L 5 KR 64/13 B

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Schleswig (SHS)
Aktenzeichen
S 26 KR 6/13 ER
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 64/13 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Bei der Bewilligung von Krankengeld durch die Krankenkasse handelt es sich grundsätzlich nicht um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Der vom Bundesversicherungsamt in einem Rundschreiben an die bundesunmittelbaren gesetzlichen Krankenkassen vom 12. 10. 2010 geäußerten gegenteiligen Rechtsansicht tritt der Senat nicht bei und folgt insoweit der Rechtsprechung des Bayerischen Landessozialgericht (vom 17. 6. 2011 - L 4 KR 76/11 B ER), wonach Krankengeld regelmäßig abschnittsweise gewährt und das Vorliegen der Voraussetzungen für jeden weiteren Bewilligungsabschnitt neu geprüft wird.
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Schleswig vom 13. März 2013 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten. &8195;

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Zahlung von Krankengeld ab 14. Februar 2013.

Die 1968 Antragstellerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Sie steht in einem ungekündigten Beschäftigungsverhältnis bei der Diakonie in K als Pflegefachkraft in der stationären Altenpflege. Nach der Geburt ihres Sohnes war sie dort wegen Mutterschutz, Elternzeit und Krankheit seit 2009 nicht mehr beschäftigt. Eine Wiederaufnahme der Beschäftigung war nach Ablauf der Elternzeit am 13. Oktober 2012 geplant. Am 10. Oktober 2012 bescheinigte die Hausärztin S W der Antragstellerin Arbeitsunfähigkeit wegen einer Bronchitis bis 8. November 2012 und ab 9. No¬vember 2012 fortlaufend wegen depressiver Episode (F 32.9). Der Arbeitgeber leistete bis 23. November 2012 Entgeltfortzahlung, anschließend erbrachte die Antragsgegnerin Krankengeldzahlungen in Höhe von 38,26 EUR netto kalendertäglich.

Am 23. November 2012 erhielt die Antragsgegnerin von der Ärztin W auf dem entsprechenden Formularbogen die Auskunft, dass der Zeitpunkt des Wiedereintritts der Arbeitsfähigkeit nicht absehbar und innerbetrieblicher Arbeitsplatzwechsel angezeigt sei. Die Frage, ob es bei der Überwindung der Arbeitsunfähigkeit andere Probleme gebe, war mit "ja (alleinerziehende Mutter in Kombination mit unflexiblem Arbeitgeber)" angekreuzt. Mit Bescheid vom 4. Dezember 2012 stellte die Antragsgegnerin die Krankengeldzahlung zum 7. Dezember 2012 ein. Der MDK habe festgestellt, dass keine medizinischen Befunde die Arbeitsunfähigkeit begründeten, sondern vorrangig Arbeitsplatzprobleme vorlägen. Unter dem 7. Dezember 2012 attestierte die Ärztin W der Antragstellerin eine akute reaktive Depression. Die Depression bestehe schon seit Jahren und sei lange Zeit sehr gut kontrollierbar gewesen. Durch die erheblichen Konflikte am Arbeitsplatz sei sie reaktiviert und habe mittlerweile eine erhebliche Eigendynamik entwickelt. Die Antragstellerin sei nicht in der Lage, beruflich tätig zu werden, zumal sie als gerontopsychiatrische Fachkraft täglich mit emotionalen belastenden Situationen konfrontiert würde. Die Antragstellerin erhob Widerspruch. Nachdem der MDK für eine weitere Einschätzung eine persönliche Untersuchung für erforderlich hielt, teilte die Antragsgegnerin mit Abhilfebescheid vom 17. Dezember 2012 der Antragstellerin mit, dass bis auf Weiteres Krankengeld gewährt werde. Anbei erhalte die Antragstellerin einen Zahlschein, den der Arzt bitte ausfüllen möge. Nach Einreichung werde eine entsprechende Überweisung vorgenommen. Außerdem wies die Antragsgegnerin auf die beabsichtigte Untersuchung durch den MDK hin.

Nach der entsprechenden Untersuchung kam der MDK am 6. Februar 2013 durch den Gutachter Dr. T zu dem Ergebnis, dass aus medizinischer Sicht keine weitere Arbeitsunfähigkeit bestehe. Bei der Anamnese heißt es u. a.: "Eine fachärztlich psychiatrische oder psychotherapeutische Mitbehandlung erfolgt nicht. Eine antidepressive Therapie sei von der Hausärztin eingeleitet worden, die Namen der Medikamente seien der Versicherten jedoch nicht erinnerlich. Nach Angaben der Versicherten stehe jedoch eine chronische Erkältungskrankheit weiterhin im Vordergrund, sie habe häufig Schnupfen, Luftnot und Fieber. Sie halte sich aufgrund dessen derzeit für noch nicht wieder arbeitsfähig". Unter Hinweis auf dieses Gutachten stellte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 8. Februar 2013 die Zahlung von Krankengeld am 13. Februar 2013 ein. Hiergegen legte die Antragstellerin Widerspruch ein. Die Begutachtung habe exakt 12 Minuten gedauert. Es sei anzuzweifeln, ob innerhalb einer solchen Zeit ein qualifiziertes Gutachten erstellt werden könne. Außerdem handele es sich bei dem begutachtenden Arzt um einen Chirurgen. Diverse Terminangaben in dem Gutachten seien falsch. Außerdem habe sie die Frage nach dem GdB nicht verneint. Vielmehr habe das Landesamt für soziale Dienste einen GdB von 60 u. a. wegen der Funktionsstörungen "Depressionen, Restless-Leg-Syndrom" zuerkannt.

Am 21. Februar 2013 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Kiel beantragt,

1. im Wege einer einstweiligen Anordnung gemäß § 86 Abs. 1 SGG i. V. m. § 86 Abs. 2 die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 11. Februar 2013 gegen den Bescheid der Beklagten vom 8. Februar 2013 anzuordnen und die Beklagte zu verpflichten, die Arbeitsunfähigkeit auch über den 13. Februar 2013 anzuerkennen und vorläufig Krankengeldzahlungen zu leisten, 2. die Entscheidung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes als Eilentscheidung zu beschließen.

Ergänzend zum bisherigen Vorbringen hat sie vorgetragen, sie habe nicht die Chro-nifizierung einer Erkältungskrankheit als Arbeitsunfähigkeitsbegründung angegeben. Gerade bei psychischen Krankheiten sei die Befragung und Untersuchung des Patienten zur Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit unerlässlich. Die vorliegende Stellungnahme des MDK erfülle diese Form nicht. Trotz aller Bemühungen sei es ihr bisher nicht gelungen, einen kurzfristigen Termin für eine Therapie bei einem ortsansässigen Psychotherapeuten zu erhalten.

Die Antragsgegnerin hat erwidert, das Krankengeld werde abschnittsweise gewährt. Zuletzt sei der Antragstellerin aufgrund der Bescheinigung vom 6. Februar 2013 statt 26. Februar (dabei habe es sich offensichtlich um einen Tippfehler gehandelt) Krankengeld bis zum 13. Februar 2013 gezahlt worden. Der eingelegte Widerspruch habe daher keine aufschiebende Wirkung. Dr. T habe ergänzend darauf hingewiesen, dass seelische Beschwerden, die eine Arbeitsunfähigkeit begründen könnten, von der Antragstellerin auf explizite Nachfrage auch verneint worden seien. Sie habe die Erkältungsbeschwerden vordergründig als arbeitsunfähigkeitsbegründend angegeben. Auch seien entsprechende seelische Funktionsstörungen im Rahmen der Untersuchung nicht nachweisbar gewesen.

Das Sozialgericht Kiel hat sich mit Beschluss vom 21. Februar 2013 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Schleswig verwiesen. Dieses hat mit Beschluss vom 13. März 2013 den Antrag abgelehnt und zur Begründung ausgeführt: Für die begehrte einstweilige Anordnung fehle es teilweise an einem Anordnungsgrund und für die gesamte Zeit an einem Anordnungsanspruch. Der Anordnungsgrund fehle für die Zeit vom 14. Februar bis zur Antragstellung beim Gericht, da nur gegenwärtige Notlagen grundsätzlich eine Eilbedürftigkeit bewirkten. Hinsichtlich des Anordnungsanspruchs fehle es an der Glaubhaftmachung der für die Krankengeldzahlung notwendigen Arbeitsunfähigkeit. Das folge aus dem Gutachten von Dr. T , das im Einklang stehe mit den Angaben anlässlich eines am 13. No-vember 2012 geführten Gesprächs der Antragstellerin mit der Mitarbeiterin der Antragsgegnerin Sa. Auch hier habe die Antragstellerin angegeben, dass sich die Arbeitsunfähigkeit auf eine Bronchitis gründe, eine psychische Erkrankung habe sie eigenanamnestisch nicht erwähnt. Auch habe das Gericht aufgrund der schrift¬sätzlich äußerst bestimmt auftretenden Antragstellerin nicht den Eindruck einer schwerwiegend depressiv erkrankten Person gewonnen, zumal eine fachspezifische Behandlung offenbar weder durchgeführt noch auch nur eingeleitet worden sei. Die Aussage, sie habe keinen Termin bei einem Psychotherapeuten erhalten können, reiche zur Glaubhaftmachung nicht aus. Angesichts des schon seit längerer Zeit bestehenden Krankheitsbildes wäre ein nachdrückliches, nachvollziehbares Nachsuchen nach therapeutischer Behandlung zu erwarten gewesen. Bei dem GdB von 60 sei die seelische Störung mit einem eher geringen Einzel-GdB von 20 bewertet worden.

Die Antragstellerin hat gegen den ihr am 15. März 2013 zugestellten Beschluss am 10. April 2013 beim Sozialgericht Schleswig Beschwerde eingelegt und diese ergänzend damit begründet, sie sei sehr wohl aufgrund ihrer Ausbildung als gerontopsychiatrische Fachkraft in der Lage, Depressionen von Bronchitis zu unterscheiden. Sie habe mehrfach darauf hingewiesen, dass es nicht zutreffe, dass sie eine psychiatrische Erkrankung gegenüber Dr. T nicht erwähnt habe. Sie spreche dem Gericht die Fähigkeit ab, selbstständig das Ausmaß ihrer Krankheit beurteilen zu können. Außerdem habe das Gericht die gutachterliche Aussage ihrer Hausärztin nicht hinreichend gewürdigt. Zudem habe sie keine einstweilige Anordnung beantragt, sondern die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 86 Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 86 Abs. 2 SGG. Derzeit verfüge sie nicht über weitere Einkünfte, weil über ihren Antrag auf Zahlung von Arbeitslosengeld noch kein Bescheid ergangen sei.

Die Antragsgegnerin sieht weiterhin Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch als nicht hinreichend glaubhaft gemacht an.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig aber unbegründet.

Maßgebend für die gerichtliche Eilentscheidung im vorläufigen Rechtsschutz sind die §§ 86a und b SGG. Während die aufschiebende Wirkung gemäß §§ 86a und 86b Abs. 1 SGG vorläufigen Rechtsschutz bei Eingriff in bestehende Rechtspositionen gewährt, greift die einstweilige Anordnung im Wesentlichen bei Vornahmesachen ein, die durch Verpflichtungs- und sonstige Leistungsklagen gerichtlich geltend gemacht werden. Eine Abgrenzung dieser beiden Vorgehensweisen ist erforderlich, wie insbesondere § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG zeigt, wonach nur dann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung treffen kann, soweit ein Fall des Abs. 1 nicht vorliegt. Davon geht das Sozialgericht in dem angefochtenen Beschluss zutreffend aus. Allerdings ist die Antragstellerin offensichtlich gegenteiliger Auffassung, wenn sie auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs abstellt. Die damit verbundene Bezugnahme auf die Vorschriften des § 86 Abs. 1 und § 86 Abs. 2 SGG ist dabei offensichtlich ein Versehen, da § 86 SGG ohnehin nur einen Absatz hat und sich inhaltlich nicht auf einstweiligen Rechtsschutz bezieht.

Ob die Antragstellerin den von ihr begehrten Rechtsschutz auf Weiterzahlung des Krankengeldes mit der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs begründen kann, hängt davon ab, ob es sich bei der Bewilligung von Krankengeld, zuletzt geschehen durch den Abhilfebescheid vom 17. De¬zember 2012, um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung handelt, der nur nach § 48 SGB X aufgehoben werden könnte und bei dem eine aufschiebende Wirkung des Widerspruchs bis zur Erhebung einer Anfechtungsklage, d. h. zumindest bis zum Ablauf von einem Monat nach Zustellung des Widerspruchs, besteht. Dieser Rechtsansicht, die vom Bundesversicherungsamt auch in einem Rundschreiben an die bundesunmittelbaren gesetzlichen Krankenkassen vom 12. Oktober 2010 geäußert wurde, tritt der Senat bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Überprüfung nicht bei und schließt sich insoweit der Rechtsprechung des Bayrischen Landessozialgerichts (17. Juni 2011 – L 4 KR 76/11 B ER) an, wonach diese Auffassung nicht in Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu bringen ist. Aufgrund der Regelungen über die Voraussetzungen des Anspruchs auf Krankengeld nach §§ 44 ff. SGB V hat das BSG nämlich in ständiger Rechtspre¬chung entschieden, dass das Krankengeld durch die Krankenkasse abschnittsweise gewährt wird und das Vorliegen der leistungsrechtlichen Voraussetzungen für jeden weiteren Bewilligungsabschnitt von dieser neu zu prüfen ist. Zutreffend weist das Bayrische Landessozialgericht auch darauf hin, dass gerade die neuere Rechtsprechung des BSG zur Schädlichkeit zeitlicher Lücken zwischen den ärztlichen Feststellungen der Arbeitsunfähigkeit (BSG vom 10. Mai 2012 – B 1 KR 19/11 R) diese Auffassung stützt.

Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist hier nicht ersichtlich. So hat die Antragsgegnerin in dem Abhilfebescheid vom 17. Dezember 2012 die Antragstellerin sogar ausdrücklich auf die Notwendigkeit der Vorlage eines vom Arzt ausgefüllten "Zahlscheines" hingewiesen. In diesem Zahlschein wurde die Antragstellerin darauf hingewiesen, dass dieser als Antrag auf Krankengeld diene und die Zahlung des Krankengeldes nur bei einem vollständigen Ausfüllen des Auszahlungsscheines erfolgen könne.

Die stattdessen statthafte Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG scheitert hier, worauf das Sozialgericht zutreffend hingewiesen hat, teilweise am fehlenden Anordnungsgrund und vollständig am Anordnungsanspruch. Denn die Antragstellerin hat das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung der Krankengeldzahlung (§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB V) nicht glaubhaft gemacht. Zu diesem Ergebnis kommt der Senat aufgrund folgender Überlegungen:

Wenngleich der Antragstellerin insoweit zuzustimmen ist, dass die Begutachtung seitens des MDK durch einen Chirurgen bei aufgrund der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bekannter psychiatrischer Diagnose nicht hilfreich ist, lässt sich aber im Gegenschluss daraus nicht herleiten, dass die Antragstellerin aufgrund psychiatrischer Erkrankung arbeitsunfähig ist. Auch ihre Hausärztin, die die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgestellt hat, ist nach den Fachgebietsbezeichnungen des Praxisverbundes Hüttener Berge keine Fachärztin auf diesem Gebiet. Zutreffend weist das Sozialgericht aber auf den Umstand von Bedeutung hin, dass die Antragstellerin zum einen auch gegenüber der Beschäftigten der Antragsgegnerin Sb Sa am 13. November 2012 als Diagnosen angegeben hat: "Bronchitis – konnte auf einmal (ohne Anzeichen einer Grippe) nicht mehr richtig atmen. Nimmt Asthma-Spray. Restless-Leg. Migräne". Psychiatrische Erkrankungen fanden insoweit keine Erwähnung. Hinzu kommt, dass die Antragstellerin trotz diagnostizierter psychiatrischer Erkrankung bereits Anfang November bisher weder eine fachspezifische Behandlung durchgeführt noch auch nur eingeleitet hat. In Übereinstimmung mit dem Sozialgericht sieht der Senat es für die Glaubhaftmachung nicht als ausreichend an, zu behaupten, sie habe keinen Termin bei einem Psychotherapeuten erhalten können. Das Vorbringen der Antragstellerin enthält keinerlei konkrete und damit nachprüfbare Auswirkungen hinsichtlich ihres Bemühens.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG analog.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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