L 5 KR 492/12 B ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 4 KR 404/12 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 492/12 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Der Anspruch auf Krankengeld geht einem Anspruch auf Arbeitslosengeld II vor.
Eine Versagung des Krankengeldes im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes kann nicht damit begründet werden, dass wegen des Bezuges von Leistungen nach dem SGB II dem Antragsteller kein wesentlicher Nachteil drohe.
I. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Landshut vom 17. Dezember 2012 aufgehoben und die Antragsgegnerin einstweilig verpflichtet, dem Antragsteller ab dem 1. Dezember 2012 bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache Krankengeld in gesetzlicher Höhe zu zahlen, solange die Leistungsvoraussetzungen im Übrigen vorliegen.

II. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller seine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe:

Dem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes liegt ein Streit zwischen den Beteiligten zugrunde über einen Anspruch des Antragstellers auf Fortzahlung von Krankengeld.

I.

Seit dem 12.10.2012 ist der Antragsteller wegen Einschlaf- und Durchschlafstörungen sowie einer nicht näher bezeichneten depressiven Episode arbeitsunfähig krank vor dem Hintergrund der psychosozialen Situation am vormaligen Arbeitsplatz (Mobbing). Die Arbeitsunfähigkeit wurde nachgewiesen durch Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung von Dr. H. für den Zeitraum vom 12.10.2012 bis 03.12.2012 sowie durch den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie J. M. für den Zeitraum vom 03.12.2012 bis 20.12.2012 mittels Auszahlungsschein. Auch im Anschluss daran wurde fortlaufend Arbeitsunfähigkeit bescheinigt.

Das Arbeitsverhältnis des Klägers, der bis dahin tätig war als Kraftfahrer bei der Firma G. Transport & Logistikservice, wurde mit Arbeitgeberkündigung vom 20.10.2012 beendet zum 30.11.2012.

Mit Bescheid vom 26.11.2012 stellte die Antragsgegnerin das Krankengeld zum 30.11.2012 ein. Die Antragsgegnerin begründete dies damit, dass der Antragsteller mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr der Mobbingsituation ausgesetzt sei und er die letzte oder eine ähnliche Tätigkeit durchaus wieder ausüben könne. Im Übrigen sei er ab 1.12.2012 arbeitslos und könne nach dem Recht der Arbeitslosenversicherung auf alle seiner Arbeitsfähigkeit entsprechenden Beschäftigungen verwiesen werden, die ihm von Gesetzes wegen zumutbar sind. Der Beurteilungsmaßstab für die Arbeitsunfähigkeit des Antragstellers ändere sich durch das Beschäftigungsende entscheidend. Es ändere sich sozusagen die Geschäftsgrundlage für den bisherigen Beurteilungsmaßstab. Dies liege daran, dass während eines bestehenden Arbeitsverhältnisses die zuletzt konkret verrichtete Tätigkeit den Maßstab für die Arbeitsunfähigkeit darstelle. Bei einem beendeten Beschäftigungsverhältnis mangele es an einem solchen konkreten Bezugspunkt. Arbeitsplatzprobleme, die gegebenenfalls Auslöser für eine Krankschreibung waren und bei einem neuen Arbeitgeber nicht anzutreffen seien, stünden einer Arbeitsaufnahme nicht entgegen. Eine weitere Krankschreibung über den 30.11.2012 hinaus bedürfe einer außerordentlichen schriftlichen medizinischen Begründung durch den behandelnden Facharzt, welcher anhand von aktuellen Befundberichten für den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung nachvollziehbar mache, warum eine weitere Krankmeldung ausgestellt wird.

Dem widersprach der Antragsteller mit Schreiben vom 27.11.2012. Auf Anfrage der Antragsgegnerin führte der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie J. M. mit Bescheinigung vom 04.12.2012 aus, dass der Antragsteller nach wie vor arbeitsunfähig sei wegen eines mittelgradig depressiven Bildes mit deutlichen Ängsten. Gegenwärtig traue sich der Patient nicht zu, einen PKW zu fahren. Mit Auszahlschein vom 03.12.2012 bescheinigte der Facharzt M. erneut Arbeitsunfähigkeit bis zum 20.12.2012 aufgrund der Diagnose F 32.1.
Die Antragsgegnerin holte eine Stellungnahme ein des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (Datum 12.12.2012) ein, in der ausgeführt wurde, dass aufgrund fehlender nicht nachvollziehbarer medizinischer Unterlagen eine weitere Arbeitsunfähigkeit ab dem 01.12.2012 nicht dokumentiert sei. Die Behandlung könne auch arbeitsuchend und begleitend fortgeführt werden, z.B. bei Dr. M ... Die Ehefrau des Antragstellers wies die Antragsgegnerin darauf hin, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts Arbeitsunfähigkeit dann vorliege, wenn der Arbeitnehmer durch Krankheit gehindert ist, seine arbeitsvertraglich geschuldete, zuletzt ausgeübte Tätigkeit zu verrichten. Zudem machte der Antragsteller geltend, dass keine fundierte Gegenbegutachtung vorliege. Laut Arbeitsvertrag habe er in seiner zuletzt ausgeübten Tätigkeit eine Nettolohnvereinbarung geschlossen hatte, die der Berechnung des Krankengeldes zugrunde zu legen sei. Im Bescheid vom 20.11.2012 berechnete die Antragsgegnerin das Krankengeld auf der Grundlage eines monatlichen Nettoeinkommens von 1.280,72 EUR.

Mit am 27.11.2012 beim Sozialgericht eingegangenen Antrag auf Bewilligung von Krankengeld im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes hat der Antragsteller insbesondere geltend gemacht, dass sowohl seine Ehefrau als auch seine Tochter chronisch krank seien und regelmäßig beim Arzt in Behandlung seien. Die Familienangehörigen seien über den Antragsteller familienversichert, der Antragsteller selbst solle in eine Klinik eingewiesen werden. Es bestehe kein gesetzlicher Anspruch auf Arbeitslosengeld wegen der weiteren Arbeitsunfähigkeit. Somit erhalte der Antragsteller derzeit weder Krankengeld noch Arbeitslosengeld.

Das Sozialgericht hat den Antrag auf einstweilige Anordnung mit Beschluss vom 17.12.2012 abgelehnt. Das Sozialgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen darauf gestützt, dass das Bestehen eines Anordnungsanspruches nicht glaubhaft gemacht worden sei. Die behandelnden Ärzte hätten zwar Arbeitsunfähigkeit festgestellt, allerdings seien die weiteren vorliegenden Unterlagen über den gesundheitlichen Zustand des Antragstellers heranzuziehen. Mit der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses seien die Arbeitsplatzprobleme als Begründung für die Erkrankung des Antragstellers weggefallen.

Hiergegen hat der Antragsteller Beschwerde eingelegt. Der Antragsteller hat insbesondere ausgeführt, dass es sich beim Mobbing um keine Diagnose handele, sondern ärztlich eine mittelgradige Depression festgestellt worden sei. Diese müsse auch klinisch behandelt werden. Es sei auch nicht davon auszugehen, dass mit einer neuen Arbeit die Depression von alleine heilen würde. Weiter hat der Antragsteller vorgelegt den Beschluss des Amtsgerichts P. Insolvenzgericht vom 31.10.2011 über das Verbraucherinsolvenzverfahren über das Vermögen des Antragstellers. Weiter hat er vorgelegt eine Urkunde über die Anerkennung der Vaterschaft vom 25.01.2003 und die Bewilligung des Jobcenters P. vom 28.12.2012 von Arbeitslosengeld II ab dem 01.01.2013 bis 30.06.2013 für den Antragsteller sowie seine Ehefrau und die gemeinsame Tochter. Vorgelegt hat er auch die Verordnung von Krankenhausbehandlung des Facharztes M. vom 07.01.2013 aufgrund einer mittelgradigen depressiven Episode (F 32.1 G) in der Klinik für Psychosomatik W ... Vorgelegt wurden außerdem Rezepte des Facharztes M. vom 07.01.2013 für das Medikament Mirtazapin und vom 20.12.2012 für Citalopram. Zu den verordneten Medikamenten hat der Antragsteller Ablichtungen der Medikamentbeschreibung vorgelegt, wonach Citalopram und Mirtazapin ein vermindertes Reaktionsvermögen verursachen.

Vorgelegt wurde darüber hinaus eine Bescheinigung für die Krankengeldzahlung des Facharztes M. vom 20.12.2012 mit der Diagnose F 32.1, mit der weitere Arbeitsunfähigkeit bescheinigt wurde mit nicht absehbarem Ende. Der nächste Praxisbesuch war vorgesehen für den 31.01.2013. Eine weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung von Herrn Dr. H. vom 21.1.2013 nennt bei gleicher Diagnose als möglicherweise letzten Tag der Arbeitsunfähigkeit den 17.2.2013.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Landshut vom 17.12.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Antragsteller ab 01.12.2012 bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache Krankengeld in gesetzlicher Höhe zu zahlen, solange die Leistungsvoraussetzungen vorliegen.

Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.

Ergänzend wird verwiesen auf die Akten beider Rechtszüge sowie auf die Akte der Antragsgegnerin.

II.

Die zulässig erhobene Beschwerde des Antragstellers hat Erfolg. Zu Unrecht hat das Sozialgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, das sich eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung - § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG). Eine solche Regelungsanordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung, ZPO).

1. Der Antragsteller hat das Bestehen eines Anordnungsanspruchs als Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung glaubhaft gemacht. Nach den dem Senat vorliegenden medizinischen Unterlagen hat der Antragsteller einen Anspruch gegen die Antragsgegnerin auf Fortzahlung von Krankengeld.

Ein Anspruch auf Leistung von Krankengeld setzt nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch (SGB) V voraus, dass eine Krankheit den Versicherten arbeitsunfähig macht. Der Krankengeldanspruch entsteht von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt (§ 56 Satz 1 Nr. 2 SGB V). Zunächst hatte der Hausarzt Dr. H. dem Antragsteller Arbeitsunfähigkeit bescheinigt ab 12.10.2012. Am 03.12.2012 stellte sich der Antragsteller bei dem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie M. in P. vor, der ihm Arbeitsunfähigkeit bescheinigte bis auf Weiteres. Der nächste Praxisbesuch war festgesetzt für den 20.12.2012. Als Diagnose wurde angegeben F 32.1. Dem Senat liegt auch eine Verordnung von Krankenhausbehandlung vor vom 07.01.2013 für eine Behandlung in der Klinik W. für Psychosomatik. Auch hier wurde als Diagnose eine mittelgradige depressive Episode (F 32.1 G) angegeben. Sowohl von Herrn M. als auch von dem Internisten Dr. H. wurde weiterhin Arbeitsunfähigkeit bescheinigt.

Die Äußerungen des MDK, zuletzt in der viereinhalbzeiligen handschriftlichen Beurteilung vom 12.12.2012, dass die weitere Arbeitsunfähigkeit des Antragstellers nicht nachvollziehbar sei, widerlegen die von dem behandelnden Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nicht. Ohne weitere Nachfrage beim behandelnden Facharzt und offenbar unter Verstoß gegen die Mitteilungspflicht gem. § 277 Abs. 1 SGB V hat der MDK unterstellt, dass mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch die Arbeitsunfähigkeit beendet sei. Dabei wird verkannt, dass Mobbing ein Auslöser für die Erkrankung war, mit Wegfall des Auslösers jedoch nicht automatisch eine Heilung der Erkrankung eingetreten ist.

Im Gegenteil: Nach den unzweifelhaften medizinischen Unterlagen leidet der Antragsteller nach wie vor an einer mittelschweren depressiven Episode, die eine Einweisung in eine stationäre Behandlung erfordert. Es ist nicht erkennbar, welche Anhaltspunkte auf Seiten der Antragsgegnerin dazu geführt haben könnten, dass beim Antragsteller eine Besserung der Erkrankung eingetreten sei. Nicht ersichtlich ist außerdem, ob die in diesem konkreten Fall für den MDK tätigen Gutachter auf dem Gebiet der Psychiatrie und Psychotherapie sind die fachlich zutreffenden Maßstäbe herangezogen haben.

Die gesetzlichen Voraussetzungen des Krankengeldanspruchs (Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit, (vgl. § 44 Abs 1 Satz 1 SGB V) haben entgegen der Ansicht des Antragsgegnerin auch in der Zeit nach dem 30.11.2012 weiterhin vorgelegen; insbesondere ist die Arbeitsunfähigkeit des Antragstellers durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht beseitigt. Arbeitsunfähigkeit ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gegeben, wenn der Versicherte seine zuletzt vor Eintritt des Versicherungsfalls konkret ausgeübte Arbeit wegen Krankheit nicht (weiter) verrichten kann. Dass er möglicherweise eine andere Tätigkeit trotz der gesundheitlichen Beeinträchtigung noch ausüben könnte, ist unerheblich. Gibt er nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit die zuletzt innegehabte Arbeitsstelle auf, ändert sich allerdings der rechtliche Maßstab insofern, als für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit nicht mehr die konkreten Verhältnisse an diesem Arbeitsplatz maßgebend sind, sondern nunmehr abstrakt auf die Art der zuletzt ausgeübten Beschäftigung abzustellen ist. Der Versicherte darf dann auf gleich oder ähnlich geartete Tätigkeiten "verwiesen" werden, wobei aber der Kreis möglicher Verweisungstätigkeiten entsprechend der Funktion des Krankengeldes eng zu ziehen ist. Handelt es sich bei der zuletzt ausgeübten Tätigkeit um einen anerkannten Ausbildungsberuf, so scheidet eine Verweisung auf eine außerhalb dieses Berufs liegende Beschäftigung aus. Auch eine Verweisungstätigkeit innerhalb des Ausbildungsberufs muss, was die Art der Verrichtung, die körperlichen und geistigen Anforderungen, die notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten sowie die Höhe der Entlohnung angeht, mit der bisher verrichteten Arbeit im Wesentlichen übereinstimmen, so dass der Versicherte sie ohne größere Umstellung und Einarbeitung ausführen kann. Dieselben Bedingungen gelten bei ungelernten Arbeiten, nur dass hier das Spektrum der zumutbaren Tätigkeiten deshalb größer ist, weil die Verweisung nicht durch die engen Grenzen eines Ausbildungsberufs eingeschränkt ist (BSG, Urteil vom 08.02.2000,B 1 KR 11/99 R, Rz. 13, zitiert nach Juris). Die Ausführungen der Antragsgegnerin zeigen jedoch, dass sie bei der Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit nicht abstrakt auf die Art der zuletzt ausgeübten Beschäftigung abstellt, sondern den Antragsteller auf alle seiner Leistungsfähigkeit entsprechenden Beschäftigungen des Arbeitsmarktes verweisen will. Dies steht nicht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts.
Es ist nicht ersichtlich, inwieweit der Antragsteller aufgrund der vorliegenden Diagnose einer mittelschweren depressiven Episode und der damit einhergehenden Medikamenteneinnahme mit der dokumentierten Nebenwirkung der herabgesetzten Reaktionsfähigkeit imstande sein soll, seinen Beruf als Kraftfahrer auszuüben. Darüber hinaus bestätigt die zuletzt erfolgte Verordnung einer Krankenhausbehandlung in der Klinik für psychosomatische Medizin in W. die Schwere der Erkrankung des Antragstellers. Im vorliegenden Verfahren lassen sich damit keine Zweifel an der durchgehend attestierten Arbeitsunfähigkeit erkennen.

2. Glaubhaft gemacht ist auch das Vorliegen eines Anordnungsgrundes. Für die begehrte Regelungsanordnung ist die Notwendigkeit zur Abwendung wesentlicher Nachteile erforderlich. Im Verfahrung des einstweiligen Rechtsschutzes soll der Antragsteller vor vollendeten Tatsachen bewahrt werden, bevor er wirksamen Rechtsschutz erlangen kann (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage § 86b Rz. 27a).
Inzwischen erhält der mittellose Antragsteller ab dem 01.01.2013 Leistungen nach dem SGB II. Ein Verweis des Antragstellers auf diesen Leistungsbezug und auf ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache wäre in dem hier zu entscheidenden Verfahren nicht sachgerecht. Bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II ist, ebenso wie bei der Sozialhilfe nach dem SGB XII, zu berücksichtigen, dass diese regelmäßig keinen gleichwertigen Ersatz gegenüber den Leistungen der Sozialversicherungen beinhalten. Das verdeutlicht auch der Umstand, dass das Krankengeld regelmäßig höher ist als die Leistungen nach dem SGB II. Im Übrigen regelt § 5 Abs. 1 Satz 1 SGB II, dass auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen Anderer, insbesondere der Träger anderer Sozialleistungen, durch dieses Buch nicht berührt werden. Es handelt sich bei dem Bezug von Sozialhilfe und Grundsicherung um ein ganz anderes System sozialer Absicherung, das nicht nur, wie hier, geringere Leistungen erbringt, sondern auch besondere Pflichten auferlegt (zum Vorrang des Krankengeldanspruchs vgl. Beschluss des Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht vom 16.11.2012, L 5 KR 182/12 B ER, Rz. 12 ff, zitiert nach Juris und Beschluss vom 29. Februar 2012 - L 5 KR 23/12 B ER; LSG Niedersachsen, Beschluss vom 27. Juli 2010 - L 1 KR 281/10 B ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19. September 2006 - L 9 B 343/06 KR ER, Bayerisches LSG, Beschluss vom 11.08.2011, L 5 KR 271/ 11 B ER, Rz. 21, zitiert nach Juris).

Es kann dahingestellt bleiben, ob in dieser Konstellation die Anforderungen für den Anordnungsgrund vermindert sind (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 27.Juli 2010, L 1 KR 281/10 B, Rz. 34 - zitiert nach Juris). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung ist jedoch notwendig zur Abwendung wesentlicher Nachteile des Antragstellers. Die Einkünfte des Antragstellers dienen dem Unterhalt seiner dreiköpfigen Familie.
3. Zur Berechnung des Krankengeldes liegen die Entgeltbescheinigungen des Arbeitgebers und die letzten Lohnabrechnungen vor. Diesen ist zu entnehmen, dass der Antragsteller regelmäßig einen Nettolohn von 2.100,00 EUR erhalten hat. Die Lohnabrechnungen werfen die Frage auf, ob angesichts der offensichtlichen Nettolohnvereinbarung die Nachtzuschläge tatsächlich als sozialversicherungsfrei zu behandeln sind oder ob sie in den Bruttolohn mit einzubeziehen sind. Auffallend ist, dass der Bruttolohn geringer ist als der Nettolohn.

4. Der Krankengeldbezug im einstweiligen Rechtsschutz wird dem Antragsteller ab Rechtshängigkeit des Eilverfahrens ab dem 01.12.2012 zugesprochen. Die Verpflichtung zur weiteren Zahlung von Krankengeld besteht für die Antragsgegnerin nur bei Fortbestehen der weiteren gesetzlichen Voraussetzungen gemäß §§ 44, 46 SGB V, insbesondere Fortbestand der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit, künftig lückenlose ärztliche Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit, nicht Erschöpfen der ab 12.10.2012 zu berechnenden maximalen Bezugsdauer von 78 Wochen gemäß § 48 SGB V sowie Nichteintritt von Ruhens-Ausschluss- und Wegfallstatbeständen gemäß den §§ 49, 50, 51 SGB V. Derzeit ist von einer durchgehend bestehenden und bescheinigten Arbeitsunfähigkeit bis 17.02.2013 auszugehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG. Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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