L 6 AS 239/11

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
6
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 1 AS 1280/09
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AS 239/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 AS 32/13 R
Datum
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 5. April 2011 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander in beiden Instanzen keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger ist der überörtliche Träger der Sozialhilfe. Er macht im Wege der Prozessstandschaft Unterkunftsleistungen des Betroffenen Herrn X. Y. nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) geltend.

Mit Bescheid vom 27. Mai 2009 bewilligte die Beklagte dem Betroffenen Leistungen nach dem SGB II, wobei sie Unterkunftskosten unberücksichtigt ließ. Bis zum 30. November 2009 lebte der Betroffene im Z-Haus in A-Stadt, welches suchtmittelabhängigen Menschen ein Angebot für den Bedarf eines geschützten stationären Wohnens in suchtmittelabstinenter Umgebung bietet. Träger ist das A-Zentrum in der A-Straße in A Stadt. Hinsichtlich der Konzeption der Einrichtung im Einzelnen wird auf die Anlagen zum Schriftsatz des Klägers vom 9. August 2010 (Bl. 157 bis 168 d.A.) verwiesen.

Mit Bescheid vom 1. Dezember 2008 bewilligte der Kläger dem Betroffenen Leistungen nach dem Sechsten Kapitel des Zwölften Buch des Sozialgesetzbuches – Sozialhilfe – (SGB XII) zum Besuch dieser Einrichtung.

Der Kläger beziffert die Kosten der Unterkunft und Heizung in der Einrichtung mit 317,42 EUR und verweist insoweit auf sein Rundschreiben 20 Nr. 1/2008 (Bl. 115-118 d.A.). Es handele sich hierbei um einen hessenweiten Durchschnittssatz zur Warmmiete eines Einpersonenhaushalts. Der Kläger habe hierzu im Jahr 2003 eine hessenweite Vergleichsberechnung auf der Grundlage einer Umfrage vorgenommen.

Ein Heimvertrag zwischen dem Betroffenen und der A-Zentrum gGmbH ist nicht vorhanden.

Gegen den Bescheid der Beklagten legte der Kläger mit Schreiben vom 8. Juni 2009 hinsichtlich der Kosten der Unterkunft Widerspruch ein, den die Beklagte nach Ergehen eines Änderungsbescheides vom 7. Juni 2009 hinsichtlich der Regelleistungen mit Widerspruchsbescheid vom 4. November 2009 zurückwies.

Gegen diesen am 4. November 2009 zur Post gegebenen Bescheid hat der Kläger mit Schreiben vom 11. November 2009 am selben Tag Klage zum Sozialgericht Kassel erhoben.

Der Kläger hat vorgetragen, der Betroffene erhalte auf Grund seiner Suchterkrankung rechtmäßig Eingliederungsleistungen nach dem SGB XII im Z-Haus. Der Betroffene sei leistungsberechtigt nach dem SGB II. Durch die stationäre Unterbringung entfalle indes der Anspruch auf Bewilligung der Kosten der Unterkunft und Heizung des SGB II-Leistungsberechtigten nicht. Der Leistungsberechtigte sei verpflichtet, mit seinem Einkommen und Vermögen seinen Lebensunterhalt in der Einrichtung vorrangig selbst sicher zu stellen. Im konkreten Fall sei der Betroffene auch aufgefordert worden, sein vorrangiges Vermögen und Einkommen einzusetzen. Die in der stationären Einrichtung erhobenen Kosten der Unterkunft würden lediglich 317,42 EUR monatlich betragen. Sie würden anhand des hessenweiten Durchschnittssatzes zur Warmmiete eines Einpersonenhaushaltes berechnet. Da bereits lediglich Durchschnittskosten als Kosten der Unterkunft erhoben würden, überstiegen diese nicht die angemessenen Kosten gem. § 22 Abs. 1 SGB II. Die Beklagte hat sich auf die angegriffenen Bescheide bezogen und ausgeführt, die Kosten für die Unterbringung in einer (nach dem SGB XII) stationären Einrichtung seien in verschiedener Hinsicht nicht mit den Unterkunftskosten im Sinne von § 22 SGB II vergleichbar. Vielmehr handele es sich um Kosten für die Unterbringung in einer stationären Einrichtung, die nicht dem Rechtskreis des SGB II zugeordnet werden könne. Dafür spreche, dass ggf. parallel die Kosten einer Wohnung weiterzuzahlen seien, der Hilfebedürftige keine Möglichkeit habe, insbesondere durch Umzug, die stationären Kosten auf ein angemessenes Maß zu senken. Der Hilfebedürftige habe keinen Mietvertrag abgeschlossen. Die Definition der angemessenen Unterkunftskosten stehe dem Träger der entsprechenden Leistung zu, nicht aber dem Kläger. Ergänzend sei auszuführen, dass § 22 SGB II nicht für Zahlungen von Leistungen für Unterkunft und Heizung von SGB II-Trägern an den überörtlichen Träger der Sozialhilfe für die in stationären Einrichtungen nach dem SGB XII untergebrachten SGB II Leistungsbezieher als Rechtsgrundlage herangezogen werden könne, da dieser in Abs. 1 Satz 1 tatsächliche Aufwendungen des SGB Il-Leistungsbeziehers voraussetze. Die von den in stationären Einrichtungen untergebrachten SGB Il-Beziehern verursachten Kosten würden nicht von diesen selbst getragen, sondern durch Vergütungen abgegolten, die nach § 75 SGB XII durch Vereinbarungen zwischen Leistungsträgern und Leistungserbringern festgelegt würden. Mithin entständen dem Hilfebedürftigen keine tatsächlichen Aufwendungen im Sinne des § 22 Abs. 1 SGB II.

Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vom 5. April 2011 die ursprünglich für den Zeitraum bis einschließlich Dezember 2009 erhobene Klage für den Monat Dezember 2009 zurückgenommen. Das Sozialgericht Kassel hat die Beklagte mit Urteil vom 5. April 2011, der Beklagten zugestellt am 18. April 2011, unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 27. Mai 2009 und des Änderungsbescheides vom 7. Juli 2009 sowie des Widerspruchsbescheids vom 3. November 2009 verpflichtet, dem Betroffenen Herrn X. Y. Kosten der Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 1. Juli 2009 bis 30. November 2009 i.H.v. monatlich 317,42 EUR zu bewilligen. Die Klage sei zulässig. Insbesondere sei der Kläger prozessführungsbefugt. § 95 Satz 1 SBG XII berechtige den Kläger als erstattungsberechtigten Sozialhilfeträger, die Feststellung eines Anspruches auf Sozialleistungen im Wege der Prozessstandschaft zu betreiben. Die Klage sei auch wie tenoriert begründet. Bei dem vom Kläger gegenüber der Beklagten geltend gemachten SGB II-Anspruch auf Kosten der Unterkunft handele es sich um einen Anspruch auf eine Sozialleistung im Sinne dieser Vorschrift. Sozialleistungen seien gem. § 11 SGB I alle in diesem Gesetzbuch vorgesehenen Dienst-, Sach- und Geldleistungen. Der Kläger sei auch nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X gegenüber der Beklagten erstattungsberechtigt. Nach dieser Vorschrift habe ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger, der Sozialleistungen an den Berechtigten erbracht hat, unter bestimmten Voraussetzungen einen Erstattungsanspruch gegen den Leistungsträger, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte. Nachrangig verpflichtet sei gem. § 104 Abs. 1 Satz 2 SGB X ein Leistungsträger, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre. Nachrangigkeit der Sozialhilfe bestehe, wie sich aus § 2 SGB XII ergebe, wonach Sozialhilfe nicht erhalte, wer die erforderliche Leistung unter anderem von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Vorliegend habe der Kläger nach den Vorschriften des Sechsten Kapitels des SGB XII (§§ 53 ff. SGB XII) Leistungen erbracht. Für die Bewilligung derartiger Leistungen sei der Kläger auch als überörtlicher Träger der Sozialhilfe zuständig, weshalb das Gericht insgesamt von einer rechtmäßigen Erbringung der Leistungen an den Betroffenen von Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 317,42 EUR ausgehe. Seine Zuständigkeit ergebe sich aus § 97 Abs. 3 Nr. 1 SGB XII i. V. m. dem Hessischen Ausführungsgesetz zum SGB XII vom 20. Dezember 2004. Nach dem Hessischen Ausführungsgesetz seien nämlich die von dem Kläger erbrachten Leistungen nicht dem örtlichen Träger der Sozialhilfe zugewiesen. Der Kläger sei auch berechtigt, die Feststellung der Sozialleistung neben der Möglichkeit des Betreibens eines Erstattungsverfahrens zu betreiben. Es stehe in seinem pflichtgemäßen Ermessen, ob er den Nachrang der Sozialhilfe auf dem Wege der Verfolgung von Erstattungsansprüchen oder der Feststellung von Leistungen nach § 95 SGB XII durchsetzen wolle.

Dem Betroffenen hätten im streitgegenständlichen Zeitraum auch Leistungen nach dem SGB II zugestanden. Sei eine Einrichtung so strukturiert und gestaltet, dass es dem dort Untergebrachten möglich sei, aus der Einrichtung heraus eine Erwerbstätigkeit auszuüben, die den zeitlichen Kriterien des § 8 SGB II genüge, so liege kein Ausschluss nach § 7 Abs 4 SGB II vor. Dieser Fall sei hier gegeben. Die Beklagte habe die Konzeption des Z-Hauses, in dem der Betroffene untergebracht sei, vorgelegt, welches eine solche Annahme rechtfertige. Auf Seite 4 werde ausgeführt, je nach Fähigkeiten gebe es die Möglichkeit, mehr Selbständigkeit und Eigenverantwortung zu leben. Das Wohnheim biete ein stationäres Außenwohnen, in denen sich Bewohner/innen selbst versorgen könnten. Bewohnern/Bewohnerinnen, die sich auf den Auszug vorbereiteten oder mit einer Langzeitperspektive mehr Eigenständigkeit leben wollten, stehe dieser Bereich offen. Auf Seite 5 werde weiter ausgeführt, die Bezugsperson erarbeite mit der Bewohnerin/dem Bewohner einen individuellen Betreuungsplan. Hier würden auch die Erfahrungen der gesetzlichen Betreuer(innen) und die Erfahrungen aus den Einrichtungen herangezogen, in denen sich die Bewohnerin/der Bewohner vorher befunden habe. Auch die Tagesstruktur und die angebotene Orientierung nach außen sprächen dafür (Seite 6 und 7). Im Informationsblatt gem. § 3 Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (WBVG) werde auf Seite 2 weiter ausgeführt, den Betroffenen werde die in ihrer Situation erforderliche individuelle Hilfe angeboten, die Eingliederungshilfe diene dem Ziel der Teilhabe am Leben der Gemeinschaft und der Gesellschaft. Die Leistungen zur Gestaltung des Tages beständen unter anderem auch in Beschäftigungs- und Fördermaßnahmen zur Vorbereitung auf Arbeitstätigkeiten (Seite 3 des Informationsblattes). Es bestünden auch keine Zweifel, dass sich der Anspruch des Betroffenen auch auf die Kosten der Unterkunft in der genannten Einrichtung beziehe. Nach § 22 Abs. 1 SGB II würden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendung erbracht, soweit diese angemessen seien. Unterkunft in diesem Sinne meine damit alle baulichen Anlagen oder Teile davon, die tatsächlich genutzt werden und vor Witterung schützend ein Mindestmaß an Privatheit sicherstellen sollen. Diesem Mindestanspruch entspreche auch die Unterbringung im Z-Haus in A-Stadt. Es unterliege keinen Bedenken, dass die vom Kläger veranschlagten Kosten der Unterkunft erstattungsfähig seien. Gem. § 42 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII seien bei Leistungen in einer stationären Einrichtung als Kosten für Unterkunft und Heizung Beträge in Höhe der durchschnittlichen angemessenen tatsächlichen Aufwendung für die Warmmieten eines Einpersonenhaushaltes im Bereich des nach § 98 SGB XII zuständigen Trägers der Sozialhilfe zugrunde zu legen. Auch wenn hier der Kläger einen hessenweiten Durchschnittswert zugrunde lege, führte dies indes nicht zu Unangemessenheit der vom Kläger geltend gemachten Unterkunftskosten im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Liege ein schlüssiges Konzept im Sinne der Rechtsprechung des BSG wie hier nicht vor, könne das Gericht die angemessenen Unterkunftskosten unter Rückgriff auf die eigentlich als subsidiäre Erkenntnisquelle gedachte Wohngeldtabelle nach § 12 Abs. 1 Wohngeldgesetz bestimmen. Die Stadt A-Stadt habe nach der Anlage zu § 1 Abs. 3 der zum 1. Januar 2009 in Kraft getretenen Wohngeldverordnung die Mietstufe III. Ausweislich der Tabelle des zum 1. Januar 2009 in Kraft getretenen § 12 Abs. 1 Wohngeldgesetz sei für einen Einpersonenhaushalt eine Miete inklusive kalter Nebenkosten in Höhe von 330,00 EUR angemessen. Die vorliegend geltend gemachten Unterkunftskosten lägen noch unter diesem Betrag. Soweit eingewandt werde, der Hilfebedürftige habe keine Möglichkeit, die stationären Kosten auf ein angemessenes Maß zu senken, sei dies im vorliegenden Verfahren nicht erheblich. Unabhängig davon würden ohnedies nur die angemessenen Kosten der Unterkunft berücksichtigt. Soweit überdies darauf verwiesen werde, dass dem Betroffenen überhaupt keine Unterkunftskosten entstünden, liege dies in der Natur des Verfahrens nach § 95 SGB XII.

Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten ist am 16. Mai 2011 bei dem Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt eingegangen.

Die Beklagte trägt vor, das dem Betroffenen zur Verfügung gestellte Zimmer sei keine Unterkunft im Sinne des § 22 SGB II. Die Zurverfügungstellung dieses Zimmers sei lediglich ein Nebenprodukt der Eingliederungsleistungen des Klägers. Die Eingliederungsleistungen sollen dazu dienen, den Betroffenen in Gesellschaft und Arbeitsleben wieder zu integrieren. Dass dabei ein gewisses Maß von Aufsicht und Betreuung notwendig werde, könne nicht zu Lasten der Beklagten gehen. Der Kläger sei zudem selbst nicht in der Lage, Unterkunftskosten konkret zu bestimmen. Unterkunftskosten könnten jedenfalls nicht die genannten 317,42 EUR sein. Dies seien die Kosten der Unterkunft, die der Kläger selbst aus § 42 SGB XII verpflichtet sei, den Betroffenen zu bewilligen. Mit einer Erstattung dieser Unterkunftskosten durch die Beklagte würde letztlich der SGB II-Träger zur Übernahme von Eingliederungsleistungen des Klägers im Rahmen des SGB XII herangezogen. Die Beklagte hätte dann Kosten zu tragen, die allein auf Vereinbarung des Klägers mit den stationären Einrichtungen beruhten.

Sie beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 5. April 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Der Kläger trägt vor, dass der Betroffene unstreitig nach dem SGB II leistungsberechtigt sei. Durch die Unterbringung entfalle der Anspruch auf Bewilligung der Kosten der Unterkunft und Heizung nicht. Vielmehr sei der jeweilige Leistungsberechtigte verpflichtet, mit seinem Einkommen und damit auch mit dem ihm zustehenden Anspruch nach dem SGB II seinen Lebensunterhalt in der Einrichtung vorrangig sicherzustellen, was sich aus §§ 82 ff. SGB XII in Verbindung mit §§ 19, 35, 42 und 92 SGB XII ergebe. Der Betroffene sei im konkreten Fall auch aufgefordert worden, sein vorrangiges Einkommen einzusetzen. Lediglich nach alter Rechtslage bis 31. Dezember 2004 habe die Hilfe in besonderen Lebenslagen auch den in der Einrichtung gewährten Lebensunterhalt mit umfasst. Leistungsberechtigte nach dem SGB XII erhielten in stationären Einrichtungen den notwendigen Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel nur, soweit sie über kein Einkommen und Vermögen verfügten. Insofern werde § 5 Abs. 2 SGB II, der im Fall der Leistungsgewährung nach dem Dritten Kapitel SGB XII einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach SGB II ausschließe, beachtet. Dies bedeute aber auch, dass die komplette SGB II-Leistung zu bewilligen sei. Bestehe nämlich ein Anspruch auf Zahlung von Arbeitslosengeld II und würden die Kosten der Unterkunft nicht bewilligt, so müsste der Kläger in rechtswidriger Weise die Kosten der Unterkunft nach dem Dritten Kapitel des SGB XII bewilligen, womit § 5 Abs. 2 SGB II missachtet werden würde. Da der Kläger anders als die örtlichen Sozialhilfeträger nach dem Brutto-Prinzip leiste, stelle er bei Aufnahme stationär betreuter Leistungsberechtigter zunächst Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel SGB XII und die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach dem Sechsten Kapitel SGB XII sicher und ziehe die Leistungsberechtigten nach Klärung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse durch Einsatz vorrangigen Einkommens - hier Leistungen nach dem SGB II – im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften des Elften Kapitels SGB XII mindestens zur Finanzierung der Hilfe zum Lebensunterhalt in der Einrichtung heran. Der Kläger sei zur Festsetzung der angemessenen Unterkunftskosten befugt. Die Anspruchsgrundlage für diese Festsetzung seien die §§ 42 Satz 1 Nr. 2, 29, 19, 35, 82ff. SGB XII und der in § 2 SGB XII geregelten Nachrangrundsatz. Gemäß § 35 SGB XII i.V.m. § 42 Satz 1 Nr. 2 SGB XII umfasse der notwendige Lebensunterhalt in einer stationären Einrichtung den darin erbrachten sowie den weiteren Lebensunterhalt. Dieser notwendige Lebensunterhalt umfasse also nach § 42 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII bei Leistungen einer stationären Einrichtung auch Kosten für Unterkunft und Heizung. Den festgesetzten Betrag in Höhe des Durchschnittssatzes von 317,42 EUR teile der Kläger der leistungsberechtigten Person im Leistungsbescheid über die Gewährung der stationären Einrichtung mit und beziehe ihn bei der Berechnung des Kostenbeitrages für die Kosten des Lebensunterhalts ebenfalls mit ein. Da der Leistungsberechtigte hier jedoch Leistungen nach dem SGB II bezogen habe, komme für die zulässige Festsetzung § 22 SGB II Betracht, weil die Kosten der Unterkunft notwendiger Bestandteil der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB II seien. Einer Kostenerstattung stehe nicht entgegen, dass der Leistungsberechtigte keinen Mietvertrag mit der stationären Einrichtung über die Kosten abschließe. Bereits der Wortlaut des § 22 SGB II setze kein Mietvertrag voraus. Auf welche Weise die tatsächlichen Aufwendungen vom Leistungsberechtigten nachgewiesen werden, bleibe ihm überlassen. Ausreichend sei insoweit die Verpflichtung des Betroffenen im Rahmen des Bewilligungsbescheides.

Hinsichtlich des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung wird auf die Sitzungsniederschrift vom 20. März 2013 verwiesen. Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Klägers (1 Band) verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet. Der Kläger kann aus dem Rechtsverhältnis zwischen der Beklagten und dem Betroffenen keinen Anspruch auf Bewilligung der Leistungen zum Lebensunterhalt in Gestalt der Kosten für Unterkunft und Heizung herleiten.

Die Klage ist zulässig. Streitgegenstand ist aber entgegen der Auffassung des Sozialgerichts allein der Primäranspruch des Betroffenen X. Y., der im Wege der Prozessstandschaft nach § 95 SGB XII geltend gemacht wird, nicht aber ein eigener Erstattungsanspruch des Klägers. Bereits mit der Klageschrift hat der Kläger darauf hingewiesen, dass keine Gerichtskosten zu zahlen seien, da ein Anspruch nach § 95 SGB XII geltend gemacht werde. Die Voraussetzungen für eine Prozessstandschaft auf der Grundlage von § 95 Satz 1 SGB XII liegen vor. Hiernach kann der erstattungsberechtigte Träger der Sozialhilfe die Feststellung einer Sozialleistung betreiben sowie Rechtsmittel einlegen. Dabei ist die Erstattungsberechtigung weit zu verstehen. Mit dem Feststellungsverfahren im Wege der Prozessstandschaft lässt sich klären, ob der Beklagte vorrangig leistungspflichtig und der jeweils Vorleistende erstattungsberechtigt ist (vgl. zum Folgenden BSG, Urteil vom 22. April 1998 – B 9 VG 6/96 R – juris Rn. 23 m.w.N.) Denn erstattungsberechtigt ist nicht nur der Sozialhilfeträger, der Hilfe gewährt oder gewährt hat und der daraus einen Erstattungsanspruch aus § 104 SGB X herleiten kann, es genügt vielmehr, dass er einen Erstattungsanspruch nach § 104 SGB X haben kann, weil die Vorschrift sonst neben § 104 SGB X keine sinnvolle Ergänzung darstellen würde. Dafür reicht die Einleitung des "Feststellungsverfahrens" aus, und es spielt keine Rolle, ob der Hilfeberechtigte die Leistung bereits erhalten hat, sie deshalb nicht nochmals verlangen kann und durch die Vorleistung des Trägers der Sozialhilfe an den Berechtigten die Leistung des endgültig Verpflichteten als erfüllt gilt. Hinreichend ist daher, dass der Kläger sich nach seinen Angaben aufgrund des Brutto-Prinzips bei Ausfall anderweitiger Deckung als leistungsverpflichtet ansieht und, falls seine Rechtsansicht zutrifft, vorrangig die Beklagte nach § 22 SGB II die Leistungen auf Kosten der Unterkunft und Heizung zu erbringen hätte. Statthafte Klageart ist insoweit die unechte Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG als Kombination von Anfechtungs- und Leistungsklage, nicht aber – wie das Sozialgericht angenommen hat – die Häufung aus Anfechtungs- und Verpflichtungsklage. Die erstinstanzlichen Anträge sind einer entsprechenden Auslegung zugänglich.

Die Klage ist aber unbegründet. Dem Betroffenen steht kein Anspruch zu, den der Kläger im Wege der Prozessstandschaft geltend machen könnte. Der Betroffene ist zwar dem Grunde nach leistungsberechtigt. Er ist insbesondere nicht nach § 7 Abs. 4 SGB II von der Berechtigung ausgeschlossen. In Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 6. September 2007 - B 14/7b AS 16/07 R – juris, insbes. Leitsatz und Rn. 16) hat das Sozialgericht zutreffend bereits den Begriff der Einrichtung i.S. des § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II danach bestimmt, ob durch die Unterbringung in der Einrichtung die Fähigkeit zur Aufnahme einer mindestens dreistündigen täglichen Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeschlossen ist. Wie insbesondere aus der vom Kläger übersandten Konzeption des A-Zentrums für das Z-Haus hervorgeht (Anlagen zum Schriftsatz an das Sozialgericht vom 9. August 2010) war der Betroffene in die Lage versetzt, grundsätzlich einer Erwerbstätigkeit von mehr als drei Stunden täglich nachzugehen. Ergänzend macht sich der Senat die Tatsachenfeststellungen und Rechtsausführungen des Sozialgerichts in der angegriffenen Entscheidung zu Eigen (§§ 136 Abs. 2, 153 Abs. 2 SGG).

Der Betroffene hat aber mangels Bedarf keinen Anspruch auf die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Kosten für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit sie angemessen sind. Bereits aus dem Gesetzeswortlaut ergibt sich eindeutig, dass der Grundsicherungsträger nur solche Kosten zu übernehmen hat, die dem Hilfebedürftigen tatsächlich entstanden sind und für deren Deckung ein Bedarf besteht (BSG, Urteil vom 7. Mai 2009 – B 14 AS 31/07 R – juris Rn. 16, auch zum Folgenden). Dies sind in der Regel Kosten, die durch Mietvertrag o.ä. entstanden sind oder auf einem anderen Rechtsgrund gerade wegen der Gewährung von Unterkunft beruhen. "Tatsächliche Aufwendungen" für eine Wohnung liegen allerdings nicht nur dann vor, wenn der Hilfebedürftige die Miete bereits gezahlt hat und nunmehr deren Erstattung verlangt. Vielmehr reicht es aus, dass der Hilfebedürftige im jeweiligen Leistungszeitraum einer wirksamen und nicht dauerhaft gestundeten Mietzinsforderung ausgesetzt ist (BSG, Urteil vom 3. März 2009 - B 4 AS 37/08 R - juris Rn. 24). Umgekehrt kennt das SGB II keine fiktiven Kosten, die nicht durch eine wirksame Verpflichtung oder zumindest ernstliches Zahlungsbegehren (dazu BSG, Urteil vom 24. November 2011 B 14 AS 15/11 R - Rn. 14 f.) gerade im Verhältnis desjenigen, der Wohnraum zur Verfügung stellt, gegenüber dem Hilfebedürftigen geprägt ist. Insoweit müsste im Dreiecksverhältnis zwischen dem Eingliederungsleistungen gewährenden Sozialhilfeträger, dem Heimträger und dem Betroffenen der Heimträger dem Betroffenen die Unterkunft zumindest "in Rechnung stellen" (vgl. obiter dictum im Urteil des 9. Senates des Hessischen Landessozialgerichts vom 21. Mai 2007 - L 9 AS 57/06 - S. 11 des Umdrucks.). Alle diese Erwägungen gründen im Ziel des Grundsicherungsrechts, konkrete Bedarfe zu decken.

Eine solche Bedarfslage ist vorliegend nicht erkennbar.

Ein Heimvertrag, aus dem eine den Betroffenen verpflichtende Leistungspflicht in Bezug auf Unterkunftskosten herrühren würde, existiert nicht. Seitens des Klägers wird auch kein anderes Zahlungsbegehren vorgetragen, dem der Betroffene aufgrund seiner Unterkunft im Z-Haus ausgesetzt wäre.

Zwar hat der Kläger selbst in seinem Leistungsbescheid zur Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII einen Berechnungsposten von 317,42 EUR festgesetzt. Dies sind aber die auf § 35 SGB XII a.F. entfallenden Leistungen, die der Kläger an den Betroffenen gewährt; es handelt sich seinerseits um Sozialleistungen, nicht aber um Kosten, die unmittelbar ihren Rechtsgrund im Zurverfügungstellen einer Unterkunft haben. Ein Bedarf nach § 22 SGB II kann daher nicht über einen Verwaltungsakt über die Verpflichtung zum Einkommenseinsatz im Bescheid über die Eingliederungshilfe künstlich geschaffen werden. Insoweit erweist sich die Argumentation des Klägers als Zirkelschluss: Die Verpflichtung des Einkommenseinsatzes in Gestalt von KdU-Leistungen seitens der Beklagten an den Betroffenen setzt gerade voraus, dass ein Anspruch auf Leistungen auf die Kosten der Unterkunft bereits entstanden ist.

Die Möglichkeit, fiktive Unterkunftskosten durch eine anteilige Berücksichtigung der Eingliederungsleistungen geltend zu machen, besteht nach dem SGB II nicht. Das SGB II kennt insbesondere eine § 42 Abs. 1 Nr. 2 2. Halbsatz SGB XII a.F. vergleichbare Regelung nicht, so dass es nach dem SGB II ausgeschlossen ist, einen fiktiven Bedarf zugrunde zu legen. Nach der genannten Regelung sind bei der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung "bei Leistungen in einer stationären Einrichtung ( ) als Kosten für Unterkunft und Heizung Beträge in Höhe der durchschnittlichen angemessenen tatsächlichen Aufwendungen für die Warmmiete eines Einpersonenhaushaltes im Bereich des nach § 98 zuständigen Trägers der Sozialhilfe zu Grunde zu legen." Der Gesetzgeber hat indes auf eine entsprechende Regelung in § 22 SGB II gerade verzichtet.

§ 35 SGB XII a.F. (vgl. auch den zum 1. Januar 2011 in Kraft getretenen § 27b SGB XII) und die dortige Verweisung auf § 42 SGB XII sind unanwendbar. Die Vorrangregelung des § 5 Abs. 2 SGB II schließt den Rückgriff auf diese Vorschrift aus; Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sind ausschließlich auf der Grundlage der §§ 19 ff. SGB II zu gewähren. Damit korrespondiert § 21 SGB XII, wonach Personen, die Personen, die nach dem Zweiten Buch als Erwerbsfähige oder als Angehörige dem Grunde nach leistungsberechtigt sind, keine Leistungen für den Lebensunterhalt (u.a. nach dem Dritten Kapitel des SGB XII) erhalten.

Einer analogen Anwendung der §§ 35, 42 SGB XII a.F. im Sinne einer ergänzenden Regelung zu § 22 SGB II steht der klare Wortlaut des § 5 Abs. 2 SGB II und des § 21 SGB XII sowie das Fehlen einer Regelungslücke entgegen (a.A. offenbar LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 18. April 2012 – L 2 SO 5276/10 – juris; dort wurde allerdings in einer nicht vergleichbaren Konstellation ein Anspruch auf Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII bejaht). Zwar kann daran gezweifelt werden, dass die Eröffnung unterschiedlicher Grundsicherungssysteme hinsichtlich der Leistungen zum Lebensunterhalt einerseits und der Eingliederungsleistungen andererseits vom Gesetzgeber beabsichtigt war. In der ursprünglichen Entwurfsfassung des § 21 SGB XII war eine ausdrückliche Ausnahme vom Leistungsausschluss von Personen mit Leistungsberechtigung nach § 35 SGB XII a.F. vorgesehen und damit begründet worden, dass die u.a. für den notwendigen Lebensunterhalt in Einrichtungen getroffenen Ausnahme von dem Leistungsausschluss sich auf solche Leistungen beziehe, die wegen "des Zusammenhangs mit anderen kommunalen Aufgaben und Leistungen sachgerecht vom Träger der Sozialhilfe erbracht werden" könnten (BT-Drs. 15/1514, S. 57; vgl. zur Entstehungsgeschichte und zum Folgenden auch Behrendt in: jurisPK-SGB XII, § 27b Rn. 20). Erst im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens ist diese ausdrückliche Ausnahme für Leistungen zum Lebensunterhalt in stationären Einrichtungen in § 21 SGB XII des Entwurfs gestrichen worden. Zeitgleich strebte der Gesetzgeber mit der Regelung des § 7 Abs. 4 SGB II einen gänzlichen Ausschluss von Beziehern stationärer SGB XII-Leistungen von Leistungen nach dem SGB II an. Auch haben sich die Begriffe der stationären Einrichtung nach dem SGB II einerseits und nach dem SGB XII andererseits ersichtlich auseinanderentwickelt (so i. Erg. auch Behrendt a.a.O. Rn. 19). Jedoch spricht die intensive Auseinandersetzung mit der Problematik im Gesetzgebungsverfahren gegen eine planwidrige Lücke. Ferner sind sachliche Gründe dafür denkbar, den mit den Kosten der Unterkunft belasteten kommunalen Träger zu "schonen". So könnte es – wie von der Beklagten angeführt – zu Doppelbelastungen kommen, wenn für die Dauer des Aufenthalts die Hauptwohnung aufrecht erhalten werden muss. Außerdem würden Kommunen mit derartigen Einrichtungen vor Ort im Falle eines KdU-Anspruchs von vornherein eine Sonderbelastung tragen. Dass derartige Sonderbelastungen zu vermeiden sind, hat der Gesetzgeber beispielsweise mit der Regelung des Kostenerstattungsanspruchs in § 36a SGB II für den Aufenthalt in Frauenhäusern anerkannt. Schließlich werden die Folgen einer fehlenden Parallelvorschrift zu § 42 Abs. 1 Nr. 2 2. Hs. SGB XII und entsprechende Reaktionsmöglichkeiten in der rechtswissenschaftlichen Literatur diskutiert: Nach Behrendt (jurisPK-SGB XII, § 35 a.F. Rn. 20) kann sich der Leistungsausschluss des § 21 SGB XII "auf die Höhe der Kosten nach den §§ 75 ff. SGB XII auswirken, die der Sozialhilfeträger der jeweiligen Einrichtung – ggf. gekürzt um einen Anspruch des Hilfebedürftigen nach dem SGB II – zu leisten hat. Allerdings muss der Sozialhilfeträger insbesondere bei Leistungsberechtigten nach § 67 SGB XII – prüfen, ob nicht fachliche Aspekte die Leistungserbringung ohne Rücksicht auf Einkommen und Vermögen rechtfertigen und die Hilfe zum Lebensunterhalt integraler Bestandteil der Leistungen nach den §§ 67 ff. SGB XII ist".

Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Änderungs- bzw. Bewilligungsbescheide vom 29. August 2008 und 30. September 2008 im Übrigen sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Die Kostenentscheidung, die für beide Instanzen zu treffen war, beruht auf § 193 SGG.

Wegen grundsätzlicher Bedeutung, nicht zuletzt aufgrund einer Reihe ruhend gestellter Parallelverfahren und Widerspruchsverfahren, wird die Revision zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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