L 2 AS 970/12 B

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 33 AS 4553/12 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 2 AS 970/12 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde wird zurückgewiesen. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragsteller begehren Prozesskostenhilfe für ein zwischenzeitlich abgeschlossenes erstinstanzliches einstweiliges Rechtsschutzverfahren. In der Sache machten die Antragsteller einen Anspruch auf eine darlehensweise Schuldenübernahme von Mietkosten geltend.

Die Antragstellerin zu 1. lebte mit ihren Kindern, dem volljährigen Sohn N. (dem Antragsteller zu 2.) und den minderjährigen Kindern A. und D. (den Antragstellerinnen zu 3. und 4.) in einer 85 qm großen 4-Zimmer-Wohnung in H. Die Mietkosten betrugen 488 EUR (358 EUR Grundmiete zzgl. kalte Betriebskosten zzgl. 130 EUR Heizungskostenvorauszahlung).

Der Antragsgegner zu 1. bewilligte den Antragstellern mit Bescheid vom 13. Juli 2012 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Die Kosten der Unterkunft und Heizung überwies er absprachegemäß an die Vermieterin. Zugleich forderte er die Antragsteller zur Senkung der Kosten für Unterkunft und Heizung auf. Die tatsächlichen Heizkosten betrügen 130 EUR monatlich, wohingegen die im Stadtgebiet H. anerkannten Werte für vier Personen nur bei 117,58 EUR lägen. Die Antragsteller teilten mit, dass sie die Kostensenkung durch einen Wohnungswechsel in eine andere Wohnung vollziehen wollten.

Am 5. September 2012 reichten die Antragsteller ein Wohnungsangebot für eine Zustimmung zum Wohnungswechsel für eine 4-Zimmer-Wohnung mit 69,38 qm in der G.-str. 60 in B. bei dem Antragsgegner zu 1. ein. Für den Ort B. ist das Jobcenter S. zuständig.

Mit Schreiben vom 13. September 2012 beantragten die Antragsteller ein Darlehen für Mietschulden wegen drohender Kündigung der Wohnung. Bei Nachzahlung der offenen Forderungen würde der Vermieter auf die Durchsetzung der Kündigung verzichten. Beigefügt war eine fristlose Kündigung des Mietverhältnisses vom 16. April 2012 mit einer Räumungsaufforderung zum 26. April 2012. Der Mietrückstand betrug nach der Aufstellung der Vermieterin schon zum Anfang des Jahres 2011 981,92 EUR. Weitere Rückstände seien durch die Nichtzahlung der Mieten für Mai 2011 bis August 2011 und März 2012 aufgelaufen. Die Rückstände 2011 und 2012 beruhten darauf, dass in diesen Monaten der Antragsgegner zu 1. keine Leistungen an die Antragsteller gezahlt hatte, sei es dass die Leistung wegen Verstoßes gegen Mitwirkungspflichten entzogen worden war oder dass die Antragsteller keinen rechtzeitigen Neuantrag gestellt hatten. Der Mietrückstand betrug nach einer "2. und letzten Mahnung" vom 2. August 2012 noch 3.431,09 EUR.

Mit Bescheid vom 18. September 2012 erteilte der Antragsgegner zu 1. die Zustimmung zur Anmietung der neuen Wohnung in B. Die Kosten seien angemessen. Die Kosten für den Umzug würden nicht gewährt, weil die Antragsteller nicht vom Jobcenter aufgefordert worden seien, eine neue Unterkunft zu suchen. Hiergegen haben die Antragsteller in Bezug auf die fehlende Gewährung von Umzugskosten Widerspruch erhoben. Diesem hat der Antragsgegner zu 1. mit Bescheid vom 8. November 2012 abgeholfen und die Bereitschaft zur Übernahme der Umzugskosten erklärt. Zum 1. November 2012 sind die Antragsteller in die neue Wohnung nach B. umgezogen.

Bereits am 27. September 2012 haben die Antragsteller beim Sozialgericht Halle (SG) einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz auf eine darlehensweise Übernahme der Mietschulden für die Wohnung in H. gestellt und hierfür Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin R.-K. beantragt.

Mit Beschlüssen vom 9. November 2012 hat das SG den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz und den Antrag auf Prozesskostenhilfe abgelehnt: Die Voraussetzungen von § 22 Abs. 8 SGB II lägen nicht vor. Den Antragstellern drohe keine Wohnungslosigkeit, weil sie Ersatzwohnraum haben anmieten können durch den Bezug der Wohnung in B.

Gegen die ihnen am 14. November 2012 zugestellten Beschlüsse haben die Antragsteller Beschwerde eingelegt. Die Beschwerde im einstweiligen Rechtsschutzverfahren haben die Antragsteller für erledigt erklärt. Zur Begründung der Beschwerde gegen die ablehnende PKH-Entscheidung tragen sie vor: Es sei zum Zeitpunkt des Antrages auf einstweiligen Rechtsschutz noch kein Mietvertrag über die neue Wohnung abgeschlossen worden. Die Antragsteller hätten nicht davon ausgehen können, dass ihnen andere Wohnräume zur Verfügung gestellt würden.

Die Antragsteller beantragen,

den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 9. November 2012 aufzuheben und ihnen nachträglich für das einstweilige Rechtsschutzverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwältin R.-K. zu gewähren.

Die Antragsgegnerin zu 2. regt an, die Beschwerde zurückzuweisen, da das zugrundeliegende Verfahren von Anfang an keine Aussicht auf Erfolg gehabt habe.

Der Antragsgegner zu 1. hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

Für weitere Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen.

II.

Die Beschwerde der Antragsteller ist zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben. Sie ist auch statthaft gem. § 172 Abs. 3 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), weil in der Hauptsache die Berufung zulässig wäre. So liegt der Beschwerdewert bei über 3.000 EUR.

Die Beschwerde ist allerdings unbegründet. Das SG hat zu Recht die für eine PKH-Bewilligung erforderlichen hinreichenden Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes verneint. Gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit den §§ 114 ff. ZPO erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Als hinreichend sind die Erfolgsaussichten einzuschätzen, wenn der Erfolg in der Hauptsache zwar nicht gewiss, eine Erfolgschance jedoch nicht unwahrscheinlich ist (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 13. März 1990, 2 BvR 94/98, NJW 1991, S. 413 ff.). Prozesskostenhilfe kommt jedoch nicht in Betracht, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht gänzlich ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (Bundessozialgericht -BSG-, Urteil vom 17. Februar 1989, B 13 RJ 83/97 R zitiert nach juris).

Der einstweilige Rechtsschutzantrag der Antragsteller bot keine solchen hinreichenden Erfolgsaussichten.

Das Gericht der Hauptsache kann gemäß § 86b Abs. 2 SGG auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte oder eine Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, weil sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung (ZPO) gelten entsprechend. Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist daher stets, dass sowohl ein Anordnungsgrund (d. h. die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile) als auch ein Anordnungsanspruch (d. h. die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs) glaubhaft gemacht werden (vgl. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. mit § 920 Abs. 2 ZPO).

Vorliegend haben die Antragsteller keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.

Ihr Begehren ist auf die darlehensweise Übernahme der Mietschulden für die Wohnung in der M. in H. gerichtet. Die Anspruchsvoraussetzungen für eine Mietschuldenübernahme nach § 22 Abs. 8 SGB II lagen nicht vor. Nach Satz 1 dieser Vorschrift können Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist, sofern Arbeitslosengeld II für den Bedarf von Unterkunft und Heizung erbracht wird. Nach Satz 2 der Vorschrift sollen diese Schulden übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht.

Die Voraussetzungen für eine drohende Wohnungslosigkeit nach § 22 Abs. 8 Satz 2 SGB II liegen nicht vor. Drohende Wohnungslosigkeit bedeutet den drohenden Verlust der bewohnten, kostenangemessenen Wohnung, ohne die Möglichkeit, angemessenen Ersatzwohnraum zu erhalten (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juni 2010 – B 14 AS 58/ 09 R – zitiert nach juris). Hierbei muss eine Ersatzwohnung konkret anmietbar sein und nicht nur die abstrakte Möglichkeit bestehen, in dem Marktsegment solche Wohnungen zu finden. Das war hier der Fall. Vorliegend stand den Antragstellern eine konkrete kostenangemessene Wohnung zur Verfügung. Sie hatten am 5. September 2012 um eine Zusicherung für den Umzug in die Wohnung in B. nachgesucht und am 18. September 2012 die Zustimmung zur Anmietung der neuen Wohnung von dem Antragsgegner zu 1. erhalten. Es stand also zu dem Zeitpunkt, als sie am 27. September 2012 den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt haben, eine kostenangemessene Wohnung konkret zur Verfügung und die Antragsteller hatten sich auch bereits um den Umzug in diese bemüht. Die Voraussetzungen für eine drohende Wohnungslosigkeit waren damit entfallen.

Haben die Antragsteller bereits eine Zustimmung zu einem beabsichtigen Umzug in eine neue Wohnung erhalten, geht es ihnen nicht mehr um den langfristigen Erhalt der alten Wohnung, so dass auch die Voraussetzung der Sicherung der Unterkunft nach § 22 Abs. 8 Satz 1 SGB II nicht gegeben sein dürften. Dies kann aber dahinstehen, da ein Anspruch auf Neubescheidung bei einer ermessensfehlerhaften Entscheidung jedenfalls nicht im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes geltend zu machen wäre, da für eine Ermessenreduzierung auf Null vorliegend keine konkreten Anhaltspunkte ersichtlich sind.

Der Senat braucht nicht zu prüfen, ob in dem geltend gemachten Anspruch auf Schuldenübernahme auch Ansprüche nach § 22 Abs. 1 SGB II auf Zahlung von Kosten der Unterkunft enthalten sein können. Denn für die Geltendmachung solcher Ansprüche im einstweiligen Rechtsschutzverfahren fehlt es am Anordnungsgrund. So erscheint sowohl ein Anspruch aus § 67 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – Allgemeiner Teil (SGB I) für Alg II für den Monat Mai 2011 sowie für den Zeitraum vom 1. März bis zum 4. April 2012 denkbar, wobei es sich um eine Ermessensentscheidung handelt. Ob es eine endgültige Bewilligung oder eine nicht angefochtene endgültige Leistungsablehnung für Leistungen ab dem 14. Juli 2011 bis 31. August 2011 gibt, kann nach den hier vorliegenden Unterlagen ebenfalls nicht abschließend beurteilt werden. Hierauf kommt es jedoch nicht an, weil für einen etwaigen Anspruch ein Anordnungsgrund fehlt. Die Antragsteller können auf die Klärung in der Hauptsache verwiesen werden. Es bedarf für Unterkunftsansprüche aus der Vergangenheit keiner vorläufigen Leistungsbewilligung. Dies gilt jedenfalls dann, wenn wie hier durch den beabsichtigten Umzug in eine neue Wohnung, die fehlende Zahlung keine Auswirkungen mehr auf das zukünftige Mietverhältnis mehr entfalten kann.

Nach alledem ist die Beschwerde zurückzuweisen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nach § 202 SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO nicht zu erstatten. Dieser Beschluss ist nach § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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