L 5 AS 373/10

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 13 AS 387/09
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 373/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 20. August 2010 sowie der Bescheid des Beklagten vom 12. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. März 2009 werden aufgehoben und der Bescheid des Beklagten vom 4. November 2008 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 4. und 10. Dezember 2008, alle in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Januar 2009 werden abgeändert.

Der Beklagte wird verpflichtet, unter Abänderung des Bescheids vom 28. Juli 2008 der Klägerin zu 2. für September bis November 2008 weitere 10,61 EUR zu zahlen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Außergerichtlichen Kosten der Klägerinnen für beide Rechtszüge sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Bewilligung von weiteren Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für die Zeit vom 1. September bis 30. November 2008.

Die am ... 1965 geborene Klägerin zu 1. ist die Mutter der am ... 2002 geborenen Klägerin zu 2. sowie des am ... 1990 geborenen Sohns S. (im Folgenden: Sohn). Zu Dritt bewohnten sie im streitigen Zeitraum zusammen eine Mietwohnung. Der Sohn befand sich vom 13. Oktober bis 4. November 2008 in gerichtlich angeordnetem Kurzarrest. Ein am ... 1989 geborener weiterer Sohn der Klägerin verbüßte seit dem 17. April 2008 eine Haftstrafe von zwei Jahren und acht Monaten.

Für die KdU hatte die Klägerin zu 1. im September 2008 eine Gesamtmiete i.H.v. 493,01 EUR (Kaltmiete 373,01 EUR, Betriebskosten 120 EUR) sowie einen Gasabschlag i.H.v. 108 EUR zu zahlen. Im Oktober 2008 erhöhte sich der Gasabschlag auf 114 EUR. Nach einem Umzug waren im November 2008 eine Gesamtmiete i.H.v. 400 EUR (Kaltmiete 300 EUR, Betriebskosten 100 EUR) sowie ein Gasabschlag i.H.v. 114 EUR zu zahlen.

Der Beklagte hat die Klägerinnen mit Kostensenkungsaufforderungen vom 25. April und 28. Juli 2008 zur Senkung ihrer KdU aufgefordert. Bis Oktober 2008 sollten maximal 544 EUR - für einen 4-Personen-Haushalt - und danach nur noch maximal 476 EUR/Monat - für einen 3-Personen-Haushalt - gezahlt werden.

Mit bestandskräftigem Bescheid vom 28. Juli 2008 bewilligte der Beklagte der Bedarfsgemeinschaft Leistungen für die Zeit vom 1. August bis 31. Oktober 2008. Für September 2008 legte er Gesamt-KdU i.H.v. 564,71 EUR und für Oktober i.H.v. 544 EUR zu Grunde. Er teilte die KdU jeweils zu 1/3 auf die Klägerinnen und den Sohn auf. Für die Klägerin zu 1. ergab sich im September 2008 ein KdU-Anspruch i.H.v. 190,46 EUR und im Oktober 2008 i.H.v. 181,34 EUR. Für die Klägerin zu 2. ergab sich im September 2008 ein KdU-Anspruch i.H.v. 175,96 EUR und im Oktober 2008 i.H.v. 181,33 EUR. Das für den Sohn bewilligte Kindergeld wurde auf dessen Bedarf angerechnet.

Der Leistungsanspruch des Sohns auf Regelleistung und KdU wurde vom Beklagten mit Bescheiden vom 1. und 8. August 2008 bestandskräftig für den Zeitraum vom 1. September bis 30. November 2008 vollständig abgesenkt und dessen Leistungsbewilligung vom 28. Juli 2008 gemäß § 48 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) insoweit aufgehoben. Der Sohn habe sich auf eine ihm am 18. Juni 2008 angebotene zumutbare Arbeit weder gemeldet noch beworben. Er habe auch die in der Eingliederungsvereinbarung vom 18. Juni 2008 vorgegebenen Eigenbemühungen nicht ausreichend nachgewiesen.

Mit Bescheid vom 4. November 2008 bewilligte der Beklagte - nur den Klägerinnen zu 1. und 2. - Leistungen für die Zeit vom 1. November 2008 bis 30. April 2009. Als KdU berücksichtigte er zunächst keine Heizkosten. Mit Änderungsbescheid vom 4. Dezember 2008 berücksichtigte er den Sohn ab dem 5. November 2008 (Ende des Jugendarrests) wieder als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft. Sein Leistungsanspruch sei jedoch vollständig entfallen. Mit weiterem Änderungsbescheid vom 10. Dezember 2008 änderte der Beklagte die Leistungsbewilligung für November 2008. Als KdU legte er für die Klägerin zu 1. 169,24 EUR und für die Klägerin zu 2. 169,25 EUR zu Grunde. Dabei teilte der Beklagte die Gesamt-KdU von 476 EUR für die Zeit vom 1. bis 4. November 2008 jeweils zu 1/2 und für die Zeit vom 5. bis 30. November 2008 zu jeweils 1/3 auf. Dem für den Sohn ermittelten Leistungsanspruch wurde ein Minderungsbetrag in der gleichen Höhe gegenübergestellt.

In ihrem dagegen gerichteten Widerspruch rügten die Klägerinnen die Aufteilung der KdU vom 5. bis 30. November 2008. Der Anteil für den Sohn müsse der Klägerin zu 1. zugerechnet werden, da diese gegenüber dem Vermieter zahlungspflichtig sei. Gleichzeitig beantragten sie eine Überprüfung der Leistungsbewilligung für September bis Oktober 2008. Einen Antrag auf darlehensweise Bewilligung von weiteren Leistungen für die KdU stellten sie nicht.

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 9. Januar 2009 als unbegründet zurück. Für November 2008 seien keine höheren Leistungen für die KdU zu bewilligen. Die Sanktion gegenüber dem Sohn führe nicht zu einer Erhöhung der KdU der restlichen Bedarfsgemeinschaft. Anderenfalls würde der Gesetzeszweck von § 31 Abs. 5 Satz 2 SGB II umgangen.

Dagegen hat die Klägerin zu 1. am 4. Februar 2009 Klage beim Sozialgericht Dessau-Roßlau erhoben.

Der Beklagte hat mit Bescheid vom 12. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. März 2009 den Überprüfungsantrag der Klägerinnen für die Monate September bis Oktober 2008 abgelehnt.

Mit Schreiben vom 12. März 2009 haben die Klägerinnen diese Bescheide im Rahmen einer Klageerweiterung in das Verfahren einbezogen. Ferner haben sie erklärt, die Klage auch im Namen der Klägerin zu 2. erhoben zu haben. Sie haben geltend gemacht, die Auswirkungen der Sanktionen seien "sippenhaftähnlich". Die Sanktion hätte hinsichtlich der KdU bei dem Sohn auch keine Wirkung, da die Klägerin zu 1. gegenüber dem Vermieter zahlungspflichtig bleibe.

In der mündlichen Verhandlung des Rechtsstreits am 20. August 2010 haben die Beteiligten übereinstimmend erklärt, den Rechtsstreit auf die KdU im streitigen Zeitraum zu beschränken. Der Beklagte hat sich im Rahmen eines Teilanerkenntnisses verpflichtet, den Klägerinnen unter Abänderung seiner Bescheide für September 2008 weitere KdU i.H.v. 27,37 EUR, für Oktober 2008 i.H.v. 152,13 EUR und für November 2008 i.H.v. 15,69 EUR zu zahlen.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 20. August 2010 abgewiesen. Die Klageerweiterung sei gemäß § 56 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Es seien auch die Ansprüche der Klägerin zu 2. in das Klageverfahren einzuziehen gewesen. Streitig seien nur noch höhere KdU. Die Klage sei jedoch unbegründet, da den Klägerinnen über das Teilanerkenntnis hinaus keine höheren KdU zustünden. Für November 2008 seien tatsächliche KdU - nach Abzug einer Warmwasserpauschale von 15,94 EUR (6,64 EUR, 3,99 EUR, 5,31 EUR) für drei Personen - i.H.v. 498,09 EUR entstanden. Da der Sohn vom 1. bis zum 4. November 2008 gemäß § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II vom Leistungsbezug ausgeschlossen gewesen sei, seien die KdU für diesen Zeitraum allein auf die Klägerinnen zu verteilen. Ab dem 5. November 2008 seien die KdU für die Klägerinnen nur noch zu 2/3 zu übernehmen. Der wegen der Sanktionen entfallene KdU-Anteil des Sohns sei nicht auf die Klägerinnen umzulegen. Zwar bestünden Bedenken wegen der Auswirkungen der Sanktion auf die Leistungsansprüche der Klägerinnen. Bei volljährigen Kindern bestünden auch kaum noch erzieherische Einwirkungsmöglichkeiten, weshalb in solchen Fällen eine Abweichung vom Kopfteilprinzip geboten wäre. Dies gelte jedoch nicht im vorliegenden Fall, da für den zum Zeitpunkt des sanktionierten Verhaltens noch minderjährigen Sohn seitens der Klägerin zu 1. die Möglichkeit erzieherischer Einwirkung bestanden hätte. So hätte sie etwa das an den Sohn gezahlte Kindergeld zur Begleichung seines Unterkunftsanteils verwenden können. Die Klägerin zu 1. habe jedoch angegeben, das Kindergeld an ihren Sohn weitergeleitet zu haben, da dieser Raucher sei. Für September und Oktober 2008 seien tatsächliche KdU - nach Abzug einer Warmwasserpauschale von 15,94 EUR für drei Personen - i.H.v. 585,07 EUR bzw. 591,07 EUR entstanden. Für den Zeitraum des Jugendarrests seien die KdU zu Recht allein auf die Klägerinnen verteilt worden. Für die übrige Zeit seien für die Klägerinnen wiederum nur 2/3 der KdU zu übernehmen gewesen. Das Sozialgericht hat die Berufung zugelassen.

Dagegen haben die Klägerinnen am 14. September 2010 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Es sei bei Totalsanktionen nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip geboten, eine Abweichung von der Kopfteilaufteilung vorzunehmen. Unzulässig sei eine verschuldensunabhängige Mithaftung der Klägerin zu 1. aufgrund eines erzieherischen Versagens bei dem fast volljährigen Sohn. Fraglich sei, ob überhaupt Einwirkungsmöglichkeiten bestanden hätten. Schon das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) habe zu § 25 Abs. 1 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) entschieden, dass eine Verkürzung der Individualansprüche von Angehörigen bei Arbeitsunwilligkeit eines Hilfebedürftigen nicht in Betracht komme (Urteil vom 31. Januar 1968, V C 109.66). Ferner haben die Klägerinnen Einwände gegen die Sanktionsbescheide erhoben: Der Beklagte hätte vom Sohn keine schriftliche Erklärung verlangt, dass die Leistungen an die Klägerinnen nicht zum Ausgleich der Kürzung verwendet werden. Adressat der Anhörung und der Sanktionsbescheide sei nur der Sohn und nicht die Klägerin zu 1. gewesen. Das für den Sohn gezahlte Kindergeld hätte auch nicht zur Aufbringung der KdU verwendet werden dürfen. Dieser habe nach § 1612 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gegen die Klägerin zu 1. ab dem Zeitpunkt der Volljährigkeit einen Anspruch auf volle Auszahlung des Kindergeldes an sich gehabt. Davor sei für die Klägerin zu 1. mangels Information des Beklagten nicht erkennbar gewesen, dass sie das Kindergeld hätte einsetzen müssen. In den Leistungsbescheiden sei das Kindergeld auch nur auf den Regelbedarf und nicht auf die KdU angerechnet worden.

Die Klägerinnen beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 20. August 2010 sowie den Bescheid des Beklagten vom 12. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. März 2009 aufzuheben und den Bescheid des Beklagten vom 4. November 2008 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 4. und 10. Dezember 2008, alle in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Januar 2009 abzuändern, sowie den Beklagten zu verurteilen, ihnen unter Abänderung des Bescheids vom 28. Juli 2008 für September 2008 weitere 195,03 EUR, für Oktober 2008 weitere 76,27 EUR sowie für November 2008 weitere 143,88 EUR zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Ergänzend führt er aus, zur Vermeidung nachteiliger Auswirkungen auf die anderen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft kämen ggf. Ersatzleistungen gemäß § 31 Abs. 2 Satz 6 SGB II Betracht, wenn wegen der Sanktion Wohnungsverlust drohe. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Verwaltungsverfahrens sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Akten und Beiakten Bezug genommen. Die Verwaltungsakten des Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

Entscheidungsgründe:

I. 1.

Die Berufung der Klägerinnen ist form- und fristgerecht gemäß § 141 SGG eingelegt worden. Sie ist auch zulässig gemäß § 144 Abs. 2, Abs. 3 SGG, da sie vom Sozialgericht zugelassen worden ist.

2.

Zu Recht hat das Sozialgericht die von den Klägerinnen geltend gemachten höheren Leistungen für November 2008 bzw. den Antrag auf Überprüfung der Leistungsbewilligung für September und Oktober 2008 im Rahmen einer Klagehäufung gemäß § 56 SGG als eine Klage behandelt. Die beiden Klagebegehren richten sich gegen denselben Beklagten, sie stehen im Zusammenhang, da sie einen Sanktionszeitraum betreffen, und es ist dasselbe Gericht zuständig.

3.

Die Klage ist von den Klägerinnen zu 1. und 2. erhoben worden. Erkennbar hat deren Prozessbevollmächtigter schon mit der Klageerhebung am 4. Februar 2009 Ansprüche beider Klägerinnen auf höhere Leistungen verfolgen wollen. Dies ergibt sich schon aus dem mit dem angefochtenen Widerspruchsbescheid vom 9. Januar 2009 zurückgewiesenen Widerspruch, in welchem ausdrücklich beide Klägerinnen genannt wurden. Zur Klagebegründung haben die Klägerinnen auch zunächst auf ihren Widerspruchsschriftsatz Bezug genommen.

4.

Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist nur noch die Bewilligung von KdU im Rahmen der Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. September bis 30. November 2008. Insoweit haben die Klägerinnen im Rahmen der mündlichen Verhandlung des Rechtsstreits vor dem Sozialgericht Dessau-Roßlau am 20. August 2010 eine wirksame Begrenzung des Streitgegenstands auf einen abgrenzbaren Verfügungssatz der angegriffenen Verwaltungsentscheidungen, nämlich den zu den KdU vorgenommen. Die Regelleistungen sowie eine Anrechnung von Einkommen sind nicht mehr Gegenstand des Rechtsstreits (vgl. etwa BSG, Urteil vom 3. März 2009, B 4 AS 39/08 R (12)).

II.

Die Berufung ist zum geringen Teil begründet, da die Klägerin zu 2. für den streitigen Zeitraum Anspruch auf weitere KdU i.H.v. insgesamt 10,61 EUR hat. Im Übrigen ist die Berufung unbegründet.

Rechtsgrundlage für die begehrten weiteren Leistungen für die Monate September und Oktober 2008 ist § 44 Abs. 1 SGB X. Danach ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Die Klägerin zu 2. hatte für September und Oktober 2008 einen Anspruch auf weitere KdU i.H.v. 6,90 EUR und 1,84 EUR. Insoweit waren zu Unrecht Leistungen nicht erbracht worden. Die Klägerinnen hatten jedoch infolge der Sanktionen gegen den Sohn keinen Anspruch auf eine weitere Erhöhung ihrer KdU ab dem 1. September 2008 gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X. Denn insoweit ist keine relevante Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse mit Auswirkungen auf die Ansprüche auf KdU gemäß § 22 Abs. 1 SGB II zu ihren Gunsten eingetreten, welche der Beklagte zu berücksichtigen gehabt hätte.

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf höhere Leistungen für November 2008 ist § 22 Abs. 1 SGB II. Dieser Anspruch ist jedoch für November 2008 nur i.H.v. 1,87 EUR für die Klägerin zu 2. begründet.

Das angefochtene Urteil vom 20. August 2010 war daher insoweit aufzuheben, der Bewilligungsbescheid vom 4. November 2008 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 4. und 10. Dezember 2008, alle in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Januar 2009 abzuändern, der Bescheid vom 12. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. März 2009 aufzuheben sowie der Beklagte zu verpflichten, der Klägerin zu 2. unter Abänderung seines Bewilligungsbescheids vom 28. Juli 2008 höhere Leistungen für den streitigen Zeitraum entsprechend dem tenorierten Umfang zu erbringen.

1.

Die Klägerinnen waren dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB II.

Nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung. Berechtigt, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu erhalten sind nach § 7 Abs.1 SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht vollendet haben, erwerbsfähig sind, hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben.

Erwerbsfähig ist nach § 8 Abs. 1 SGB II, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen

sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.

Die Klägerin zu 1. war erwerbsfähig, im passenden Alter und hatte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland.

Die Klägerin zu 2. war gemäß § 28 SGB II als nicht erwerbsfähige Angehörige, die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in Bedarfsgemeinschaft lebt, ebenfalls anspruchsberechtigt.

Die Klägerinnen waren auch hilfebedürftig, denn sie konnten ihren Hilfebedarf nicht vollständig aus ihrem Einkommen decken und erhielten die erforderliche Hilfe auch nicht von Dritten. Hinweise auf zumutbar einzusetzendes Vermögen der Klägerinnen hat der Senat nicht.

2.

Die Klägerin zu 2. hat einen Anspruch auf höhere KdU für September 2008 i.H.v. 6,90 EUR, für Oktober 2008 i.H.v. 1,84 EUR und für November 2008 i.H.v. 1,87 EUR, insgesamt 10,61 EUR.

Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Nutzen Hilfebedürftige eine Unterkunft gemeinsam mit anderen Personen, so sind die KdU im Regelfall unabhängig von Alter und Nutzungsintensität anteilig pro Kopf aufzuteilen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Personen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft sind.

a.

Für den Zeitraum des Jugendkurzarrestes des Sohns der Klägerin zu 1. vom 13. Oktober bis 4. November 2008 hat der Beklagte zu Recht die KdU nur auf die Klägerinnen jeweils zu 1/2 aufgeteilt. Denn der Sohn bewohnte in dieser Zeit die Wohnung nicht. Er hatte gemäß § 7 Abs. 4 Satz 1, 2 SGB II in dieser Zeit keinen Leistungsanspruch.

Daher ist eine Aufteilung der KdU auf drei Köpfe für diese Zeit schon deshalb ausgeschlossen, da die Klägerinnen die Wohnung alleine nutzten. Es ist den verbliebenen Mitgliedern einer Bedarfsgemeinschaft, die trotz Abwesenheit eines weiteren Mitglieds nicht aufgelöst wird, bei dessen im Vorhinein auf bis zu sechs Monaten beschränkten Abwesenheit nicht zumutbar, die KdU zu senken. Den verbliebenen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft ist es zu ermöglichen, ihren Wohnbedarf für eine Übergangszeit voll zu decken (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010, B 14 AS 50/10 R (19)).

b.

Für die Zeit vom 1. September bis 12. Oktober 2008 und 5. bis 30. November 2008 ist keine Abweichung vom Kopfteilprinzip zu Gunsten der Klägerinnen geboten.

Die Aufteilung der KdU nach dem Kopfteilprinzip ist gesetzlich nicht zwingend vorgeschrieben. § 22 Abs. 1 SGB II gibt - unter Berücksichtigung des Individualisierungsgrundsatzes - lediglich vor, den anspruchsberechtigten Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft die angemessenen anteiligen KdU zu leisten. Grund für die von der Rechtsprechung vorgenommene Kopfteilaufteilung ist eine Durchbrechung des Individualisierungsgrundsatzes durch generalisierende, pauschalierende Regelung. Aus Gründen der Praktikabilität soll vermieden werden, die KdU nach Intensität der Wohnungsnutzung oder nach wirtschaftlicher Fähigkeit aufteilen zu müssen. Dies würde die Verwaltungsbehörden und Gerichte vor praktisch kaum lösbare Schwierigkeiten stellen (so schon BVerwG, Urteil vom 21. Januar 1988, 5 C 68/85 (10) zum BSHG). Die vom BVerwG für die Sozialhilfe entwickelte Rechtsprechung ist auch auf das Recht des SGB II anwendbar (BSG, Urteil vom 27. Februar 2008, B 14/11b AS 55/06 R (18) mit Hinweisen zur Rechtsprechung und Literatur).

In der Rechtsprechung ist jedoch anerkannt, dass in bestimmten Situationen eine Abweichung von diesen Grundsätzen vorzunehmen ist. Das Kopfteilprinzip "bedarf nur dann einer Korrektur, wenn und soweit der Hilfefall durch sozialhilferechtlich bedeutsame Umstände gekennzeichnet ist, die ohne weiteres objektivierbar und dem Träger der Sozialhilfe möglicherweise sogar bereits bekannt sind". Das kann etwa "ein über das normale Maß hinausgehender und. besonders zu berücksichtiger Bedarf des Hilfesuchenden sein". Genannt werden insbesondere Fälle eines erhöhten Wohnraumbedarfs eines Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft wegen Behinderung oder Pflegebedürftigkeit (so BVerwG, a.a.O., (12)). Auch das BSG geht davon aus, dass in Sonderfällen ein Abweichen vom Kopfteilprinzip gerechtfertigt ist (so schon BSG, Urteil vom 23. November 2006, B 11b AS 1/06 R (28)). Dies ist etwa der Fall, wenn ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft die Wohnung vorübergehend für eine im Vorhinein auf maximal sechs Monate begrenzten Abwesenheit nicht nutzt (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010, a.a.O. (19 f.)). Gleiches soll gelten, wenn Mutter und Sohn gemeinsam ein Einfamilienhaus bewohnen, der Sohn das alleinige Eigentum im Gegenzug gegen ein lebenslanges Wohnrecht der Mutter erhalten hat und ihr gegenüber die laufenden Kosten nicht abwälzen kann (BSG, Urteil vom 29. November 2012, B 14 AS 36/12 R (25)).

Eine Abweichung vom Kopfteilprinzip scheidet jedoch aus, wenn in der Haushaltsgemeinschaft ein Familienmitglied vom Bezug von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen ist, oder wenn seine Sozialleistungen nicht ausreichen, um den auf ihn entfallenden KdU-Anteil zu decken. Dies gilt etwa, wenn ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft BAföG bezieht und der darin enthaltene Unterkunftsanteil nicht ausreicht für die kopfteilig aufzubringenden KdU (BSG, Urteil vom 27. Februar 2008, B 14/11b AS 55/06 R (19); Urteil vom 19. März 2008, B 11b AS 13/06 R (14)). Nichts anderes gilt, wenn Pflegekinder auf der Grundlage des § 33 Achtes Buch Sozialgesetzbuch - Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII) zur Vollzeitpflege in den Haushalt des Hilfebedürftigen aufgenommen sind und der für sie bei den Leistungen nach dem SGB VIII berücksichtigte Unterkunftsbedarf hinter ihrem kopfteiligen Anteil an den KdU zurückbleibt (BSG, Urteil vom 27. Januar 2009, B 14/7b AS 8/07 R (19)). Denn das System des SGB II lässt es nicht zu, im Ergebnis Unterkunftskosten für Dritte geltend zu machen. Dies gilt selbst dann, wenn dem Dritten gegenüber eine Unterhaltspflicht besteht (BSG, Urteil vom 19. März 2008, a.a.O. (14), Urteil vom 27. Januar 2009, a.a.O., (19)). Schließlich kann auch der durch Mietvertrag zur Tragung des vollen Mietzinses verpflichtete Leistungsempfänger nur seinen eigenen Kopfteilbedarf geltend machen, nicht jedoch einen ungedeckten Bedarf eines haushaltsangehörigen Dritten. Diesem ist es zuzumuten, seinen Bedarf aus dem für ihn geltenden Leistungssystem oder anderweitig zu finanzieren, etwa in Form eines Nebenverdiensts oder einer Erhöhung der Sozialleistungen. Gegebenenfalls kommt auch eine darlehensweise Gewährung von Leistungen, etwa bei den nach § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II vom Leistungsanspruch Ausgeschlossenen in Betracht (BSG, Urteil vom 19. März 2008, a.a.O., (15)).

Nicht anders ist der vorliegende Fall der Sanktion des haushaltsangehörigen unter 25-Jährigen zu bewerten. Ein Fall, der die Abweichung vom Kopfteilprinzip gebietet, liegt in der vorliegenden Konstellation der vollständigen Absenkung der Leistungen für die KdU für dieses Mitglied der Bedarfsgemeinschaft nicht vor.

Zwar kann das Mitglied der Bedarfsgemeinschaft, das im Außenverhältnis gegenüber dem Vermieter zur vollen Entrichtung des Mietzinses verpflichtet ist, im Innenverhältnis der Bedarfsgemeinschaft keinen Rückgriff auf die Leistungen für die KdU an das sanktionierte Mitglied nehmen, da insoweit keine Leistungen vorhanden sind. Eine Kompensation kann nur durch Aufbringung der Mittel aus Schonvermögen, Freibeträgen von erzieltem Einkommen oder aus der Regelleistung der nicht sanktionierten übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft erfolgen. Diese erhalten faktisch - nicht rechtlich - dadurch nicht mehr den gemäß § 22 Abs. 2 Satz 1 SGB II vorgesehenen Anspruch auf Übernahme der vollen tatsächlichen Unterkunftskosten.

Diesen Umstand hat der Gesetzgeber gesehen, aber nicht für grundsicherungsrechtlich bedeutsam gehalten. Denn er hat keine besondere gesetzliche Regelung für diesen Fall getroffen. Es ist daher nicht geboten, in Abweichung vom Kopfteilprinzip die KdU allein auf die im Leistungsbezug verbliebenen Klägerinnen aufzuteilen.

Die Sanktion eines Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft wirkt sich grundsicherungsrechtlich auf den Leistungsanspruch der übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft nicht unmittelbar aus. Vielmehr ist der Wegfall des KdU-Anteils eines sanktionierten Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft die gesetzlich angeordnete Rechtsfolge der Sanktion nach § 31 Abs. 5 Satz 2 SGB II. Ausdrücklich ist dort geregelt, dass bei den unter 25-jährigen Leistungsbeziehern im Fall einer wiederholter Pflichtverletzung nach Abs. 1 oder 4 das Arbeitslosengeld II um 100 vom Hundert gemindert wird. Dass der in der Bedarfsgemeinschaft mit den Klägerinnen lebende Sohn keine Leistungen für die KdU mehr erhielt, entspricht daher der gesetzgeberischen Konzeption.

Die Auswirkungen der Sanktion beziehen sich auf den Leistungsanspruch des Sanktionierten. Nur in diesem Verhältnis ist die Problematik zu lösen. Anderenfalls führte dies zu einem Anspruch der Klägerinnen auf Leistungen, die einem Dritten zustehen. Wiche man in diesen Fällen vom Kopfteilprinzip ab, müsse dies konsequenterweise auch für die Fälle gelten, in denen ein Haushaltsangehöriger seinen KdU-Anteil für andere Zwecke ausgegeben hat. Dies müsse ferner gelten, wenn einem Haushaltsangehörigen die Leistungen nach § 66 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil (SGB I) entzogen oder versagt worden sind. Dann entstünde ein Leistungsanspruch der anderen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft, obwohl die anteiligen KdU dem Haushaltsangehörigen bei Nachholung der Mitwirkung nach § 67 SGB I auch nachträglich noch erbracht werden können.

Der vollständigen Leistungsabsenkung liegt das gesetzgeberische Ziel der erzieherischen Einwirkung durch Sanktionen auf die unter 25-jährigen Leistungsberechtigten zugrunde. So hatte der Gesetzgeber die Verschärfung der Sanktionen für diese Personengruppe ab dem 1. Januar 2007 durch Erstreckung auch auf die Leistungen für KdU bei einer wiederholten Pflichtverletzung mit der bislang nicht immer erreichten erzieherischen Wirkung begründet (BT-Drucks 16/1696, S. 27). Es ist zwar aus den Gesetzesmaterialien nicht ausdrücklich zu entnehmen, dass der Gesetzgeber die mittelbaren Folgen für die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft bei einer verschärften Leistungskürzung gewollt hatte. Der Senat geht jedoch davon aus, dass der Gesetzgeber diese Folgen für die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft bewusst hingenommen hat. Denn nach der Konzeption des SGB II war zum Zeitpunkt der Gesetzesänderung der Verbleib der unter 25-jährigen in der Familie der Regelfall und ein Auszug nur ausnahmsweise gemäß § 22 Absatz 2a SGB II möglich.

Dafür spricht auch, dass zeitgleich zum 1. Januar 2007 in § 22 Abs. 7 SGB II für Bezieher von BAföG-Leistungen ein Zuschuss zu deren ungedeckten angemessenen KdU eingeführt worden ist. Hintergrund der Novellierung war die Erkenntnis, dass in diesen Fällen bislang eine Unterdeckung der Bedarfe entstehen konnte (BT-Drucks 16/1410 S. 24). Der Senat schließt aus, dass im Rahmen dieser Gesetzesnovellierung die faktische Bedarfsunterdeckung in Fällen der Sanktionierung unter 25-jähriger in einer Bedarfsgemeinschaft übersehen worden wäre.

Der in Rechtsprechung und Literatur größerenteils vertretenen Auffassung, wonach in diesen Fällen aus Gründen der Verhältnismäßigkeit zur Vermeidung einer "Mitsanktionierung" eine Abweichung vom Kopfteilprinzip vorzunehmen sei, folgt der Senat nicht (so: LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 8. Juli 2009, L 6 AS 335/09 B ER; LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22. März 2012, L 6 AS 1589/10, juris; Geiger in: info also, 1/2010, "Wie sind personenübergreifende Sanktionsfolgen auf der Grundlage der geltenden Fassung von § 31 SGB II zu verhindern?"; Rixen in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 31 Rdnr. 45c; Berlit in: LPK-SGB II, 4. Aufl., § 22 Rdnr. 38; offen insoweit Lauterbach in: Gagel, SGB II/ SGB III, § 22 Rdnr. 28).

Faktisch können die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft von einer Sanktion betroffen sein, obwohl ihnen keinerlei Fehlverhalten zur Last geworfen wird. Dies gilt jedoch nur in den Fällen, in denen das sanktionierte Mitglied der Bedarfsgemeinschaft nicht in der Lage (oder bereit) ist, seinen Mietanteil aus anderen Geldmitteln als aus den SGB II-Leistungen aufzubringen. Dies gilt ferner, wenn das sanktionierte Mitglied nicht oder vergebens gemäß § 31 Abs. 5 Satz 5 SGB II versucht hat, durch nachträglich angezeigtes Wohlverhalten die Absenkung der KdU zu beseitigen. Die Sanktion hat jedoch in keinem Fall rechtliche Auswirkungen auf den - kopfteiligen - Leistungsanspruch der übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft. Ein "sippenhaftartiges Übergreifen" (so: Berlit, a.a.O.) läge jedoch nur dann vor, wenn auch der anteilige KdU-Anspruch die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft betroffen wäre. Insoweit verfälscht dieser Begriff die rechtliche Diskussion.

Die Gegenauffassung übersieht, dass das SGB II mehrere Sicherungssysteme zur Abfederung einer vollständigen Leistungsabsenkung vorsieht. So enthält § 31 Abs. 4 Satz 5 SGB II die Möglichkeit, nach pflichtgemäßem Ermessen Leistungen für die KdU zu erbringen, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige sich nachträglich bereit erklärt, seinen Pflichten nachzukommen (BT-Drucks 16/1696, S. 27 f.). Sofern er dies - wie hier - nicht tut, haben die übrigen verbleibenden Mitglied der Bedarfsgemeinschaft gemäß § 22 Abs. 5 SGB II die Möglichkeit, einen Antrag Übernahme von entstandenen Mietschulden in Form eines Darlehens oder eines Zuschusses zu stellen. Dies setzt jedoch eine finanzielle Notlage der Bedarfsgemeinschaft im Sinne von fehlendem Schonvermögen heraus. Einen solchen Antrag haben die Klägerinnen nicht gestellt. Sie haben auch nicht behauptet, die Miete nicht aufgebracht zu haben. Darüber hinaus kann gemäß § 31 Abs. 6 Satz 3 SGB II der Sanktionszeitraum im Einzelfall auf sechs Wochen verkürzt werden. Ein entsprechendes Begehren des Sohns ist im Zusammenhang mit den Sanktionsbescheiden nicht erfolgt.

Der Hinweis der Klägerinnen auf die Rechtsprechung des BVerwG zu § 25 Abs. 3 BSHG führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Danach hatte der Leistungsträger soweit wie möglich zu verhindern, dass die unterhaltsberechtigten Angehörigen erwachsener Leistungsberechtigter durch die Versagung oder Einschränkung der Hilfe infolge deren sozialwidrigen Verhaltens mitbetroffen werden. Die Regelung des SGB II enthält keine derartige Generalklausel. Vielmehr bestehen die oben ausgeführten Möglichkeiten sowohl des sanktionierten unter 25-Jährigen als auch der übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft zur Linderung der wirtschaftlichen Folgen der Sanktion. Eine Pflicht zur Vermeidung einer Mitbetroffenheit der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft bei der Bemessung der Sanktion enthält das SGB II nicht.

Würde man in diesen Fällen - unabhängig von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Bedarfsgemeinschaft - ein Abweichen vom Kopfteilprinzip verlangen, hätte die verschärfte Sanktionierung des unter 25-Jährigen keinerlei Wirkung. Sein vollständig abgesenkter KdU-Anteil würde im Rahmen der Leistungsbewilligung auf die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft "verschoben", sodass faktisch die verschärfte Stufe der Sanktion keinerlei Auswirkungen hätte. Der mit der Sanktionsnorm des § 31 SGB II verfolgte erzieherische Zweck würde vollständig unterlaufen. Denn typischerweise hat der in einer Bedarfsgemeinschaft lebende unter 25-Jährige keine zivilrechtliche Zahlungsverpflichtung an den Vermieter aus dem Mietvertrag in Höhe des ihm bewilligten KdU-Anteils. Vielmehr ist regelmäßig einer der Elternteile mietvertraglich zur Entrichtung des Mietzinses verpflichtet. Gleichzeitig werden die Leistungen für alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft dem Haushaltsvorstand überwiesen, der über den KdU-Anteil der übrigen Bedarfsgemeinschaftsmitglieder verfügt, indem er die volle Miete bezahlt. Im Fall einer Abweichung vom Kopfteilprinzip würden der Bedarfsgemeinschaft insgesamt die gesamten KdU zufließen und die Miete könnte vollständig beglichen werden. Das sanktionierte Mitglied der Bedarfsgemeinschaft wäre auch innerhalb der Familie keinerlei Druck ausgesetzt. Der mit der abgestuften Sanktionierung verfolgte Erziehungszweck wäre damit konterkariert. Im Vordergrund der Sanktionsverschärfung stand nämlich die bislang fehlende Möglichkeit, eine Abstufung bei der Sanktionierung von Fehlverhalten vornehmen zu können.

Aus den vorstehenden Ausführungen wird deutlich, dass der Gesetzgeber die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft auch in eine Mitverantwortung genommen hat, um die Eigenverantwortung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten zu stärken und dazu beizutragen, ihre Hilfebedürftigkeit überwinden. Sie sind als Familien eine Art von Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft (Thie/Schoch, LPK-SGB II, 4. Aufl., § 7 Rn. 37,41). Die Familie hat daher - in Grenzen - füreinander und für das Fehlverhalten ihrer Mitglieder einzustehen. Dies zeigt auch die Regelung in § 31 Abs. 3 Satz 7 SGB II. Danach soll der Träger in angemessenem Umfang ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen erbringen, wenn der um mehr als 30% sanktionierte Hilfebedürftige mit minderjährigen Kindern in Bedarfsgemeinschaft lebt. Lebt er nicht mit Kindern in einer Bedarfsgemeinschaft, steht ein solcher Anspruch im Ermessen des Trägers.

Zudem würde eine Abweichung vom Kopfteilprinzip im vorliegenden Sanktionsfall im Ergebnis zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung von unter 25-Jährigen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, und denjenigen, die allein in einer Wohnung leben, führen. Bei ersterer Gruppe würde sich die KdU-Sanktion faktisch nicht auswirken, weil die KdU-Anteile der übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft erhöht würden. In der zweiten Gruppe realisierten sich hingegen die Folgen der verhängten Sanktionen. Denn bei diesen würde eine Abfederung der vollständigen Leistungsabsenkung durch Verschieben des KdU-Anteils von vorneherein ausscheiden.

Der Senat hatte im vorliegenden Rechtsstreit nicht darüber zu befinden, ob die Sanktionsregelungen in einer vollständigen Absenkung der Regelleistung und der KdU verfassungsgemäß sind. Denn die an den Sohn gerichteten Bescheide sind insoweit bestandskräftig geworden.

Ob der Senat der Auffassung des Sozialgerichts folgt, wonach bei minderjährigen Leistungsberechtigten das Unterlassen von Erziehungspflichten der Eltern zu berücksichtigen wäre, kann daher offen bleiben. Dagegen spricht schon, dass vorliegend eine Sanktionierung der Klägerin zu 1. nicht zur Diskussion steht. Bedenken bestehen auch deshalb, weil ein nicht wahrgenommener Erziehungsauftrag nur dann für die - ungünstigere - Aufteilung der KdU Beachtung finden dürfte, wenn es sich um ein der Klägerin zu 1. vorwerfbares Verhalten handelte. Entsprechend dem Gedanken von § 34 Abs. 1 SGB II müsste das Ergreifen erzieherischer Maßnahmen vorsätzlich oder grob fahrlässig unterlassen worden sein. Des Weiteren müsste eine Kausalität zwischen einem vorwerfbaren Verstoß gegen den Erziehungsauftrag und dem eingetretenen Schaden nachweisbar sein. Das Sozialgericht hätte demnach aus seiner Sicht klären müssen, ob denn die Klägerin zu 1. faktisch über erzieherische Möglichkeiten verfügt hätte, ihren Sohn zur Einhaltung der ihm obliegenden grundsicherungsrechtlichen Verpflichtungen anzuhalten.

Ob eine Verwendung des für den Sohn erhaltenden Kindergelds für den Sohn zur Aufbríngung seines KdU-Anteils im Sanktionszeitraum gefordert werden konnte, kann gleichfalls dahinstehen. Zwar war die Klägerin zu 1. entgegen ihren Ausführungen nicht verpflichtet, das erhaltene Kindergeld an den Sohn auszuzahlen bzw. weiterzuleiten. Die Entscheidung über dessen Verwendung lag in ihrem Ermessen. Jedoch war nach den Bewilligungsbescheiden das für den Sohn bewilligte Kindergeld auf dessen Regelbedarf angerechnet worden und hatte seinen Hilfebedarf gemindert. Mithin waren die ihm bewilligten Leistungen schon um das anzurechnende Kindergeld reduziert.

3.a.

Die den Klägerinnen im streitigen Zeitraum zustehenden KdU sind wie folgt zu berechnen: Die Gesamtmiete und die Heizkosten sind jeweils zu 1/2 während des Kurzarrests des Sohns und im übrigen zu 1/3 aufzuteilen. Von diesem Betrag ist anschließend monatlich ein Anteil für die Wassererwärmung für die Klägerin zu 1. i.H.v. 6,33 EUR und für die Klägerin zu 2. i.H.v. 3,80 EUR abzuziehen. Die vom Sozialgericht gewählten Abzugsbeträge entsprechen nicht den Vorgaben des BSG. Außerdem ist von der Gesamtmiete für den Sohn der Klägerin zu 1. kein Warmwasserabzug vorzunehmen gewesen. Denn dieser hatte im streitigen Zeitraum keinen Anspruch auf Regelleistungen, in denen ja der Anteil für die Warmwassererwärmung enthalten ist (BSG, Urteil vom 19. März 2008, B 11b AS 13/06 R (20)). Somit ergeben sich folgende Einzelansprüche:

September 2008:

Gesamtmiete 601,01 EUR (493,01 EUR + 108 EUR),

davon je 1/3 = 200,34 EUR (§ 338 Abs. 2 SGB III, vgl. BSG, Urteil vom 19. März 2008, B 11b AS 23/06 R (25)), abzgl. 6,33 EUR bzw. 3,80 EUR,

= Klägerin zu 1. 200,33 EUR, Klägerin zu 2. 196,54 EUR.

Oktober 2008:

Gesamtmiete 607,01 EUR (493,01 EUR + 114 EUR),

davon je 1/3 vom 1. bis 12.: 607,01 x 12/30 = 242,80 EUR: 3 = 80,93 EUR,

davon je 1/2 vom 13. bis 31. (Arrest): 607,01 EUR - 242,80 EUR = 364,21 EUR: 2 = 182,11 EUR,

gesamt: 263,04 EUR, abzgl. 6,33 EUR bzw. 3,80 EUR,

= Klägerin zu 1. 256,71 EUR, Klägerin zu 2. 259,24 EUR.

November 2008:

Gesamtmiete 514 EUR (400 EUR + 114 EUR),

davon je 1/2vom 1. bis 4. (Arrest) = 4/30 x 514 EUR = 68,53 EUR: 2 = 34,27 EUR ,

davon je 1/3 vom 5. bis 30. =514 EUR - 68,53 EUR = 445,47 EUR: 3 = 148,49 EUR,

gesamt 182,76 EUR, abzgl. 6,33 EUR bzw. 3,80 EUR,

= Klägerin zu 1. 176,43 EUR, Klägerin zu 2. 178,96 EUR.

b.

Die Klägerinnen haben vom Beklagten folgende Leistungen für die KdU bezogen:

September 2008:

Bescheid vom 28. Juli 2008: Klägerin zu 1. 190,46 EUR, Klägerin zu 2. 175,96 EUR,

Teilanerkenntnis (1/2 x 27,37 EUR): Klägerin zu 1. 13,69 EUR, Klägerin zu 2. 13,68 EUR,

Gesamt: Klägerin zu 1. 204,15 EUR, Klägerin zu 2. 189,64 EUR.

Oktober 2008:

Bescheid vom 28. Juli 2008: Klägerin zu 1. 181,34 EUR, Klägerin zu 2. 181,33 EUR,

Teilanerkenntnis (1/2 x 152,13 EUR): Klägerin zu 1. 76,06 EUR, Klägerin zu 2. 76,07 EUR,

Gesamt: Klägerin zu 1. 257,40 EUR, Klägerin zu 2. 257,40 EUR.

November 2008:

Bescheid vom 10. Dezember 2008: Klägerin zu 1. 169,24 EUR, Klägerin zu 2. 169,25 EUR,

Teilanerkenntnis (1/2 x 15,69 EUR): Klägerin zu 1. 7,85 EUR, Klägerin zu 2. 7,84 EUR,

Gesamt: Klägerin zu 1. 177,09 EUR, Klägerin zu 2. 177,09 EUR.

c.

Im September 2008 waren der Klägerin zu 2. ein Betrag i.H.v. 6,90 EUR (189,64 EUR - 196,54 EUR), im Oktober 2008 i.H.v. 1,84 EUR (259,24 EUR - 257,40 EUR) und im November 2008 i.H.v. 1,87 EUR (178,96 EUR - 177,09 EUR) zu wenig für ihren KdU- Anteil bewilligt worden.

In den übrigen Monaten haben die bewilligten Leistungen die den Klägerinnen zustehenden Beträge überstiegen.

4.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Da nur die Klägerin zu 2. und nur zu einem geringen Teil erfolgreich war, war insoweit keine Kostenquotelungen vorzunehmen.

Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Es ist obergerichtlich nicht geklärt, wie die Kopfteilaufteilung zu erfolgen hat, wenn ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft vom Leistungsanspruch auf KdU ausgeschlossen ist.
Rechtskraft
Aus
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