L 8 KR 320/11

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 12 KR 294/09
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 320/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 4/13 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Für die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs "hauptberuflich" ist bei Rentenbeziehern eine am Gesetzeszweck des § 5 Abs. 5 SGB V orientierte Abwägung der selbständigen Erwerbstätigkeit gegenüber dem die Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V auslösenden Rentenbezug vorzunehmen.

2. Für die Beurteilung der wirtschaftlichen Bedeutung der selbständigen Erwerbstätigkeit eines Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH kommt es wesentlich auf den Umfang der wirtschaftlichen Betätigung der GmbH an, die Erzielung von Gewinn und persönlichem Einkommen sind keine unverzichtbaren (notwendigen) Kriterien für die Qualifizierung einer selbständigen Tätigkeit eines Rentenbeziehers als hauptberufliche Tätigkeit.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 1. Juni 2011 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Frage, ob der Kläger von der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung der Rentner ausgeschlossen ist, weil er hauptberuflich selbstständig erwerbstätig ist.

Der 1941 geborene Kläger ist alleiniger Geschäftsführer und hält 100 % des Stammkapitals der XY. GmbH. Diese betreibt zurzeit an drei Standorten jeweils ein Modegeschäft und beschäftigt versicherungspflichtige und geringfügig beschäftigte Arbeitnehmer. Seit 1966 ist der Kläger bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert, seit April 2000 als hauptberuflich Selbstständiger freiwillig versichert. Seit dem 01.05.2006 bezieht er Regelaltersrente von der Deutschen Rentenversicherung Bund und eine Witwerrente. Mit der Rentenantragstellung wurde die Vorversicherungszeit für die Pflichtversicherung in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) geprüft und als erfüllt angesehen. Die Beklagte führte jedoch in der Folgezeit die freiwillige Versicherung des Klägers als hauptberuflich Selbstständiger fort und berechnete die Beiträge einkommensabhängig. So stellte die Beklagte mit Beitragsbescheid vom 18.03.2009 auf der Grundlage des Steuerbescheids für das Jahr 2006, der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 33.507 Euro, aus Kapitalerträgen und Zinsen von 2.729 Euro und aus Renten von 8.892 Euro ausweist, für den Monat Dezember 2008 einen Krankenversicherungsbeitrag von 500,40 Euro und einen Beitrag zur Pflegeversicherung von 70,20 Euro fest.

Der Kläger beantragte am 16.04.2009 eine Überprüfung der Beiträge und wies darauf hin, dass er neben seinen Renten nur noch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und aus Kapitalvermögen erziele. Dazu legte er einen Gesellschafterbeschluss vom 03.04.2004 vor, nachdem er als Geschäftsführer der XY. GmbH angesichts der Ertragslage auf eine Gehaltszahlung verzichtet habe und stattdessen mit einer monatlichen Tilgung eines Gesellschafterdarlehns in Höhe von 1000 Euro einverstanden sei.

Mit Bescheid vom 13.07.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.10.2009 lehnte die Beklagte eine Aufnahme des Klägers in die KVdR ab, da der Kläger in seiner Firma mindestens einen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftige und daher nach dem Besprechungsergebnis der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 18.04.1990 als hauptberuflich selbstständig erwerbstätig im Sinne des § 5 Abs. 5 SGB V gelte.

Dagegen erhob der Kläger am 30.11.2009 Klage zum Sozialgericht Kassel mit der Begründung, er erziele kein Einkommen von der XY. GmbH und sei für diese auch nur 12 bis 14 Stunden in der Woche tätig. Das Sozialgericht hörte den Kläger zu seiner Tätigkeit für die XY. GmbH in der mündlichen Verhandlung an und wies daraufhin mit Urteil vom 01.06.2011 die Klage ab. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus: Die angefochtenen Bescheide seien nicht zu beanstanden. Der Kläger sei hauptberuflich für die GmbH tätig, da er als deren alleiniger Gesellschafter Arbeitgeberfunktion ausübe, indem er mehrere versicherungspflichtige Arbeitnehmer beschäftige. Dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht (Urteil vom 08.10.2009, L 5 KR 48/08) folgend sei es unbeachtlich, ob der Kläger als Geschäftsführer eine Vergütung erhalte. Es handele sich vorliegend gerade nicht um eine reine Geldbeteiligung am Stammkapital einer GmbH ohne aktives Tun, sondern der Kläger trage als alleiniger Gesellschafter-Geschäftsführer der GmbH im Ergebnis deren wirtschaftliches Risiko, vertrete die GmbH nach innen und außen und übe über seine Beteiligung beherrschenden Einfluss auf die Gesellschaft aus. Für die Kammer sei für den Tatbestand der hauptberuflich selbstständigen Tätigkeit auch kein zeitlicher Umfang der Tätigkeit vorauszusetzen; dies gelte zumindest in Fällen wie dem vorliegenden, in denen neben der selbständigen Tätigkeit keine weitere Erwerbstätigkeit ausgeübt werde.

Gegen das ihm am 01.07.2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 14.07.2011 Berufung zum Hessischen Landessozialgericht eingelegt. Er vertritt die Auffassung, dass er nicht hauptberuflich selbständig erwerbstätig sei. Das vom Sozialgericht angeführte Abgrenzungskriterium der Beschäftigung versicherungspflichtiger Arbeitnehmer sei nicht tauglich; vielmehr müsse auf die wirtschaftliche Bedeutung und den zeitlichen Aufwand der selbstständigen Tätigkeit abgestellt werden. Beides spreche eindeutig gegen eine Hauptberuflichkeit, da er keine Einnahmen mit seiner selbstständigen Tätigkeit erziele und nur 12 bis 14 Stunden in der Woche für die GmbH tätig sei.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 01.06.2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 13.07.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28.10.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die freiwillige Mitgliedschaft des Klägers in der gesetzlichen Krankenversicherung rückwirkend ab Rentenbeginn am 01.05.2006 rückabzuwickeln und seine Versicherung ab Rentenbeginn als Pflichtmitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner zu führen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung nimmt sie im Wesentlichen Bezug auf das erstinstanzliche Urteil.

In der mündlichen Verhandlung am 20.12.2012 hat der Kläger Kopien der Jahresabschlüsse der XY. GmbH für die Jahre 2006 bis 2011 vorgelegt. Der Senat hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung angehört; auf die Sitzungsniederschrift wird verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 151 Abs. 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig.

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht Kassel hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 13.07.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28.10.2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Der Kläger erfüllt zwar die - hier nicht streitigen - Voraussetzungen für die Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V und ist damit dem Grunde nach pflichtversichert in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR). Es liegt jedoch der Ausschlussgrund des § 5 Abs. 5 SGB V vor. Nach dieser Vorschrift ist eine Person nicht versicherungspflichtig nach § 5 Abs.1 Nr. 1 oder 5 bis 12 SGB V, wenn sie hauptberuflich selbständig erwerbstätig ist. Dies trifft auf den Kläger zu.

Der Kläger ist selbständig erwerbstätig.

Als Allein-Gesellschafter und Allein-Geschäftsführer der XY. GmbH ist der Kläger als selbständig Erwerbstätiger nach den allgemeinen Kriterien des § 7 Abs. 1 SGB IV anzusehen. Als alleiniger Gesellschafter der GmbH trägt er ein eigenes Unternehmerrisiko. Der Kläger nimmt auch nicht nur die mit seiner gesellschaftsrechtlichen Stellung verbundenen Pflichten wahr, sondern ist als Geschäftsführer aktiv für die Gesellschaft tätig (vgl. dazu BSG, Urteil vom 29.02.2012, B 12 KR 4/10 R). Er hat dabei die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und kann seine Tätigkeit und Arbeitszeit frei gestalten. Seine selbständige Tätigkeit ist auf Gewinnerzielung ausgerichtet. Dabei ist es unerheblich, ob seine XY. GmbH tatsächlich Verluste erwirtschaftet oder nicht (vgl. BSG Urteil vom 26.09.1996, B 2 RK 46/95 R).

Der Kläger übt die selbständige Erwerbstätigkeit auch hauptberuflich aus. Die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs "hauptberuflich" hat nach Maßgabe von Sinn und Zwecks des § 5 Abs. 5 SGB V zu erfolgen, der in der Missbrauchsabwehr besteht (vgl. BSG Urteil vom 27.06.2012, B 12 KR 18/10 R m.w.N. auf die ständige Rechtsprechung des BSG). Aus den Gesetzesmaterialien (Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP, Entwurf eines Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen, BT-Drucks. 11/2237 S. 159 zu § 5 Abs. 3 bis 9) ergibt sich, dass durch § 5 Abs. 5 SGB V vermieden werden soll, dass ein nicht versicherungspflichtiger Selbstständiger durch Aufnahme einer niedrig vergüteten, aber versicherungspflichtigen "Nebenbeschäftigung" den umfassenden Schutz der gesetzlichen Krankenversicherung erhält, obwohl er weder zu dem des Solidarschutzes bedürftigen Personenkreis gehört, noch nach seinem Arbeitseinkommen bzw. seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu den Lasten der Solidargemeinschaft beiträgt. Andererseits verfolgt die Regelung das Ziel zu verhindern, dass Haupterwerbslandwirte, die in der Krankenversicherung der Landwirte versicherungspflichtig sind, wegen einer abhängigen Nebenbeschäftigung in die allgemeine Krankenversicherung, also in ein anderes Sicherungssystem, abwandern. Der unbestimmte Rechtsbegriff "hauptberuflich" ist somit relativ zu bestimmen, d. h. es hat eine an dem Gesetzeszweck der Missbrauchsabwehr orientierte Abgrenzung der selbständigen Tätigkeit zu dem die Versicherungspflicht auslösenden Tatbestand zu erfolgen (so auch Felix in: jurisPK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 5 Rn. 112). Das Bundessozialgericht hat dementsprechend festgestellt, dass eine selbständige Tätigkeit dann hauptberuflich ist, wenn sie von der wirtschaftlichen Bedeutung und dem zeitlichen Aufwand her die übrigen Erwerbstätigkeiten zusammen deutlich übersteigt (BSG Urteil vom 29.04.1997, B 10/4 RK 3/96 R) und den Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit bildet (BSG Urteil vom 16.11.1995, B 4 RK 1/94 R).

Anders als in den vom Bundessozialgericht (a.a.O.) entschiedenen Fällen besteht im vorliegenden Fall neben der selbständigen Tätigkeit keine weitere Beschäftigung, zu der eine Abgrenzung nach den genannten Kriterien vorzunehmen wäre. Die selbständige Erwerbstätigkeit des Klägers ist vielmehr die einzige Berufstätigkeit des Klägers, der daneben eine Altersrente bezieht. Rein sprachlich betrachtet scheidet damit die Abgrenzung einer Hauptberuflichkeit von einer untergeordneten Beruflichkeit ("Nebenberuflichkeit") aus, da der Begriff "Beruf" synonym zu "Erwerbstätigkeit" gebraucht wird. Gleichwohl ist auch in einem solchen Fall eine gewichtete Abgrenzung vorzunehmen, da ansonsten der in § 5 Abs. 5 SGB V geregelte Ausschluss von der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung der Rentner nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V in seiner Bedeutung verkannt würde. Durch das Tatbestandmerkmal "hauptberuflich" kommt zum Ausdruck, dass nicht jede selbständige Tätigkeit eine Versicherungspflicht ausschließen soll, sondern die selbstständige Tätigkeit im Vergleich zu dem die Versicherungspflicht auslösenden Merkmal des Personenkreises der § 5 Abs. 1 Nr. 1 oder 5 bis 12 SGB V zu bewerten ist, um dem Gesetzeszweck der Missbrauchsabwehr gerecht zu werden. Anhand der Kriterien der wirtschaftlichen Bedeutung, des zeitlichen Umfangs und der Qualität der Tätigkeit gilt es dabei abzuwägen, ob die selbständige Tätigkeit als "hauptberuflich" gegenüber dem die Versicherungspflicht auslösenden Rentenbezug zu bewerten ist. Als Vergleichskriterium kann dem zeitlichen Aufwand in einem solchen Fall – anders als bei der Abgrenzung zu einer weiteren Beschäftigung – keine maßgebliche Rolle zukommen, da der Vergleich naturgemäß zu einem Überwiegen des zeitlichen Umfangs der selbständigen Tätigkeit führt, da für einen Rentenbezug keine (Arbeits-)Zeit aufgewendet werden muss (vgl. Gerlach in Hauck/Noftz SGB V, § 5 Rn. 361 zur ähnlich gelagerten Problematik bei der Abgrenzung im Rahmen der Krankenversicherung der Studenten). Gleichwohl wird man bei der Abwägung auch den zeitlichen Aufwand der selbständigen Tätigkeit berücksichtigen können. In der Zusammenschau mit der Qualität der Tätigkeit (vgl. dazu BSG, Urteil vom 29.02.2012, B 12 KR 4/10 R für die Auslegung des Merkmals "hauptberuflich" im Rahmen des § 10 Abs. 1 SGB V) können daraus Rückschlüsse für die Bewertung als "hauptberuflich" gezogen werden. Ohnehin wird man in Anbetracht der vorzunehmenden Gesamtschau und der gebotenen Beachtung der Besonderheiten des Einzelfalls keine feste Zeitgrenze fixieren können, ab der von einer "Hauptberuflichkeit" auszugehen ist. Das Bundessozialgericht musste die Frage nach einer Mindestzeitgrenze bisher nicht entscheiden (vgl. BSG, Urteil vom 29.02.2012, B 12 KR 4/10 R); es hat im Rahmen des § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V dazu ausgeführt, dass eine hauptberufliche Erwerbstätigkeit in der Regel jedenfalls dann gegeben sei, wenn die selbständige Tätigkeit mehr als halbtags ausgeübt wird (BSG, Urteil vom 10.03.1994, B 12 RK 3/94 R). Für die gewichtete Abgrenzung ist eine vorausschauende Betrachtungsweise anzulegen, da Entscheidungen über die Versicherungspflicht sowohl gegenwarts- als auch zukunftsbezogen im Hinblick auf ihre Dauerwirkung sind (vgl. Kruse in LPK-SGB V, 4. Aufl. 2012, § 5 Rn. 83; Felix in: jurisPK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 5 Rn. 112).

Unter Anwendung dieser Grundsätze überwiegen nach dem Gesamtbild des vorliegenden Falls für den Senat die für eine Hauptberuflichkeit sprechenden Kriterien bei Weitem. Der durchgehend selbständig erwerbstätige und freiwillig krankenversicherte Kläger ist daher nicht mit Beginn des Rentenbezugs in die Pflichtversicherung der KVdR aufzunehmen. Bei der Abwägung spricht zunächst die wirtschaftliche Bedeutung der selbständigen Tätigkeit für eine Hauptberuflichkeit. Dabei stellt der Senat auf den Umfang der wirtschaftlichen Betätigung der XY. GmbH ab, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Kläger ist. Dieser Umfang der wirtschaftlichen Betätigung überwiegt deutlich den Rentenbezug mit einem Auszahlungsbetrag von deutlich unter 1.000 Euro im Monat. Als alleiniger Gesellschafter führt der Kläger die Geschäfte einer GmbH, die ausweislich der vorgelegten Jahresabschlüsse Umsätze von regelmäßig mehreren hunderttausend Euro pro Jahr erwirtschaftet (Jahr 2006: 696.073,69 EUR; 2007: 811.037,75 EUR; 2008: 639.297,97 EUR; 2009: 616.508,86 EUR: 2010: 431.856,49 EUR; 2011: 375.672,05 EUR). In seinem Unternehmen beschäftigt der Kläger mehrere Arbeitnehmer in unterschiedlichen Geschäften an verschiedenen Standorten. Nach seinen glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung werden derzeit eine Vollzeitkraft, zweit Teilzeitkräfte, eine geringfügig Beschäftigte in der Gleitzone und vier geringfügig Beschäftigte auf der Basis von 400 Euro beschäftigt. Der Senat wertet die Tatsache, dass der Kläger bzw. seine GmbH mehrere versicherungspflichtige Arbeitnehmer beschäftigt, als weiteres Indiz neben den hohen Umsatzzahlen für die Hauptberuflichkeit seiner selbständigen Erwerbstätigkeit.

Entgegen der Auffassung der Beklagten und des Sozialgerichts führt eine Arbeitgeberstellung jedoch nicht generell zu einem Ausschluss vom Kreis der Versicherten. Für diese Rechtsauffassung findet sich keine Stütze im Wortlaut des § 5 Abs. 5 SGB V. Das Bundessozialgericht hat daher auch mit Urteil vom 29.02.2012 (B 12 KR 4/10 R) das Urteil des Landessozialgerichts Schleswig-Holstein vom 08.10.2009 (L 5 KR 48/08), auf das sich das Sozialgericht zur Begründung dieser Rechtsauffassung gestützt hat, mit für den Senat nachvollziehbaren Gründen aufgehoben. Es bleibt danach die Möglichkeit offen, dass Personen in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sind, obwohl sie in einer daneben nicht hauptberuflich ausgeübten selbstständigen Erwerbstätigkeit einen Arbeitnehmer beschäftigen. Gleichwohl hat das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung (a.a.O.) festgehalten, dass die Beschäftigung eines Arbeitnehmers ein Indiz für den Umfang einer selbständigen Tätigkeit sein kann.

Dem Einwand des Klägers, er erziele kein Einkommen aus seiner selbständigen Tätigkeit und daher könne diese nicht als hauptberuflich angesehen werden, kann der Senat nicht folgen. Mit dieser Rechtsansicht verkennt der Kläger den Gesetzeszweck des § 5 Abs. 5 SGB V, der in der Missbrauchsabwehr besteht. Zum einen kann es keinen maßgeblichen Einfluss auf die Beurteilung der wirtschaftlichen Bedeutung seiner selbständigen Tätigkeit haben, dass der Kläger als Geschäftsführer kein Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 SGB IV erhalten hat. Denn als Allein-Gesellschafter der GmbH entscheidet der Kläger selbst darüber, ob und in welcher Höhe er sich für seine Tätigkeit als Geschäftsführer Arbeitsentgelt ausbezahlt oder nicht. Der im Tatbestand erwähnte Gesellschafterbeschluss vom 03.04.2004 hätte ansonsten zur Folge, dass der selbst gewählte Verzicht des Klägers auf ein Entgelt für seine Geschäftsführertätigkeit als Indiz für die wirtschaftliche Bedeutungslosigkeit seiner selbständigen Erwerbstätigkeit gelten könnte, da sein Renteneinkommen die (nicht vorhandenen) Geschäftsführerbezüge übersteigt. Zum anderen kann auch das Arbeitseinkommen im Sinne des § 15 SGB IV hier keine maßgebliche Bedeutung für die vorzunehmende wertende Abgrenzung im Rahmen des § 5 Abs. 5 SGB V haben. Anders als bei der Bemessung der beitragspflichtigen Einnahmen freiwilliger Krankenkassenmitglieder nach § 240 SGB V, bei der für die wirtschaftliche Bedeutung der selbständigen Tätigkeit als geeignete Bemessungsgrundlage auf den Gewinn und damit das Arbeitseinkommen abgestellt wird (vgl. BSG Urteil vom 26.09.1996, B 12 KR 46/95 R), muss für die Bewertung der wirtschaftlichen Bedeutung der selbständigen Tätigkeit im Rahmen des § 5 Abs. 5 SGB V eine weitere Perspektive gewählt werden, um dem Sinn und Zweck dieser Reglung gerecht zu werden. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB IV ist Arbeitseinkommen der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit. Aus den Jahresabschlüssen der GmbH geht hervor, dass diese in den Jahren 2006 und 2007 einen Jahresfehlbetrag in Höhe von 30.239,06 bzw. 917,99 Euro, im Jahr 2008 einen Jahresüberschuss in Höhe von 64.980,59 Euro und in den Jahren 2009 bis 2011 erneut Jahresfehlbeträge in Höhe von 27.000,87 Euro bzw. 38.526,94 Euro bzw. 47.848,31 Euro erwirtschaftet hat. Der Kläger als Alleingesellschafter hat sich im hier streitgegenständlichen Zeitraum keine Gewinne auszahlen lassen. Daraus kann jedoch kein Rückschluss auf die untergeordnete wirtschaftliche Bedeutung der selbständigen Tätigkeit im Vergleich mit dem Rentenbezug gezogen werden. Schon aus allgemeinen Erwägungen erscheint dies problematisch, denn bei schwankendem Arbeitseinkommen würde die Entscheidung, ob eine selbständige Erwerbstätigkeit hauptberuflich ausgeübt wird, von Jahr zu Jahr unterschiedlich ausfallen können mit der Folge eines wechselnden Versicherungsstatus. Jedenfalls für den vorliegenden Fall würde das maßgebliche Abstellen auf das Arbeitseinkommen die Tatsache ausblenden, dass der Kläger als Alleingesellschafter-Geschäftsführer durch gezielte unternehmerische Entscheidungen – etwa die Investitionen für einen neuen Modeladen in QW-Stadt im Jahr 2009 – maßgeblich selbst steuern kann bzw. gesteuert hat, ob und in welcher Höhe die GmbH Gewinne erzielt oder nicht. Seine Entscheidung, eine Auszahlung des Jahresüberschusses der GmbH im Jahr 2008 in Höhe von 64.980,59 Euro, der maßgeblich auf der Auflösung einer Altersrückstellung für ihn als Geschäftsführer in Höhe von 158.609,90 Euro beruht, nicht an sich auszuzahlen, stellt sich ebenfalls als Beleg für diese unternehmerische Gestaltungsfreiheit dar. Zudem nutzt der Kläger nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung am 20.12.2012 bewusst den durch die Fehlbeträge der GmbH entstanden Verlustvortrag, um damit insgesamt steuerrechtlich optimiert zu wirtschaften. Damit wird deutlich, dass es nicht einzig auf den Gewinn ankommen kann, wenn auch der Verlust eine maßgebliche wirtschaftliche Bedeutung für das selbständige unternehmerische Handeln haben kann. Im Übrigen hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll gegeben, dass er ab dem Jahr 2012 wieder mit einem Gewinn seiner GmbH rechnet. Bei einer vorausschauenden Sichtweise (siehe oben) spricht dies für die Hauptberuflichkeit seiner selbständigen Erwerbstätigkeit.

Der zeitliche Aufwand des Klägers für die selbständige Tätigkeit lässt für den Senat ebenfalls den Schluss auf die "Hauptberuflichkeit" im Sinne des § 5 Abs. 5 SGB V zu. Selbst bei Zugrundelegung der eigenen Einschätzung des Klägers von 12 bis 14 Arbeitsstunden in der Woche kann nicht von einer gänzlich untergeordneten Bedeutung des zeitlichen Aufwandes gesprochen werden, der gegen eine "Hauptberuflichkeit" sprechen würde. Diese Selbsteinschätzung des Klägers beinhaltet die Zeitersparnis, die nach seinen Angaben dadurch eingetreten sei, dass die Warenversorgung der Geschäfte seit 2010 durch einen Lieferanten erfolge. Daneben bleibt jedenfalls noch ein erheblicher, mit der Leitungsfunktion (Direktionsgewalt) über die abhängigen Beschäftigten notwendig verbundener Zeitaufwand bestehen. Neben den laufenden Geschäften entstand bzw. entsteht dem Kläger als Alleingeschäftsführer zusätzlicher zeitlicher Aufwand für die Umsetzung weiterer unternehmerischer Entscheidung. So entnimmt der Senat den Angaben des Klägers und den vorgelegten Jahresabschlüssen der Gesellschaft, dass diese im Jahr 2009 das Geschäft auf WE Stadt geschlossen und ein neues Geschäft in QW-Stadt eröffnet sowie im Jahr 2010 den Standort des Ladens innerhalb von A-Stadt gewechselt hat. Der zeitliche Umfang allein für die damit einhergehenden Aufgaben wie die Anmietung entsprechender Geschäftsräume, die Einrichtung derselben und das Einstellen neuen Personals, wird den Kläger nach der allgemeinen Lebenserfahrung über einen längeren Zeitraum mehrere Tage in der Woche in Anspruch genommen haben.

Betrachtet man dazu die Qualität der selbständigen Erwerbstätigkeit des Klägers, spricht dies ebenfalls für deren Hauptberuflichkeit. Als Alleingeschäftsführer ist der Kläger für die kaufmännische und organisatorische Führung des Unternehmens verantwortlich. In Anbetracht des bereits angeführten Geschäftsvolumens von jährlich mehreren hunderttausend Euro, der Zahl der Beschäftigten (nach den Jahresabschlüssen der XY. GmbH im Jahr 2006: 15 Personen; 2007: 18; 2008: 16; 2009: 21; 2010: 16, 2011: 14) und der Tatsache, dass Geschäfte in drei verschiedenen Städten betrieben werden, lässt dies den Rückschluss zu, dass der Kläger seine selbständige Tätigkeit nicht quasi "nebenbei" erledigten kann. Dies gilt umso mehr, wenn man die Veränderungen der Standorte und der Ladenlokale im hier streitgegenständlichen Zeitraum betrachtet. Die damit einhergehenden Leitungsaufgaben für die XY. GmbH erfordern erhebliche kaufmännische Fachkenntnisse und Erfahrung sowie die Fähigkeit zu unternehmerischem Handeln, über das der Kläger offensichtlich durch seine langjährige Geschäftsführertätigkeit für die GmbH verfügt. Dass er dabei in den letzten Jahren auf eine Vergütung für seine Geschäftsführertätigkeit verzichtet und Gewinne in seinem Betrieb belassen hat, anstatt sie an sich auszuzahlen, ist kein Ausweis sozialer Schutzbedürftigkeit, sondern eine bewusste unternehmerische Entscheidung im Rahmen seiner selbständigen Erwerbstätigkeit. Es entspricht daher dem Sinn und Zweck des § 5 Abs. 5 SGB V, den Kläger als nicht versicherungspflichtigen Selbstständigen weiterhin von dem umfassenden Schutz der gesetzlichen Krankenversicherung als Pflichtmitglied auszuschließen, da er als selbständig Erwerbstätiger weder zu dem des Solidarschutzes bedürftigen Personenkreis gehört, noch nach seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu den Lasten der Solidargemeinschaft beiträgt. Die Situation des weiterhin hauptberuflich selbständig erwerbstätigen Klägers unterscheidet sich wesentlich von der eines Rentners, der nach Abschuss seines Berufslebens auf den Schutz der Solidargemeinschaft angewiesen ist und daher als Pflichtversicherter nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 in die KVdR aufgenommen wird. Die vorliegende Situation des einsetzenden Rentenbezuges bei dem Kläger ist vielmehr vergleichbar mit der Aufnahme einer niedrig vergüteten, versicherungspflichtigen "Nebenbeschäftigung", um als nicht versicherungspflichtiger Selbstständiger den umfassenden Schutz der gesetzlichen Krankenversicherung zu erhalten – und das auf der wesentlich günstigeren Beitragsbemessungsgrundlage des § 237 SGB V im Vergleich zu der nach § 240 SGB V für die freiwillige Krankenversicherung.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die erheblichen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (im Jahr 2006 laut Steuerbescheid 33.507,- Euro) ebenfalls zu einem Ausschluss von der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 5 SGB V führen. Der Kläger erwirtschaftete diese Einkünfte durch Vermieten von Gewerbefläche und Ferienwohnungen. Legt man die Angaben im Steuerbescheid zugrunde, stellen diese Einkünfte zwar die Hauptquelle des Lebensunterhalts des Klägers dar, sind jedoch nicht durch die hauptberuflich selbständige Erwerbstätigkeit des Klägers für die XY. GmbH erzielt worden. Die GmbH ist nicht Eigentümerin der Immobilien. Auch steuerrechtlich werden dieses Einkünfte nicht solchen aus Gewerbebetrieb zugeordnet. Das Bundessozialgericht hat in diesem Zusammenhang entschieden, dass das Vermieten eigener Wohnungen keine selbstständige Erwerbstätigkeit darstellt, wenn die steuerrechtliche Zuordnung der Einkünfte nicht zu einem Gewerbebetrieb erfolgt (vgl. BSG, Urteil vom 30.03.2006, B 10 KR 2/04 R; BSG Urteil vom 04.06.2009, B 12 KR 3/08 R).

Abschließend bleibt festzuhalten, dass der Kläger im Sinne des § 5 Abs. 5 SGB V hauptberuflich selbständig erwerbstätig und damit eine Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V ausgeschlossen ist. Es entspricht dem Gesetzeszweck des § 5 Abs. 5 SGB V, nicht wegen des beginnenden Rentenbezuges eine Versicherungspflicht des Klägers in der KVdR anzunehmen, weil der Kläger weiterhin als Gesellschafter-Geschäftsführer der XY. GmbH hauptberuflich selbständig erwerbstätig ist. Die Beklagte führt die Krankenversicherung des Klägers daher zu Recht weiter als freiwillige Versicherung und hat die Beiträge zu Recht nach der gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Klägers im Sinne des § 240 SGB V berechnet. Fehler bei der Beitragsberechnung sind weder vom Kläger geltend gemacht noch für den Senat ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG vorliegen. Die Rechtsfrage der Auslegung des Merkmals "hauptberuflich" im Rahmen des § 5 Abs. 5 SGB V in Fällen der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V hat grundsätzliche Bedeutung und verlangt in Anbetracht der unbestimmten Anzahl vergleichbarer Fälle nach einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts.
Rechtskraft
Aus
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