L 7 AS 652/12

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 32 AS 3212/10
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 AS 652/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 13/13 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 15.09.2011 wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist im Rahmen eines Aufhebungs- und Erstattungsbescheides streitig, inwieweit zwei Lohnzahlungen aus einer Tätigkeit, die in einem Monat zufließen, als einmalige oder laufende Einnahmen zu qualifizieren sind und ob in diesem Zusammenhang die Freibeträge nach §§ 11, 30 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) einmal oder zweimal zu berücksichtigen sind.

Die im laufenden Leistungsbezug stehende Klägerin stellte am 15.07.2009 bei dem Beklagten wegen fortbestehender Hilfebedürftigkeit einen Antrag auf Weiterbewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II.

Mit Bescheid vom 29.07.2009 bewilligte der Beklagte der Klägerin daraufhin für die Zeit vom 15.07.2009 bis 31.12.2009 ohne Anrechnung von Einkommen weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von 557 Euro monatlich (Regelleistung in Höhe von 359 Euro und KdU in Höhe von 198 Euro).

Am 21.10.2009 nahm die Klägerin eine geringfügige Beschäftigung bei Firma C GmbH in L auf. Dieses Arbeitsverhältnis kündigte der Arbeitgeber mit Schreiben vom 09.11.2009 zum 23.11.2009. Laut Lohn- und Gehaltsabrechnung für den Oktober 2009 erhielt die Klägerin für den Monat Oktober 2009 einen Brutto- bzw. Nettolohn in Höhe von 162,38 Euro und für den November 2009 einen Brutto- bzw. Nettolohn in Höhe von 400,00 Euro. Der Arbeitgeber der Klägerin zahlte am 04.12.2009 auf diese Lohnforderungen auf ihr Konto 303,88 Euro und am 18.12.2009 den restlichen Lohn in Höhe von 258,50 Euro aus. Insgesamt flossen der Klägerin im Dezember 2009 562,38 Euro aufgrund der Arbeitsentgeltnachzahlung für Oktober und November 2009 zu.

Mit Schreiben vom 22.12.2009 hörte der Beklagte die Klägerin zu einer beabsichtigten teilweisen Aufhebung ihr bewilligter Leistungen sowie einer entsprechenden Rückforderung an, da das von ihr nachträglich ausgezahlte Arbeitsentgelt für den Monat Oktober als Einkommen anspruchsmindernd zu berücksichtigten sei. Der Beklagte machte in diesem Anhörungsschreiben geltend, dass sich eine Überzahlung in Höhe von 163,10 Euro ergebe.

Daraufhin wandte die Klägerin mit Schreiben vom 04.01.2010 ein, dass Einkommen für Oktober und November 2009 im Dezember in Höhe von 562,38 Euro zur Auszahlung gekommen sei. Sie selbst errechnete unter Einreichung der Verdienstbescheinigungen, Kontoauszüge und Fahrtickets eine Überzahlung in Höhe von 220,22 Euro unter Verweis darauf, dass der Beklagte bei der bisherigen Berechnung die Fahrtkosten zur Arbeitsstätte nicht berücksichtigt habe.

Mit Schreiben vom 04.02.2010 hörte der Beklagte die Klägerin erneut zu einer beabsichtigten teilweisen Aufhebung an. In diesem Schreiben führte er an, dass die Anhörung vom 22.12.2009 als gegenstandslos zu betrachten sei und hörte sie nunmehr zu einer beabsichtigten teilweisen Aufhebung und Erstattung in Höhe von 369,90 Euro an.

Mit Schreiben vom 08.02.2010 wandte die Klägerin erneut ein, dass die ihr entstandenen Fahrtkosten für Oktober 2009 in Höhe von 56,13 Euro bzw. für November 2009 in Höhe von 30,60 Euro nicht berücksichtigt seien und ihr gleichfalls ein Grundfreibetrag für den Monat Oktober entzogen würde. Sie hielt an ihrer bisherigen Berechnung der Überzahlung in Höhe von 220,22 Euro fest.

Unter dem Datum des 17.05.2010 erließ der Beklagte einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid für die Zeit vom 01.12.2009 bis 31.12.2009. Er hob die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 01.12.2009 bis 31.12.2009 teilweise in Höhe von 337,84 Euro auf und forderte von der Klägerin einen Gesamtbetrag in Höhe von 337,84 Euro zurück. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass die Klägerin mit den nachgewiesenen Einkommensverhältnissen nicht in bisher festgestellter und bewilligter Höhe hilfebedürftig gewesen sei und Einkommen oder Vermögen erzielt habe, das zum Wegfall oder zur Minderung ihres Anspruchs geführt habe.

Mit ihrem Widerspruch vom 31.05.2010 machte die Klägerin geltend, dass ihre Fahrtkosten in Höhe von 86,73 Euro nicht berücksichtigt seien. Sie errechnete selbst eine Überzahlung in Höhe von 283,17 Euro.

Mit Widerspruchsbescheid vom 06.07.2010 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Er stützte seine teilweise Aufhebung und Erstattung auf § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), da nach Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen erzielt worden sei, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt habe.

Hiergegen richtet sich die am 09.08.2010 erhobene Klage, mit der die Klägerin die teilweise Aufhebung des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides begehrt. Sie vertritt die Auffassung, dass der von dem Beklagten errechnete Freibetrag für Versicherung, Werbungskosten und Fahrtkosten in Höhe von 132,06 Euro zweimal von dem ihr im Dezember zugeflossenen Arbeitsentgelt abzuziehen sei, denn insofern sei die nachträgliche Auszahlung des Arbeitsentgelts für zwei Monate im Dezember 2009 zufälliger Natur und widerspreche der vom Gesetzgeber mit den Freibetragsregelungen beabsichtigen Erwerbsmotivation. Bei nur einmaliger Berücksichtigung eines Freibetrages werde sie unrechtmäßig benachteiligt. Für Oktober 2009 sei ein weiterer Freibetrag in Höhe von 12,48 Euro gem. § 30 Nr. 1 SGB II und für November 2009 sei ein weiterer Freibetrag in Höhe von 60,00 Euro gem. § 30 Nr. 1 SGB II in Abzug zu bringen, so dass eine Überzahlung in Höhe von 225,78 Euro bestehe.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, den Bescheid vom 17.05.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2010 insoweit aufzuheben als die Klägerin verpflichtet wird, mehr als 225,78 Euro zurückzuzahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass die Freibeträge nur einmal zu gewähren seien, da das Einkommen als solches in einem Monat erzielt wurde. Er hat seine Auffassung auf einem Vergleich zu den Fällen gestützt, in denen einem Monat mehrere Einkommen aus mehreren Tätigkeiten erzielt werden. In diesen Fällen werde ein Gesamteinkommen für den Monat berechnet und davon sodann ein Freibetrag errechnet.

Mit Urteil vom 15.09.2011 hat das Sozialgericht den Bescheid vom 17.05.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2010 insoweit aufgehoben, als die Bewilligung von Leistungen für den Monat Dezember 2009 teilweise aufgehoben und ein Betrag von mehr als 289 Euro zurückgefordert wurde. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 17.05.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2010 sei rechtswidrig und verletze die Klägerin in ihren Rechten, soweit darin die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts mit Bescheid vom 29.07.2009 in Höhe von mehr als 267,10 Euro für den Monat Dezember 2009 aufgehoben und ein Betrag von mehr als 289,90 Euro zurückgefordert werde. Der mit der Klage angefochtene Aufhebungs- und Erstattungsbescheid sei in formeller Hinsicht rechtmäßig. Insbesondere sei er hinreichend bestimmt und begründet. Hinreichend bestimmt im Sinne von § 33 Abs. 1 SGB X sei ein Verwaltungsakt dann, wenn der Adressat des Verwaltungsakts in der Lage ist, das von ihm Geforderte zu erkennen. Zudem müsse der Verwaltungsakt eine geeignete Grundlage für seine zwangsweise Durchsetzung bilden. Das sei vorliegend der Fall. Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid bezeichne den konkreten monatlichen Leistungszeitraum, für den eine Aufhebung erfolgt, benenne die Art und den Umfang der aufgehobenen Leistung und beziffere schließlich die sich aus der teilweisen Aufhebung ergebende individuelle Erstattungsforderung gegenüber der Klägerin. Nach Ansicht der Kammer sei es im vorliegenden Fall unschädlich, dass der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid den durch ihn aufgehobenen Bescheid nicht unter Angabe des Erlassdatums benennt. Die Angabe des Bescheiddatums sei keine zwingende Voraussetzung einer bestimmten Verfügung und ihr komme lediglich klarstellende Funktion in den Fällen zu, in denen es unbestritten nur eine bestehende Regelung gebe und unmissverständlich deutlich werde, dass sich die Aufhebung auf die Bewilligung des streitgegenständlichen Zeitraums beziehe. Ermächtigungsgrundlage für die Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 29.07.2009 sei § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X in Verbindung mit §§ 40 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 SGB II, 330 Abs. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Danach sei ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung auch für die Vergangenheit aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, derart eine wesentliche Änderung eintrete, dass nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Diese Voraussetzungen seien vorliegend dem Grunde nach erfüllt, da nach Erlass des Bewilligungsbescheides eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen durch die Aufnahme einer geringfügigen Beschäftigung im Oktober 2009 eingetreten sei, aus der der Klägerin im Dezember 2009 Arbeitsentgelt für den Monat Oktober und November 2009 nachgezahlt wurde. Damit habe sie Einkommen erzielt, dass zur Minderung ihres Anspruchs auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II geführt habe. Bei dem der Klägerin am 04.12.2009 und 18.12.2009 auf dem Konto gutgeschriebenen Geld habe es sich um Einkommen im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der damals geltenden Fassung gehandelt, das dem Grunde nach bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes II zu berücksichtigen sei. Die Kammer schließe sich damit der Auffassung des 14. Senates des Bundessozialgerichts im Urteil vom 18.02.2010, Az. B 14 AS 86/08 R, an. In der genannten Entscheidung habe der Senat für die Kammer überzeugend ausgeführt, dass Nachzahlungen von Arbeitsentgelt nach der von beiden für die Grundsicherung für Arbeitssuchende zuständigen Senaten des Bundessozialgerichts vertretenden Zuflusstheorie als Einkommen im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II a.F. anzusehen ist. Nach der Zuflusstheorie ist Einkommen alles das, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält und Vermögen alles das, was er zu diesem Zeitpunkt bereits hat. Sofern ein nach dem SGB II Hilfebedürftiger nach Antragstellung Arbeitsentgeltzahlungen erhalte, sei diese Leistung demnach als Einkommen und nicht als Vermögen zu berücksichtigen. Als im Dezember 2009 zugeflossene Einnahme sei das nachgezahlte Arbeitsentgelt grundsätzlich zur Deckung des gegenwärtigen Bedarfs zu verwenden gewesen. Dass das Arbeitsentgelt für vergangene Monate vertragswidrig vom Arbeitgeber nachgezahlt wurde, sei daher unerheblich. Bei Arbeitsentgeltnachzahlung handele es sich um eine einmalige Einnahme und nicht um eine laufende Einnahme wie beispielsweise für das in regelmäßigen monatlichen Abständen anfallende, monatlich abgerechnete und gezahlte Arbeitsentgelt. Nach § 2 Abs. 4 ALG II - Verordnung in der damals geltenden Fassung seien einmalige Einnahmen grundsätzlich von dem Monat an zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Gem. § 2 Abs.4 S. 3 ALG II - Verordnung a.F. seien einmalige Einnahmen auf einen angemessenen Zeitraum aufzuteilen und monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag zu berücksichtigen, soweit nicht im Einzelfall eine andere Regelung angezeigt ist. Eine Anrechnung auf einen entsprechenden Verteilzeitraum komme im vorliegenden Fall jedoch nicht in Betracht, da durch Berücksichtigung der Einnahme im Zuflussmonat nicht die Hilfebedürftigkeit in vollem Umfang entfallen würde. Auch wenn die Arbeitsentgeltnachzahlung grundsicherungsrechtlich als eine einmalige Einnahme zu behandeln sei, dürften deswegen die Freibeträge nicht nur einmal berücksichtigt werden. Die Nachzahlung stelle Einkommen aus nichtselbständiger Tätigkeit dar, für die ein Grundfreibetrag gem. § 11 Abs. 2 S. 2 SGB II in der damals geltenden Fassung und zum Anderen ein Erwerbstätigenfreibetrag gem. §§11 Abs. 2 S. 1 Nr. 6, 30 SGB II in der damals geltenden Fassung in Abzug zu bringen sei. Der Grundfreibetrag von 100 Euro trete bei einem monatlichen Bruttoeinkommen von bis zu 400,00 Euro stets, bei einem höheren monatlichen Bruttoeinkommen vorbehaltlich nachgewiesener höherer tatsächlicher Aufwendungen an die Stelle der Freibeträge nach § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 3-5 SGB II in der damals geltenden Fassung. Sinn und Zweck des Grundfreibetrages und des Erwerbstätigenfreibetrages sei es dabei, einen Anreiz zur Aufnahme oder Beibehaltung einer Erwerbstätigkeit zu schaffen. Dies sei unabhängig davon, ob die aufgenommene Erwerbstätigkeit bedarfsdeckend sei. Diese Anreizfunktion und damit Sinn und Zweck der Freibeträge würde unterlaufen werden, wenn ihre Berücksichtigung davon abhänge, ob die für die einzelnen Monate erbrachte Arbeitsleistung vom Arbeitgeber monatlich laufend oder - unter Umständen vertragswidrig - erst in Form einer Nachzahlung durch den Arbeitgeber erfolgt. Insofern schließe sich die Kammer der Ausführung des LSG Baden- Württemberg im Urteil vom 09.08.2007, Az. L 7 AS 5695/06, an, soweit darin ausgeführt werde, dass der Zeitpunkt der Arbeitsentgeltzahlung durch den Arbeitgeber nicht maßgeblich dafür sein könne, ob und wie diese Freibeträge berücksichtigt werden. Danach sei lediglich ein Einkommen in Höhe von 289,90 Euro auf die Leistungen nach dem SGB II zu berücksichtigen. Der vorgenannte Betrag errechne sich aus dem im Dezember 2009 ausgezahlten Arbeitsentgelt für November und Oktober 2009 in Höhe von 562,38 Euro, von welchem ein Gesamtfreibetrag in Höhe von 272,48 Euro zum Abzug zu bringen sei. Diese Summe der Freibeträge errechne sich aus der Berücksichtigung von je 100 Euro Grundfreibetrag für das nachgezahlte Arbeitsentgelt für Oktober 2009 und November 2009 sowie der ermittelten Erwerbstätigenfreibeträge gem. § 30 Nr. 1 SGB II a.F. in Höhe von 12,48 Euro bzgl. Oktober 2009 und 60,00 Euro für November 2009. Eine Erhöhung gem. § 11 Abs. 2 S. 3 SGB II a.F. sei - entgegen der Auffassung des Klägers - jedoch nicht möglich, da das berücksichtigte Brutto jeweils 400,00 Euro nicht übersteigt. Die Klägerin habe im streitgegenständlichen Zeitraum Dezember 2009 somit lediglich einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 267,10 Euro gehabt, so dass eine Überzahlung durch den Beklagten in Höhe von 289,90 Euro erfolgt sei. In Folge dessen sei lediglich der überzahlte Betrag in Höhe von 289,90 Euro von der Klägerin zu erstatten und die von dem Beklagten geltend gemachte Erstattungsforderung entsprechend zu reduzieren. Ermächtigungsgrundlage für die angefochtene Erstattungsentscheidung sei § 50 Abs. 1 SGB X in Verbindung mit § 40 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 SGB II. Danach seien, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, bereits erbrachte Leistungen zu erstatten.

Gegen das ihm am 27.09.2011 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 21.10.2011 Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Die Zahlungen seien als laufende Einnahmen einzuordnen, denn sie würden ihrer Art nach üblicherweise wiederkehrend gezahlt. Die Auffassung des SG, dass die Freibeträge zweimal berücksichtigt werden müssten, fänden sich bislang weder in der höchstrichterlichen Rechtsprechung noch in der Literatur, zumal der Entscheidung des LSG Baden-Württemberg ein anders gelagerter Sacherhalt zugrunde gelegen habe. Gegen die weite Interpretation des Sinn und Zweckes des § 30 SGB II in der damals geltenden Fassung spreche die Auffassung, dass bei zeitgleicher Erzielung mehrer Einkommen die jeweiligen Brutto- und Nettobeträge zu addieren seien.

Mit Beschluss vom 04.04.2012 hat der Senat die Berufung zugelassen. Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 15.09.2011 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die zu gewährenden Freibeträge sollten einen Anreiz zur Aufnahme oder Beibehaltung einer Erwerbstätigkeit sein. Dies könne nicht von Zufälligkeiten abhängen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsakten und des Beigeladenen verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat den Bescheid vom 17.05.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2010 zu Recht insoweit aufgehoben, als die Bewilligung von Leistungen für den Monat Dezember 2009 teilweise aufgehoben und ein Betrag von mehr als 289 Euro zurückgefordert wurde.

Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 17.05.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2010 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, soweit darin die mit Bescheid vom 29.07.2009 erfolgte Bewilligung von Leistungen zum Lebensunterhalt in Höhe von mehr als 267,10 Euro für den Monat Dezember 2009 aufgehoben und ein Betrag von mehr als 289 Euro zurückgefordert wird.

Zu Recht ist das SG davon ausgegangen, dass der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid im vorliegenden Fall nicht schon deswegen rechtswidrig ist, weil er den aufhebenden Bescheid nicht bezeichnet. Er ist hier dennoch hinreichend bestimmt. Der Bestimmtheitsgrundsatz verlangt, dass ein Verwaltungsakt so eindeutig formuliert ist, dass sich ohne Rückfrage für den Adressaten ergibt, was die Behörde regelt bzw. was von ihm verlangt wird. Ob eine danach hinreichend bestimmte Verfügung vorliegt, ist durch Auslegung zu ermitteln, deren Maßstab die Sicht eines verständigen Dritten ist. Dabei ist es grundsätzlich nicht erforderlich, sämtliche Änderungsbescheide zu benennen und weiterhin - ggfs. monatsbezogen - anzugeben, für welchen (Teil-)Zeitraum die Bewilligungsbescheide in jeweils welcher Höhe zurückgenommen oder aufgehoben werden (so etwa LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 10.08.2011, Az.: L 15 AS 1036/09 m.w.N.), wenn der von der Aufhebung betroffene Bewilligungszeitraum und die Höhe des Aufhebungsbetrages klar erkennbar ist. Denn ist der von der Aufhebung betroffene Bewilligungszeitraum klar erkennbar, ist der maßgebliche Bewilligungsbescheid für die leistungsberechtigte Person eindeutig zu identifizieren (Urteil des erkennenden Senats vom 16.02.2012, Az.: L 7 AS 549/10; Beschluss des erkennenden Senats vom 01.07.2009, Az.: L 7 B 92/09 AS NZB, Aubel in jurisPK-SGB II, 3. Auflage 2011, § 40, Rdn. 14). Wird in einem Rückforderungsbescheid der Rückforderungsbetrag genannt, ist nicht ersichtlich, inwiefern die Bestimmtheit der Regelung Zweifel unterliegen soll (Krasney in Kasseler Kommentar, Stand Juli 2011, § 33 SGB X, Rdn. 7). Das ist vorliegend der Fall. Die Höhe des Aufhebungsbetrags ist unabhängig vom genauen ursprünglichen Bewilligungsbetrag, denn die bewilligte Leistung entfällt nur in Höhe des erzielten anrechenbaren Einkommens. Zudem haben die im Bewilligungsabschnitt erlassenen Änderungsbescheide vom 10.09.2009 und 28.09.2009 den hier streitigen Zeitraum nicht betroffen.

Ermächtigungsgrundlage für die Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 29.07.2009 ist § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X in Verbindung mit §§ 40 Abs. 1 Satz 1,Satz 2 Nr. 1 SGB II, 330 Abs. 3 SGB II. Für den Zeitraum vom 15.07.2009 bis 30.09.2009 hatte der Beklagte in dem Bescheid vom 29.07.2009 für die Klägerin noch ein Erwerbseinkommen berücksichtigt, während für den Zeitraum vom 01.10.2009 bis 31.12.2009 keine Einkommensberücksichtigung mehr erfolgte. Die Klägerin hatte dem Beklagten zuvor am 28.05.2009 mitgeteilt, dass sie ab dem 29.05.2009 aufgrund eines auf drei Monate befristeten Vertrages beschäftigt sei. Die Beschäftigung bei der Fa. C GmbH hingegen hatte die Klägerin erst am 21.10.2009 und damit nach Erlass des Bescheides vom 29.07.2009 aufgenommen, so dass der Bescheid nicht bereits deswegen rechtswidrig war, weil zum Zeitpunkt seiner Bekanntgabe bereits objektive Umstände vorlagen, die aufgrund des Arbeitsverhältnisses einen zukünftig wechselnden Einkommenszufluss nahe legten (vgl. BSG, Terminsbericht zur Sitzung vom 29.11.2012, Az.: B 14 AS 6/12 R). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung auch für die Vergangenheit aufzuheben, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen erzielt worden ist, das um Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Das ist hier der Fall. Die Klägerin hat nach Erlass Verwaltungsaktes im September 2009 in für die Monate September und Oktober 2009 Einkommen erzielt, das ihr im Dezember 2009 ausgezahlt wurde.

Bei den beiden der Klägerin im Dezember 2012 zugeflossenen Gehaltszahlungen handelt es sich um laufende Einnahmen. Die einmalige Erbringung einer an sich laufenden Einnahme ändert deren grundsätzliche Qualifizierung nicht (BSG, Urteil vom 16.05.2012, Az.: B 4 AS 154/11 R).

Zur Recht hat das SG die Freibeträge zweimal, also sowohl für den Monat Oktober als auch November 2009, berücksichtigt.

§ 11 Abs. 2 Sätze 2 und 3 SGB II hatte vom 1. Januar 2007 bis 31.12.2010 folgende Fassung:

"Bei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die erwerbstätig sind, ist an Stelle der Beträge nach Satz 1 Nr. 3 bis 5 ein Betrag von insgesamt 100 Euro monatlich abzusetzen. Beträgt das monatliche Einkommen mehr als 400 Euro, gilt Satz 2 nicht, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige nachweist, dass die Summe der Beträge nach Satz 1 Nr. 3 bis 5 den Betrag von 100 Euro übersteigt."

Der Grundfreibetrag von 100 Euro tritt also bei einem monatlichen Bruttoeinkommen bis 400,00 Euro stets, bei einem höheren monatlichen Bruttoeinkommen vorbehaltlich nachgewiesener höherer tatsächlicher Aufwendungen an die Stelle der Freibeträge für gesetzlich nicht vorgeschriebene, aber angemessene Beiträge zu öffentlichen und privaten Versicherungen, für Altersvorsorgebeiträge und für die sogenannten Werbungskosten.

§ 30 Satz 1 SGB II hatte vom 1. Oktober 2005 bis 31.12.2010 folgenden Wortlaut:

"Bei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die erwerbstätig sind, ist von dem monatlichen Einkommen aus Erwerbstätigkeit ein weiterer Betrag abzusetzen. Dieser beläuft sich

1. für den Teil des monatlichen Einkommens, das 100 Euro übersteigt und nicht mehr als 800 Euro beträgt, auf 20 vom Hundert und

2. für den Teil des monatlichen Einkommens, das 800 Euro übersteigt und nicht mehr als 1.200 Euro beträgt, auf 10 vom Hundert."

Bei Zufluss von zwei Monatslöhnen aus demselben Arbeitsverhältnis innerhalb eines Kalendermonats sind die Freibeträge jeweils für jeden Monatslohn in Abzug zu bringen (so auch SG Berlin, Urteil vom 18.01.2012, Az.: S 55 AS 30011/10). Zwar müssen die Einnahmen, die in einem Monat zugeflossen sind, auch grundsätzlich in diesem Monat angerechnet werden. Sofern Freibeträge betroffen sind, ist dieses Zuflussprinzip jedoch zu modifizieren. Nach Sinn und Zweck der Freibeträge kann ihre Berücksichtigung nicht davon abhängen, wann das Arbeitsentgelt zur Auszahlung gelangt ist. Dies ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem Wortlaut von § 11 Abs. 2 Satz 2 SGB II a.F., nach dem der Freibetrag in Höhe von 100 Euro "monatlich abzusetzen" ist. Das SG Berlin weist in seiner Entscheidung jedoch zu Recht darauf hin, dass bereits Satz 3 der Regelung auf den Charakter als monatliches Erwerbseinkommen verweise und dass diese Formulierung in § 30 Satz 1, insbesondere Nr. 1 SGB II a.F. ausdrücklich aufgenommen werde. Monatliches Einkommen in diesem Sinne könne jedoch nur das jeweils monatlich erarbeitete und zu beanspruchende Arbeitsentgelt sein, unabhängig davon, wie es konkret ausgezahlt werde, wenn die Auszahlung monatlich zu erfolgen habe (SG Berlin, a.a.O.). Zudem liefe es der Anreizfunktion beider Freibeträge zuwider, wenn ihre Berücksichtigung sowie deren Ausmaß davon abhinge, ob die für die einzelnen Monate erbrachte Arbeitsleistung vom Arbeitgeber monatlich laufend oder (im Einzelfall sogar vertragswidrig) erst in Form einer Nachzahlung für rückständige Monate vergütet wird. Der Zeitpunkt der Arbeitsentgeltzahlung durch den Arbeitgeber, der regelmäßig nicht in der Hand des Hilfebedürftigen liege, könne nicht maßgeblich dafür sein, ob und wie diese Freibeträge berücksichtigt werden (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 09.08.2007, Az.: L 7 AS 5695/06). Durch die Freibeträge sollen von den Einnahmen u.a. die Kosten in Abzug gebracht werden, die dem Leistungsberechtigten dadurch entstanden sind, dass er die Erwerbstätigkeit ausgeübt hat. Wird die Erwerbstätigkeit zwei Monate ausgeübt, fallen auch die Kosten für zwei Monate an, unabhängig davon, ob der Lohn in zwei oder in einem Monat ausgezahlt wird. Aus diesem Grund verfängt auch das Gegenargument des Beklagten und Berufungsklägers nicht: Zwar werden bei Einkommen aus zwei Tätigkeiten in einem Monat nur einmal die Freibeträge berücksichtigt, bestimmte Fixkosten wie beispielsweise Versicherungen fallen dann aber auch nur einmal an und für die variablen Kosten wie beispielweise Fahrtkosten erhöhen sich die Freibeträge (in diesem Sinne auch SG Berlin, a.a.O., das darauf verweist, dass die Funktion des Freibetrags von 100 Euro, für den erwerbstätigen Leistungsberechtigen die mit der Tätigkeit verbundenen, monatlich anfallenden Kosten bei der Einkommensanrechnung außer Acht zu lassen, weil sie zur Deckung des Lebensunterhalts nicht zur Verfügung stehe, bei einer anderen Auslegung dieser Vorschrift nicht erfüllt werden könne. Die mit der Einkommenserzielung notwendig verbundenen und angemessenen, typischerweise monatlichen Ausgaben müssten, weil insofern kein Hilfebedarf reduziert werde, für das monatliche Einkommen und eben nicht "monatlich" berücksichtigt werden.

Das SG hat die Freibeträge auch i.H.v. 272,48 Euro richtig berechnet. Der Freibetrag für den Monat Oktober 2009 beträgt 112,48 Euro (Grundfreibetrag gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 SGB II i.H.v. 100 Euro und Erwerbstätigenfreibetrag gemäß §§ 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6, 30 SGB II i.H.v. 12,48 Euro) und für den Monat November 2009 160 Euro (Grundfreibetrag i.H.v. 100 Euro und Erwerbstätigenfreibetrag i.H.v. 160 Euro). Das SG ist zu Recht davon ausgegangen, dass eine Erhöhung gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 SGB II a.F. entgegen der Auffassung der Klägerin nicht möglich ist, da das berücksichtigte Bruttoentgelt jeweils 400 Euro nicht überschreitet.

Die Klägerin hat für den Monat Dezember 2009 somit nur einen Anspruch in Höhe von 267,10 Euro. Von dem Einkommen der Klägerin in Höhe von 562,38 Euro (162,38 Euro für Oktober und 400 Euro für November) verbleibt nach Abzug des Freibetrages in Höhe von 272,48 ein anrechenbares Einkommen in Höhe von 289,90 Euro. Dieses ist von den ursprünglich bewilligten Leistungen in Höhe von 557 Euro in Abzug zu bringen. Die Klägerin hat damit für den Monat Dezember 289,90 Euro (557 Euro - 267,10 Euro) zu viel an Leistungen erhalten.

In Folge dessen ist der überzahlte Betrag von der Klägerin zu erstatten und die von dem Beklagten geltend gemachte Erstattungsanforderung entsprechend zu reduzieren. Ermächtigungsgrundlage für die angefochtene Erstattungsentscheidung ist § 50 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 40 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 SGB II. Nach dieser Vorschrift sind, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, bereits erbrachte Leistungen zu erstatten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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