L 9 KR 259/10

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 76 KR 1426/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 259/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Krankengeld wird grundsätzlich abschnittsweise gewährt. Dabei ist grundsätzlich derjenige Versicherungsschutz maßgebend, der zum konkreten Zeitpunkt der jeweiligen ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit besteht.
Das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. Juli 2010 sowie der Bescheid der Beklagten vom 22. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. August 2009 werden geändert. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Krankengeld in Höhe von 4.947,01 Euro zu zahlen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Die Beklagte hat die Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Klägerin für das gesamte Verfahren zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Bewilligung für Krankengeld für den Zeitraum 1. Januar 2009 bis zum 19. März 2010.

Die 1970 geborene Klägerin ist freiberufliche Fotografin. Sie war bis zum 31. Dezember 2008 als hauptberuflich Selbständige bei der Beklagten in der Beitragsklasse 805 ohne Anspruch auf Krankengeld krankenversichert. Aufgrund der Einführung von Wahltarifen gemäß § 53 Abs. 6 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch/Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) mit Wirkung vom 1. Januar 2009 wählte die Klägerin durch Teilnahmeerklärung vom 29. Dezember 2008 den Krankengeldtarif KGS 22 (Anspruch auf Krankengeld ab dem 22. Tag der Arbeitsunfähigkeit) mit Wirkung vom 1. Januar 2009; das ihr bei Arbeitsunfähigkeit entgehende monatliche Arbeitseinkommen bezifferte sie auf 900,- Euro.

Die Satzung der Beklagten sah mit Wirkung vom 1. Januar 2009 insoweit Folgendes vor:

Tarife für Krankengeld

§ 23 e

(1) Die in § 53 Abs. 6 SGB V genannten Mitglieder können Tarife wählen, die einen Anspruch auf Krankengeld entsprechend § 46 Satz 1 SGB V oder zu einem späteren Zeitpunkt entstehen lassen, für die in § 46 Satz 2 SGB V genannten Versicherten nach dem KSVG jedoch spätestens mit Beginn der dritten Woche der Arbeitsunfähigkeit (Krankengeldtarife). Die Tarife sehen entsprechend der Leistungserweiterung monatliche Prämienzahlungen des Mitglieds vor. Die nähere Ausgestaltung der Tarife insbesondere in Bezug auf Höhe und Beginn des Krankengeldanspruchs, die Höhe der Prämie sowie die Bedingungen für die Teilnahme von Mitgliedern sind in einer Anlage festgelegt, die Bestandteil der Satzung ist. Die für Krankengeld maßgeblichen Vorschriften des Sozialgesetzbuches gelten auch für das Krankengeld aus Krankengeldwahltarifen, soweit im Folgenden nichts Abweichendes bestimmt ist. Die folgenden Bestimmungen gelten für alle Krankengeldtarife, soweit durch Gesetz oder sonstiges für die Kasse maßgebendes Recht oder in der Anlage nichts zwingend Abweichendes bestimmt ist.

(2) Der Anspruch auf Krankengeld für Mitglieder, die mit Prämienzahlungen in Höhe von insgesamt zwei Monaten im Rückstand sind und trotz Mahnung nicht zahlen, ruht. ( )

(3) Für die Fälligkeit der Prämie gilt § 23 Absatz 1 entsprechend ( )

(4) Mitgliedern, die in einen anderen Krankengeldtarif wechseln, wird ein über ihren bisherigen Anspruch hinausgehendes Krankengeld nur gezahlt für Erkrankungen, die nach viermonatiger Laufzeit des neuen Tarifs eintreten. Ein Tarifwechsel liegt auch dann vor, wenn das Mitglied ein höheres Arbeitseinkommen oder Arbeitsentgelt mitteilt. Ein Tarifwechsel liegt nicht vor, wenn die vom Mitglied zu entrichtende Prämie nach einer im gewählten Tarif vorgesehenen Altersstaffelung angepasst wird; Gleiches gilt, wenn die Anpassung der Prämie zur Einhaltung der Voraussetzungen des § 53 Absatz 9 Satz 1 SGB V erforderlich ist und die Satzung aus diesem Grunde geändert wird. Satz 1 gilt nicht, wenn die Erkrankung auf einen Unfall oder der Tarifwechsel auf den Beginn eines Versicherungsverhältnisses zurückzuführen ist, das den Krankengeldanspruch nach § 44 Absatz 2 Nummer 2 und 3 SGB V ausschließt oder das Versicherungspflicht nach dem KSVG ausgelöst.

(5) Das Mitglied ist an die Wahl eines Tarifs auch bei einem Tarifwechsel drei Jahre gebunden (Bindungsfrist) ( )

Ein der Klägerin von der Beklagten im November 2008 ausgehändigtes "Merkblatt zum Krankengeldtarif für Selbständige" enthält unter anderem folgende Ausführungen:

Teilnahme am Tarif

Die Teilnahmeerklärung kann bis zum 31.01.2009 mit Wirkung ab dem 01.01.2009 abgegeben werden. Erfolgt die Wahl eines Tarifes zu einem späteren Zeitpunkt, beginnt der gewählte Tarif mit Beginn des Monats, der auf den Eingang der Erklärung folgt. In diesem Fall wird Krankengeld nur für Erkrankungen gezahlt, die nach viermonatiger Laufzeit des Tarifes eintreten (Karenzzeit). Bei der Wahl des Tarifes mit Wirkung ab 01.01.2009 und bei Erkrankungen, die auf einen Unfall zurückzuführen sind, erfolgt kein Ansatz der Karenzzeit.

Für die Zeit ab dem 1. August 2009 nahm die Klägerin weiter am Wahltarif mit einer Krankengeldberechtigung ab dem 22. Tag einer Arbeitsunfähigkeit teil. Der Höhe des Krankengeldes lag nun ein monatliches Einkommen von 226,92 Euro zugrunde, orientiert am Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2008 vom 27. Juli 2009; dieser wies ein Einkommen aus selbständiger bzw. freiberuflicher Tätigkeit in Höhe von 2.723,00 Euro aus.

Vom 20. September 2008 bis einschließlich 19. März 2010 war die Klägerin – zwischen den Beteiligten unstreitig – arbeitsunfähig. Mit Ausnahme der Tage 18. August 2009 und 3. November 2009 befinden sich hierzu bei den Akten befindliche ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen belegt ist.

Zu Beginn des Jahres 2009 trat die Klägerin an die Beklagte heran und beantragte auf der Grundlage des Wahltarifes KGS 22 die Bewilligung von Krankengeld für die Zeit ab 1. Januar 2009 aufgrund ihrer seit dem 20. September 2008 durchgehend bestehenden Arbeitsunfähigkeit.

Mit Bescheid vom 22. April 2009 lehnte die Beklagte die Bewilligung von Krankengeld ab. Ein Anspruch auf Krankengeld nach dem Wahltarif bestehe nur für Arbeitsunfähigkeiten, die nach Beginn der Wahltarif-Teilnahme entstanden seien. Bei laufender, vor dem 1. Januar 2009 begonnener Arbeitsunfähigkeit sei die Gewährung von Krankengeld ausgeschlossen. Gegebenenfalls könne der gewählte Wahltarif gekündigt werden. Im gewählten Tarif sei allerdings bereits Ende April die Karenzzeit von vier Monaten erfüllt, so dass bei einer erneuten Arbeitsunfähigkeit keine Karenzzeit mehr anzurechnen wäre.

Mit ihrem hiergegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, aus dem Merkblatt der Beklagten "zum Krankengeldtarif für Selbständige" ergebe sich, dass bei einer Wahl des Krankengeldtarifs bis zum 31. Januar 2009 dieser Tarif zum 1. Januar 2009 zurückwirke. Eine Karenzzeit für Krankengeldzahlungen bestehe in diesem Fall nicht. Auch erfolge kein Ausschluss für Krankengeldzahlungen für vor dem 1. Januar 2009 liegende Erkrankungen. Weder die Satzung selbst noch die die Wahltarife ausgestaltende Anlage zu § 23 e der Satzung sähen einen Ausschluss der Zahlungen von Krankengeld für Krankheiten vor, die bereits vor Beginn des Wahltarifes eingetreten seien. § 23 e Abs. 4 der Satzung sehe eine viermonatige Karenzzeit nur für Mitglieder vor, die von dem einen in den anderen Krankengeldtarif wechselten. Mit einem erstmaligen Wechsel in den Wahltarif KGS 22 entstehe der Krankengeldanspruch ab dem 22. Tag der Arbeitsunfähigkeit, und zwar unabhängig von Zeitpunkt des Eintritts der Krankheit.

Mit Bescheid vom 11. August 2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Anlässlich der Arbeitsunfähigkeit ab 20. September 2008 bestehe kein Anspruch auf Krankengeld. Maßgeblich für die Beurteilung des Krankengeldanspruches sei nämlich der Moment des Beginns der Arbeitsunfähigkeit. Zu Beginn der Arbeitsunfähigkeit sei die Klägerin aber in der Klasse 805 ohne Anspruch auf Krankengeld versichert gewesen, so dass keine Anspruchsgrundlage für die Zahlung von Krankengeld bestehe. Entscheidend sei, dass die Arbeitsunfähigkeit schon vor Wahl des Krankengeldtarifes eingetreten sei.

Mit der am 3. September 2009 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgebracht: Mit der Teilnahme am Wahltarif KGS 22 sei zum 1. Januar 2009 ein Anspruch auf Krankengeld entstanden. Eine Karenzzeit bestehe nicht. Unerheblich sei auch, dass die Arbeitsunfähigkeit noch im Jahre 2008 entstanden sei. Weder die Satzung noch die zugehörige Anlage zu § 23 e stünden dem geltend gemachten Anspruch entgegen. Zu einer Hinausschiebung des Anspruches auf Krankengeld komme es nur im Falle eines Wechsels des Krankengeldtarifes; ein solcher liege hier jedoch nicht vor.

Mit Urteil vom 27. Juli 2010 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin habe keinen Anspruch auf die Bewilligung von Krankengeld für die Zeit ab dem 1. Januar 2009. Für den Anspruch auf Krankengeld komme es entscheidend auf den Umfang des Krankenversicherungsschutzes im Moment des Versicherungsfalles an. Die seit dem 20. September 2008 durchgehend bestehende Arbeitsunfähigkeit der Klägerin stelle sich als einheitliches Krankheitsgeschehen und damit als einheitlicher Versicherungsfall dar, zu dessen Beginn eine Versicherung mit Anspruch auf Krankengeld unstreitig nicht bestanden habe. Nichts anderes ergebe sich daraus, dass im Falle der Klägerin kein Tarifwechsel vorgelegen habe, sondern die Teilnahme zu einem Krankengeldwahltarif aufgrund der geänderten Rechtslage erklärt worden sei. Denn dass es für die Begründung von Leistungsansprüchen auf die Art der Versicherung und nicht auf das Bestehen einer Versicherung an sich ankomme, unterstreiche § 48 Abs. 2 SGB V, wonach in einer neuen Rahmenfrist ein Krankengelanspruch wegen der bisherigen Krankheit nur entstehen könne, wenn der Versicherte aktuell mit Anspruch auf Krankengeld versichert sei. Etwas anderes liefe dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Neuregelung zuwider. Nach § 53 Abs. 6 SGB V in der Fassung des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung habe die Krankenkasse in ihrer Satzung für bestimmte Versichertengruppen Tarife mit erweiterten Krankengeldansprüchen anzubieten. Damit könnten unter anderem hauptberuflich selbständig Erwerbstätige über einen Krankengeldwahltarif das Risiko des krankheitsbedingten Einkommensausfalls absichern. Hätte sich dieses Risiko zu Beginn des Krankengeldwahltarifs bereits realisiert, hier in Form seit 20. September 2008 durchgehend bestehender Arbeitsunfähigkeit der Klägerin, widerspräche es dem Versicherungsprinzip, wenn hierfür bereits ein entsprechender Versicherungsschutz bestünde. Maßgeblich sei der Gedanke der Einheit des Versicherungsfalles, nachdem sich die rechtlichen Verhältnisse bei einer fortlaufenden Krankheit stets nach dem Versichertenstatus richteten, der bei Ausbruch der Krankheit bestanden habe.

Gegen das ihr am 5. August 2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 23. August 2010 Berufung eingelegt, zu deren Begründung sie im Wesentlichen anführt: Mit der gesetzlichen Neuregelung und der Teilnahme am Wahltarif KGS 22 ab dem 1. Januar 2009 sei ein Anspruch auf Krankengeld entstanden. Die vom Sozialgericht vertretene Rechtsauffassung stehe im Widerspruch zu § 23 Abs. 4 der Satzung der Beklagten, wonach eine Karenzzeit nur im Falle des Wechsels des Krankengeldtarifs greife. Ein Ausschluss des Krankengeldanspruchs ergebe sich weder aus dem Gesetz noch aus der Satzung der Beklagten. Unklarheiten und fehlende Übergangsbestimmungen gingen zu Lasten der Beklagten. Andere Satzungen, etwa die der Novitas BKK, enthielten insoweit eindeutigere Regelungen. Der gesetzgeberische Wille habe eindeutig darin bestanden, einen gesetzlich begründeten Krankengeldanspruch für hauptberuflich selbständig Erwerbstätige einzurichten. Dem entspreche ein Krankengeldanspruch unmittelbar ab dem 1. Januar 2009.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. Juli 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 22. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. August 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Krankengeld für den Zeitraum 1. Januar 2009 bis 19. März 2010 in Höhe von 9.219,00 Euro zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfange begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf Zahlung von Krankengeld für den Zeitraum 3. Februar 2009 bis 17. August 2009 in Höhe von 21,- Euro täglich (193 Leistungstage); außerdem hat sie Anspruch auf Zahlung von Krankengeld in Höhe von 5,29 Euro täglich für die Zeiträume 9. September 2009 bis 2. November 2009 und 25. November 2009 bis 19. März 2010 (169 Leistungstage).

1. Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte u.a. Anspruch auf Krankengeld, wenn Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Der Maßstab für die Arbeitsunfähigkeit ergibt sich allein aus dem Umfang des Versicherungsschutzes im jeweils konkret bestehenden Versicherungsverhältnis (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 22. März 2005, B 1 KR 22/04 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 12).

Bis zum 31. Dezember 2008 hatte die Klägerin keinen Anspruch auf Krankengeld; ein solcher wird auch nicht geltend gemacht. Denn bis dahin war sie als hauptberuflich Selbständige bei der Beklagten in der Beitragsklasse 805 ohne Anspruch auf Krankengeld krankenversichert; die Satzung der Beklagten sah für freiwillig Versicherte in dieser Beitragsklasse keinen Anspruch auf Krankengeld vor (vgl. § 44 Abs. 2 SGB V in der bis zum 31. Dezember 2008 geltenden Fassung).

Auch nach § 44 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB V in der ab 1. Januar 2009 geltenden Fassung hatten hauptberuflich selbstständig Erwerbstätige grundsätzlich keinen Anspruch auf Krankengeld. Nach § 44 Abs. 2 Satz 2 SGB V blieb für diese Gruppe der Versicherten allerdings § 53 Abs. 6 SGB V unberührt. Nach dieser durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG, BGBl. I 2007, S. 378) ebenfalls mit Wirkung vom 1. Januar 2009 eingeführten Vorschrift hat die Krankenkasse (u.a.) ihren hauptberuflich selbstständig erwerbstätigen Versicherten Tarife anzubieten, die einen Anspruch auf Krankengeld entstehen lassen.

Hiervon machte die Klägerin Gebrauch, indem Sie noch im Dezember 2008 einen Krankengeldtarif mit Anspruch auf Krankengeld ab dem 22. Tag der Arbeitsunfähigkeit mit Wirkung vom 1. Januar 2009 wählte.

2. Aus diesem konkret und unstreitig bestehenden Versicherungsverhältnis hat die Klägerin Anspruch auf Zahlung von Krankengeld für die Zeit ab 3. Februar 2009.

Unstreitig und durch ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen in den Akten belegt war die Klägerin während des gesamten streitigen Zeitraums – mit Ausnahme der Tage 18. August 2009 und 3. November 2009 – arbeitsunfähig im Sinne von § 44 Abs. 1 SGB V. Dass die zugrunde liegende Erkrankung schon seit September 2008 bestand und Arbeitsunfähigkeit seit dem 20. September 2008 bescheinigt war, ändert nichts daran, dass der Wahltarif ab 1. Januar 2009 wirksam war und das Versicherungsverhältnis ab diesem Zeitpunkt einen Krankengeldanspruch vorsah. Aus der Satzung der Beklagten ergibt sich insoweit nichts Gegenteiliges, insbesondere auch keine "Karenzzeit" (hierzu unten a). Damit bleibt es bei dem Grundsatz, dass die Voraussetzungen eines Krankengeldanspruchs für jeden Bewilligungsabschnitt erneut und aktuell festzustellen sind, wobei im Falle der Klägerin maßgebliche Bedeutung der ersten ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nach dem 1. Januar 2009 zukommt, nämlich derjenigen vom 12. Januar 2009; hier liegt der entscheidende Beurteilungszeitpunkt (unten b).

a) Die mit Wirkung vom 1. Januar 2009 geltende Satzung der Beklagten – hier insbesondere § 23 e nebst Anlage – enthält keine Aussage für die Beurteilung der hier zu beurteilenden Rechtsfrage, ob eine schon vor dem 1. Januar 2009 bestehende Arbeitsunfähigkeit die Gewährung von Krankengeld nach dem 1. Januar 2009 hindert. Insbesondere regelt § 23 e Abs. 4 der Satzung nur den Fall des Wechsels "in einen anderen Krankengeldtarif" mit der Folge höheren Krankengelds erst nach viermonatiger Laufzeit des neuen Tarifs. Die Anlage zu § 23 e der Satzung enthält ebenfalls keine Aussage zum Beginn des Krankengeldanspruchs. Nichts anderes folgt auch aus dem der Klägerin ausgehändigten "Merkblatt zum Krankengeldtarif für Selbständige", dessen Rechtsqualität und Verbindlichkeit im Übrigen fraglich ist, soweit es Regelungen enthält, die über die satzungsmäßig getroffenen Bestimmungen hinaus gehen. Eine Karenzzeit von vier Monaten soll danach nur gelten, wenn der Versicherte den Krankengeldtarif erst nach dem 1. Januar 2009 wählt; umgekehrt gibt es keine Karenzzeit für Versicherte, die – wie die Klägerin – den Krankengeldtarif vor dem 1. Januar 2009 "gewählt", also vertraglich vereinbart haben ("Bei der Wahl des Tarifes mit Wirkung ab 01.01.2009 und bei Erkrankungen, die auf einen Unfall zurückzuführen sind, erfolgt kein Ansatz der Karenzzeit.").

b) Zur Überzeugung des Senats kann die Beklagte nicht verlangen, dass das bei Beginn der Arbeitsunfähigkeit im September 2008 konkret bestehende Versicherungsverhältnis und der sich daraus für den (seinerzeit nicht bestehenden) Krankengeldanspruch bestehende Beurteilungsmaßstab unverändert auch für Krankheitszeiten über den 1. Januar 2009 hinaus maßgebliche rechtliche Auswirkungen haben. Die Beklagte hängt insoweit der nicht mehr tragfähigen Idee der "Einheit des Versicherungsfalles" an (vgl. hierzu und zum Folgenden: Bundessozialgericht, Urteil vom 22. März 2005, B 1 KR 22/04 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 23-31 sowie Brandts in Kasseler Kommentar, Rdnr. 6-9 zu § 44 SGB V ["maßgeblicher Zeitpunkt"]).

Allerdings wurde unter der Geltung der Reichsversicherungsordnung unter Berufung auf den – gesetzlich nicht geregelten – "Grundsatz der Einheit des Versicherungsfalles" die Ansicht vertreten, dass die Behandlungsbedürftigkeit und die Arbeitsunfähigkeit nur verschiedene Erscheinungsformen des "einheitlichen Versicherungsfalles Krankheit" seien (vgl. nur Bundessozialgericht, Urteil vom 25. Mai 1966, 3 RK 8/63, zitiert nach juris, dort Rdnr. 14-16). Daher seien alle aus dem Versicherungsfall der Krankheit entstehenden Ansprüche ihrem Rechtsgrund nach auf den Eintritt der Erkrankung im Sinne eines eine Heilbehandlung erfordernden Zustandes zurückbezogen. Es sei für alle sich aus dem Versicherungsfall ergebenden Ansprüche genügend, aber auch erforderlich, dass der Versicherungsfall während eines Versicherungsverhältnisses mit entsprechender Anspruchsberechtigung eingetreten sei. Liege diese Grundvoraussetzung vor, seien die Entstehung und der Fortbestand der einzelnen auf dem gleichen Versicherungsverhältnis beruhenden Ansprüche von der Fortdauer der Mitgliedschaft unabhängig. So hatte der 3. Senat des Bundessozialgerichts speziell für das Krankengeld wiederholt vom "Prinzip der Einheit des Versicherungsfalles" Gebrauch gemacht (vgl. etwa Urteil vom 27. Februar 1984, 3 RK 8/83).

Der 1. Senat des Bundessozialgerichts hat indessen bereits in seinem Urteil vom 19. September 2002 klargestellt, dass diese Rechtsprechung seit dem 1. Januar 1989 durch das SGB V überholt ist, denn unter Geltung des SGB V wird der Umfang des Versicherungsfalles aus dem jeweils konkret bestehenden Versicherungsverhältnis abgeleitet (vgl. Urteil vom 19. September 2002, B 1 KR 11/02 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 36). Hieraus folgt für die abschnittsweise Gewährung von Krankengeld, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Anspruch auf Krankengeld nach jedem Bewilligungsabschnitt für jeden weiteren Leistungsabschnitt neu zu prüfen sind (so ausdrücklich Bundessozialgericht, Urteil vom 22. März 2005, B 1 KR 22/04 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 28).

Der Anspruch auf Krankengeld setzt nämlich grundsätzlich die vorherige ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit voraus (vgl. § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V). Einzelheiten zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit sind in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung (AU-Richtlinien) sowie im Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) geregelt. Nach § 31 BMV-Ä darf die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und ihrer voraussichtlichen Dauer sowie die Ausstellung der Bescheinigung nur auf Grund einer ärztlichen Untersuchung erfolgen. Nach den AU-Richtlinien soll die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit für Bezieher von Krankengeld auf der hierfür vorgesehenen "Bescheinigung für die Krankengeldzahlung" (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 1 AU-Richtlinien - in der Praxis auch als "Auszahlschein" bezeichnet) in der Regel nicht für einen mehr als sieben Tage zurückliegenden und nicht mehr als zwei Tage im Voraus liegenden Zeitraum erfolgen. Ist es auf Grund der Erkrankung oder eines besonderen Krankheitsverlaufs offensichtlich sachgerecht, können längere Zeiträume der Arbeitsunfähigkeit bescheinigt werden (vgl. § 6 Abs. 2 AU-Richtlinien). Demgemäß wird das Krankengeld in der Praxis jeweils auf Grund der vom Vertragsarzt ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung entsprechend der voraussichtlichen Arbeitsunfähigkeit abschnittsweise gezahlt. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist hierin regelmäßig die Entscheidung der Krankenkasse zu sehen, dass dem Versicherten ein Krankengeldanspruch für die laufende Zeit der vom Vertragsarzt bestätigten Arbeitsunfähigkeit zusteht, mithin ein entsprechender Verwaltungsakt über die zeitlich befristete Bewilligung von Krankengeld. Hat der Arzt dem Versicherten für eine bestimmte Zeit Arbeitsunfähigkeit attestiert und gewährt die Krankenkasse auf Grund einer solchen Bescheinigung Krankengeld, kann der Versicherte davon ausgehen, dass er für diese Zeit Anspruch auf Krankengeld hat, soweit die Kasse ihm gegenüber nichts anderes zum Ausdruck bringt (vgl. u.a. Urteil vom 13. Juli 2004, B 1 KR 39/02 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 18 ff.).

Hieraus folgt auch, dass mit der Bewilligung von Krankengeld zugleich über das – vorläufige – Ende der Krankengeld-Bezugszeit entschieden wird. Wenn der Versicherte keine weiteren Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen beibringt, endet der Anspruch auf Krankengeld mit Ablauf des zuletzt bescheinigten Arbeitsunfähigkeitszeitraums; eines Entziehungsbescheides nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) bedarf es nicht.

Wird demgemäß das Krankengeld grundsätzlich abschnittsweise gewährt, ist das Vorliegen der leistungsrechtlichen Voraussetzungen für das Krankengeld für jeden einzelnen Bewilligungsabschnitt neu zu prüfen. Erst wenn nach gegebenenfalls vorausgegangener Krankengeld-Gewährung eine erneute ärztliche Bescheinigung (vgl. § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V) vorgelegt wird, besteht für die Krankenkasse überhaupt Anlass, die weiteren rechtlichen Voraussetzungen des Krankengeld-Anspruchs und damit eines neuen Leistungsfalles zu prüfen. Dabei ist grundsätzlich der Versicherungsschutz maßgebend, der zum Zeitpunkt der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit besteht ("Zeitpunkt der Anspruchsentstehung", so ausdrücklich Bundessozialgericht, Urteil vom 22. März 2005, B 1 KR 22/04 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 31 sowie Urteil vom 19. September 2002, B 1 KR 11/02 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 36).

Hieran gemessen gilt für den Fall der Klägerin Folgendes: Bei Feststellung der Arbeitsunfähigkeit am 22. Dezember 2008 ("voraussichtlich arbeitsunfähig bis 12.01.09") umfasste ihr Versicherungsschutz keinen Anspruch auf Krankengeldzahlung. Geändert hatte sich dies mit dem nächsten (und ersten) "Bewilligungsabschnitt", der in Gang gesetzt wurde durch die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 12. Januar 2009, auf die nahtlos weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bis zum 17. August 2009 folgten: Nun bestand grundsätzlich Versicherungsschutz, der – ohne "Karenzzeit" – einen Anspruch auf Krankengeld umfasste. Dies allerdings aufgrund des gewählten Tarifs erst "ab dem 22. Tag der Arbeitsunfähigkeit", hier also ab dem 3. Februar 2009.

3. Dieser Anspruch auf Krankengeld erstreckt sich über den 31. Juli 2009 hinaus, zunächst bis zum 17. August 2009.

Zwar sah sich der Gesetzgeber schon wenige Monate nach Einführung von § 53 Abs. 6 SGB V zum 1. Januar 2009 erneut veranlasst, die Vorschrift zu ändern, weil die für den Krankengeld-Wahltarif zu zahlende Prämie, deren Höhe sich am Umfang der Leistungserweiterung orientierte, zu unverhältnismäßigen Belastungen insbesondere bei älteren Versicherten führen konnte. Mit Wirkung vom 1. August 2009 wurde § 53 Abs. 6 SGB V dahin ergänzt, dass die Höhe der Prämienzahlung nun unabhängig von Alter, Geschlecht oder Krankheitsrisiko des Mitglieds festzulegen war. Dementsprechend bestimmte der ebenfalls mit Wirkung vom 1. August 2009 eingeführte § 319 Abs. 1 SGB V, dass Wahltarife, die auf der Grundlage der bis zum 31. Juli 2009 geltenden Fassung des § 53 Abs. 6 abgeschlossen waren, zu diesem Zeitpunkt endeten (vgl. zur Gesetzgebungsgeschichte Brandts in Kasseler Kommentar, Rdnr. 64 f. zu § 44 SGB V).

Hiermit war für die Klägerin aber nicht etwa ein Ende des Anspruchs auf Krankengeld zum 31. Juli 2009 verbunden. Für Übergangsfälle regelt § 319 Abs. 2 SGB V nämlich, dass Versicherte, die – wie die Klägerin – am 31. Juli 2009 Leistungen aus einem Wahltarif nach § 53 Abs. 6 SGB V bezogen haben (oder, was zu ergänzen ist, beanspruchen durften), Anspruch auf Leistungen nach Maßgabe des Wahltarifs bis zum Ende der Arbeitsunfähigkeit haben, die den Leistungsanspruch ausgelöst hat, hier also bis zum 17. August 2009, dem letzten Tag der seit dem 1. Januar 2009 durchgängig ärztlich bescheinigten Arbeitsunfähigkeit.

4. Für die Tage 18. August 2009 bis 8. September 2009 hat die Klägerin dagegen keinen Anspruch auf Krankengeld. Bescheinigt war Arbeitsunfähigkeit bis zum 17. August 2009. Erst am 18. August 2009 wurde die Folgebescheinigung ausgestellt. Nach § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V entsteht aber der Anspruch auf Krankengeld von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt, hier also ab dem 19. August 2009 (vgl. zu § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V: Bundessozialgericht, Urteil vom 26. Juni 2007, B 1 KR 37/06 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 12). Der 18. August 2009 stellt damit eine eintägige Lücke dar, in der kein Anspruch auf Krankengeld bestand und die zugleich die Inanspruchnahme der Übergangsregelung in § 319 Abs. 2 SGB V beendete.

Weil ab dem 19. August 2009 wieder fortlaufend Arbeitsunfähigkeit bescheinigt war, hatte die Klägerin einen Anspruch auf Krankengeld ab dem 22. Tag der Arbeitsunfähigkeit, dem 9. September 2009, und zwar – entsprechend obigen Ausführungen – auf der Grundlage desjenigen Versicherungsschutzes, der in jenem Moment bestand. Dies war aber nur noch ein Krankengeldanspruch in Höhe von 5,29 Euro täglich, weil nunmehr das tatsächlich bezogene Einkommen in Höhe von 226,92 Euro monatlich für die Bemessung der Höhe des Krankengeldes heranzuziehen war ([226,92: 30] x 0,7).

5. Dieser Bewilligungszeitraum endete wiederum mit Ablauf des 2. November 2009, denn es kam für den 3. November 2009 erneut zu einer Lücke in der Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit. Erst ab dem 4. November war erneut lückenlos Arbeitsunfähigkeit bescheinigt, nunmehr fortlaufend und lückenlos bis zum 19. März 2010. Unter Berücksichtigung der 21-tägigen Wartezeit bestand Anspruch auf Zahlung von Krankengeld ab dem 25. November 2009 bis einschließlich 19. März 2010.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGB V und berücksichtigt das Ergebnis in der Hauptsache. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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