L 5 R 361/10

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 4 R 56/07
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 R 361/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 R 73/13 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. § 102 Abs. 2 Satz 4 SGB VI in der bis zum 30. April 2007 geltenden Fassung bzw. § 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI in der ab dem 1. Mai 2007 geltenden Fassung gewährt ausgehend von seinem Wortlaut und seiner systematischen Stellung auch nach Ablauf einer Gesamtbefristungsdauer von 9 Jahren keinen automatisch und unabhängig vom Vorliegen der materiell-rechtlichen Anspruchsvoraussetzungen des § 43 SGB VI bestehenden Anspruch auf eine unbefristete Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

2. § 102 Abs. 2 Satz 4 Halbsatz 2 SGB VI in der bis 30. April 2007 geltenden Fassung bzw. § 102 Abs. 2 Satz 5 Halbsatz 2 SGB VI in der ab dem 1. Mai 2007 geltenden Fassung enthält keine unwiderlegbare Fiktion, sondern eine für den Regelfall geltende gesetzliche Vermutung, die durch besondere Umstände des Einzelfalls widerlegt werden kann.

3. Bei der erneuten Befristung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach Ablauf einer Gesamtbefristungsdauer von 9 Jahren trifft den zuständigen Rentenversicherungsträger eine besondere Darlegungslast.
I. Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 30. Juni 2010 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander in beiden Instanzen keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Weitergewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bzw. wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach dem Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) unbefristet über den 31. August 2006 hinaus.

Der 1969 geborene Kläger verfügt über eine abgeschlossene Berufsausbildung als Elektrogerätemechaniker und Energiegeräteelektroniker und arbeitete bis Januar 1996 im erlernten Beruf. Nachfolgend war der Kläger zunächst arbeitslos und ab 4. November 1996 wegen einer Lymphogranulomatose (Morbus Hodgkin) arbeitsunfähig erkrankt. Aufgrund dieser Erkrankung gewährte die Beklagte dem Kläger auf seinen Antrag vom 27. Februar 1997 durch Bescheid vom 11. April 1997 – ausgehend von einem am 4. November 1996 eingetretenen Leistungsfall – eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit beginnend ab 1. Juni 1997 und zunächst befristet bis zum 30. November 1997. Diese Erwerbsunfähigkeitsrente gewährte die Beklagte durch die nachfolgenden Bescheide vom 18. September 1997, 6. Mai 1998, 2. Juni 1999 und 2. November 1999 – veranlasst durch entsprechende Weiterzahlungsanträge des Klägers – über den jeweiligen Wegfallmonat hinaus bis zum 31. Mai 2000 weiter. Grundlage der zuletzt bis zum 31. Mai 2000 erfolgten Weiterzahlung der Erwerbsunfähigkeitsrente war ein zuvor gutachterlich festgestelltes halb- bis untervollschichtiges Leistungsvermögen des Klägers wegen einer reaktiven, angstgefärbten Depression, dass jedoch nach Auffassung des seinerzeit untersuchenden Arztes durch eine adäquate psychotherapeutische Behandlung bzw. eine entsprechende Rehabilitationsmaßnahme in rentenmaßgeblichem Umfang gebessert werden könne (Gutachten des Ärztlichen Dienstes der Beklagten vom 19. Mai 1999). Dementsprechend gewährte die Beklagte die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zunächst bis zum 30. November 1999 (Bescheid vom 2. Juni 1999) sowie aufgrund der verzögerten Durchführung der beabsichtigten Rehabilitationsmaßnahme nochmals bis zum 31. Mai 2000 weiter (Bescheid vom 2. November 1999).

Den vom Kläger nachfolgend am 15. Mai 2000 gestellten Antrag auf Weitergewährung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit über den 31. Mai 2000 hinaus, lehnte die Beklagte dann zunächst durch Bescheid vom 18. Juli 2000 mit der Begründung ab, der Kläger sei über den Wegfallzeitpunkt hinaus weder berufs- noch erwerbsunfähig. Sie stützte ihre Entscheidung auf die Leistungsbewertung im Rehabilitationsentlassungsbericht vom 9. Dezember 1999 über das in der Zeit vom 9. November bis 5. Dezember 1999 durchgeführte Heilverfahren in der Rehaklinik QW. sowie in dem zur Frage der Einleitung einer Berufsfindungsmaßnahme eingeholten internistisch-pneumologischen Gutachten des Sachverständigen Dr. med. ER. vom 20. März 2000. In beiden Stellungnahmen war dem Kläger jeweils wieder ein vollschichtiges Leistungsvermögen für körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen attestiert worden.

Im Rahmen des sich anschließenden Widerspruchsverfahrens gewährte die Beklagte die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit durch Abhilfebescheid vom 17. Januar 2001 zunächst bis zum 28. Februar 2001 weiter, nachdem der von ihr beauftragte Arzt für Neurologie und Psychiatrie TZ. in seinem Gutachten vom 5. November 2000 zu der Auffassung gelangt war, dass die Leistungsfähigkeit des Klägers aufgrund einer psychischen Fehlverarbeitung des Krankheitsgeschehens aktuell noch im Sinne eines halb- bis untervollschichtigen Leistungsvermögens eingeschränkt sei, wobei diese Leistungseinschränkung durch rehabilitative Maßnahme behoben werden könne. Im weiteren Verlauf des Widerspruchsverfahrens erkannte die Beklagte durch Bescheid vom 20. Juni 2001 in Umsetzung eines zuvor abgegebenen und vom Kläger angenommenen Teilanerkenntnisses eine über den 28. Februar 2001 hinaus vorliegende Erwerbsunfähigkeit an und gewährte dem Kläger die Erwerbsunfähigkeitsrente nunmehr bis zum 31. August 2001 weiter.

Nach Beiziehung der ärztlichen Stellungnahme des Berufsförderungswerkes HM. gGmbH vom 11. März 2002 und Einholung eines weiteren Gutachtens bei Dr. med. UO. vom 6. Mai 2002, der dem Kläger ein seit dem 1. September 2001 bestehendes vollschichtiges Leistungsvermögen für körperlich leichte Arbeiten attestiert hatte, wies die Beklagte den über die Abhilfebescheide vom 17. Januar 2001 und 20. Juni 2001 hinausgehenden Widerspruch des Klägers durch Widerspruchsbescheid vom 14. August 2002 als unbegründet zurück. Das sich daran anschließende und unter dem Aktenzeichen S 2 RJ 1686/02 geführte Klageverfahren vor dem Sozialgericht Gießen endete am 26. Oktober 2004 durch einen außergerichtlichen Vergleich, mit dem die Beklagte eine über den 31. August 2001 hinaus bestehende Erwerbsunfähigkeit des Klägers anerkannte und sich zur Weitergewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bis zum 31. August 2006 im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften verpflichtete. Dem von der Beklagten am 22. September 2004 unterbreiteten Vergleichsangebot beigefügt war der "vorsorgliche" Hinweis, dass auch eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit unter bestimmten Voraussetzungen vor ihrem Ablauf entzogen bzw. ihre Weitergewährung beantragt werden könne. Zuvor hatte das Sozialgericht von Amts wegen ein Gutachten bei dem Facharzt für Innere Medizin sowie Physikalische und Rehabilitative Medizin Dr. med. PA. eingeholt (Gutachten vom 28. Mai 2003), welcher dem Kläger ein seit 1. Juni 2000 bestehendes vollschichtiges Leistungsvermögen für körperlich leichte Arbeiten attestierte, wohingegen der auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragte Internist, Onkologe und Hämatologe Dr. med. SD. in seinem Gutachten vom 1. Juni 2004 aufgrund eines chronischen Fatiguesyndrom nach Hochdosis-Chemotherapie und Bestrahlung von einer fortbestehenden dauerhaften Leistungsminderung des Klägers ausgegangen war.

Am 31. Mai 2006 stellte der Kläger unter Vorlage diverser Krankenunterlagen den hier maßgeblichen Antrag auf Weiterzahlung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit über den 31. August 2006 hinaus.

Die Beklagte veranlasste daraufhin erneut eine Begutachtung des Klägers durch den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. med. UO ... Der Sachverständige diagnostizierte in seinem Gutachten vom 28. Juli 2006 im Anschluss an eine am 27. Juli 2006 erfolgte ambulante Untersuchung des Klägers eine somatoforme Störung mit rezidivierendem Schwindelgefühl bei Zustand nach zentral kompensierter Neuronitis vestibularis, einen Zustand nach Angststörung mit fortbestehender sozialer Phobie sowie Erschöpfungszustand nach voll remittiertem Morbus Hodgkin bei ängstlich-vermeidender Persönlichkeitsstörung mit Versorgungswunsch, eine subklinische Polyneuropathie mutmaßlich bei Zustand nach Chemotherapie – sowie spondylogene/haltungsbedingte Kopfschmerzen. Nebenbefundlich bestätigte der Sachverständige nach Auswertung der aktenkundigen Befunde einen Morbus Hodgkin im Zustand der Vollremission und eine Strahlenfibrose der Lunge nach Radatio mit geringer Ventilationsstörung. Auch unter Berücksichtigung der festgestellten gesundheitlichen Beeinträchtigungen sei der Kläger seit dem 31. August 2006 wieder in der Lage, körperlich leichte Arbeiten in einem zeitlichen Umfang von 6 Stunden und mehr arbeitstäglich auszuüben, wobei Tätigkeiten mit besonderem Zeitdruck oder mit besonderen Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit zu vermeiden seien. Eine weitere Besserung des Leistungsvermögens sei grundsätzlich möglich, in Anbetracht der fehlenden Motivation des Klägers für eine psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung bei bestehendem Versorgungswunsch aber eher unwahrscheinlich. Dem schloss sich der Ärztliche Dienst der Beklagten in seiner nach Aktenlage erstatteten Stellungnahme vom 2. August 2006 an.

Auf dieser Grundlage lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 15. August 2006 den Antrag auf wiederholte Gewährung der befristeten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab, weil der Kläger über den Wegfallmonat August 2006 hinaus weder berufsunfähig noch erwerbsunfähig sei.

Hiergegen erhob der Kläger am 24. August 2006 unter Vorlage einer fachärztlichen Bescheinigung der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie FG. vom 28. September 2006 Widerspruch und machte geltend, ihm stehe bereits aufgrund der vorliegend überschrittenen Gesamtbefristungsdauer von 9 Jahren aus formell-rechtlichen Gründen nach § 102 Abs. 2 Satz 4 SGB VI eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Dauer zu, die nur unter den einschränkenden Voraussetzungen des § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) entzogen werden könne. Zudem seien die der angefochtenen Entscheidung der Beklagten zugrunde liegenden gutachterlichen und sozialmedizinischen Stellungnahmen ausgehend von dem ab 1. Januar 2001 geltenden Recht und somit nach einem fehlerhaften Maßstab erstattet worden. Unabhängig von diesen formell-rechtlichen Aspekten sei der Kläger nach den Feststellungen des im vorherigen gerichtlichen Verfahren gehörten Sachverständigen Dr. med. SD. über den 31. August 2006 hinaus erwerbsunfähig. Die dem entgegenstehende Leistungsbeurteilung des im Rentenantragsverfahren gehörten Sachverständigen Dr. med. UO. berücksichtige nicht die auf internistisch-onkologisch-hämatologischem Fachgebiet bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen und bilde somit keine tragfähige Grundlage für die Beurteilung einer fortbestehenden Erwerbsunfähigkeit des Klägers.

Die Beklagte wies den klägerischen Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 10. Januar 2007 zurück und führte zur Begründung aus, der Kläger habe weder einen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit bzw. Erwerbsfähigkeit nach dem bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Recht, noch stehe ihm eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach der ab dem 1. Januar 2001 maßgebenden Rechtslage zu, weil seine Erwerbsfähigkeit über den 31. August 2006 hinaus nicht in rentenmaßgeblichem Umfang gemindert sei. Der Kläger sei im Übrigen auch nicht berufsunfähig, da er zwar aus gesundheitlichen Gründen der zuletzt versicherungspflichtig ausgeübten Tätigkeit nicht mehr uneingeschränkt nachgehen könne, jedoch in objektiv und subjektiv zumutbarer Weise auf die Tätigkeiten eines Montierers in der Metall- und Elektroindustrie sowie eines Reparaturelektrikers verweisbar sei. Ein Anspruch des Klägers auf die Weitergewährung der bewilligten Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit über den 31. August 2006 hinaus, könne letztlich auch nicht auf § 102 Abs. 2 Satz 4 SGB VI gestützt werden, weil die Überschreitung der gesetzlich geregelten Gesamtbefristungsdauer von 9 Jahren auf einem durch Bescheid vom 17. Dezember 2004 umgesetzten Vergleich beruhe, mit dem im Sinne des gegenseitigen Nachgebens die Geltung des § 102 SGB VI abbedungen worden sei. Der Kläger erhob daraufhin am 5. Februar 2007 Klage vor dem Sozialgericht Gießen und nahm zur Begründung im Wesentlichen auf sein Vorbringen im Rahmen des Widerspruchsverfahrens Bezug. Ergänzend machte er geltend, dass die Beklagte als Behörde nach Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) auch beim Abschluss eines öffentlich-rechtlichen (Vergleichs-)Vertrages an Recht und Gesetz und somit an die Regelung des § 102 SGB VI gebunden sei. Diese Bindung an Recht und Gesetz habe die Beklagte mit ihrem dem Vergleichsangebot vom 22. September 2004 beigefügten vorsorglichen Hinweis darauf, dass die gewährte Erwerbsunfähigkeitsrente unter bestimmten Voraussetzungen vorzeitig entzogen werden könne, bestätigt. In Anbetracht der Tatsache, dass vorliegend die in § 102 Abs. 2 Satz 4 SGB VI geregelte maximale Befristungsdauer von 9 Jahren während des letzten Rentenbezugszeitraumes abgelaufen sei, stehe dem Kläger eine Erwerbsunfähigkeitsrente auf Dauer zu, die nur unter den einschränkenden Voraussetzungen des § 48 SGB X entzogen werden könne. Diese Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall nicht gegeben, weil nach den gutachterlichen Feststellungen von Dr. med. SD. keine wesentliche Besserung seines Leistungsvermögens nachweisbar sei. Letztlich sei er auch über den Wegfallmonat August 2006 hinaus berufsunfähig im Sinne des bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Rechts, weil die von der Beklagten benannten Verweisungstätigkeiten nicht mit dem gutachterlich festgestellten Restleistungsvermögen vereinbar und ihm somit subjektiv nicht zumutbar seien.

Die Beklagte berief sich demgegenüber auf ihren bei Abschluss eines Vergleiches geltenden erweiterten materiellen Gestaltungsspielraum, der auch die vergleichsweise Begründung von nicht in vollem Umfang mit dem Gesetz vereinbaren Rechten und Pflichten erlaube. Grundlage des Vergleichs sei seinerzeit das im gerichtlichen Verfahren mit dem Aktenzeichen S 2 RJ 1686/02 von Amts wegen eingeholte Gutachten des Sachverständigen Dr. med. PA. gewesen, welcher davon ausgegangen sei, dass der Kläger nach Durchführung einer psychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlung, ggf. verbunden mit einer beruflichen Rehabilitationsmaßnahme, wieder vollschichtig einsetzbar sei und die Gewähr für eine erfolgreiche berufliche Reintegration bestehe. Der danach noch bestehenden Ungewissheit über den Zeitpunkt der Wiederherstellung des klägerischen Leistungsvermögens habe man seinerzeit durch ein gegenseitiges Nachgeben im Rahmen des Vergleichsabschlusses Rechnung getragen, wobei man auch die Fehlerhaftigkeit der Regelung in Kauf genommen habe. Der Hinweis auf den möglichen vorzeitigen Entzug der Rente sei standardmäßig und unabhängig von den medizinischen Gegebenheiten erfolgt. Soweit der Kläger mit dem Inhalt des seinerzeit geschlossenen Vergleichs nicht einverstanden sei, müsse er die Wiederaufnahme des damaligen Klageverfahrens aufgrund eines (Motiv-)Irrtums anstrengen. Die Beklagte legte im laufenden Klageverfahren ein auf ihre Veranlassung erstattetes neurologisch-psychiatrisches Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. med. HJ. vom 29. Juni 2007 vor. Der Sachverständige diagnostizierte im Anschluss an eine ebenfalls am 29. Juni 2007 durchgeführte ambulante Untersuchung des Klägers eine somatoforme Körperstörung bei ängstlich-vermeidender Persönlichkeit, einen Zustand nach Morbus Hodgkin, einen Zustand nach Vestibularisausfall rechts sowie einen Zustand nach Polyneuropathie bei Chemotherapie und attestierte dem Kläger unter Berücksichtigung dieser Erkrankungen ein vollschichtiges Leistungsvermögen bzw. ein Leistungsvermögen von 6 Stunden und mehr arbeitstäglich für körperlich und geistig leichte Tätigkeiten unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes.

Mit dem im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung ergangenen Urteil vom 30. Juni 2010 hob das Sozialgericht Gießen den Bescheid vom 15. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Januar 2007 auf und verurteilte die Beklagte zur Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit über den 31. August 2006 hinaus auf Dauer. Zur Begründung führte das Sozialgericht aus, der Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente über den 31. August 2006 hinaus auf Dauer ergebe sich bereits aus § 44 SGB VI in der bis zum 30. Dezember 2000 geltenden Fassung i. V. m. § 102 Abs. 2 Satz 4 und § 302b Abs. 1 SGB VI, weil die Gesamtdauer der Befristung vorliegend die gesetzliche 9-Jahresgrenze überschritten habe. Der angefochtene Bescheid sei somit unabhängig von den medizinischen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit rechtswidrig. Die Vorschrift des § 102 Abs. 2 Satz 4 SGB VI sei letztlich auch nicht durch den im Verfahren vor dem Sozialgericht Gießen mit dem Aktenzeichen S 2 RJ 1686/02 geschlossenen Vergleich abbedungen worden, denn die Regelung stelle allein auf die Gesamtdauer der Befristung von 9 Jahren ab und differenziere nicht nach dem Grund für die Überschreitung der Gesamtbefristungsdauer.

Gegen das ihr am 5. August 2010 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 27. August 2010 Berufung eingelegt und dessen Aufhebung begehrt. Sie macht geltend, Gegenstand des Verfahrens sei allein der Bescheid vom 15. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Januar 2007, mit dem eine Weitergewährung der Erwerbsunfähigkeitsrente über den 31. August 2006 hinaus abgelehnt worden sei, nicht hingegen der Inhalt des zur Beendigung des Verfahrens mit dem Aktenzeichen S 2 RJ 1686/02 geschlossenen Vergleichs. Der diesen Vergleich umsetzende Bescheid vom 17. Dezember 2004 sei für die Beteiligten bindend geworden. Die Frage, ob die Regelung des § 102 Abs. 2 Satz 4 SGB VI durch diesen Vergleich abbedungen worden sei, habe somit keine Bedeutung für das vorliegende Verfahren. Maßstab für die Beurteilung des hier streitgegenständlichen Anspruchs des Klägers auf Weitergewährung der Erwerbsunfähigkeitsrente über den 31. August 2006 hinaus sei vielmehr allein das Vorliegen einer Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit. Erst wenn ein solcher Anspruch materiell-rechtlich bejaht werden könne, stelle sich die Frage der Befristung der zu gewährenden Rente. Nach den im Rentenantragsverfahren geführten medizinischen Ermittlungen, sei der Kläger jedoch über den 31. August 2006 hinaus weder erwerbsfähig, noch berufsunfähig und somit nicht anspruchsberechtigt.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 30. Juni 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Er fühlt sich durch die erstinstanzliche Entscheidung in seiner Rechtsauffassung bestätigt und trägt ergänzend vor, dass während des bis zum 31. Mai 2006 andauernden Rentenbezuges die gesetzliche Gesamtbefristungsdauer von 9 Jahren abgelaufen und daher im Sinne der zukunftsorientierten Wirksamkeit der Erwerbsunfähigkeitsrente ein Anspruch auf Dauerrentengewährung entstanden sei, zu dessen Beseitigung es einer gesonderten Aufhebungsentscheidung bedurft hätte. Zudem sei er über den 31. August 2006 hinaus aufgrund der schwerpunktmäßig des internistisch-onkologischen Fachgebietes betreffenden Erkrankungen sowohl erwerbsunfähig als auch berufsunfähig. Letzteres ergebe sich aus der Tatsache, dass er seine zuletzt verrichtete Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben könne und die von der Beklagten benannten Verweisungstätigkeiten nicht mit dem von den Sachverständigen festgestellten Restleistungsvermögen vereinbar seien. Dies gelte insbesondere für die Tätigkeit als Montierer in der Metall- und Elektroindustrie wegen der mit dieser Tätigkeit verbundenen Feinstaubbelastung.

Der Senat hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts einen Befundbericht des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. med. C. eingeholt sowie die Behandlungsunterlagen der Universitätsklinik DE-Stadt – Medizinische Klinik und Poliklinik –beigezogen. Des Weiteren hat der Senat von Amts wegen Beweis erhoben durch Einholung eines Fachgutachtens bei dem Internisten, Hämatologen und Onkologen Dr. med. E. Der Sachverständige diagnostiziert bei dem Kläger in seinem Gutachten vom 8. September 2012 auf der Grundlage einer am 29. August 2012 erfolgten ambulanten Untersuchung einen Morbus Hodgkin (Lymphogranulomatose) vom Typ der nodulären Sklerose im Zustand der kompletten Remission nach erfolgter Behandlung mit einer hochdosierten Chemotherapie und Bestrahlung aller betroffenen Lymphknoten, eine bestrahlungs- und medikamentös-toxisch-bedingte Lungenschädigung im Sinne einer Lungenfibrose mit eingeschränkter Lungenfunktion sowie eine seit 2008 bestehende Hypothyreose. Nebenbefundlich bestätigt er die von dem Vorgutachter Dr. med. HJ. gestellten Diagnosen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet. Der Sachverständige gelangt nach Auswertung der aktuell erhobenen und aktenkundig belegten medizinischen Befunde zu dem Ergebnis, dass der Kläger seit 1. September 2006 und auch aktuell über ein vollschichtiges Leistungsvermögen für körperlich leichte Arbeiten verfüge. Aufgrund der Lungenfibrose und der damit verbundenen Einschränkung der pulmonalen Kapazität müsse jedoch der Einfluss von Nässe, Kälte und Zugluft sowie von Atemreizstoffen jeder Art vermieden werden. Zudem könne der Kläger aufgrund der ängstlichen Persönlichkeitsstruktur und des anamnestisch bekannten Vestibularis-Ausfalls keine Arbeiten mit Absturzgefahr verrichten. Letztlich seien vor dem Hintergrund der bestehenden psychischen Alteration Tätigkeiten mit erhöhter Verantwortlichkeit, mit besonderem Zeitdruck oder Tätigkeiten, bei denen die Aufsicht über andere Personen ausgeübt werden müsse, zu vermeiden. Die von Dr. med. SD. seinerzeit angegebene Fatique-Symptomatik finde hingegen keine Bestätigung in den Ambulanzenberichten der Universitätsklinik DE-Stadt und sei daher leistungsrechtlich ohne Bedeutung.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie zur Ergänzung des Sach- und Streitstands im Übrigen wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf den Inhalt der den Kläger betreffenden Rentenakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt sowie statthaft (§ 151 Abs. 1 und §§ 143, 144 SGG).

Die Berufung ist auch begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 30. Juni 2010 ist rechtsfehlerhaft ergangen und kann daher keinen Bestand haben. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 15. August 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Januar 2007 ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG. Der Kläger hat über den 31. August 2006 hinaus keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit oder Berufsunfähigkeit bzw. einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit auf Dauer.

Gegenstand des Verfahrens ist allein der Antrag des Klägers vom 31. Mai 2006 auf Weitergewährung der ihm durch Bescheid vom 11. April 1997 bewilligten und durch die nachfolgenden Änderungsbescheide vom 18. September 1997, 6. Mai 1998, 2. Juni 1999, 2. November 1999, 17. Januar 2001, 20. Juni 2001 und 17. Dezember 2004 bis zum 31. August 2006 weiter gezahlten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit über den Wegfallmonat hinaus auf Dauer. Für diesen Anspruch ist gemäß der Übergangsvorschrift des § 302b Abs. 1 Satz 1 SGB VI in der Fassung durch das Gesetz zur Reform der Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000 (BGBl. I, 1827, 1835) noch § 44 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Normfassung (§ 44 SGB VI a. F.) maßgebend. Denn nach § 302b Abs. 1 Satz 1 SGB VI besteht ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, der am 31. Dezember 2000 bestanden hat, bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze weiter, solange die Voraussetzungen vorliegen, die für die Bewilligung der Leistung maßgebend waren. Dieser Bestandsschutz gilt über § 302b Abs. 1 Satz 2 SGB VI auch für befristete Renten in Bezug auf einen Anspruch nach Ablauf der Frist, wenn sich der geltend gemachte Weiterzahlungsanspruch an die noch nach altem Recht gewährte Rente nahtlos anschließt (LSG Sachsen-Anhalt vom 20. April 2011 – L 3 R 56/07). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, weil der Kläger mit dem streitgegenständlichen Weiterzahlungsantrag vom 31. Mai 2006 die Gewährung der ihm durchgehend seit 1. Juni 1997 gezahlten Erwerbsunfähigkeitsrente über den zuletzt festgelegten Wegfallmonat August 2006 hinaus begehrt.

Dieser Antrag des Klägers auf Weitergewährung der Erwerbsunfähigkeitsrente über den 31. August 2006 hinaus ist jedoch zugunsten des Klägers und unter Berücksichtigung seines Vorbringens dahingehend erweiternd auszulegen, dass zum einen hilfsweise die Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit – ebenfalls nach der bis 31. Dezember 2000 geltenden Rechtslage – sowie darüber hinaus wiederum hilfsweise die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach der ab dem 1. Januar 2001 geltenden Rechtslage (§ 43 SGB VI n. F.) begehrt wird. Denn die mit Wirkung zum 1. Januar 2001 vorgenommene Neuregelung des Rechts der Erwerbsminderungsrenten ist vorliegend während des Bezuges der durchgehend seit 1. Juni 1997 gewährten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit eingetreten, so dass mangels entgegenstehender Hinweise im Sinne des Meistbegünstigungsgrundsatzes (vgl. dazu BSG vom 10. November 2011 B 8 SO 18/10 R – SozR 4-3500 § 44 Nr. 2) davon auszugehen ist, dass der Kläger die begehrte Leistung über den 31. August 2006 hinaus auch nach neuem Recht begehrt, sollte der vorrangig angestrebte Anspruch auf Weitergewährung der noch nach altem Recht gezahlten Rente nicht bestehen (so BSG vom 17. Januar 2005 – L 13 RJ 31/04 R – SozR 4-2600 § 43 Nr. 3 mit Anm. Steiner in SGb 2006, S. 316 ff.). Dem steht die Regelung des § 302b Abs. 1 SGB VI nicht entgegen, weil dessen Satz 3 einen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung nach dem ab 1. Januar 2001 geltenden Recht dem Wortlaut nach nur ausschließt, wenn der Versicherte einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach altem Recht tatsächlich erworben hat (LSG Nordrhein-Westfalen vom 20. Dezember 2002 – L 4 RJ 36/02 m. w. N.).

Der vom Kläger primär geltend gemachte Anspruch auf Weitergewährung der ursprünglich durch Bescheid vom 11. April 1997 bewilligten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit besteht – entgegen der vom Sozialgericht vertretenen Rechtsauffassung – nicht bereits auf der Grundlage von § 102 Abs. 2 SGB VI aus rein formellen Gründen und unabhängig vom Vorliegen der in § 44 SGB VI a. F. bzw. § 43 SGB VI n. F. geregelten Anspruchsvoraussetzungen.

Zwar ist die ebenfalls durch das Gesetz zur Reform der Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000 (BGBl. I, 1827, 1835) eingeführte Regelung des § 102 Abs. 2 Satz 4 SGB VI, welche durch das RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007 (BGBl. I, S. 554) mit Wirkung zum 1. Mai 2007 in gleichlautender Form in Satz 5 überführt wurde, grundsätzlich auch auf eine über § 302b Abs. 1 SGB VI noch nach altem Recht zu gewährende Erwerbsunfähigkeitsrente anzuwenden. Dies gilt jedenfalls für Renten wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit, die allein aus medizinischen Gründen befristet wurden. Die Übergangsvorschrift des § 314b SGB VI gilt in diesen Fällen nicht, weil deren Anwendungsbereich auf Renten wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit beschränkt ist, die in Abhängigkeit von der jeweiligen Arbeitsmarktlage gewährt werden ( in Kreikebohm, SGB VI, 2. Aufl., § 302b Rdnr. 4; § 314b Rdnr. 1; Eicher/Haase/Rauschenbach, Die Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten, Band I, § 302b S. 2). Im vorliegenden Fall ist die dem Kläger gezahlte Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit zuletzt durch Bescheid vom 17. Dezember 2004 allein aus medizinischen Gründen bis zum 31. August 2006 befristet worden. Dies folgt aus der Stellungnahme des Ärztlichen Dienstes der Beklagten vom 13. August 2004, in der die Gewährung der Erwerbsunfähigkeitsrente für weitere 2 Jahre auf der Grundlage des im Verfahren mit dem Aktenzeichen S 2 RJ 1686/02 nach § 109 SGG erstatteten Gutachten von Dr. med. SD. empfohlen wurde. Dieser war aufgrund eines Fatigue-Syndroms von einem auch weiterhin ausgehobenen Leistungsvermögens des Klägers ausgegangen. § 102 SGB VI ist somit grundsätzlich anwendbar.

Allerdings kann der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf (Weiter-)Gewährung der bewilligten Erwerbsunfähigkeitsrente über den 31. August 2006 hinaus auf Dauer nicht allein auf § 102 Abs. 2 Satz 4 SGB VI (ab 1. Mai 2007 § 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI) gestützt werden. Nach dieser Vorschrift werden Renten, auf die ein Anspruch unabhängig von der Arbeitsmarktlage besteht, unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann, wovon nach einer Gesamtdauer der Befristung von 9 Jahren auszugehen ist. Daraus folgt nicht, dass bei einer Gesamtbefristungsdauer von mehr als 9 Jahren allein auf der Grundlage von § 102 Abs. 2 Satz 4 bzw. § 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI automatisch und unabhängig vom Vorliegen der in § 44 SGB VI a. F. geregelten materiell-rechtlichen Voraussetzungen ein Anspruch auf Gewährung einer Dauerrente besteht bzw. entsteht.

Dies folgt bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift, wonach Renten, auf die ein Anspruch unabhängig von der Arbeitsmarktlage besteht, unter bestimmten im Einzelnen geregelten Voraussetzungen unbefristet geleistet werden können. Die Gewährung einer Dauerrente setzt somit nach dem Wortlaut zwingend voraus, dass der Rentenanspruch materiell-rechtlich entstanden ist. Ausgehend von der Regelung des § 40 SGB I entsteht bzw. besteht ein Anspruch auf Erwerbsunfähigkeitsrente erst dann, wenn die für diesen Anspruch maßgebenden gesetzlichen Voraussetzung des § 44 SGB VI a. F. bzw. des § 43 SGB VI n. F. erfüllt sind. Zudem bestimmt § 102 Abs. 2 Satz 4 SGB VI, dass entsprechende Renten unbefristet geleistet werden, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann. Dies impliziert, dass die Befristungsregelung erst dann und nur dann zur Anwendung kommt, wenn eine Minderung der Erwerbsfähigkeit – d. h. eine Erwerbsunfähigkeit nach der bis 31. Dezember 2000 geltenden Rechtslage bzw. eine volle oder teilweise Erwerbsminderung nach der ab 1. Januar 2001 geltenden Rechtslage – vorliegt.

Diese Auslegung findet hier Bestätigung in der systematischen Stellung des § 102 SGB VI im Gesetz. Während die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung der einzelnen Renten im 1. Unterabschnitt (ab 1. Januar 2001 2. Unterabschnitt) des 2. Abschnitts des SGB VI geregelt sind, befindet sich die Vorschrift des § 102 SGB VI im 5. Unterabschnitt des 2. Kapitels, welches den Beginn, die Änderung und das Ende der Renten regelt. Daraus folgt, dass über die Frage der Befristung erst und nur dann (sekundär) zu entscheiden ist, wenn (primär) die Voraussetzungen für einen Rentenanspruch erfüllt sind.

Letztlich wäre ein automatisch und unabhängig von den materiellen Voraussetzungen des § 44 SGB VI a. F. bzw. § 43 SGB VI n. F. entstehender Anspruch auf Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente auf Dauer nach Ablauf einer Gesamtbefristungsdauer von 9 Jahren auch nicht mit der Intention des parlamentarischen Gesetzgebers vereinbar. Dieser hat durch das Gesetz zur Reform der Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000 mit Wirkung zum 1. Januar 2001 das bis dahin für die Befristung von Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit geltende Regel-Ausnahme-Verhältnis umgekehrt. Während nach der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Rechtslage Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit im Regelfall unbefristet gewährt wurden und nur im Ausnahmefall zeitlich begrenzt werden konnten, wenn die begründete Aussicht bestand, dass die Erwerbsminderung in absehbarer Zeit behoben werden kann, wird eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit seit dem 1. Januar 2001 regelmäßig auf Zeit geleistet und ist nur im Ausnahmefall – wenn die Behebung der Minderung der Erwerbsfähigkeit unwahrscheinlich ist – auf Dauer zu gewähren (vgl. dazu BSG vom 29. März 2006 – B 13 RJ 315/05 R – BSGE 96, 147 = SozR 4-2600 § 102 Nr. 2). Diese bewusste und gewollte Abkehr von der bisherigen Rechtslage dient zum einen der finanziellen Entlastung der Rentenversicherungsträger und soll zum anderen die Motivation der Versicherten für die Rückkehr in das Erwerbsleben gewährleisten (BSG a. a. O. unter Bezugnahme auf die Motive des Gesetzgebers). Hiervon ausgehend ist die Befristung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit der gesetzliche Regelfall, von dem nur bei Bestehen besonderer Gründe abgewichen werden kann. Auch diese Motive des Gesetzgebers sprechen gegen einen allein auf § 102 Abs. 2 Satz 4 SGB VI gestützten und unabhängig von den materiellen Voraussetzungen des § 44 SGB VI a. F. bzw. § 43 SGB VI n. F. bestehenden Anspruch auf Dauerrentengewährung.

Letztlich findet auch die vom Kläger im Berufungsverfahren vertretene Auffassung, dass die ihm zuletzt durch Bescheid vom 17. Dezember 2004 bis zum 31. August 2006 weitergewährte Erwerbsunfähigkeitsrente mit dem Erreichen der Gesamtbefristungsdauer von 9 Jahren am 1. Juni 2006 automatisch zu einer unbefristeten Rente geworden ist, die nur unter den Voraussetzungen des § 48 SGB X entzogen werden kann, keine Grundlage im Gesetz und ist insbesondere nicht mit § 102 Abs. 2 SGB VI vereinbar.

Denn § 102 Abs. 2 Satz 4 SGB VI schließt – entgegen der vom Sozialgericht vertretenen Rechtsauffassung – eine weitere Befristung der Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit auch nach Ablauf einer Gesamtbefristungsdauer von 9 Jahren nicht automatisch mit der Folge eines Anspruchs auf Dauerrentengewährung aus. Gemäß § 102 Abs. 2 Satz 4 Halbsatz 2 SGB VI ist nach einer Gesamtdauer der Befristung von 9 Jahren davon auszugehen, dass die Behebung der Minderung der Erwerbsfähigkeit unwahrscheinlich ist. Ausgehend vom Wortlaut der Regelung handelt es sich nicht um eine unwiderlegbare Fiktion (Kater in Kasseler Kommentar, § 102 SGB VI, Rdnr. 13), sondern um eine für den Regelfall geltende gesetzliche Vermutung, die jedoch durch besondere Umstände des Einzelfalls widerlegt werden kann. Daher kann auch nach Ablauf einer Gesamtbefristungsdauer von 9 Jahren eine weitere Befristung vorgenommen werden, wenn sich aus dem Sachverhalt begründete Anhaltspunkte dafür ergeben, dass auch nach Ablauf dieses Zeitraumes noch nicht alle therapeutischen Möglichkeiten ausgeschöpft sind, mit denen eine rentenrelevante Steigerung des geminderten Leistungsvermögens erreicht werden kann und somit die Behebung der Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht unwahrscheinlich im Sinne des § 102 Abs. 2 Satz 4 SGB VI ist. Die widerlegbare gesetzliche Fiktion des § 102 Abs. 2 Satz 4 Halbsatz 2 SGB VI (bzw. ab 1. Mai 2007 § 102 Abs. 2 Satz 5 Halbsatz 2 SGB VI) hat jedoch zur Folge, dass den Rentenversicherungsträger bei Überschreitung einer Gesamtbefristungsdauer von 9 Jahren eine erhöhte Darlegungslast trifft. Will der Rentenversicherungsträger in diesen Fällen gleichwohl erneut eine Befristung der Rente aussprechen, muss er im Detail darlegen, aufgrund welcher besonderen medizinischen bzw. rehabilitativen Gründen des jeweiligen Einzelfalls auch nach Ablauf einer 9-jährigen Befristungsdauer noch eine rentenrechtlich relevante Besserungsaussicht möglich und wahrscheinlich ist.

Ob seinerzeit solche besonderen medizinischen Gründe vorgelegen haben, die eine nochmalige Befristung der Erwerbsunfähigkeitsrente auch nach Ablauf einer Gesamtbefristungsdauer von 9 Jahren gerechtfertigt haben, ist vom Senat nicht zu entscheiden. Soweit die Beklagte bei ihrer Entscheidung über die erneute Befristung der Erwerbsunfähigkeitsrente im Bescheid vom 17. Dezember 2004 das geltende Recht insbesondere die Vorschrift des § 102 Abs. 2 SGB VI – fehlerhaft angewandt haben sollte, wäre die getroffene Entscheidung insoweit rechtswidrig und anfechtbar. Die Aufhebung dieser Entscheidung ist jedoch in Anbetracht der eingetretenen Bestandskraft des Bescheides vom 17. Dezember 2004 nur unter den einschränkenden Voraussetzungen des § 44 SGB X möglich. Ein entsprechender Überprüfungsantrag ist vom Kläger allerdings weder gestellt worden, noch kann sein Vorbringen im hiesigen Verfahren entsprechend ausgelegt werden. Der Kläger hat weder im Rahmen der Klagebegründung noch in seinem Vorbringen im Berufungsverfahren die Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 17. Dezember 2004 geltend gemacht. Im Ergebnis ist somit die im Bescheid vom 17. Dezember 2004 hinsichtlich der Befristung getroffene Entscheidung der Beklagten – möglicherweise – rechtswidrig gewesen, führt aber nicht dazu, dass sich die bewilligte Rente auf Zeit automatisch kraft Gesetzes in eine Dauerrente umwandelt, die nur unter den einschränkenden Voraussetzungen des § 48 SGB X aufgehoben werden kann.

Für den vorliegend allein streitgegenständlichen Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bzw. Erwerbsminderung über den 31. August 2006 hinaus ist daher nicht der Eintritt einer von der Beklagten nachzuweisenden wesentlichen Änderung im Sinne des § 48 SGB X maßgebend, sondern das zukunftsgerichtete Vorliegen der an einen solchen Anspruch geknüpften gesetzlichen Voraussetzungen (§ 44 SGB VI a. F.; § 43 SGB VI n. F.), wofür der Kläger die Darlegungs- und Beweislast trägt. Denn nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist in den Fällen, in denen die Weitergewährung einer vorangegangenen Zeitrente den Streitgegenstand bildet, für die Zeit nach Ablauf der Befristung zukunftsgerichtet darüber zu entscheiden, ob die Anspruchsvoraussetzungen für die Zeit nach Ablauf des Befristungszeitraums erneut erfüllt sind. Grundlage dieser Prüfung sind somit die zu diesem Zeitpunkt bestehenden Verhältnisse und ihre voraussichtliche Entwicklung, so dass sich die insoweit zu treffende behördliche Entscheidung als "eigenständige und voll inhaltlich erneute (wiederholte) Bewilligung der beantragten Rente darstellt" (BSG vom 26. Juni 1990 – 5 RJ 62/89SozR 3-1500 § 77 Nr. 1; BSG vom 24. Oktober 1996 – 4 RA 31/96SozR 3-2600 § 300 Nr. 8).

Von diesem Maßstab ausgehend hat der Kläger über den 31. August 2006 hinaus weder einen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach § 44 SGB VI a. F. noch auf Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach § 43 SGB VI n. F.

Gemäß § 44 Abs. 1 SGB VI in der hier gemäß der Übergangsvorschrift des § 302b Abs. 1 SGB VI noch maßgeblichen und bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, wenn sie
1. erwerbsunfähig sind,
2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeitragszeiten haben und
3. vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Erwerbsunfähig sind der Vorschrift des § 44 Abs. 2 Satz 1 SGB VI zufolge Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen in nennenswertem Umfang zu erzielen. Der Kläger erfüllt zwar vorliegend unter Berücksichtigung der von ihm zurückgelegten Beitragszeiten die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für den Bezug einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, sein Anspruch auf Weitergewährung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit über den 31. August 2006 hinaus scheitert aber letztlich daran, dass der Kläger ab diesem Zeitpunkt nicht mehr erwerbsunfähig im Sinne der genannten gesetzlichen Bestimmung gewesen ist.

Die Fähigkeit des Klägers, durch erlaubte Erwerbstätigkeit ein Arbeitsentgelt in nicht ganz unerheblichem Umfang zu erzielen (Erwerbsfähigkeit), war zwar zum damaligen Zeitpunkt und ist auch aktuell durch verschiedene Erkrankungen des internistischen und neurologisch-psychiatrischen Fachgebietes beeinträchtigt. Allerdings steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger jedenfalls ab 1. September 2006 wieder ohne unmittelbaren Schaden für seine Gesundheit in der Lage war und ist, körperlich leichte Arbeiten mit Einschränkungen (ohne die Einwirkung von Nässe, Kälte, Zugluft und Atemwegsreizstoffen, ohne Absturzgefahr, ohne besonderen Zeitdruck, ohne Tätigkeiten mit erhöhter Verantwortung oder Aufsicht über andere) vollschichtig zu verrichten. Diese Leistungsbeurteilung ergibt sich aus einer Gesamtschau der über den Gesundheitszustand des Klägers vorliegenden ärztlichen Berichte und medizinischen Gutachten.

Im Vordergrund der das Leistungsvermögen des Klägers – seit 1. September 2006 allerdings nur noch in qualitativer Hinsicht – einschränkenden Erkrankungen stehen die Folgen einer 1996 diagnostizierten Lymphogranulomatose (Morbus Hodgkin) vom nodulär-sklerosierenden Typ im Stadium II B. Die Geschwulsterkrankung wurde in der Zeit vom 25. November 1996 bis 4. Mai 1997 mit 8 Zyklen einer hochdosierten Chemotherapie sowie in der Folge bis zum 20. Juni 1997 mit einer ebenfalls hochdosierten Strahlentherapie behandelt. Die leistungsrechtlichen Auswirkungen der onkologischen Erkrankung sind für die Zeit ab September 2006 durch die im Rentenantragsverfahren beigezogenen medizinischen Behandlungs- und Befundberichte, die neurologisch-psychiatrischen Gutachten der Sachverständigen Dr. med. UO. vom 28. Juli 2006 und Dr. med. HJ. vom 29. Juni 2007, die Stellungnahme des Ärztlichen Dienstes der Beklagten vom 2. August 2006 sowie das im Berufungsverfahren eingeholte internistisch-onkologisch-hämatologische Gutachten des Sachverständigen Dr. med. E. vom 8. September 2012 eingehend geprüft worden. Hiervon ausgehend befindet sich die Lymphomerkrankung des Klägers nach adäquater Behandlung im Zustand der vollständigen Remission. Nach den Angaben des im Berufungsverfahren gehörten Sachverständigen Dr. med. E. ist die Erkrankung ausgeheilt und übt keinen Einfluss auf die Erwerbsfähigkeit aus. Dies gilt nach den gutachterlichen Feststellungen sowohl für die Zeit seit dem 1. September 2006 als auch aktuell. Dr. med. E. stützt diese Bewertung nachvollziehbar auf die aktenkundigen Nachsorgeberichte der Universitätsklinik DE-Stadt, ausweislich derer im hier maßgebenden Zeitraum ab 1. September 2006 kein Rezidiv der Geschwulsterkrankung zu verzeichnen ist (vgl. Berichte vom 28. Juli und 23. November 2011).

Einschränkungen des klägerischen Leistungsvermögens ergeben sich jedoch wenngleich ab 1. September 2006 nur in qualitativer Hinsicht – aus den Folgen der Polychemo- und Bestrahlungstherapie. Unter anderem ist bei dem Kläger eine Strahlungsfibrose der Lunge nachgewiesen worden, welche die Lungenfunktion allerdings nur geringfügig einschränkt. Die vom Kläger im Rahmen sämtlicher Begutachtungen subjektiv angegebene erhebliche Belastungsdyspnoe, kann hingegen nach den Angaben des den Kläger insoweit behandelnden Arztes für Lungen- und Bronchialheilkunde KL. im Bericht vom 10. Juli 2005 nicht in vollem Umfang objektiviert werden, da apparativ lediglich eine leichte restriktive Ventilationsstörung festgestellt wurde. Den objektivierbaren Beeinträchtigungen wird durch die Vermeidung der Einwirkung von Nässe, Kälte, Staub und Atemwegsreizstoffe am Arbeitsplatz sowie durch eine Beschränkung auf körperlich leichte Tätigkeiten Rechnung getragen werden. Eine über diesen qualitativen Aspekt hinausgehende Einschränkung des zeitlichen Leistungsvermögens kann hingegen aufgrund der nur gering ausgeprägten pulmonalen Funktionsdefizite, die durch die von lungenfachärztlicher Seite eingeleitete inhalative Steroid-Therapie adäquat behandelt sind, nicht angenommen werden.

Zudem leidet der Kläger unter einer chemotherapieinduzierten Polyneuropathie. Auch die vom Kläger diesbezüglich angegebenen Beschwerden im Sinne von Missempfindungen im Bereich der Hände und Füße konnten weder durch den im Rentenantragsverfahren gehörten Sachverständigen Dr. med. UO. noch durch den zeitlich später mit einer Begutachtung des Klägers beauftragten Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. med. HJ. in dem subjektiv angegebenen Ausmaß objektiviert werden. Im Rahmen der ambulanten Untersuchung des Klägers durch Dr. med. UO. am 27. Juni 2006 waren klinisch keine eindeutigen sensiblen Defizite und motorischen Ausfälle nachgewiesen. Lediglich im EMG fanden sich Hinweise auf eine leichtgradige Polyneuropathie, die sich nach den gutachterlichen Feststellungen jedoch nicht leistungsmindernd auswirkt. Dem steht auch der vom Kläger im Widerspruchsverfahren vorgelegte Bericht der behandelnden Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. med. FG. vom 28. September 2006 nicht entgegen. Denn die von ihr angenommene sensomotorisch relevante Polyneuropathie als Begleiterkrankung des Morbus Hodgkin konnte durch die neurologisch-psychiatrischen Gutachten von Dr. med. UO. vom 28. Juli 2006 und Dr. med. HJ. vom 29. Juni 2007 nicht bestätigt werden. Anlässlich beider Untersuchungen war klinisch keine Störung der Oberflächen- oder Tiefensensibilität nachweisbar. Auch apparativ bestanden keine Hinweise für eine Einschränkung der motorischen Leitgeschwindigkeit im Bereich des Nervus peronaeus, wie sie zuvor durch Dr. med. FG. festgestellt worden war. Elektromyographisch ist seitens der Gutachter ebenfalls ein Normalbefund erhoben worden, so dass klinisch-neurologisch keine Anhaltspunkte für eine symptomatische Polyneuropathie bestehen. Eine Verschlechterung der neurologischen Erkrankung ist vom Kläger im Berufungsverfahren weder geltend gemacht worden, noch ergeben sich entsprechende Hinweise aus dem vom Senat eingeholten Befundbericht des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. med. C. sowie dem Gutachten des Sachverständigen Dr. med. E.

Auch die beim Kläger nachgewiesene psychische Erkrankung schränkt dessen Leistungsvermögen in der Zeit ab 1. September 2006 nicht (mehr) in rentenmaßgeblichem Umfang ein. In psychiatrischer Hinsicht hat sich bei dem Kläger auf dem Boden einer vorbestehenden ängstlich-vermeidenden Persönlichkeitsstruktur und vor dem Hintergrund einer Fehlverarbeitung des Krankheitsgeschehens eine somatoforme Störung entwickelt. Diese Erkrankung ist nach dem Abschluss der bezüglich der Geschwulsterkrankung durchgeführten Therapien aufgetreten und zunächst progressiv verlaufen. Während 1998 zunächst nur ein psychopsychischer Erschöpfungszustand zu verzeichnen war (Rehabilitationsentlassungsbericht vom 5. März 1998), ergaben sich ab März 1999 Anhaltspunkte für eine reaktive, angstbetonte Depression mit Erschöpfungssyndrom und Konzentrationsschwäche. Aufgrund dessen wurde seinerzeit bereits eine psychotherapeutische Behandlung als dringend erforderlich angesehen (Gutachten des Ärztlichen Dienstes vom 19. Mai 1999). Diese psychische Erkrankung war letztlich ursächlich für die seit 1999 veranlasste Weitergewährung der anfangs nur wegen der somatischen Folgen der Geschwulsterkrankung gewährten Erwerbsunfähigkeitsrente. Ausweislich des Rehabilitationsentlassungsberichts vom 9. Dezember 1999 hatte die psychische Fehlverarbeitung der Krankheitsfolgen seinerzeit das Ausmaß einer Angststörung mit Agoraphobie und sozialer Phobie erreicht. Eine psychische Erkrankung diesen Ausmaßes ist jedoch für die Zeit ab September 2006 nicht mehr nachweisbar. Dies ergibt sich im Wesentlichen aus dem im Verwaltungsverfahren eingeholten nervenärztlichen Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. med. UO. vom 28. Juli 2006 sowie aus den Feststellungen im Gutachten des ebenfalls auf Veranlassung der Beklagten gehörten Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. med. HJ. vom 29. Juni 2007. Anlässlich der Begutachtung des Klägers durch Dr. med. UO. am 27. Juli 2006 bestand lediglich noch eine subdepressive Stimmungslage ohne Anzeichen für eine sozialmedizinisch relevante Einengung auf depressive Denkinhalte. Auch anamnestisch ergaben sich keine Hinweise auf in Phasen oder zirkadianen Schwankungen auftretende Verstimmungen bzw. eine vitalisiert-depressive Symptomatik. Die vom Kläger angegebenen Konzentrationsstörungen konnten im Rahmen der Prüfung der kognitiven Fähigkeiten nicht objektiviert werden. Auch testpsychologisch ergaben sich keine Hinweise für eine mittel- oder schwergradige depressive Störung. Die zuvor aktenkundig belegte Angststörung war anlässlich der Begutachtung des Klägers durch Dr. med. UO. am 27. Juli 2006 nicht mehr feststellbar. Ausgehend von diesem psychopathologischen Befund und unter Berücksichtigung der anmnestischen Angaben des Klägers sowie in Anbetracht einer fehlenden fachärztlichen Behandlung hat Dr. med. UO. daher diagnostisch eine somatoforme Störung angenommen, als deren Auswirkungen unter anderem die vom Kläger subjektiv geschilderten rezidivierenden Schwindelattacken und das Erschöpfungsgefühl anzusehen ist. Aufgrund dieser Erkrankung und der mit ihr verbundenen psychischen Beeinträchtigungen sind dem Kläger keine Tätigkeiten mit besonderen Anforderungen an die nervliche Belastung oder mit besonderem Zeitdruck sowie nur noch körperlich leichte Arbeiten zumutbar. Eine weitergehende Einschränkung auch des zeitlichen Leistungsvermögens kann aufgrund der zum damaligen Zeitpunkt nur gering ausgeprägten Gesamtsymptomatik und in Anbetracht des nach den Angaben von Dr. med. UO. bestehenden Versorgungsanspruchs nicht angenommen werden. Diese Leistungseinschätzung ist letztlich durch das Gutachten von Dr. med. HJ. vom 29. Juni 2007 bestätigt worden. Anlässlich der Untersuchung des Klägers durch Dr. med. HJ. bestand ebenfalls lediglich eine subdepressive Verstimmung ohne Anzeichen für eine tiefgreifende depressive Symptomatik oder Angststörung. Auch im Übrigen hat der Sachverständige einen unauffälligen psychopathologischen Befund mit uneingeschränktem Antrieb, ungestörter Psychomotorik und nicht nachweisbaren Affektstörungen erhoben. Entgegen der subjektiven Angaben des Klägers konnte auch keine Einschränkung der mnestischen Funktionen (Konzentrationen, Merkfähigkeit, Frisch- und Altgedächtnis) festgestellt werden. Die psychische Belastbarkeit des Klägers ist nach den Angaben des Sachverständigen Dr. med. HJ. allenfalls geringfügig eingeschränkt. Dem wird durch die Berücksichtigung genannten qualitativen Leistungseinschränkungen in ausreichendem Maße Rechnung getragen.

Eine erneute und rentenrechtlich relevante Verschlechterung der psychischen Symptomatik ist weder im erstinstanzlichen Verfahren noch im Berufungsverfahren geltend gemacht worden, noch ergeben sich insoweit Anhaltspunkte aus den eingeholten medizinischen Befundberichten und Gutachten. Der Kläger befindet sich aktuell nicht in psychotherapeutischer Behandlung, was bereits durch Dr. med. UO. im Rentenantragverfahren festgestellt worden war. Zudem ergeben sich weder aus den Nachsorgeberichten des Universitätsklinikums DE-Stadt vom 28. Juli 2011 und 23. November 2011 noch aus dem im Berufungsverfahren eingeholten Befundbericht des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. med. C. Hinweise auf eine relevante depressive Störung. Soweit der im abgeschlossenen Verfahren vor dem Sozialgericht Gießen mit dem Aktenzeichen S 2 RJ 1686/02 auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG befragte Sachverständiger Dr. med. SD. anlässlich der von ihm am 1. Juni 2004 erhobenen Befunde von einem chronischen Fatiguesyndrom nach Hochdosis-Chemotherapie und Bestrahlung ausgegangen ist, welches zu einem aufgehobenen Leistungsvermögen führt, konnte ein entsprechendes Krankheitsbild weder durch den im Rentenantragverfahren gehörten Sachverständigen Dr. med. UO. im Gutachten vom 28. Juli 2006 noch durch den im Berufungsverfahren mit der Erstattung eines internistisch-onkologisch-hämatologischen Gutachtens beauftragten Sachverständigen Dr. med. E. (Gutachten vom 8. September 2012) bestätigt werden. Auch in den aus der Zeit von 1998 bis 2002 vorliegenden Behandlungs- und Nachsorgeberichte des Universitätsklinikums DE-Stadt findet ein solches Krankheitsbild keine Erwähnung. Insbesondere hat der Kläger eine dem Krankheitsbild des Fatiguesyndroms entsprechende Symptomatik nicht in unmittelbarem Anschluss an die Krebsbehandlung angegeben, sondern erst mit erheblichem zeitlichem Abstand zur abgeschlossenen Chemo- und Bestrahlungstherapie geschildert. Nach den Ausführungen von Dr. med. E. besteht angesichts dieser fehlenden Brückensymptomatik nicht mehr der für die diagnostische Annahme eines Fatiguesyndroms notwendige zeitliche Zusammenhang zur Krebserkrankung bzw. deren Behandlung. Vielmehr ist die derzeit vom Kläger noch angegebene Erschöpfungssymptomatik nach den medizinisch fundierten Feststellungen von Dr. med. UO. und Dr. med. E. auf die diagnostisch belegte somatoforme Störung bei ängstlich-vermeidender Persönlichkeit zurückzuführen. Weitere Erkrankungen mit leistungsrechtlicher Relevanz bestehen bei dem Kläger nicht. Die seit 2008 aktenkundig belegte und offensichtlich durch die Bestrahlungstherapie begünstigte Hypothyreose ist mangels Auswirkungen auf die Aktivität und Teilhabe des Klägers rentenrechtlich ohne Bedeutung.

Der diagnostisch belegte Zustand nach Vestibularis-Ausfall rechts (September 2001) ist ebenfalls lediglich von qualitativer Bedeutung für das klägerische Leistungsvermögen, da aufgrund dieser Erkrankung Arbeiten mit Absturzgefahr zu vermeiden sind. Eine weitergehende Einschränkung des Leistungsvermögens – insbesondere auch in zeitlicher Hinsicht – besteht aufgrund dieser Erkrankung nicht. Maßgebend hierfür ist der Umstand, dass sowohl anlässlich der ambulanten Untersuchung des Klägers durch Dr. med. UO. am 27. Juli 2006 als auch durch Dr. med. HJ. am 29. Juni 2007 keine relevanten Gleichgewichtsstörungen nachweisbar waren und die subjektiv angegebenen Schwindelattacken elektroenzephalographisch nicht objektiviert werden konnten. Angesichts dieses unauffälligen neurologischen Befundes ist nach den Ausführungen von Dr. med. UO. und Dr. med. HJ. von einem zentral kompensierten Vestibularausfall auszugehen, der das klägerische Leistungsvermögen nur geringfügig einschränkt. Die vom Kläger anamnestisch angegebenen erheblichen Schwindelattacken sind nach der übereinstimmenden Auffassung beider Gutachter vielmehr im Wesentlichen auf die somatoforme Störung zurückzuführen.

Unter Berücksichtigung seines nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme noch vorhandenen Restleistungsvermögens ist der Kläger somit seit 1. September 2006 wieder in der Lage, körperlich leichte Arbeiten unter Berücksichtigung der genannten qualitativen Einschränkungen vollschichtig unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes zu verrichten.

Ausgehend von den zum Leistungsvermögen des Klägers vorliegenden ärztlichen Befundberichten und Stellungnahmen sowie den medizinischen Gutachten hält der Senat den Sachverhalt für ausreichend aufgeklärt und weitere Ermittlungen – insbesondere in medizinischer Hinsicht – nicht für geboten. Zweifel an den abgegebenen Stellungnahmen in den im Rentenantragsverfahren sowie im sozialgerichtlichen Verfahren auf Veranlassung der Beklagten erstatteten Gutachten sowie in dem im Berufungsverfahren von Amts wegen eingeholten Gutachten des Sachverständigen Dr. med. E. ergeben sich für den Senat nicht. Die Gutachten sind in sich schlüssig, widerspruchsfrei und überzeugend und stützen einander hinsichtlich der Einschätzung des klägerischen Leistungsvermögens. Sie stehen letztlich auch in Übereinstimmung mit den mitgeteilten Befunden der den Kläger behandelnden Ärzte. Neue und bislang unberücksichtigt gebliebene medizinische Gesichtspunkte, die den geltend gemachten Anspruch stützen könnten, sind vom Kläger im Berufungsverfahren nicht vorgetragen worden, so dass sich der Senat nicht zu weiteren Ermittlungen von Amts wegen gedrängt fühlen musste. Das gilt insbesondere für die leistungsrechtlichen Auswirkungen der psychischen Erkrankung des Klägers. Diese sind eingehend durch die Gutachten der Sachverständigen Dr. med. UO. vom 28. Juli 2006 und Dr. med. HJ. vom 29. Juni 2007 bewertet worden. Anhaltspunkte für eine zwischenzeitlich eingetretene rentenrechtlich relevante Verschlechterung des psychischen Krankheitsbildes ergeben sich weder aus dem Vorbringen des Klägers im erstinstanzlichen Verfahren, noch wurden solche im Berufungsverfahren vorgetragen. Auch aus den von Amts wegen eingeholten Befundberichten der den Kläger behandelnden Ärzte sowie aus den Feststellungen des im Berufungsverfahren gehörten Sachverständigen Dr. med. E. ergeben sich keine Hinweise für eine leistungsrechtlich relevante psychische Erkrankung. Da sich der Kläger insoweit auch nicht in fachärztlicher Behandlung befindet, hat für den Senat keine Veranlassung zu weitergehenden Ermittlungen bestanden.

Im Ergebnis kann es damit auf der Grundlage des gutachterlich festgestellten Restleistungsvermögens – auch bei einer dem Kläger besonders wohlwollenden Betrachtungsweise – nicht im Sinne des Vollbeweises als nachgewiesen angesehen werden, dass die Erwerbsfähigkeit des Klägers seit 1. September 2006 in rentenberechtigendem Ausmaß beeinträchtigt ist.

Bei dieser Sachlage kann der Kläger auch nicht damit gehört werden, dass seine Resterwerbsfähigkeit im Arbeitsleben wegen der Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt praktisch nicht mehr verwertbar sei. Denn es gibt auf dem für den Kläger in Betracht kommenden Arbeitsmarkt noch eine nennenswerte Zahl von Tätigkeiten, die er trotz seines eingeschränkten Leistungsvermögens ausüben könnte. Unter Berücksichtigung des festgestellten Leistungsvermögens liegen bei dem Kläger auch keine ins Gewicht fallenden besonderen Umstände vor, welche die Ausübung einer körperlich leichten Tätigkeit in ungewöhnlicher Weise erschweren. Denn nach dem Ergebnis der Sachaufklärung besteht bei ihm ganz offenkundig weder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen noch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung.

Ob die für den Kläger in Betracht kommenden Arbeitsplätze frei sind oder besetzt, ist für die Entscheidung des vorliegenden Falles unerheblich, denn die Erwerbsfähigkeit von Versicherten, die wie der Kläger noch vollschichtig einsatzfähig sind, hängt nicht davon ab, ob das Vorhandensein von für sie offenen Arbeitsplätzen für die in Betracht kommenden Erwerbstätigkeiten konkret festgestellt werden kann oder nicht. Der im Sinne der so genannten konkreten Betrachtungsweise auf die tatsächliche Verwertbarkeit der Resterwerbsfähigkeit abstellende Beschluss des Großen Senats des Bundessozialgerichts (vgl. BSG vom 10. Dezember 1976 – SozR 2200 § 1246 Nr. 13) kann bei noch vollschichtig einsatzfähigen Versicherten grundsätzlich nicht herangezogen werden. Das hat der Gesetzgeber in § 40 Abs. 2 S. 2 SGB VI a. F. nochmals ausdrücklich mit dem Hinweis darauf klargestellt, dass nicht erwerbsgemindert ist, wer – ungeachtet der jeweiligen Arbeitsmarktlage – unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch vollschichtig täglich erwerbstätig sein kann. Ausnahmen können allenfalls dann in Betracht kommen, wenn ein Versicherter nach seinem Gesundheitszustand nicht dazu der Lage ist, die an sich zumutbaren Arbeiten unter den in der Regel in den Betrieben üblichen Bedingungen zu verrichten, oder wenn er außer Stande ist, Arbeitsplätze dieser Art von seiner Wohnung aus aufzusuchen (vgl. BSG vom 27. Februar 1980 – 1 RJ 32/79). Ein solcher Ausnahmefall ist vorliegend jedoch ganz offenkundig nicht erfüllt.

Der Kläger hat im Übrigen für die Zeit ab dem 1. September 2006 auch nicht den hilfsweise geltend gemachten Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit.

Gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI a. F. haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit, wenn sie

1. berufsunfähig sind,
2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Berufsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeitragszeiten haben und
3. vor Eintritt der Berufsunfähigkeit die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Berufsunfähig im Sinne des § 43 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI sind der Vorschrift des § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI zufolge Versicherte, deren Erwerbsunfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist.

Der Kläger ist nicht berufsunfähig im Sinne dieser gesetzlichen Bestimmung. Wie oben bereits dargelegt worden ist, kann er seit 1. September 2006 wieder vollschichtig einer geregelten Erwerbstätigkeit nachgehen. Objektiv zumutbar sind dem Kläger dabei unter Berücksichtigung seines Gesundheitszustands alle leichten körperlichen Tätigkeiten, bei denen die von den Sachverständigen für erforderlich gehaltenen und im Einzelnen bereits dargelegten qualitativen Leistungseinschränkungen berücksichtigt werden. Ob die vom Kläger erlernte und bis 1996 durchgängig verrichtete Tätigkeit als Elektrogerätemechaniker und Energiegeräteelektroniker mit den aus gesundheitlichen Gründen erforderlichen qualitativen Leistungseinschränkungen vereinbar ist und daher vom Kläger noch ohne Schaden für die Gesundheit ausgeübt werden kann – wie der im Berufungsverfahren gehörte Sachverständige Dr. med. E. angenommen hat – kann vorliegend dahingestellt bleiben. Denn selbst wenn der Kläger – wie von ihm angenommene – seine zuletzt verrichtete Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben könnte, würde sich daraus noch kein Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit ergeben.

Denn das Gesetz räumt den Versicherten einen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen Berufsunfähigkeit nicht bereits dann ein, wenn sie ihren – versicherungspflichtig ausgeübten – "bisherigen Beruf" bzw. ihre "bisherige Berufstätigkeit" aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben können. Vielmehr wird von den Versicherten verlangt, dass sie – immer bezogen auf ihren "bisherigen Beruf" – auch einen "zumutbaren" beruflichen Abstieg in Kauf nehmen und sich vor Inanspruchnahme der Rente mit einer (gegebenenfalls auch) geringerwertigen Erwerbstätigkeit zufrieden geben (vgl. BSGE 41, 129, 131 = SozR 2200 § 1246 Nr. 11). Nur wer sich nicht in dieser Weise auf einen anderen, ihm subjektiv zumutbaren Beruf "verweisen" lassen muss, ist berufsunfähig im Sinne des Gesetzes.

"Zugemutet werden" im Sinne des § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI a. F. können den Versicherten alle von ihnen nach ihren gesundheitlichen Kräften und ihren beruflichen Kenntnissen und Fähigkeiten ausführbaren, auch "berufsfremden" Tätigkeiten, die nach der im Gesetz angeführten positiven Kennzeichnung – Ausbildung und deren Dauer, besondere Anforderungen, Bedeutung des Berufs im Betrieb, d. h. nach ihrer Qualität – dem bisherigen Beruf nicht zu fern stehen (vgl. z. B. BSG SozR Nr. 22 zu § 45 RKG; BSGE 38, 153 = SozR 2200 § 1246 Nr. 4; BSGE 41, 129, 132 = SozR 2200 § 1246 Nr. 11; BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 27, 29 – ständige Rechtsprechung).

Das zur Ausfüllung dieser Rechtssätze von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelte sog. Mehr-Stufen-Schema unterscheidet dabei für Arbeiterberufe die unterste Gruppe mit dem Leitberuf der Ungelernten, die mittlere Gruppe mit dem Leitberuf der Angelernten, schließlich die Gruppe mit dem Leitberuf der Gelernten (Facharbeiter) und darüber die zahlenmäßig kleine Gruppe mit dem Leitberuf der Vorarbeiter mit Vorgesetztenfunktion bzw. der Facharbeiter mit besonders qualifizierten Tätigkeiten. Als im Sinne von § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI a. F. zumutbaren beruflichen Abstieg hat die angeführte Rechtsprechung jeweils den Abstieg zur nächst niedrigeren Gruppe angenommen. Unabhängig davon können Versicherte mit dem Leitberuf der Ungelernten auf das gesamte allgemeine Arbeitsfeld verwiesen werden (vgl. etwa BSGE 55, 45 = SozR 2200 § 1246 Nr. 107 m. w. N. – ständige Rechtsprechung).

Hiervon ausgehend ist der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum ab 1. September 2006 nicht berufsunfähig. Zwar ist der Kläger ausgehend von seinem beruflichen Werdegang und unter Berücksichtigung der zuletzt versicherungspflichtig ausgeübten Tätigkeit der Gruppe mit dem Leitbild des Facharbeiters zuzuordnen. Als Facharbeiter muss sich der Kläger nach den vom Bundessozialgericht entwickelten Grundsätzen zur Verwertung seines Restleistungsvermögens sozial zumutbar auf all diejenigen Tätigkeiten verweisen lassen, die zu den Facharbeiterberufen und den staatlich anerkannten Ausbildungsberufen gehören oder die eine echte betriebliche Ausbildung von wenigstens 3 Monaten Dauer erfordern, wenn er dazu gesundheitlich im Stande und beruflich fähig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. BSG vom 15. Februar 1979 – 5 RJ 112/77 = SozR 2200 § 1246 Nr. 57; BSG vom 17. November 1987 – 5b RJ 10/87 = SozR 2200 § 1246 Nr. 152 – jeweils m. w. N.). Darüber hinaus muss sich der Kläger als Facharbeiter aber auch auf Tätigkeiten aus der Gruppe der ungelernten Arbeiter verweisen lassen, wenn sich die betreffenden Tätigkeiten aus dem Kreis ungelernter Tätigkeiten innerhalb des Betriebes und im Ansehen, aber auch unter Berücksichtigung ihrer tariflichen Eingruppierung im Vergleich mit anderen Tätigkeiten besonders herausheben. Dabei sollen diese ungelernten Tätigkeiten wegen ihrer Qualität tariflich etwa gleich hoch wie die sonstigen Ausbildungsberufe eingestuft sein (vgl. BSG vom 1. Februar 1984 – 5b RJ 80/83 = SozR 2200 § 1246 Nr. 116; BSG vom 30. September 1987 – 5b RJ 20/86 = SozR 2200 § 1246 Nr. 147; BSG vom 12. September 1991 – 5 RJ 34/90 = SozR 3-2200 § 1246 Nr. 17).

Eine nach diesen Grundsätzen auch einem Facharbeiter zumutbare Verweisungstätigkeit ist unter anderem die Tätigkeit als Telefonist. Es handelt sich insoweit zwar weder um einen sonstigen Ausbildungsberuf noch um eine Tätigkeit, die eine echte betriebliche Ausbildung von wenigstens 3 Monaten Dauer erfordert. Die Tätigkeit wird jedoch wegen ihrer Qualität wie sonstige Ausbildungsberufe bewertet und tariflich eingestuft, was ihre soziale Zumutbarkeit als Verweisungstätigkeit ebenfalls begründet (vgl. BSG vom 12. September 1991, a. a. O.). Dies gilt etwa für Telefonistentätigkeiten der Vergütungsgruppe BAT VIII (vgl. BSG in DAngVers 1988, 426, 428) oder auch für Telefonistentätigkeiten nach Gehaltsgruppe K II des Gehaltstarifvertrages für den Berliner Einzelhandel, nach Gehaltsgruppe G II oder G III des Tarifvertrages über die Gehälter im Berliner Groß- und Außenhandel oder nach Gehaltsgruppe 2 oder 3 des Gehaltstarifvertrages für die Angestellten in der Berliner Metallindustrie. Nach dem Gehaltstarifvertrag und Lohntarifvertrag für den Hessischen Einzelhandel (gültig ab 1. März 1995) erfolgt bereits die tarifvertragliche Einordnung einfacher Telefonisten gemäß § 3 B in die Gruppe der Angestellten mit abgeschlossener kaufmännischer oder technischer Ausbildung, und zwar für einfache Telefonisten in die Gehaltsgruppe Ia (Angestellte mit einfacher kaufmännischer oder technischer Tätigkeit) und für Telefonisten, die mehr als drei Amtsanschlüsse zu bedienen haben, in die Gehaltsgruppe Ib (Angestellte mit erweiterten Fachkenntnissen), mithin in jedem Falle in eine Gehaltsgruppe für Angestellte mit einem sonstigen Ausbildungsberuf. Nach dem Gehalts- und Lohntarifvertrag für den Groß- und Außenhandel des Landes Hessen (gültig ab 1. April 1995) erfolgt die tarifliche Einordnung von Telefonisten entweder in die Gehaltsgruppe G II oder G III, mithin in Gehaltsgruppen, die Kenntnisse und Fertigkeiten erfordern, für die entweder eine 2-jährige kaufmännische oder gleichwertige Berufsausbildung vorausgesetzt wird oder die gar eine abgeschlossene Berufsausbildung als Kaufmann im Groß- und Außenhandel, als Bürokaufmann oder eine gleichwertige Ausbildung voraussetzen. Die Tätigkeit des Telefonisten ist damit tarifvertraglich überwiegend zumindest als Angelerntentätigkeit, in einigen Fällen sogar als Facharbeitertätigkeit eingestuft und einem Versicherten, der Berufsschutz genießt, grundsätzlich sozial zumutbar (vgl. dazu Senatsurteil vom 15. April 2011 – L 5 R 331/09).

Diese Tätigkeit entspricht auch dem ab 1. September 2006 bestehenden und durch die Gutachten von Dr. med. UO. vom 28. Juli 2006, Dr. med. HJ. vom 29. Juni 2007 und Dr. med. E. vom 8. September 2012 festgestellten Leistungsvermögens des Klägers. Bei der Tätigkeit eines Telefonisten handelt es sich um eine körperlich leichte Tätigkeit in geschlossenen temperierten Räumen, die in wechselnder Körperhaltung, überwiegend im Sitzen mit zeitweisem Gehen und Stehen ausgeübt werden kann. Eine wechselnde Arbeitshaltung ist durch den Einsatz ergonomisch ausgestalteter Arbeitsplatzausstattungen möglich. Gelegentlicher Zeitdruck ist nicht auszuschließen (vgl. Senatsurteil vom 10. August 2012 – L 5 R 269/11 und Senatsurteil vom 15. April 2011 – L 5 R 331/09). Der dem Kläger gesundheitlich nicht mehr zumutbare besondere Zeitdruck ist mit dieser Tätigkeit hingegen regelmäßig nicht verbunden. Anhaltspunkte für eine Einschränkung der Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit sind von den gehörten Sachverständigen ebenfalls nicht mitgeteilt worden. Letztlich hat der Kläger auch keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach dem ab dem 1. Januar 2001 geltenden Recht. Das ab dem 1. Januar 2001 geltende "neue" Recht wäre vorliegend insbesondere dann anzuwenden, wenn zwar nicht über den 31. August 2006 hinaus, d. h. im nahtlosen Anschluss an die noch nach altem Recht gewährte Erwerbsunfähigkeitsrente, ein zeitlich in rentenmaßgeblichem Umfang eingeschränktes Leistungsvermögen bestanden hätte, sondern zeitlich später im Verlauf des nachfolgenden Klage- und Berufungsverfahren die Erwerbsfähigkeit des Klägers durch eine erneute Verschlechterung seines Gesundheitszustands in rentenmaßgeblichem Umfang eingeschränkt worden wäre. In diesem Fall käme die Übergangsregelung des § 302b Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB VI, die eine Fortgeltung des noch bis 31. Dezember 2000 maßgebenden Rechts anordnet, nicht zur Anwendung. Der Eintritt eines neuen Leistungsfalls wäre dann nach dem zu diesem Zeitpunkt maßgebenden "neuen" Recht zu beurteilen. Anhaltspunkte für eine solche zeitlich später eingetretene Erwerbsminderung des Klägers sind jedoch vorliegend nicht ersichtlich.

Ab dem 1. Januar 2001 ergibt sich der Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit aus § 43 SGB VI n. F.

Gemäß § 43 Abs. 1 und 2 SGB VI n. F. haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie
1. teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind,
2. in den letzen fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI n. F. Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI n. F. demgegenüber Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI n. F. auch
1. Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI n. F., die wegen Art und Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können und
2. Versicherte die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.

Erwerbsgemindert ist der Vorschrift des § 43 Abs. 3 SGB VI n. F. zufolge nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Der Kläger ist nach den Feststellungen der im Rentenantragsverfahren sowie im Berufungsverfahren gehörten Sachverständigen Dr. med. UO. (Gutachten vom 28. Juli 2006), Dr. med. HJ. (Gutachten vom 29. Juni 2007) und Dr. med. E. (Gutachten vom 8. September 2012) unter Berücksichtigung der bestehenden Erkrankungen auf internistischem sowie neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet und der sich daraus ergebenden Einschränkungen in leistungsrechtlicher Hinsicht – wie sie bereits dargestellt worden sind – noch in der Lage, körperlich leichte Arbeiten in einem zeitlichen Umfang von 6 Stunden und mehr arbeitstäglich unter Beachtung bestimmter qualitativer

Einschränkungen zu verrichten. Von diesem gutachterlich festgestellten Restleistungsvermögen ausgehend ist der Kläger daher weder voll noch teilweise erwerbsgemindert im Sinne der genannten gesetzlichen Bestimmung.

Der Kläger hat darüber hinaus auch keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI n. F. Einen solchen Anspruch haben bei Erfüllung der im Gesetz genannten weiteren Voraussetzungen nur Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren sind. Der 1969 geborene Kläger gehört damit ganz offenkundig nicht zu dem Personenkreis, welcher aus dieser Vorschrift einen Rechtsanspruch herleiten kann.

Nach alledem hat der Kläger über den 31. August 2006 hinaus weder einen Anspruch auf die (Weiter-)Gewährung der durch Bescheid vom 11. April 1997 bewilligten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit noch einen Anspruch auf (Neu-)Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Der diesen Anspruch ablehnende Bescheid der Beklagten vom 15. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Januar 2007 ist daher zu Recht ergangen. Dementsprechend war das diese Bescheide kassierende erstinstanzliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
Saved