L 4 KA 17/12

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 16/11
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 17/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Bei einem Arzneimittelregress wegen der Verordnung empfängnisverhütender Mittel an Frauen, die älter als 20 Jahre sind, findet nach § 106 Abs. 5 Satz 8 SGB V ein Vorverfahren nicht statt, da sich der Ausschluss dieser Leistungen unmittelbar aus § 24a Abs. 2 SGB V ergibt.

2. Die Altersbegrenzung in § 24a Abs. 2 SGB V verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz - GG). Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die gesetzliche Regelung planwidrig lückenhaft ist. Eine analoge Anwendung dieser Vorschrift auf Frauen mit geistigen Behinderungen, die das 20. Lebensjahr bereits überschritten haben, ist daher nicht möglich.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 1. Februar 2012 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten auch des Berufungsverfahrens zu tragen. Die Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf 1.025,33 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über einen Arzneikostenregress wegen der Verordnung empfängnisverhütender Mittel in den Quartalen I und II/08 in Höhe von 1.025,33 EUR netto.

Der Kläger ist ein eingetragener Verein. Er ist als stationäre Behindertenhilfe anerkannt, verfügt über einen eigenständigen ärztlichen Dienst und ist zu Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ermächtigt.

Die Beigeladene beanstandete mit Schreiben vom 24. März 2009 gegenüber der Beklagten die in einer Anlage aufgeführten Verordnungen. Bei den aufgeführten Arzneimitteln handele es sich um empfängnisverhütende Mittel. Diese könnten gemäß § 24a Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) in den aufgeführten Fällen nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden, da die Verordnungen nach dem vollendeten 20. Lebensjahr ausgestellt worden seien. Dem Antrag beigefügt war eine Auflistung der beanstandeten Verordnungen in den Quartalen I und II/08, insgesamt für das Quartal I/08 27 Verordnungen in 19 Behandlungsfällen und für das Quartal II/08 19 Verordnungen in 19 Behandlungsfällen, wovon die Patienten im Quartal II/08 bis auf die Patientin QW. und ER. auch bereits im Quartal I/08 behandelt worden waren.

Der Kläger trug zum Prüfantrag mit Schreiben vom 21. April 2009 vor, die beanstandeten Verordnungen von empfängnisverhütenden Mitteln beträfen Patientinnen, die nur über sehr geringe Eigenmittel verfügten und deren Einsichtsfähigkeit in die Notwendigkeit einer gesundheitsbewussten Lebensführung während der Schwangerschaft aufgrund ihrer geistigen Behinderung stark eingeschränkt sei und die überdurchschnittlich häufig Medikamente einnähmen, die eine gesunde Entwicklung des ungeborenen Lebens gefährdeten. Die Beigeladene habe denn auch die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der Verordnungen seit Jahren durch Übernahme der Kosten anerkannt. Er beantrage die weitere Kostenübernahme. Sollte dies die Beigeladene ablehnen, sollten nur künftige Verordnungen hiervon betroffen sein. Eine rückwirkende Ablehnung halte sie mit Rücksicht auf die betroffenen Patientinnen für nicht vertretbar.

Die Beklagte setzte mit Bescheid vom 8. Dezember 2010 den strittigen Arzneikostenregress fest. Zur Begründung führte sie aus, es handele sich um die Verordnung der Präparate X1., X2., X3., X4., X5., X6., X7. und X8 ... In den Fällen der Verordnung für behinderte Patientinnen könne für die beanstandeten Präparate kein Ausnahmetatbestand erkannt werden. Die gesetzlichen Regelungen zur Kontrazeption würden auch für diesen Personenkreis gelten, sodass die Verordnungen für die Patientinnen, da das 20. Lebensjahr überschritten sei, zu beanstanden seien. Die Versorgung der Patientinnen aufgrund ihrer Behinderung sei aus ethischen Gründen nachvollziehbar, ein medizinischer Grund der Versorgung auf den Grundlagen des SGB V ergebe sich aber nicht.

Hiergegen hat der Kläger am 6. Januar 2011 Klage beim Sozialgericht Marburg erhoben. Er hat weiterhin die Auffassung vertreten, § 24a Abs. 2 SGB V stehe einer Verordnung nicht entgegen. Der Gesetzgeber habe nur Frauen ausschließen wollen, die aufgrund ihrer wirtschaftlichen Lage die Kosten für Verhütungsmittel selbst tragen könnten. Menschen mit Behinderungen seien den Jugendlichen gleichzustellen. § 24a Abs. 2 SGB V sei analog anzuwenden. Es komme nicht darauf an, ob auch andere Kostenträger in Betracht kämen. Eine ungewollte Schwangerschaft bei Menschen mit Behinderungen sei durchaus geeignet, extreme gesundheitliche Probleme nach sich zu ziehen.

Die Beklagte hat ausgeführt, für eine Ausweitung des § 24a Abs. 2 SGB V auf Frauen mit Intelligenzminderung über 20 Jahren bestehe aufgrund der Gesetzesbegründung kein Anlass. Eine Ausnahme sei nicht vorgesehen. Der Kläger habe nicht die Antikonzeptiva verordnet, damit diese zusammen mit einem anderen Mittel die krankheitsbekämpfende Gesamtwirkung auslösten oder zur Verhinderung der gesundheitsschädlichen Hauptwirkungen des Hauptmittels oder um die Gefahren einer schwerwiegenden gesundheitlichen Schädigung abzuwenden. Es gehe um Empfängnisverhütung.

Mit Urteil vom 1. Februar 2012 hat das Sozialgericht die Klage als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 8. Februar 2010 sei rechtmäßig. Die strittigen Verordnungen seien gesetzlich ausgeschlossen. Eine Verordnung nach § 24a Abs. 2 SGB V sei bei sämtlichen betroffenen Versicherten ausgeschieden, da diese bereits alle das 20. Lebensjahr vollendet hätten. Eine Ausnahmeregelung sehe das SGB V nicht vor, auch nicht für geistig schwer behinderte Versicherte. Ein Anspruch auf Krankenbehandlung und Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln nach § 27 Abs. 1 SGB V bestehe nicht, da nach der Rechtsprechung des BSG empfängnisverhütende Mittel in Form oraler Kontrazeptiva (jedenfalls dann, wenn diese Mittel bestimmungsgemäß zur Verhinderung einer unerwünschten Schwangerschaft eingenommen werden) grundsätzlich keine Arzneimittel im Sinne des § 31 SGB V seien. Auch eine verfassungskonforme bzw. analoge Anwendung des § 24a Abs. 2 SGB V mit dem Ziel, von einer Verordnungsfähigkeit auszugehen, komme nicht in Betracht. Insofern handele es sich um eine politische Entscheidung des Gesetzgebers, empfängnisverhütende Arzneimittel aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherungen auszuschließen.

Gegen das ihm am 7. Februar 2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 7. März 2013 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt.

Der Kläger nimmt auf seinen erstinstanzlichen Vortrag Bezug und führt weiter aus, die Rechtsauffassung des Sozialgerichts konterkariere Sinn und Zweck von § 24a SGB V. Die Norm diene gerade dem Schutz derjenigen Frauen, die wirtschaftlich nicht in der Lage seien, die Kosten für Kontrazeptiva aufzubringen, dies seien regelmäßig junge Frauen und Frauen, die noch in Ausbildung seien. Der gleiche Gedanke müsse auch für Menschen mit Behinderungen gelten, die häufig wirtschaftlich nicht in der Lage seien, sich selbst zu finanzieren. Eine verfassungskonforme Auslegung von § 24a SGB V gebiete eine restriktive Handhabung der Beschränkung. Dies könne nicht Absicht des Gesetzgebers gewesen sein. Es sollten diejenigen nicht von der Versorgung ausgeschlossen sein, die selbst nicht in der Lage seien, sich selbständig oder auch wirtschaftlich selbständig zu versorgen. Sofern angenommen werde, die spärliche Gesetzesbegründung zu § 24a SGB V deute auf ein schlichtes Übersehen hin, führe dies zum selben Ergebnis. In diesem Fall sei zu unterstellen, dass der Gesetzgeber die wirtschaftlich Schwächeren insgesamt habe schützen wollen, dies jedoch nicht ausreichend zum Ausdruck gebracht habe. Das Beispiel "Frauen in Ausbildung" sei eher unglücklich gewählt, jedoch nicht als alleiniges Kriterium zu sehen.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 1. Februar 2012 und den Bescheid der Beklagten vom 8. Dezember 2010 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte hält eine ergänzende Auslegung von § 24a SGB V nicht für verfassungsrechtlich geboten und trägt im Wesentlichen vor, mit der Festlegung der Altersgrenze habe sich der Gesetzgeber bewusst für eine eindeutige und objektive Regelung entschieden, es könne nicht unterstellt werden, dass er zahlreiche Fallgestaltungen nicht gesehen habe. Unter Berücksichtigung der systematischen Stellung ergebe die Auslegung der Vorschrift, dass der Gesetzgeber sich ausnahmsweise entschlossen habe, auch Kosten für Kontrazeptive zu erstatten. Dies sei eine für die Krankenversicherung atypische Leistung, da Empfängnisbereitschaft keine Krankheit sei und Kontrazeptiva dementsprechend keine Arzneimittel seien, wenn sie zum Zwecke der Empfängnisverhütung eingenommen würden. Der Wortlaut der Norm mit einer starren Altersgrenze ohne Ausnahmeregelung lasse klar erkennen, dass eine rechtlich eindeutige Regelung getroffen werden sollte, bei der unterschiedliche Auffassungen über die Erfüllung des Tatbestandes praktisch ausgeschlossen würden. Es sei weiterhin kein verfassungsrechtlicher Anspruch denkbar, auf dessen Grundlage eine allgemeine Versorgung mit Kontrazeptiva als Kassenleistung geboten sein könnte, eine verfassungskonforme Auslegung sei daher nicht erforderlich.

Die Beigeladene hat sich im Verfahren nicht geäußert.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichts- und der Verwaltungsakte des Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem die Beteiligten ihr Einverständnis hiermit erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Die Entscheidung des Sozialgerichts ist nicht zu beanstanden, zutreffend ist es davon ausgegangen, dass der Bescheid der Beklagten vom 8. Dezember 2010 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt.

Die Klage ist als Anfechtungsklage gegen den Verwaltungsakt der Beklagten zulässig; eines Vorverfahrens bedurfte es gemäß § 106 Abs. 5 Satz 8 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) nicht, weil es sich um eine Festsetzung einer Ausgleichspflicht für den Mehraufwand bei Leistungen handelt, die durch das Gesetz ausgeschlossen ist.

Nach § 78 Abs. 1 Satz 1 SGG sind Recht- und Zweckmäßigkeit eines Verwaltungsaktes grundsätzlich in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Dies gilt - ungeachtet gewisser Besonderheiten und ggf. nur entsprechend - auch für das Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106 SGB V. § 106 Abs. 5 Satz 3 SGB V bestimmt, dass die dort aufgeführten Personen und Institutionen gegen die Entscheidungen der Prüfungsstelle die Beschwerdeausschüsse anrufen können; gemäß § 106 Abs. 5 Satz 6 SGB V gilt das Verfahren vor dem Beschwerdeausschuss als Vorverfahren (§ 78 Abs. 1 SGG). Gemäß § 78 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGG bedarf es eines Vorverfahrens (nur) dann nicht, wenn ein Gesetz dies für besondere Fälle bestimmt.

Ein derartiger Ausnahmefall ist in § 106 Abs. 5 Satz 8 SGB V (in der ab dem 1. Januar 2008 geltenden Fassung des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes (GKV-WSG)) geregelt. Danach findet - abweichend von § 106 Abs. 5 Satz 3 SGB V - in Fällen der Festsetzung einer Ausgleichspflicht für den Mehraufwand bei Leistungen, die durch das Gesetz oder durch die Richtlinien nach § 92 SGB V ausgeschlossen sind, ein Vorverfahren nicht statt. Diese Ausnahmeregelung ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auf Fälle beschränkt, in denen sich die Unzulässigkeit der Verordnung unmittelbar und eindeutig aus dem Gesetz selbst oder aus den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses ergibt (BSG, Urteil vom 11. Mai 2011, B 6 KA 13/10 R, juris RdNr. 18 ff. vgl. auch SG Marburg, Urteil vom 15. Dezember 2010, S 10 KA 597/09, juris RdNr. 16; ähnlich etwa Wenner, Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, 2008, § 25 RdNr. 10; Engelhard in: Hauck/Noftz, SGB V, Stand: Mai 2011, K § 106 RdNr. 599c). Zudem muss sich der Ausschluss aus spezifischen Regelungen des Krankenversicherungsrechts ergeben (BSG a. a. O).

Nach der Rechtsprechung des BSG, der der erkennende Senat zustimmt, belegt die Formulierung "durch das Gesetz oder durch die Richtlinien", dass § 106 Abs. 5 Satz 8 SGB V nur die Leistungen erfassen soll, deren Verordnung durch spezifische - explizite - gesetzliche oder untergesetzliche Regelungen ausgeschlossen ist. Wenn jedwede nicht im Einklang mit dem Gesetz stehende Verordnung hätte erfasst werden sollen, hätte es zum einen der gesonderten Erwähnung der Richtlinien nicht bedurft. Für die Erforderlichkeit eines expliziten gesetzlichen Ausschlusses spricht zum anderen auch die Verwendung des Wortes "durch". "Durch" das Gesetz ausgeschlossen sind Verordnungen dann, wenn dies auf eine eindeutige Regelung in einem spezifischen Gesetz zurückzuführen ist. Andernfalls hätte es nahegelegen, pauschal von einem "gesetzlichen" Ausschluss oder gar nur von "ausgeschlossenen" oder "nicht der Leistungspflicht der GKV unterliegenden" Leistungen zu sprechen. Lediglich "mittelbare" Ausschlüsse durch andere Gesetze genügen daher nicht (BSG a. a. O). Dieses Verständnis des § 106 Abs. 5 Satz 8 SGB V bestätigen auch die Gesetzesmaterialien. Nach der Gesetzesbegründung (Fraktionsentwurf zum GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz, BT-Drucks 16/3100 S. 138 zu § 106 Abs. 5 SGB V, zu Doppelbuchstabe cc) bewirkt "der Ausschluss eines Vorverfahrens vor dem Beschwerdeausschuss in Prüfungssachen Verordnungen von Arzneimitteln betreffend, die durch Gesetz oder die Richtlinien aus dem Leistungskatalog ausgeschlossen sind, dass der Beschwerdeausschuss von einer Vielzahl gleichartig zu bearbeitender Einzelvorgänge entlastet wird. Der vergleichsweise leicht überprüfbare Sachverhalt, ob ein Arzneimittel grundsätzlich Gegenstand der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ist, kann sachgerecht durch die Prüfungsstelle abschließend geklärt werden". Der Gesetzgeber wollte ausweislich dieser Begründung die Beschwerdeausschüsse allein von Fallgestaltungen bzw. Anwendungssachverhalten entlasten, die eher technischen Charakter haben und ganz überwiegend in der Umsetzung eindeutiger normativer Vorgaben bestehen. Dass die Ausnahmeregelung "gleichartig zu bearbeitende Einzelvorgänge" erfassen soll, schließt es aus, sie auf Konstellationen zu erstrecken, in denen sich die Entscheidung nicht ohne Weiteres aus normativen Vorgaben ergibt, sondern es hierzu einer einzelfallbezogenen Prüfung bedarf. Dies wird durch die Erwartung des Gesetzgebers gestützt, dass die von der Ausnahmeregelung erfassten Fallgestaltungen einen "vergleichsweise leicht überprüfbaren Sachverhalt" zum Gegenstand haben (BSG a. a. O). Schließlich soll die Ausnahmeregelung nach der Gesetzesbegründung nur Sachverhalte erfassen, in denen zu prüfen ist, ob ein Arzneimittel "grundsätzlich" Gegenstand der Leistungspflicht der GKV ist. Dass sich der Ausschluss zudem unmittelbar aus spezifischen gesetzlichen oder untergesetzlichen Regelungen des Krankenversicherungsrechts ergeben muss, legt schon die Erwähnung des "Leistungskatalogs" in der Gesetzesbegründung (a. a. O.) nahe. Danach soll die Ausnahmeregelung nur Verordnungen erfassen, die durch Gesetz oder die Richtlinien "aus dem Leistungskatalog" der GKV ausgeschlossen sind. Auch wenn diese Ausschlüsse damit nicht den Charakter eines "Negativkatalogs" haben müssen, legt der Begriff "Katalog" eine detaillierte, spezifische Regelung nahe und steht einer Heranziehung allgemeiner Regelungen entgegen.

Nach diesen Kriterien handelt es sich bei der zur entscheidenden Konstellation eines Regresses wegen der Verordnung empfängnisverhütender Mittel an Frauen, die älter als 20 Jahre sind, um einen Anwendungsfall von § 106 Abs. 5 Satz 8 SGB V, da sich der Ausschluss unmittelbar aus § 24a Abs. 2 SGB V ergibt (so auch Clemens in: jurisPK-SGB V, 2. Auflage 2012, Stand 1. April 2012, § 106 RdNr. 361).

Der Sache nach ist der streitgegenständliche Verwaltungsakt – wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat – zunächst formell nicht zu beanstanden. Auf die diesbezüglichen Ausführungen in der angegriffenen Entscheidung (Urteilsumdruck S. 4, 5) nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug und sieht von der weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe insoweit ab, § 153 Abs. 2 SGG.

Zu Recht hat die Beklagte weiterhin einen Arzneimittelregress hinsichtlich der von der Beigeladenen beanstandeten Verordnungen von Kontrazeptiva festgesetzt. Die streitgegenständlichen Verordnungen erfolgten zugunsten von Versicherten, die in den streitgegenständlichen Quartalen das 20. Lebensjahr bereits überschritten hatten, so dass eine Verordnung zu Lasten der Beigeladenen gesetzlich gem. § 24a Abs. 2 SGB V ausgeschlossen ist. Die Verordnungen erfolgten - worauf das Sozialgericht bereits hingewiesen hat - zur Empfängnisverhütung, so dass sich die verordneten Medikamente nicht als Arzneimittel im Sinne des § 31 SGB V darstellten. Dem steht nicht entgegen, dass der Beklagte vorträgt, eine ungewollte Schwangerschaft bei Menschen mit Behinderungen sei durchaus geeignet, extreme gesundheitliche Probleme nach sich zu ziehen. Eine substantiierte Darlegung, ob und in welchen der beanstandeten Behandlungsfällen die Kontrazeptiva aus anderen als Gründen der Empfängnisverhütung verordnet wurden, ergibt sich hieraus nicht. Soweit der Kläger weiter bereits erstinstanzlich unter Vorlage eines Diagnoseblatts vom 13. Januar 2012 vorgetragen hat, dass die Verordnung zugunsten der Versicherten UO. zur Behandlung von Dymenorrhoe erfolgt sei, führt dies zu keinem anderen Ergebnis, da sich das vorgelegte Diagnoseblatt nicht auf die streitgegenständlichen Quartale I/08 und II/08 bezieht, in denen im Behandlungsfall der Versicherten UO. des weiteren nicht das im Diagnoseblatt zur Therapie von Dymenorrhoe angegebene Arzneimittel X1. verordnet wurde, sondern das Arzneimittel X3 ...

Das Sozialgericht hat zutreffend und nachvollziehbar begründet, dass der Arzneimittelregress nicht zu beanstanden ist, so dass der Senat auch insoweit gem. § 153 Abs. 2 SGG auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils Bezug nimmt.

Ergänzend ist lediglich auszuführen, dass auch nach der Auffassung des erkennenden Senats eine – wie vom Kläger gefordert – analoge Anwendung von § 24a SGB V auf Frauen (mit geistigen Behinderungen), die das 20. Lebensjahr bereits überschritten haben, nicht in Betracht kommt, weil keine Anhaltspunkte dafür erkennbar sind, dass die gesetzliche Regelung planwidrig lückenhaft ist.

Aus der Gesetzesbegründung (Entwurf eines Gesetzes zum Schutz des vorgeburtlichen/werdenden Lebens, zur Förderung einer kinderfreundlicheren Gesellschaft, für Hilfen im Schwangerschaftskonflikt und zur Regelung des Schwangerschaftsabbruchs (Schwangeren- und Familienhilfegesetz) vom 14. Mai 1992, BT-Drucks. 12/2605 (neu)) ergibt sich vielmehr, dass Ziel der Gesetzgebung ein effektiver Lebensschutz unter Wahrung der Eigenverantwortlichkeit der Frauen war, was neben der Neuregelung des Rechts der Schwangerschaftsabbrüche, Beratung und praktischen Hilfen für Frauen in Schwangerschaftskonflikten, Verbesserung der Rahmenbedingungen für Familien durch die Verhinderung ungewollter Schwangerschaften möglichst von vornherein erreicht werden sollte (BT-Drucks. 12/2605, S. 5). Dabei wird die Heraufsetzung der Altersgrenze für die Übernahme empfängnisverhütender Mittel durch die gesetzliche Krankenversicherung als "wünschenswert" bezeichnet, "um ungewollte Schwangerschaften zu vermeiden" (BT-Drucks. 12/2605, S. 20), jedoch unter den Vorbehalt gestellt, wie die "beträchtlichen Kosten aufgebracht werden können" (BT-Drucks. 12/2605 a. a. O). Dies belegt, dass die Altersgrenze und ihre Festsetzung auf die Vollendung des 20. Lebensjahres Ergebnis einer planvollen gesetzgeberischen Entscheidung ist und von der Einbeziehung weiterer Personengruppen aus Kostengründen bewusst abgesehen wurde.

Weiterhin besteht auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten kein Erfordernis für eine erweiternde Auslegung von § 24a Abs. 2 SGB V, denn die Norm stellt sich dem Senat bereits nicht als verfassungswidrig dar. Insbesondere liegt – ungeachtet der Frage, ob und inwieweit der Kläger diese Rechte für sich geltend machen kann - kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz – GG) darin, dass das Gesetz den Rechtsanspruch auf die Versorgung mit empfängnisverhütenden Mitteln auf Versicherte bis zum vollendeten 20. Lebensjahr beschränkt hat.

Der Gesetzgeber hat den Rahmen seines Einschätzungsermessens, bei dem ihm eine typisierende Betrachtung erlaubt ist (BSG SozR 4-2500 § 27a Nr. 4 RdNr. 13), nicht überschritten. Jede gesetzliche Regelung muss verallgemeinern (BVerfGE 96, 1, 6; 99, 280, 290; 105, 73, 127 = SozR 3-1100 Art 3. Nr. 176 S. 185). Bei der Ordnung von Massenerscheinungen ist der Gesetzgeber berechtigt, die Vielzahl der Einzelfälle in dem Gesamtbild zu erfassen, das nach den ihm vorliegenden Erfahrungen die regelungsbedürftigen Sachverhalte zutreffend wiedergibt (BVerfGE 78, 214, 226 f m. w. N.; 82, 126,151 f; 99, 280, 290; 105, 73, 127; vgl. auch BVerfGE 96, 1, 6). Auf dieser Grundlage darf er grundsätzlich generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen (vgl. BVerfGE 84, 348, 359 m. w. N.; 99, 280, 290; 105, 73, 127). Auch bei der Ausgestaltung der Ansprüche aus der GKV darf der Gesetzgeber Sachverhalte typisieren oder pauschalieren, ohne dabei für jeden Einzelfall Ausnahmen schaffen zu müssen (stRspr. z. B. BVerfGE 77, 308, 338; 80, 109, 118; 87, 234, 255 = SozR 3-4100 § 137 Nr. 3 S. 30; BVerfGE 99, 280, 290). Mit der Bestimmung der Altersgrenze von 20 Jahren hat der Gesetzgeber die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Befugnis zur Typisierung und Generalisierung nicht verletzt. Bei der Ausgestaltung der Leistungsansprüche nach § 24a SGB V durfte der Gesetzgeber berücksichtigen, dass diese, da Empfängnisverhütung weder Krankenbehandlung noch die Früherkennung oder Verhütung von Krankheit betrifft (zur wenig überzeugenden systematischen Einordnung vgl. Gerlach in: Hauck/Haines, Sozialgesetzbuch, SGB V, Gesetzliche Krankenversicherung, 34. Erg.-Lfg. IV/98), Kommentar zu § 24a RdNr. 6), nicht den Kernbereich der GKV berühren, sondern die Vorschrift einen eigenständigen Versicherungsfall begründet. Der dem Gesetzgeber hierbei eröffnete Rahmen zur typisierenden Ausgestaltung der Leistungsansprüche (grundlegend hierzu BVerfGE 117, 316, 326 = SozR 4-2500 § 27a Nr. 3 RdNr. 35) ist nicht überschritten; die für die Einführung einer Altersgrenze für Frauen sprechenden Sachgründe haben vielmehr ein die Begrenzung rechtfertigendes Gewicht. Nach den Gesetzesmaterialien zielt das Schwangeren- und Familienhilfegesetz (BT-Drucks. 12/2605 neu) darauf, werdendes Leben zu schützen und Konfliktsituationen schwangerer Frauen adäquat zu lösen, wobei § 24a Abs. 2 SGB V ungewollte Schwangerschaften verhindern soll. Dabei nennt die Gesetzesbegründung junge, noch in der Ausbildung befindliche Frauen, die schwanger werden, als eine Personengruppe, die in besonderem Maße einer Konfliktsituation ausgesetzt sind: "Vor allem junge, noch in der Ausbildung befindliche Frauen, die schwanger werden, sehen sich nicht selten vielfältigem Druck von Seiten ihrer Eltern sowie der Ausbildungsstelle ausgesetzt. Sie sehen oft keine Möglichkeit, die Schwangerschaft auszutragen und gleichwohl die Ausbildung abzuschließen. Ferner ist das Bewusstsein für die Verantwortung des männlichen Partners vielfach noch nicht stark genug entwickelt. Oft sind es die männlichen Partner, die eine Frau zum Abbruch drängen, obwohl sie eigentlich eher das Kind austragen möchte." (BT-Drucks. a. a. O., S. 4). Diese vom Gesetzgeber genannte besondere Konfliktsituation junger Frauen bildet einen sachlichen Grund, der geeignet ist, die Altersgrenze zu rechtfertigen. Dabei durfte der Gesetzgeber die Altersgrenze auch auf die Vollendung des 20. Lebensjahres festlegen, da typischerweise Personen bis zur Vollendung des 20. Lebensjahres noch in Ausbildung befindlich sind und zugleich noch – stärker als ggf. ältere – in einer Abhängigkeit und Nähe zu ihren Eltern stehen.

Soweit die Gesetzesmaterialien darauf abstellen, dass damit der Kreis der Frauen erfasst sei, die aufgrund ihrer wirtschaftlichen Lage, insbesondere weil sie sich noch in Ausbildung erfinden, am wenigsten in der Lage seien, die Kosten für Empfängnisverhütungsmittel aufzubringen, deutet die Wendung "zugleich" (BT-Drucks. a. a. O., S. 20) darauf hin, dass das die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit – die sich im Übrigen auch bei jungen Frauen in Ausbildung als überaus unterschiedlich darstellen dürfte – gegenüber dem Alter und dem Bestreben, den Abschluss der Ausbildung zu sichern, eine eher untergeordnete Rolle für die Regelung der Altersgrenze gespielt haben dürfte.

Die hierdurch entstehende Härte für Versicherte, die das 20. Lebensjahr bereits überschritten haben und gleichwohl noch in Ausbildung sind bzw. sich in vergleichbarer wirtschaftlicher Lage befinden, ist in Rahmen einer generalisierenden Betrachtungsweise unvermeidbar. Jede gesetzliche Regelung der Altersgrenzen muss generalisieren und enthält daher auch unvermeidbare Härten. Daraus sich ergebende Unebenheiten, Friktionen und Mängel müssen in Kauf genommen werden, solange sich für die Gesamtregelung ein plausibler und sachlich vertretbarer Grund anführen lässt (vgl. BVerfGE 76, 256 (295); 103, 310 (320); 110, 353 (364 f.)). Eine erweiternde Auslegung des § 24a Abs. 2 SGB V kommt daher auch nicht zugunsten von Frauen mit einer geistigen Behinderung in Betracht, deren Einbeziehung setzt vielmehr eine diesbezügliche politische Entscheidung des Gesetzgebers voraus, zumal insoweit auch die Leistungspflicht anderer Sozialleistungsträger in Betracht kommt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 154 Abs. 2, 3, § 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 160 Abs. 2 SGG sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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