. Der persönliche Anwendungsbereich der VO 883/2004 erstreckt sich auf Staatsangehörige eines Mitgliedsstaats – Art. 2 Abs 1 VO 883/2004 –, so das die Klägerinnen als lettische Staatsangehörige unter den Anwendungsbereich fallen. Nach Art. 4 VO 883/2004, geändert durch Verordnung (EG) Nr. 988/2009 vom 16.09.2009 (ABl. L 284, 43), die seit dem Inkrafttreten der (Durchführungs-) Verordnung (EG) Nr. 987/2009 vom 16.09.2009 (ABl. L 284,1) am 01.05.2010 anzuwenden ist, haben Personen, für die diese Verordnung gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedsstaates wie die Staatsangehörigen dieses Staates, sofern in der VO nichts anderes bestimmt ist. Rechtsvorschriften eines Mitgliedsstaates sind nach der Legaldefinition in Art. 1 Buchst l VO 883/2004 die Gesetze, Verordnungen, Satzungen und alle anderen Durchführungsvorschriften in Bezug auf die in Art. 3 Abs 1 genannten Zweige der sozialen Sicherheit. In Art. 3 Abs 1 VO 883/2004 sind als Zweige der sozialen Sicherheit aufgeführt: Leistungen bei Krankheit, Mutterschaft und gleichgestellte Leistungen bei Vaterschaft, Invalidität, Alter, Leistungen an Hinterbliebene, bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten, Sterbegeld, Leistungen bei Arbeitslosigkeit, Vorruhestandsleistungen, Familienleistungen. Die hier begehrten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende sind keinem der damit abschließend aufgezählten Zweige der sozialen Sicherheit zuzuordnen. Die Gewährung von Arbeitslosengeld II ist damit – soweit Leistungen zum Lebensunterhalt begehrt werden – nicht von Gleichbehandlungsgebot der Verordnung umfasst. Bei dem Arbeitslosengeld II handelt es sich vielmehr – soweit Leistungen zum Lebensunterhalt begehrt werden – um besondere beitragsunabhängigen Geldleistungen nach Art. 3 Abs 3 i.V.m. Art. 70 VO 883/2004, die nicht dem Begriff der Rechtsvorschriften im Gleichbehandlungsgebot unterfallen; a.A. SG Berlin, Urteil vom 8. August 2012, S 173 AS 18394/11 und SG Berlin, Urteil vom 27. März 2012, S 110 AS 28262/11. Art. 70 Abs 1 VO 883/2004 betrifft Geldleistungen, die nach Rechtsvorschriften gewährt werden, die aufgrund ihres persönlichen Geltungsbereichs, ihrer Ziele und/oder ihrer Anspruchsvoraussetzungen sowohl Merkmale der in Art. 3 Abs 1 genannten Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit als auch Merkmale der Sozialhilfe aufweisen. Weiterhin müssen die Leistungen die weiteren Voraussetzungen des Art. 70 Abs 2 VO 883/2004 erfüllen und in Anhang X verzeichnet sein. Das ist beim SGB II der Fall, da es einerseits Teil eines einkommensabhängigen Grundversorgungssystems ist, andererseits aber an ein in Art. 3 Abs 1 VO 883/2004 genanntes spezifisches Risiko, nämlich die Arbeitslosigkeit, anknüpft und im hierfür vorgesehenen Verfahren nach Art. 9 VO 883/2004 mit konstitutiver Wirkung in den Anhang X aufgenommen und damit in deren sachlichen Geltungsbereich einbezogen worden sind. Die Kammer sieht keinen Anlass, den Begriff "Rechtsvorschriften" in Art. 4 VO – dem Gleichbehandlungsgebot – über die Legaldefinition des Art. 1 Buchst l iVm. Art. 3 Abs. 1 VO hinaus auf Regelungen über besondere beitragsunabhängige Geldleistungen nach Art. 3 Abs 3 iVm Art. 70 VO 883/2004 anzuwenden. Denn der Anwendungsbereich von Art. 70 VO 883/2004 ist auf die Regelung der fehlenden Exportierbarkeit der besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen beschränkt, vgl. auch LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 21. August 2012, L 3 AS 250/12 B ER, Rdnr. 24-27 zitiert nach juris. Die hier vertretene Auslegung wird eindeutig durch die Einleitung der Verordnung gestützt. Dort heißt es in Absatz 37: "Der Gerichtshof hat wiederholt festgestellt, dass Vorschriften, mit denen vom Grundsatz der "Exportierbarkeit " der Leistungen der sozialen Sicherheit abgewichen wird, eng ausgelegt werden müssen. Dies bedeutet, dass sie nur auf Leistungen angewendet werden können, die den genau festgelegten Bedingungen entsprechen. Daraus folgt, dass Titel III Kapitel 9 dieser Verordnung nur auf Leistungen angewendet werden kann, die sowohl besonders als auch beitragsunabhängig sind und in Anhang X diese Verordnung aufgeführt sind." Art. 70 der Verordnung befindet sich in Titel III Kapitel 9 der Verordnung. Daher bildet diese Vorschrift ein Sonderrecht für nicht exportierbare Leistungen. Der Begriff der "Rechtsvorschriften" in Art. 70 VO ist dort auch gesondert definiert. Es sind – abweichend von Art. 1 Buchst l VO – solche, die Merkmale der in Art. 3 Abs. 1 genannten Zweige und zusätzlich Merkmale der Sozialhilfe aufweisen. Für solche bestimmt Art. 70 Abs. 4 VO 883/2004 ausdrücklich: "Die ... genannten Leistungen werden ausschließlich im Mitgliedsstaat, in dem die betreffenden Personen wohnen, und nach dessen Rechtsvorschriften gewährt." Art. 70 Abs. 4 S. 1 VO 883/2004 stellt somit ausdrücklich klar, da nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedsstaates Leistungen zu gewähren sind. Die andere Ansicht stellt sich mit der Auffassung, dass auch "besondere und beitragsunabhängige Leistungen" dem Gleichbehandlungsgebot unterfallen, gegen den Wortlaut der Verordnungsregelung. Die "besonderen und beitragsunabhängigen Leistungen" nach Art. 3 Abs. 3 iVm. 70 VO 883/2004, Anhang X, unterfallen daher dem Begriff der Rechtsvorschriften in Art. Art. 1 Buchst l iVm. 3 Abs. 1 VO 883/2004 und damit nicht dem Gleichbehandlungsgebot Art. 4 VO. Bei der Auslegung stützt sich die Kammer auch darauf, dass die Unionsbürgerrichtlinie einerseits, welche in § 24 Abs. 2 ausdrücklich einen Leitungsausschluss zulässt, und die Verordnung zu Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit andererseits am selben Tag erlassen wurden, so dass eine einheitliche Auslegung geboten ist. Ein zufälliger Widerspruch ist nicht anzunehmen ist. Zweck der Verordnung 883/2004 ist ferner (nur) die Koordinierung der Sozialsysteme, nicht die Vereinheitlichung der materiellen Standards. Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II findet daher Anwendung. c. Ein Anspruch der Klägerinnen folgt auch nicht aus dem Europäischen Fürsorgeabkommen vom 11. Dezember 1953 (BGBl. 1956 II, S. 563. vgl. dazu BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 – B 4 AS 14/10 R). Die Klägerinnen sind nicht vom Schutzbereich des Fürsorgeabkommens erfasst, weil die Republik Lettland nicht Vertragsstaat dieses Abkommens ist. d. Ein Anspruch der Klägerinnen folgt schließlich auch nicht aus der Weiterbewilligung von Arbeitslosengeld II über den Ablauf der Sechsmonatsfrist nach Aufgabe der Beschäftigung hinaus bis 30. November 2010 oder aus dem Umstand, dass der Beklagte ggf. Eingliederungsleistungen erbrachte. Denn zum einen können die Klägerinnen aus einer etwaig rechtswidrigen Leistungsgewährung (nach Ablauf der Sechsmonatsfrist nach Aufgabe der Tätigkeit) keine Ansprüche ableiten, eine Zusicherung zur Weitergewährung liegt nicht vor. Zum anderen sind die Ansprüche auf Gewährung von Arbeitsförderleistungen einerseits und Hilfen zur Sicherung des Lebensunterhaltes rechtlich getrennt zu bewerten. Bei der Regelleistung nach § 20 Abs. 1 SGB II handelt es sich aber nicht um eine Leistung, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern soll, sondern um eine Sozialhilfeleistung, LSG Berlin-Brandenburg, L 34 AS 790/09 B ER. Sie dient der Sicherung des Lebensunterhalts Hilfebedürftiger, wie sich schon aus der Überschrift und dem Wortlaut der Vorschrift entnehmen lässt. Die monatliche Unterstützungsleitung betrifft allein Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes, nämlich die in § 20 Abs. 1 SGB II aufgezählten Regelbeispiele Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie, Bedarfe des täglichen Lebens, Beziehungen zur Umwelt und Teilnahme am kulturellen Leben einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung. Auch die Unterscheidung in § 1 Abs. 2 SGB II a.F. (neu § 1 Abs. 3 SGB II) nach Leistungen zur Beendigung oder Verringerung der Hilfebedürftigkeit durch Eingliederung in Arbeit (Nr. 1) und nach Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Nr. 2) spricht für diese Ansicht. Dies sind keine Leistungen zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt. 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie berücksichtigt das Unterliegen der Klägerinnen. Die Zulässigkeit der Berufung folgt aus § 143 SGG. Der nicht durch Einkommen gedeckte Bedarf der Klägerinnen beläuft sich auf monatlich ca. 460,00 EUR, so dass die Berufungssumme für den dreimonatigen Streitzeitraum erreicht ist.
Rechtskraft
Aus
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