L 7 KA 106/12 KL ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 7 KA 106/12 KL ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Weder der Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA), ein Verfahren der sog. Bestandsmarkt-Nutzenbewertung nach § 35a Abs. 6 Satz 1 SGB V einzuleiten, noch seine Aufforderung an einen pharmazeutischen Unternehmer, im Falle des § 35a Abs. 6 Satz 3 SGB V ein Dossier einzureichen, stellen einen Verwaltungsakt dar.
2. Es spricht viel dafür, dass die Auskünfte, die der GBA im Rahmen seiner Beratungsaufgaben nach § 35a Abs. 7 SGB V, § 8 und 10 AM-NutzenVO erteilt, weitgehend verbindlich sind.
Die Anträge werden abgelehnt. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Rechtsstreits. Der Streitwert wird auf 337.500, - EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin vertreibt folgende Arzneimittel, deren Zulassungsinhaberin jeweils die Novartis Europharma Limited mit Sitz in Horsham (Vereinigtes Königreich) ist, unter eigenem Namen:

Arzneimittel Wirkstoff Anwendungsgebiet Galvus Vildagliptin "zur Behandlung von Diabetes mellitus Typ 2:

In einer oralen Zweifach-Kombinationstherapie mit - Metformin bei Patienten, deren Blutzucker trotz Monotherapie mit maximal verträglichen Dosen von Metformin unzureichend eingestellt ist, - einem Sulfonylharnstoff bei Patienten, deren Blutzucker trotz Monotherapie mit maximal verträglichen Dosen eines Sulfonylharnstoffs unzureichend eingestellt ist und bei denen Metformin wegen Kontraindikationen oder Unverträglichkeit ungeeignet ist, - einem Thiazolidindion bei Patienten mit ungenügender Blutzuckereinstellung, für die die Anwendung eines Thiazolidindions geeignet ist." (Fachinformation, Stand Januar 2011)

Eucreas Metformin/ Vildagliptin "Behandlung des Typ-2-Diabetes-mellitus bei Patienten [], deren Blutzucker trotz Monotherapie mit der maximal verträglichen Dosis von Metformin alleine unzureichend eingestellt ist oder die bereits mit einer Kombination aus Vildagliptin und Metformin in separaten Tabletten behandelt werden. (Fachinformation, Stand Januar 2011)

Jalra Vildagliptin "Behandlung von Diabetes mellitus Typ 2:

Als Monotherapie - bei Patienten, die durch Diät und Bewegung allein nicht ausreichend therapiert sind und für die Metformin aufgrund von Gegenanzeigen oder Unverträglichkeiten nicht geeignet ist.

In einer oralen Zweifach-Kombinationstherapie mit - Metformin bei Patienten, deren Blutzucker trotz Monotherapie mit maximal verträglichen Dosen von Metformin unzureichend eingestellt ist, - einem Sulfonylharnstoff bei Patienten, deren Blutzucker trotz Monotherapie mit maximal verträglichen Dosen eines Sulfonylharnstoffs unzureichend eingestellt ist und bei denen Metformin wegen Kontraindikationen oder Unverträglichkeit ungeeignet ist, - einem Thiazolidindion bei Patienten mit ungenügender Blutzuckereinstellung, für die die Anwendung eines Thiazolidindions geeignet ist.

In einer oralen Dreifach-Kombinationstherapie mit - einem Sulfonylharnstoff und Metformin, wenn Diät und Bewegung zusätzlich zu einer Zweifachtherapie mit diesen Arzneimitteln zu keiner adäquaten glykämischen Kontrolle führen.

Vildagliptin ist auch für die Anwendung in Kombination mit Insulin indiziert (mit oder ohne Metformin), wenn Diät und Bewegung zusätzlich zu einer stabilen Insulindosis zu keiner adäquaten glykämischen Kontrolle führen." (Fachinformation, Stand Oktober 2012)

Icandra Metformin/ Vildagliptin "Behandlung des Typ-2-Diabetes-mellitus bei Patienten], deren Blutzucker trotz Monotherapie mit der maximal verträglichen Dosis von Metformin alleine unzureichend eingestellt ist oder die bereits mit einer Kombination aus Vildagliptin und Metformin in separaten Tabletten behandelt werden. (Fachinformation, Stand Juni 2012)

Alle diese Arzneimittel wurden erstmalig vor dem 1. Januar 2011 durch die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) zugelassen.

Seinen Beschluss vom 7. Juni 2012 (veröffentlicht nur im Internet), eine Nutzenbewertung für die Wirkstoffe Sitagliptin, Vildagliptin und Saxagliptin sowie für die Wirkstoffkombinationen Metformin/Sitagliptin und Metformin/Vildagliptin zu veranlassen, begründete der Antragsgegner, der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA), damit, dass diese Wirkstoffe gemäß § 35a Abs. 6 Satz 2 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V) im Wettbewerb stünden mit dem Wirkstoff Linagliptin, für den er am 29. März 2012 einen Beschluss über die Nutzenbewertung gefasst habe (Tragende Gründe zum Beschluss vom 7. Juni 2012, veröffentlicht ebenfalls nur im Internet).

Die Antragstellerin informierte der Antragsgegner zunächst mit Schreiben vom 18. Juni 2012 von diesem Beschluss. Mit zwei weiteren Schreiben vom 27. September 2012 übersandte er der Antragstellerin den Beschluss, verbunden mit der Aufforderung, spätestens bis zum 31. Dezember 2012 Dossiers zur Nutzenbewertung für Vildagliptin einerseits und die Wirkstoffkombination Vildagliptin/Metformin andererseits vorzulegen. Eine Rechtsbehelfsbelehrung enthielten diese beiden Schreiben nicht.

Die Antragstellerin legte mit Schreiben vom 29. Oktober 2012 Widerspruch gegen den Beschluss vom 7. Juni 2012 ein, weil ein Wettbewerbsverhältnis mit Linagliptin nicht mehr bestehe, seit die pharmazeutischen Hersteller von ihrer sog. Opt-out-Option Gebrauch gemacht hätten. Daraufhin teilte der Antragsgegner mit, dass er den "Widerspruch" für nicht statthaft halte und ihn daher nicht förmlich bescheiden werde (Schreiben an die Antragstellerin vom 28. November 2012). Hiergegen richtet sich die am 5. Dezember 2012 erhobene Klage (Az.: L 7 KA 105/12 KL), mit der die Antragstellerin zur Prüfung stellen will, ob die Aufforderung des Antragsgegners zur Vorlage eines Dossiers zur Bestandsmarkt-Nutzenbewertung inhaltlich den Anforderungen des § 35a Abs. 6 Satz 2 SGB V entspreche.

Unabhängig hiervon hatte die Antragstellerin am 20. September 2012 von der EMA für das Arzneimittel Galvus eine sog. "positive opinion" für ein weiteres Anwendungsgebiet erhalten. Die Antragstellerin rechnet auf der Basis dieser "positive opinion" mit einer entsprechenden Zulassungserweiterung. Unter Berufung auf § 3 der Arzneimittel-Nutzenbewertungsverordnung (AM-NutzenVO) forderte der Antragsgegner die Antragstellerin mit Schreiben vom 11. Oktober 2012 (ohne Rechtsbehelfsbelehrung) auf, "rechtzeitig, d.h. innerhalb von 4 Wochen nach der Zulassung des neuen Anwendungsgebietes oder der Unterrichtung über eine Genehmigung für eine Änderung des Typs 2 nach Anhang 2 Nummer 2 Buchstabe a der Verordnung (EG) Nr. 1234/2008, ein vollständiges Dossier für das neue Anwendungsgebiet" einzureichen. Sofern "die Zulassung für das neue Anwendungsgebiet nach der Veranlassung und mindestens 4 Wochen vor Beginn des Bewertungsverfahrens für das Arzneimittel nach 5. Kapitel, § 16 VerfO des G-BA erteilt" werde, sei das Dossier für das neue Anwendungsgebiet "zusammen mit dem Dossier nach 5. Kapitel, § 16 der VerfO des G-BA einzureichen".

Auch in diesem Fall hielt der Antragsgegner den von der Antragstellerin mit Schreiben vom 12. November 2012 eingelegten Widerspruch für unstatthaft (Schreiben vom 11. und 12. Dezember 2012). Hiergegen richtet sich die Klage der Antragstellerin vom 12. Dezember 2012 (Az.: L 7 KA 112/12 KL).

Bereits am 5. Dezember 2012 hatte die Antragstellerin wegen beide Komplexe einstweiligen Rechtsschutz begehrt.

Sie beantragt zum einen,

1. festzustellen, dass ihre Klage vom 5. Dezember 2012 gegen den Beschluss des Antragsgegners vom 7. Juni 2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28. November 2012, hilfsweise der Widerspruch vom 29. Oktober 2012 gegen den Beschluss des Antragsgegners vom 7. Juni 2012, aufschiebende Wirkung hat.

Zur Begründung führt die Antragstellerin aus: Ihr Rechtsschutzinteresse beruhe auf der Vermeidung der Rechtsfolge von § 35a Abs. 1 Satz 5 SGB V. Lege sie das Dossier nicht bis zum 31. Dezember 2012 vor und erkenne der Antragsgegner deswegen keinen Zusatznutzen von Vildagliptin bzw. Metformin/Vildagliptin gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie an, könne sie mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen gemäß § 130b Abs. 3 Satz 1 SGB V keinen Erstattungsbetrag vereinbaren, der zu höheren Jahrestherapiekosten als die zweckmäßige Vergleichstherapie führe. Dies würde gegenüber dem aktuellen Preisniveau voraussichtlich eine Preisabsenkung von ca. 90 % bedeuten. Der Beschluss vom 7. Juni 2012 stelle einen Verwaltungsakt dar, der eigenständig anfechtbar sei. Es handele sich insoweit um ein eigenständiges Verwaltungsverfahren, das mit dem Beschluss gemäß Kapitel 5, § 15 VerfO G-BA seinen Abschluss in der Form des Verwaltungsaktes finde. Die rechtliche Situation liege parallel zum Verfahren der Freistellung nach § 35a Abs. 1a SGB V, Kapitel 5 § 15 VerfO G-BA: dort erlasse der Antragsgegner die Entscheidung über die Ablehnung einer beantragten Freistellung von der frühen Nutzenbewertung in Form eines mit Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Verwaltungsaktes. Statthafte Rechtsbehelfe gegen den Beschluss seien daher Widerspruch und Anfechtungsklage. Da § 35a Abs. 8 SGB V explizit die nicht gesondert mit Rechtsbehelfen angreifbaren Entscheidungen des Antragsgegners benenne, seien gegen seine anderen belastenden Verwaltungsakte im Rahmen von § 35a SGB V die regulären Rechtsbehelfe statthaft. Der Ausschluss von Rechtsmitteln stelle einen massiven Eingriff in das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz – GG) dar. Da die mit der Klage anfechtbare Schiedsstellen-Entscheidung erst 15 Monate nach dem Beginn der Nutzenbewertung ergehe (§ 35a Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 Satz 1, § 130b Abs. 4 SGB V) und die Klage keine aufschiebende Wirkung entfalte (§ 130b Abs. 4 Satz 5 SGB V), sei in Anbetracht der sozialgerichtlichen Verfahrensdauer Rechtsschutz realistisch nicht vor Ablauf von 4 bis 6 Jahren nach Beginn der Nutzenbewertung erreichbar. Effektiver Rechtsschutz komme dann zu spät, weil im Fall einer frühen Nutzenbewertung nach § 35a Abs. 1 SGB V dann bereits die Hälfte des über den Unterlagenschutz erreichten Konkurrenzschutzes eines patentgeschützten Arzneimittels verstrichen sei und im Fall einer Bestandsmarkt-Nutzenbewertung die betroffenen Arzneimittel dann bereits regelmäßig generischem Wettbewerb ausgesetzt seien. Zu berücksichtigen seien auch die immensen Kosten: während der Gesetzgeber offensichtlich davon ausgegangen sei, für ein Dossier entstünden insgesamt Kosten i.H.v. ca. 5.000.- EUR, habe sie – die Antragstellerin – allein für die Übersetzung der weltweit veröffentlichten Studien 550.000.- EUR aufwenden müssen. Im Übrigen müsse ein pharmazeutischer Unternehmer schon Monate vor der möglichen Einleitung einer Bestandsmarkt-Nutzenbewertung durch den Antragsgegner mit der Dossiererstellung beginnen, weil die Frist von 3 Monaten viel zu kurz bemessen sei. Im konkreten Fall sei – umgerechnet – die Arbeitskraft von 6 Mitarbeitern für ein ganzes Jahr gebunden worden.

Zum anderen beantragt die Antragstellerin,

2. festzustellen, dass ihre Klage vom 12. Dezember 2012 gegen den Beschluss des Antragsgegners vom 11. Oktober 2012 in der Fassung der Widerspruchsentscheidung von 11./12. Dezember 2012, hilfsweise ihr Widerspruch vom 12. November 2012 gegen den Beschluss des Antragsgegners vom 11. Oktober 2012, aufschiebende Wirkung hat.

Zur Begründung verweist die Antragstellerin auf die o.g. Erwägungen, die hier entsprechend gälten.

Der Antragsgegner beantragt sinngemäß,

die Anträge zurückzuweisen.

Er hält "den Antrag" für unzulässig, weil sich aus der Gesetzesbegründung zu § 35a Abs. 8 SGB V ergebe, dass alle Zwischenschritte im Verfahren der Nutzenbewertung nach § 35a SGB V nicht mit einer Klage gesondert angreifbar seien. Wenn der Gesetzgeber schon die isolierte Angreifbarkeit der Nutzenbewertung nach § 35a Abs. 2 SGB V habe ausschließen wollen und die pharmazeutischen Unternehmer in dieser Bewertung ihre eigentliche materielle Beschwer sähen, dann müsse der Rechtsbehelfsausschluss erst recht für alle Verfahrenshandlungen gelten, die auf eine Nutzenbewertung hinführten. Im Übrigen sei der Antrag auch unbegründet, weil die Antragstellerin keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht habe.

Zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes im Sinne von Art. 19 Abs. 4 GG hat der Senat mit Beschluss vom 20. Dezember 2012 im Wege der Zwischenverfügung die in den beiden Schreiben des Antragsgegners an die Antragstellerin vom 27. September 2012 genannte Frist zur Übermittlung eines Dossiers zur Nutzenbewertung nach § 35a Abs. 6 SGB V bis zum 31. März 2013 verlängert. Er hat ferner die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten am 30. Januar 2012 mündlich erörtert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakten L 7 KA 106/12 KL ER, L 7 KA 105/12 KL und L 7 KA 112/12 KL und der beigezogenen Verwaltungsakte des Antragsgegners, die dem Senat vorgelegen hat, Bezug genommen.

II.

Weder die Haupt- noch die Hilfsanträge haben Erfolg, da die angegriffenen Entscheidungen des Antragsgegners keine Verwaltungsakte darstellen, die im Wege von Widerspruch und/oder Anfechtungsklage überprüfbar wären.

1) Gemäß § 86a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Ist zweifelhaft, ob die aufschiebende Wirkung eingetreten ist, kann das Gericht auf Antrag feststellen, dass der Rechtsbehelf diese Wirkung hat (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 10.A., § 86b Rd. 15 m.w.N.). Da Widerspruch und Anfechtungsklage zwingend einen Verwaltungsakt voraussetzen (§ 78 Abs. 1 Satz i.V.m. § 83 SGG; § 54 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. SGG), kann keine aufschiebende Wirkung eintreten, wenn die angefochtene Entscheidung keinen Verwaltungsakt darstellt. Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft (§ 31 Sozialgesetzbuch/Zehntes Buch – SGB X).

2) Der Beschluss des Antragsgegners vom 7. Juni 2012 ist kein Verwaltungsakt.

a) Dagegen spricht zunächst, dass der Antragsgegner mit diesem Beschluss ein von ihm durchzuführendes Verfahren eingeleitet hat, welches auf seiner Ebene mit dem Erlass einer Norm endet, wie sich aus § 35a und § 130b SGB V, jeweils in der seit dem 26. Oktober 2012 geltenden Fassung, ergibt.

aa) Nach § 35a SGB V (in der Fassung des zum 1. Januar 2011 in Kraft getretenen Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung (Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz – AMNOG) vom 22. Dezember 2010) bewertet der GBA den Nutzen von erstattungsfähigen Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen. Hierzu gehört insbesondere die Bewertung des Zusatznutzens gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie, des Ausmaßes des Zusatznutzens und seiner therapeutischen Bedeutung (Abs. 1 Sätze 1 und 2). Auch für bereits zugelassene und im Verkehr befindliche Arzneimittel kann der GBA eine Nutzenbewertung veranlassen. Vorrangig sind Arzneimittel zu bewerten, die für die Versorgung von Bedeutung sind oder mit Arzneimitteln im Wettbewerb stehen, für die ein Beschluss nach Absatz 3 vorliegt (Abs. 6 Sätze 1 und 2). Bei Zulassung eines neuen Anwendungsgebiets für ein Arzneimittel, für das der GBA eine Nutzenbewertung nach Satz 1 in Auftrag gegeben hat, reicht der pharmazeutische Unternehmer ein Dossier nach Absatz 1 spätestens zum Zeitpunkt der Zulassung ein (Abs. 6 Satz 4). Die Nutzenbewertung erfolgt auf Grund von Nachweisen des pharmazeutischen Unternehmers, die er einschließlich aller von ihm durchgeführten oder in Auftrag gegebenen klinischen Prüfungen spätestens zum Zeitpunkt des erstmaligen Inverkehrbringens als auch der Zulassung neuer Anwendungsgebiete des Arzneimittels an den GBA elektronisch zu übermitteln hat, und die zahlreiche, gesetzlich näher bestimmte Angaben enthalten müssen (Abs. 1 Satz 3). Legt der pharmazeutische Unternehmer die erforderlichen Nachweise trotz Aufforderung durch den GBA nicht rechtzeitig oder nicht vollständig vor, gilt ein Zusatznutzen als nicht belegt (Abs. 1 Satz 5). Die (eingereichten) Nachweise prüft der GBA und entscheidet, ob er die Nutzenbewertung selbst durchführt oder hiermit das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen oder Dritte beauftragt. Die Nutzenbewertung ist spätestens innerhalb von drei Monaten nach dem nach Absatz 1 Satz 3 maßgeblichen Zeitpunkt für die Einreichung der Nachweise abzuschließen und im Internet zu veröffentlichen (Abs. 2 Sätze 1 und 3). Innerhalb von drei Monaten nach ihrer Veröffentlichung beschließt der GBA über die Nutzenbewertung. Mit dem Beschluss, der im Internet zu veröffentlichen ist und Teil der Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 SGB V (Arzneimittel-Richtlinie – AM-RL) ist, wird insbesondere der Zusatznutzen des Arzneimittels festgestellt (Abs. 3 Sätze 1, 3, 5 und 6). Wurde für ein Arzneimittel, das mit einem Festbetragsarzneimittel pharmakologisch-therapeutisch vergleichbar ist, keine therapeutische Verbesserung festgestellt, ist es in diesem Beschluss des GBA in die Festbetragsgruppe nach § 35 Absatz 1 SGB V mit pharmakologisch-therapeutisch vergleichbaren Arzneimitteln einzuordnen (Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 4). Für Arzneimittel, die in dem Beschluss keiner Festbetragsgruppe zugeordnet werden, vereinbaren der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit pharmazeutischen Unternehmern im Benehmen mit dem Verband der privaten Krankenversicherung auf der Grundlage des Beschlusses Erstattungsbeträge mit Wirkung für alle Krankenkassen (§ 130b Abs. 1 Satz 1 SGB V). Für ein Arzneimittel, das nach dem Beschluss des GBA über die Nutzenbewertung keinen Zusatznutzen hat und keiner Festbetragsgruppe zugeordnet werden kann, ist ein Erstattungsbetrag nach Absatz 1 zu vereinbaren, der nicht zu höheren Jahrestherapiekosten führt als die nach § 35a Absatz 1 Satz 7 SGB V bestimmte zweckmäßige Vergleichstherapie (§ 130b Abs. 3 SGB V). Kommt eine Vereinbarung nach § 130b Absätze 1 oder 3 SGB V nicht innerhalb von sechs Monaten nach Veröffentlichung des Beschlusses über die Nutzenbewertung zustande, setzt die hierfür zu bildende Schiedsstelle den Vertragsinhalt innerhalb von drei Monaten fest (§ 130b Abs. 4 Satz 1 SGB V).

bb) Somit ist das Verfahren, soweit es in den Händen des Antragsgegners liegt, gemäß § 35a Abs. 3 SGB V mit dem Beschluss über die Nutzenbewertung beendet. Da dieser Beschluss Teil der AM-RL wird und diese – wie § 91 Abs. 6 SGB V belegt – eine untergesetzliche Norm darstellt (ständige Rechtsprechung des BSG seit BSGE 78, 70 – Methadon-Richtlinie – und BSGE 81, 73 – immuno-augmentative Therapie), ist der Schlusspunkt des Nutzenbewertungsverfahrens nach § 35a SGB V eine Normsetzung. Dann aber stellen sich Beschlüsse des Antragsgegners, eine sog. Bestandsmarkt-Nutzenbewertung nach § 35a Abs. 6 Satz 1 SGB V zu veranlassen, als Einleitung des Normsetzungsverfahrens, nicht jedoch als Verwaltungsakt dar. Auch sonstige Entscheidungen eines untergesetzlichen Normgebers, von einer parlamentsgesetzlichen Ermächtigung Gebrauch zu machen und ein Normsetzungsverfahren in Gang zu setzen, wurden bislang – soweit ersichtlich – nicht als Verwaltungsakt qualifiziert. Dies gilt beispielsweise auch für den Planaufstellungsbeschluss nach § 2 Baugesetzbuch (BauGB): durch ihn wird das Verfahren zur verbindlichen Bauleitplanung eingeleitet, welches mit dem Erlass des als Satzung zu beschließenden Bebauungsplans endet (§ 10 BauGB).

b) Insbesondere aber wohnen weder dem Beschluss des Antragsgegners vom 7. Juni 2012 noch allgemein dessen Beschlüssen, eine Bestandsmarkt-Nutzenbewertung nach § 35a Abs. 6 Satz 1 SGB V zu veranlassen, eine Regelung i.S.v. § 31 Satz 1 SGB X inne. Entscheidendes Merkmal der "Regelung" ist, dass sie die Rechtsstellung einer Person ohne weiteren Umsetzungsakt berührt sowie einseitig und verbindlich einen Lebenssachverhalt gestaltet. Durch die Regelung muss ein subjektives Recht unmittelbar begründet, aufgehoben, beeinträchtigt, geändert, festgelegt oder verneint werden (BSGE 75, 97 - Neutralitätsausschuss; BSG SozR 3-2200 § 306 Nr. 2 - Begrüßungsschreiben einer Krankenkasse; jeweils m.w.N.). Der Beschluss des Beklagten vom 7. Juni 2012 wirkt nicht unmittelbar auf die Rechte der Antragstellerin ein.

aa) An einer unmittelbaren Wirkung fehlt es – entgegen der Auffassung der Antragstellerin – zunächst hinsichtlich der Obliegenheit, gemäß § 130b Absätze 1 oder 3 SGB V an der Vereinbarung eines Erstattungsbetrags mitzuwirken. Diesbezügliche Verhandlungen mit der Kassenseite setzen zwingend einen Beschluss des Antragsgegners über die Nutzenbewertung (§ 35a Abs. 3 SGB V) voraus. Beinhaltet dieser Beschluss die Zuordnung des bewerteten Arzneimittels zu einer Festbetragsgruppe (§ 35a Abs. 4 SGB V), ist ein Erstattungsbetrag noch nicht einmal zu vereinbaren.

bb) Aber auch zur Vorlage von Nachweisen i.S.v. § 35a Abs. 1 Satz 3 SGB V in Gestalt eines Dossiers verpflichtet ein Beschluss des Antragsgegners nach § 35a Abs. 6 Satz 1 SGB V keinen der betroffenen pharmazeutischen Unternehmer unmittelbar. Abweichend von den Bestimmungen zur sog. frühen Nutzenbewertung nach § 35a Abs. 1 Satz 3 SGB V, aus denen sich unmittelbar das Gebot zur Vorlage des Dossiers einschließlich des maßgeblichen Einreichungszeitpunkts ergibt, entsteht bei Bestandsmarkt-Nutzenbewertungen (§ 35a Abs. 6 Satz 1 SGB V) die Obliegenheit zur Dossierübermittlung nach § 3 Nr. 3 der auf der Grundlage von § 35a Abs. 1 Sätze 6 und 7 SGB V erlassenen AM-NutzenVO erst nach Anforderung durch den GBA (a.A. Beck scher Online-Kommentar Sozialrecht / von Dewitz § 35a SGB V, Rd. 43, ohne auf das Kriterium der Unmittelbarkeit einzugehen).

c) Da sich die Antragstellerin mit der Klage vom 5. Dezember 2012 (nur) gegen den Beschluss des Antragsgegners vom 7. Juni 2012 wendet, muss der Senat an dieser Stelle nicht entscheiden, ob in der Aufforderung zur Dossiereinreichung (Schreiben vom 27. September 2012) ein Verwaltungsakt zu sehen ist.

3) Auch das Schreiben des Antragsgegners vom 11. Oktober 2012 stellt keinen Verwaltungsakt dar.

a) Das gilt zunächst, soweit der Antragsgegner darin seine Entscheidung, ein Verfahren der Bestandsmarkt-Nutzenbewertung für das Arzneimittel Galvus aufgrund einer zu erwartenden Zulassungserweiterung einzuleiten, bekannt gibt. Auf die Ausführungen unter 2) wird verwiesen.

b) Aber auch die in diesem Schreiben enthaltene Aufforderung zur Einreichung eines Dossiers ist kein Verwaltungsakt i.S.v. § 31 Abs. 1 SGB X.

Dagegen spricht zwar nicht die fehlende Unmittelbarkeit zwischen der Aufforderung des Antragsgegners und dem Handelnmüssen der Antragstellerin. Allerdings begründet die Anordnung des Antragsgegners keine selbständige, ggf. mit den Mittel des Verwaltungszwangs durchsetzbare (Rechts-)Pflicht (wie z.B. eine auf § 3 Abs. 1 Satz 2 WehrpflG gestützte Aufforderung der Wehrverwaltung), sondern lediglich eine Obliegenheit. Deren Missachtung führt – ebenso wie bei der nicht befolgten straßenverkehrsrechtlichen Anordnung, sich medizinisch-psychologisch untersuchen zu lassen (hierzu BVerwGE 34, 248) – lediglich dazu, dass sie das Ergebnis einer später zu treffenden Entscheidung maßgeblich beeinflussen kann oder kraft gesetzlicher Anordnung (hier: Fiktion des fehlenden Zusatznutzens gemäß § 35a Abs. 1 Satz 5 SGB V) präjudiziert. Auch im übrigen Sozialrecht sind Aufforderungen zur Mitwirkung nur ausnahmsweise wegen der mit ihr verbundenen faktischen Wirkungen als Verwaltungsakt eingestuft worden. So wurden nur die Aufforderung der Bundesanstalt für Arbeit an einen Arbeitslosenhilfe-Empfänger, einen Rentenantrag zu stellen (BSGE 87, 31) oder die Aufforderung einer Krankenkasse an einen Krankengeldbezieher, einen Reha-Antrag zu stellen (BSGE 101, 86), als Verwaltungsakt gewertet, auf § 60ff. Sozialgesetzbuch/Erstes Buch (SGB I) gestützte reine Mitwirkungsverlangen hingegen nicht (BSG SozR 4100 § 132 Nr. 1). Die Aufforderung an einen Arbeitslosen zu Eigenbemühungen oder zur Vorlage bestimmter Nachweise wurden ebenso wie die Arbeits- und Weiterbildungsangebote eines Sozialleistungsträgers als bloße Vorbereitungshandlungen angesehen (BSGE 95, 176 m.w.N.). Einzelne Verfahrenshandlungen sind jedoch auch im sozialgerichtlichen Verfahren grundsätzlich nicht gesondert anfechtbar, was bislang aufgrund einer analogen Anwendung von § 44a Verwaltungsgerichtsordnung angenommen wurde (BSG SozR 4-2500 § 36 Nr. 1 m.w.N.) und künftig durch einen neu einzuführenden § 56a (Art. 7 Nr. 4 des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zur Neuorganisation der bundesunmittelbaren Unfallkassen, zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und zur Änderung anderer Gesetze (BUK-Neuorganisationsgesetz - BUK-NOG) vom 21. Dezember 2012, BR-Drs. 811/12) ausdrücklich im SGG verankert wird.

Die zuletzt genannten Entscheidungen betreffen zwar allesamt nur Verfahrenshandlungen oder Mitwirkungsverlangen, die innerhalb eines Verwaltungsverfahrens erfolgten. Es ist aber nach Auffassung des Senats nichts dafür ersichtlich, dass für Verfahrenshandlungen oder Mitwirkungsverlangen innerhalb eines untergesetzlichen Normsetzungsverfahrens etwas anderes gilt.

4) Angesichts dessen kommt es auf die Auslegung von § 35a Abs. 8 SGB V nicht mehr an. Nach dieser Vorschrift ist eine gesonderte Klage gegen die Nutzenbewertung nach Absatz 2, den Beschluss nach Absatz 3 und die Einbeziehung eines Arzneimittels in eine Festbetragsgruppe nach Absatz 4 unzulässig. § 35 Absatz 7 Satz 1 bis 3 SGB V gilt entsprechend.

a) Der Antragstellerseite ist allerdings zuzugeben, dass nach dem Wortlaut dieser Vorschrift eine Klage gegen die Einleitung eines Verfahrens nach § 35a Abs. 6 SGB V bzw. die Aufforderung, ein Dossier einzureichen, nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist. Auch ließe sich möglicherweise darüber streiten, ob § 35a Abs. 8 SGB V auch Bestandsmarkt-Nutzenbewertungen nach § 35a Abs. 6 SGB V erfasst. Unsicherheiten darüber, ob für diese Art der Nutzenbewertung die gleichen Regeln gelten wie für die sog. frühe Nutzenbewertung nach § 35a Absätze 1 bis 5 SGB V, sind insbesondere der unglücklichen Formulierung von § 35a Abs. 6 SGB V geschuldet. Auf den ersten Blick könnte nämlich der singuläre Verweis in § 35a Abs. 6 Satz 3 SGB V auf Abs. 5 dieser Vorschrift und somit nur auf eine der zahlreichen die frühe Nutzenbewertung betreffenden Regelungen den Umkehrschluss nahe legen, dass die Absätze 1 bis 4 auf Bestandsmarkt-Nutzenbewertungen gerade nicht anzuwenden seien. Sofern daher in der aktuellen politischen Diskussion (vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung, Online-Ausgabe vom 10. Februar 2013, Deutsches Ärzteblatt und Focus, jeweils Online-Ausgabe vom 12. Februar 2013) eine Klarstellung von § 35a SGB V erwogen wird, würde der Senat dies begrüßen. In diesem Zusammenhang könnte auch der derzeit bestehende Widerspruch zwischen § 35a Abs. 6 Satz 4 SGB V (Dossiereinreichung bei Zulassungserweiterung für ein Arzneimittel des Bestandsmarktes, für das der GBA eine Nutzenbewertung nach Satz 1 dieser Vorschrift in Auftrag gegeben hat) und § 4 Abs. 3 Nr. 2 AM-NutzenVO (Dossiereinreichung im gleichen Fall, wenn eine Nutzenbewertung nach Satz 1 durchgeführt wurde) und damit ein weiterer Streitpunkt zwischen pharmazeutischem Hersteller und GBA beseitigt werden.

b) Dahin stehen kann auch, ob angesichts der rechtlichen Konsequenzen, die einem pharmazeutischen Hersteller bei verspäteter oder unvollständiger Dossiereinreichung drohen, ausnahmsweise und in Abweichung von § 35a Abs. 8 Satz 1 SGB V der Beschluss des GBA über die Nutzenbewertung (§ 35a Abs. 3 Satz 1 SGB V) dann einer gerichtlichen Kontrolle unterzogen werden könnte, wenn er sich als willkürlicher und deshalb unverhältnismäßiger Eingriff in die durch Art. 12 GG geschützte Berufsfreiheit erwiese.

aa) Eine willkürliche Einleitung eines Nutzenbewertungsverfahrens nach § 35a Abs. 6 Satz 1 SGB V könnte etwa dann anzunehmen sein, wenn die Voraussetzungen hierfür unter keinem denkbaren Gesichtspunkt zu bejahen wären. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass wegen der Verwendung des Begriffs "vorrangig" (§ 35a Abs. 6 Satz 2 SGB V) der GBA zur Einleitung einer Bestandsmarkt-Nutzenbewertung nach § 35a Abs. 6 Satz 1 SGB V nicht nur in den beiden in Satz 2 genannten Konstellationen berechtigt ist, sondern darüber hinaus weitere, gesetzlich nicht genannte Umstände zum Anlass für eine solche Nutzenbewertung nehmen darf. Darüber hinaus könnte Willkür vorliegen, wenn die Voraussetzungen für die Einleitung einer Bestandsmarkt-Nutzenbewertung zu dem Zeitpunkt, zu dem der GBA den Beschluss über die Nutzenbewertung (§ 35a Abs. 3 SGB V) fasst, auch nach dessen Auffassung nicht mehr vorlägen bzw. er die Voraussetzungen nicht mehr prüft, weil er diese Prüfung zu diesem Zeitpunkt nicht mehr für erforderlich hält. Letzteres wäre offenkundig fehlerhaft. Denn es versteht sich von selbst, dass bei grundrechtseinschränkenden Maßnahmen – sei es dem Erlass eines Verwaltungsaktes (§ 31 SGB X) oder dem Erlass einer Norm – die Voraussetzungen für den Grundrechtseingriff nicht nur bei der Verfahrenseinleitung, sondern auch zum Zeitpunkt der verfahrensbeendenden Entscheidung gegeben sein müssen.

bb) Im vorliegenden Fall hat der GBA bei Einleitung der Bestandsmarkt-Nutzenbewertung nicht willkürlich gehandelt. Hierbei kann dahin stehen, ob – wie von der Antragstellerin bestritten – zwischen Arzneimitteln mit den im Beschluss vom 7. Juni 2012 genannten Wirkstoffen / Wirkstoffkombinationen und Linagliptin-haltigen Arzneimitteln ein Wettbewerb besteht. Jedenfalls sind – was die Antragstellerin auch nicht bestritten hat – Arzneimittel mit den im Beschluss vom 7. Juni 2012 genannten Wirkstoffen / Wirkstoffkombinationen versorgungsrelevant. Denn im Jahr 2011 betrug der Anteil der Gliptine (= Inhibitoren der Dipeptidylpeptidase 4, sog. DPP4-Inhibitoren) an allen Verordnungen oraler Antidiabetika über 1/8, der Umsatzanteil betrug sogar mehr als die Hälfte (vgl. www.insight-health.de/upload/IH-OAD MVF-02-2012.pdf).

cc) Der Senat weist jedoch darauf hin, dass der durch § 35a Abs. 8 SGB V bewirkte weitreichende Rechtsmittelausschluss (skeptisch hierzu Axer, SGb 11, 246) der pflichtgemäßen Erfüllung der dem GBA obliegenden Beratungspflichten nach § 35a Abs. 7 SGB V i.V.m. §§ 8 und 10 AM-NutzenVO, 5. Kapitel § 7 Verfahrensordnung-GBA (VerfO-GBA) besonderes Gewicht verleiht. Die Beratungspflicht des GBA entsteht im Rahmen der sog. frühen Nutzenbewertung (§ 35a Abs. 1 SGB V) auf Anforderung des pharmazeutischen Unternehmers (§ 8 Abs. 1 Satz 1 AM-NutzenVO, 5. Kapitel § 7 Abs. 1 Satz 1 VerfO-GBA), im Rahmen der Bestandsmarkt-Nutzenbewertung hingegen von Gesetzes wegen schon vor der Aufforderung zur Dossiereinreichung (§ 8 Abs. 2 Satz 6 AM-NutzenVO, § 7 Abs. 3 Satz 1 VerfO-GBA). Ob das Ziel der Regelung, das Verfahren effizienter und schneller zu gestalten (BT-Drs. 17/2413, S. 23), angesichts eines durch die engen zeitlichen Vorgaben nach § 35a Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 Satz 1 SGB V, § 4 Abs. 3 Ziff. 3 AM-NutzenVO ohnehin schon stark gestrafften Verfahrensablaufs verwirklicht werden kann, ist an dieser Stelle nicht zu beurteilen. Jedenfalls ist anerkannt, dass in grundrechtssensiblen Bereichen das Gebot des fairen Verfahrens auch schon im vorprozessualen Bereich zu beachten ist (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2011, Az.: B 6 KA 20/11 R, veröffentlicht in Juris). Damit kollidieren könnte die auf 5. Kapitel § 7 Abs. 2 Satz 4 VerfO-GBA gestützte Praxis des GBA, seine im Rahmen einer Beratung erteilten Auskünfte, etwa zur zweckmäßigen Vergleichstherapie, für unverbindlich zu erklären. Sollte sich der GBA damit lediglich vorbehalten wollen, dass sich der allgemein anerkannte Stand der medizinischen Erkenntnisse bis zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Nutzenbewertung ändern und daher ggf. eine andere Vergleichstherapie die zweckmäßige sein könnte, bedürfte es der ggf. Missverständnisse auslösenden Kennzeichnung als "unverbindlich" nicht. Denn dass der allgemein anerkannte Stand der medizinischen Erkenntnisse einer permanenten Entwicklung unterliegt und somit denkbar ist, dass die in der Beratung als zweckmäßig bezeichnete Vergleichstherapie im Zeitpunkt der Entscheidung über die Nutzenbewertung aufgrund neuerer Erkenntnisse überholt ist, versteht sich nahezu von selbst. Diese Konstellation dürfte indes eher selten auftreten, da sich der allgemein anerkannte Stand der medizinischen Erkenntnisse äußerst selten quasi über Nacht ändert. Für diesen Fall wäre der GBA wegen des Grundsatzes des fairen Verfahrens gehalten, den pharmazeutischen Unternehmer möglichst frühzeitig über die diesbezüglichen Änderungen – letztlich eine Änderung seiner Entscheidungsgrundlagen – umfassend zu informieren. Eines generellen Vorbehalts, dass alle im Rahmen der Beratung erteilten Auskünfte unverbindlich seien, bedarf es hierfür nach Auffassung des Senats gerade wegen der Pflicht zu fairem Verhalten nicht.

5) Zur Klarstellung weist der Senat ferner darauf hin, dass auch nach der vollständigen Ablehnung der Anträge im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die durch den Beschluss vom 20. Dezember 2012 der Antragstellerin gewährte Fristverlängerung bis zum 31. März 2013 aus Vertrauensschutzgründen bestehen bleibt. Einer Verlängerung dieser Frist bedarf es hingegen nicht. Im Erörterungstermin hat der Leiter der Rechtsabteilung der Antragstellerin mitgeteilt, dass diese bis zur Bekanntgabe des Senatsbeschlusses vom 20. Dezember 2012 auf eine Einreichung des Dossiers zu der vom Antragsgegner gesetzten Frist, d.h. bis zum 31. Dezember 2012, hingearbeitet und erst nach der Bekanntgabe die weitere Bearbeitung des Dossiers eingestellt habe. Die der Antragstellerin nach der Bekanntgabe des hiesigen Beschlusses bis zum 31. März 2013 verbleibende Zeit ist länger als die im Dezember 2012 ohne Zwischenentscheidung des Senats verbliebene Zeit und berücksichtigt auch, dass ein nahtloses Anknüpfen an die nach dem 20. Dezember 2012 eingestellte oder zumindest nur noch eingeschränkt betriebene Dossiererstellung nicht ohne weiteres möglich ist.

6) Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.

Die Entscheidung über den Streitwert ergibt sich aus § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 52 Abs. 1, § 63 Abs. 2 GKG. Der Senat hat hierbei jedoch nicht den von der Antragstellerin mitgeteilten Streitwert (125.000.- EUR) zugrunde gelegt, weil dieser in Widerspruch zu ihren weiteren Darstellungen steht. So sollen allein die Kosten für die Übersetzung der für das Dossier vorgesehenen Studien über 550.000.- EUR betragen. Diese sowie weitere Kosten zu vermeiden, ist das Ziel der von der Antragstellerin erhobenen Klage vom 5. Dezember 2012 (Az.: L 7 KA 105/12 KL ER), die sich gegen den Beschluss des Antragsgegners vom 7. Juni 2012 und mithin generell gegen die Durchführung der damit eingeleiteten Bestandsmarkt-Nutzenbewertung richtet. Die Bedeutung der Sache bemisst somit zumindest nach Kosten in der o.g. Höhe. Für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes hat der Senat entsprechend seiner ständigen Rechtsprechung den Streitwert insoweit halbiert. Für den weiteren Streitgegenstand des Eilverfahrens – den einstweiligen Rechtsschutz gegenüber der Aufforderung zur Dossiereinreichung bezüglich des Arzneimittels Galvus – hat der Senat den für das Klageverfahren mitgeteilten Streitwert i.H.v. 125.000.- halbiert. Der Streitwert für das Eilverfahren beläuft sich daher insgesamt auf 337.500.- EUR.

Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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