L 5 AS 17/13 B ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 45 AS 3352/12 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 17/13 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 26. November 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Die Antragsteller begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes für die Zeit vom 11. Oktober 2012 bis zum 30. April 2013 die vorläufige Gewährung höherer Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).

Die 1964 geborene Antragstellerin zu 1 war im o.g. Zeitraum Eigentümerin eines in A. gelegenen Grundstücks, auf dem ein Reiterhof betrieben wird. Dieses ist mit diversen Gebäuden bebaut. In einem Wohnhaus befinden sich Wohnräumlichkeiten, von denen die Antragstellerin zu 1 gemeinsam mit ihrer Tochter, der Antragstellerin zu 2, eine Dreizimmerwohnung zuzüglich Küche und Bad bewohnt.

Die Antragstellerin zu 1 betrieb den auf dem Grundstück befindlichen Reiterhof, geriet hierbei jedoch in Zahlungsschwierigkeiten und in Überschuldung. Das Amtsgericht M. –Insolvenzgericht– eröffnete mit Beschluss vom 1. September 2011 das Regelinsolvenzver-fahren über ihr Vermögen.

Am 1. Dezember 2011 schlossen die zur Insolvenzverwalterin bestellte Rechtsanwältin und der Sohn der Antragstellerin zu 1, der Zeuge P. B., einen Nutzungsüberlassungsvertrag über das gesamte Grundstück. Hierbei überließ die Insolvenzverwalterin dem Übernehmer das gesamte Grundstück zum Betrieb eines Reiterhofes. Der Überlassungszins betrug 238,- EUR pro Monat. Der Übernehmer sollte nach dem Vertrag die anfallenden Nebenkosten selbst tragen. Er war gemäß § 8 Abs. 3 des Vertrages nicht befugt, die Betriebsimmobilie zu verpachten.

Die Antragstellerin zu 1 stellte bei dem Antragsgegner am 8. Dezember 2011 für sich und die Antragstellerin zu 2 einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II, den sie am 21. Dezember 2011 unterzeichnete. Sie gab an, sie habe einen Mietvertrag mit ihrem Sohn geschlossen. Für eine 65 m ² große Wohnung habe sie monatlich eine Kaltmiete von 260,- EUR, Nebenkosten von 55,- EUR sowie Heizkosten von 70,- EUR zu zahlen. Sie reichte eine Mietbescheinigung ihres Sohnes vom 19. Dezember 2011 ein, in der dieser die Angaben der Antragstellerin zu 1 inhaltlich bestätigte. Am 4. Januar 2012 wurde ein Mietvertrag über eine angemietete Wohnung zur Akte gereicht, wobei die Antragstellerin zu 1 und ihr Sohn diesen am 30. Dezember 2011 unterzeichnet hatten. Hiernach beträgt die monatliche Miete 250,- EUR und die Nebenkostenvorauszahlung 120,- EUR, mithin insgesamt 370,- EUR monatlich. Der Mietbeginn war auf den 1. Januar 2012 datiert. Unter dem 6. Juni 2012 teilten die Antragstellerinnen dem Antragsgegner mit, dass der Mietvertrag habe abgeschlossen werden müssen, da die Insolvenzverwalterin das Haus zum 1. Januar 2012 verpachtet habe. Der Sohn der Antragstellerin zu 1 habe einen eigenen Wohnraum im Haus. Die Nebenkosten liefen über ihn.

Der Antragsgegner bewilligte der Antragstellerin zu 1 mit Bescheid vom 20. Juni 2012 Leistungen für den Monat Januar 2012 sowie einen Zuschuss zu den Beiträgen zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung für den Monat Dezember 2011 und lehnte für die Zeit ab Februar 2012 die Bewilligung von Leistungen vollständig ab. Der eingereichte Mietvertrag vom 30. Dezember 2011 könne nicht anerkannt werden, weil die Antragstellerin zu 1 weiterhin Eigentümerin des bewohnten Objektes sei und die Überlassung an ihren Sohn ausschließlich der Nutzung diene. Hiergegen legten die Antragstellerinnen am 6. Juli 2012 Widerspruch ein und führten unter anderem aus, die Kosten der Unterkunft und Heizung seien gemäß dem Mietvertrag zwischen der Antragstellerin zu 1 und ihrem Sohn anzuerkennen. Ein Mietvertrag zwischen Angehörigen müsse sozialrechtlich berücksichtigt werden.

Am 11. Oktober 2012 haben die Antragstellerinnen beim Sozialgericht Magdeburg (SG) einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Sie haben unter anderem vorgetragen, der Bedarf für die Kosten der Unterkunft und Heizung sei in Höhe von 350,- EUR monatlich anzuerkennen. Der Antragsgegner hat erwidert, aus dem Nutzungsvertrag ergebe sich nicht, inwieweit die Nutzungsüberlassung des Grundstückes an den Sohn der Antragstellerin zu 1 deren Nutzungsrechte an dem Grundstück nebst Bebauung einschränke. Der Zweck des Insolvenzverfahrens würde durch die Zahlung der Miete unterlaufen, da diese höher sei als der im Überlassungsvertrag vereinbarte Nutzungszins. Die Kosten der Unterkunft und Heizung könnten daher nur entsprechend den Nebenkosten anteilig berücksichtigt werden.

Der Antragsgegner hat mit Widerspruchsbescheid vom 24. Oktober 2012 den Widerspruch bezüglich der hier streitigen Kosten der Unterkunft und Heizung zurückgewiesen. Mit Bescheid vom 1. November 2012 hat er der Antragstellerin zu 1 monatliche Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 301,46 EUR für die Zeit von November 2012 bis März 2013 bewilligt. Kosten der Unterkunft und Heizung hat der Antragsgegner weiterhin nicht berücksichtigt.

Das SG hat mit Beschluss vom 26. November 2012 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, hinsichtlich der Kosten der Unterkunft und Heizung sei jedenfalls ein Anordnungsgrund nicht gegeben. Denn unabhängig von der Frage, ob der zwischen der Antragstellerin zu 1 und ihrem Sohn geschlossene Mietvertrag wirksam sei, sei die Antragstellerinnen jedenfalls gegenwärtig keiner drohenden Wohnungslosigkeit ausgesetzt. Es sei nämlich nicht ersichtlich, dass der Vermieter fristlos kündigen werde oder die Zahlung angemahnt habe. Vielmehr habe der Sohn schriftlich bestätigt, dass er die Miete einschließlich der Nebenkosten ab Juli 2012 gestundet habe.

Die Antragstellerinnen haben gegen den Beschluss am 29. November 2012 Beschwerde beim SG eingelegt, das diese an das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt weitergeleitet hat. Sie haben desweiteren die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren beantragt. Im Erörterungstermin des Senats am 11. April 2013 haben sie ihre Beschwerde auf Mehrleistungen als Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 370,- EUR für die Zeit ab dem Antragseingang beim SG am 11. Oktober 2012 bis zum 30. April 2013 beschränkt. Zur Begründung haben sie vorgetragen: Das SG habe "einfach nur am Tisch" entschieden, dass das Mietverhältnis nicht anzuerkennen sei. Es habe Zweifel an der Ernstlichkeit angeführt, ohne dass es auch nur ansatzweise Sachverhaltsaufklärung betrieben habe. Eine fehlende Erlaubnis zur Vermietung habe auf die Wirksamkeit eines Untermietverhältnisses keinen Einfluss. Zwischen einem Mietvertrag mit Angehörigen und einem Mietvertrag mit einem Dritten sei nicht zu unterscheiden. Der Sohn P. B. habe von seiner Mutter von Januar 2012 bis einschließlich Juni 2012 die Miete monatlich in bar erhalten. Diesbezüglich haben die Antragstellerinnen ein Schreiben des Steuerberaters der Antragstellerin zu 1 vorgelegt, in dem bestätigt worden ist, dass die Miete von monatlich 370,- EUR von Januar 2012 bis Juni 2012 an ihren Sohn P. B. gezahlt und auch ordnungsgemäß bei ihm als Einnahme verbucht worden sei. Dass der Mietvertrag tatsächlich durchgeführt worden sei, sei durch die schriftliche Bestätigung des Sohnes und die schriftliche Bestätigung der Steuerberatungsgesellschaft des Sohnes damit hinreichend belegt. Die Einnahme würde beim Sohn auch tatsächlich verbucht. Entgegen der Auffassung des SG sei die Mietzinsforderung auch nicht dauerhaft gestundet. Diesbezüglich ist eine eidesstattliche Versicherung des P. B. vom 5. Dezember 2012 zur Akte gereicht worden, wonach für den Fall, dass die Antragstellerin zu 1 die einstweilige Anordnung nicht erlange und der Antrag rechtskräftig zurückgewiesen würde, "natürlich der gesamte aufgelaufene Mietrückstand sofort und auf einmal zur Zahlung fällig" sei. Spätestens dann würde "noch einmal gegebenenfalls eine Mahnung erfolgen und auf jeden Fall eine Kündigung". Ihre existenzielle Not ergebe sich – entgegen der Auffassung des SG – bereits daraus, dass die dem Sohn geschuldete Miete von 370,- EUR/ Monat den Bagatellbetrag übersteige.

Die Antragstellerinnen beantragen sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgericht Magdeburg vom 26. November 2012 aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, ihnen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes für die Zeit vom 11. Oktober 2012 bis zum 30. April 2013 vorläufig weitere Leistungen als Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 370,- EUR zu bewilligen.

Der Antragsgegner verteidigt den angegriffenen Beschluss und beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er erwidert, dass eine existenzielle Notlage nicht gegeben sei. Wohnungslosigkeit drohe nicht, da es sich um ein Mietverhältnis zwischen nahen Angehörigen (Mutter-Kind) handele und der Vermieter die Mietzahlung seit Juli 2012 gestundet habe. Einer wirksamen und nicht dauerhaft gestundeten Mietzinsforderung seien die Antragstellerinnen gerade nicht ausgesetzt. Der Mietvertrag sei zudem unwirksam. Denn nach § 8 des Nutzungsüberlassungsvertrages vom 1. Dezember 2011 sei eine Weiterverpachtung der überlassenen Immobilie ausgeschlossen. Anhaltspunkte dafür, dass diesbezüglich eine Sondervereinbarung getroffen worden sei, würden fehlen. Darüber hinaus bestünden erhebliche Zweifel an der Ernstlichkeit des Mietvertrages. Es sei davon auszugehen, dass dieser nur abgeschlossen worden sei, um Leistungen nach dem SGB II zu erhalten.

Mit Beschluss vom 15. Februar 2012 ist durch Amtsgericht W. die Zwangsverwaltung des Grundbesitzes der Antragstellerin zu 1 angeordnet und ein Zwangsverwalter bestellt worden. Die Antragstellerinnen haben im Beschwerdeverfahren ein Schreiben des Zwangsverwalters B. vom 29. Januar 2013 vorgelegt, wonach dieser bestätigt, dass der Zeuge P. B. das gesamte Objekt angepachtet habe und bezüglich der vorhandenen Miet- und Ferienwohnungen Untermietverhältnisse abschließen dürfe.

Der Senat hat einen Erörterungstermin am 11. April 2013 durchgeführt, in dem die Antragstellerin zu 1 mitgeteilt hat, dass das Grundstück zwischenzeitlich zwangsversteigert worden sei und mit dem Erwerber gegebenenfalls ab dem 1. Mai 2013 ein neuer Mietvertrag abgeschlossen werden solle. Im Erörterungstermin ist der Sohn der Antragstellerin zu 1, P. B., als Zeuge vernommen worden. Diesbezüglich wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Verwaltungsakten verwiesen, die Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung gewesen sind.

II.

1.

Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist insbesondere im Sinne des § 172 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 7. Oktober 2009 – L 5 AS 293/09 B ER – juris). Die Antragstellerinnen haben ausweislich der Antragsbegründung vom 9. November 2012 für den Zeitraum vom 11. Oktober 2012 bis zum 30. April 2013 vorläufig Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 370,- EUR begehrt.

Die Beschwerde ist aber nicht begründet. Der Beschluss des SG vom 26. November 2012 ist im Ergebnis zutreffend. Denn der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist unbegründet.

Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann eine einstweilige Anordnung erlassen werden, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dabei hat der Antragsteller gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung (ZPO) den Anspruch auf die begehrte Leistung (Anordnungsanspruch) sowie die Dringlichkeit der Entscheidung des Gerichts (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen.

Grundsätzlich soll wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung der Hauptsache nicht vorweg genommen werden. Der Beweismaßstab im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erfordert im Gegensatz zu einem Hauptsacheverfahren für das Vorliegen der anspruchsbegründenden Tatsachen nicht die volle richterliche Überzeugung. Dies erklärt sich mit dem Wesen dieses Verfahrens, das wegen der Dringlichkeit der Entscheidung regelmäßig keine eingehenden, unter Umständen langwierigen Ermittlungen zulässt. Deshalb kann im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur eine vorläufige Regelung längstens für die Dauer des Klageverfahrens getroffen werden, die das Gericht in der Hauptsache nicht bindet. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft gemacht, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen überwiegend wahrscheinlich sind. Dies erfordert, dass mehr für als gegen die Richtigkeit der Angaben spricht (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG - Kommentar, 10. Aufl. § 86b Rn. 16b).

Ein Anordnungsanspruch ist nach dem vorgenannten Prüfungsmaßstab nicht hinreichend glaubhaft. Die Antragstellerinnen haben hiernach keinen Anspruch auf die Übernahme der geltend gemachten Kosten der Unterkunft und Heizung durch den Antragsgegner.

Der Streitgegenstand ist hier, dem Vorbringen der Antragstellerinnen entsprechend, auf die Kosten der Unterkunft und Heizung beschränkt. Insoweit handelt es sich um einen abtrennbare Verfügungssatz (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 19. März 2008 - B 11 B AS 41/06 R - juris).

Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit sie angemessen sind. Bereits aus dem Gesetzeswortlaut ergibt sich, dass der Grundsicherungsträger nur solche Kosten zu übernehmen hat, die dem Hilfebedürftigen tatsächlich entstanden sind und für deren Deckung ein Bedarf besteht. Dies sind in erster Linie Kosten, die durch einen Mietvertrag begründet sind, wie sie die Antragstellerinnen vorliegend auch geltend machen. Es reicht aus, dass der Hilfebedürftige im jeweiligen Leistungszeitraum einer wirksamen und nicht dauerhaft gestundeten Mietzinsforderung ausgesetzt ist (BSG, Urteil vom 7. Mai 2009 - B 14 AS 31/07 R - juris). Ausgangspunkt für die Frage, ob eine wirksame Mietzinsverpflichtung des Hilfebedürftigen vorliegt, ist in erster Linie der Mietvertrag, mit dem der geschuldete Mietzins vertraglich vereinbart worden ist. Entscheidend ist der entsprechende rechtliche Bindungswille der beteiligten Vertragsparteien. So ist ein Mietverhältnis auch dann anzunehmen, wenn nur eine geringfügige "Gefälligkeitsmiete" vereinbart ist, oder wenn der Mieter lediglich die Betriebskosten oder sonstige Lasten zu tragen hat. Grundsicherungsrechtlich ist es sogar erwünscht, dass der vereinbarte Mietzins etwa aus Gründen der verwandtschaftlichen Verbundenheit niedriger ist, als dies in einem Mietverhältnis unter Fremden der Fall wäre (BSG, a.a.O.). Die Umstände des behaupteten Mietverhältnisses sind im Einzelnen zu ermitteln und zu würdigen. Bei dieser Gesamtwürdigung und bei der Auslegung der Vereinbarungen muss jedoch die tatsächliche Übung der Parteien, mithin der tatsächliche Vollzug des Vertragsinhalts, berücksichtigt werden. Im Übrigen sind die Kriterien, die der Bundesfinanzhof im Hinblick auf den sogenannten Fremdvergleich entwickelt hat, nach der Rechtsprechung des BSG im Grundsicherungsrecht nicht anwendbar (BSG, a.a.O.). Der Senat geht von einem Rechtsbindungswillen aus, wenn die vertragsbegründenden Erklärungen beider Vertragsparteien aus Sicht eines verständigen Adressaten den Willen des Erklärenden erkennen lassen, mit der Erklärung jeweils eine rechtliche Bindung zu bewirken. Dies führt dazu, dass die Erklärung nicht mehr einseitig widerrufen oder geändert werden kann. Beiden Willenerklärungen muss also ein Geltungswille ("sic volo sic iubeo" = "so will ich, so befehle ich") entnommen werden können. Sie sind insoweit abzugrenzen von der bloßen Erklärung der Vertragsbereitschaft, die als solche noch unverbindlich ist (Busche in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2012, § 145 Rn. 7). Hierbei ist für den Fall des Mietvertrags unter nahen Angehörigen im Grundsicherungsrecht zu berücksichtigen, dass einem Missbrauch auch dann vorgebeugt werden muss, wenn die Vertragsparteien Mietpreise unterhalb der Angemessenheitsgrenze vereinbaren oder diese ausschöpfen (Urteil des Senats vom 21. Juni 2012 – L 5 AS 67/09 – Rn. 27, juris).

Der Senat konnte nach umfassender Gesamtwürdigung der Umstände des Vertragsschlusses, unter Auswertung der Verwaltungs- und Gerichtsakten, unter Berücksichtigung des – widersprüchlichen – Vortrags der Antragstellerin zu 1 sowie nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme (Einvernahme des Sohnes der Antragstellerin zu 1 als Zeuge) mit hinreichender Sicherheit weder der Antragstellerin zu 1 noch ein Bindungswillen des Zeugen bzgl. des vorgelegten Mietvertrags vom 30. Dezember 2011 feststellen.

Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

Bei der Antragstellung am 21. Dezember 2011 hatte die Antragstellerin zu 1 angegeben, sie bewohne eine Mietwohnung. Vermieter sei Herr P. B. Sie hat desweiteren Kosten der Mietwohnung in Höhe von 260,- EUR Grundmiete, 55,- EUR Nebenkosten und 70,- EUR Heizkosten mitgeteilt. Dieser Angabe steht entgegen, dass der Mietvertrag zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht geschlossen war. Ausweislich des Mietvertrags soll dieser vielmehr erst am 30. Dezember 2011 abgeschlossen worden sein. Auch die Angaben zum Mietzins sind unzutreffend. Ausweislich des Mietvertrages betragen die Grundmiete 250,- EUR und die Nebenkosten 120,- EUR. Ebenso unglaubhaft ist die Mietbescheinigung des Vermieters, in der dieser unter dem 19. Dezember 2011 die Vermietung einer Wohnung bescheinigte, die ausweislich des Mietvertrags erst am 1. Januar 2012 bezogen und für die der Mietvertrag erst am 30. Dezember 2011 abgeschlossen worden sein soll. Auch hier stimmen die Angaben zur Grundmiete und zu den Nebenkosten nicht überein mit den Angaben im Mietvertrag vom 30. Dezember 2011.

Gegen die Ernsthaftigkeit des Mietvertrages spricht desweiteren, dass der Mietzins aus dem Mietvertrag zwischen Mutter und Sohn höher war, als das Nutzungsentgelt für das gesamte Anwesen, das der Sohn der Insolvenzverwalterin schuldete. Wie der Antragsgegner zutreffend ausführt, lässt sich dies nicht mit dem Sinn und Zweck eines Insolvenzverfahrens vereinbaren, da es letztlich den Gläubigern der Antragstellerin zu 1 schadet, die mehr Geld an ihren Sohn bezahlen sollen, als ihre Insolvenzverwalterin für die Nutzung des gesamten Anwesens erhält.

Im Erörterungstermin des Senats haben die Antragstellerin zu 1 und ihr als Zeuge vernommener Sohn unterschiedliche Angaben gemacht, wie es zum Abschluss des Mietvertrages gekommen ist. Die Antragstellerin zu 1 hat mitgeteilt, der Sohn habe das Formular aus dem Internet gezogen und sie habe dann gemeinsam mit ihm am Computer gesessen und den Mietvertrag ausgefüllt. Dagegen hat der Sohn in der Zeugeneinvernahme mitgeteilt, er habe den Mietvertrag alleine aus dem Internet gezogen. Seine Mutter sei nicht anwesend gewesen.

Widersprüchlich sind auch die Angaben der Vertragsparteien hinsichtlich des Ausfüllens des Mietvertrages. Während die Mutter – nachdem sie sich zunächst nicht erinnern konnte – auf Vorhalt des Vertragsformulars festgestellt hat, dass sie das Vertragsmuster handschriftlich ausgefüllt hat, hat der Zeuge auf Vorhalt des Mietvertrages erklärt, er habe die handschriftlichen Eintragungen vorgenommen. Der Senat geht davon aus, dass der Zeuge insoweit unzutreffende Angaben gemacht hat. Denn sie widersprechen den Angaben der Antragstellerin zu 1; zudem ist aus den Verwaltungsakten ersichtlich, dass es sich bei den Eintragungen im Mietvertrag um die Handschrift der Mutter handelt. Dies wird deutlich, wenn man die von der Antragstellerin zu 1 ausgefüllten Antragsunterlagen vom 21. Dezember 2011 mit den handschriftlichen Eintragungen im Mietvertrag vergleicht.

Auch im Hinblick auf die Bestimmung des Mietpreises haben die Antragstellerin zu 1 und der Zeuge widersprüchliche Angaben gemacht. Die Antragstellerin zu 1 hat mitgeteilt, dieser sei so "ausgetüftelt" worden, dass sie gemeinsam mit ihrem Sohn als Vermieter den Quadratmeterpreis von 3,85 EUR zugrunde gelegt habe. Wegen der "Fliegen auf dem Reiterhof" und da die Wohnung "nur etwas für Pferdefreunde" sei, habe sie damals gesagt, dass ein Abschlag von den üblichen 4,00 EUR pro Quadratmeter gemacht werden solle, sodass 3,85 EUR pro Quadratmeter "machbar" gewesen seien. Dagegen hat der Zeuge mitgeteilt, er habe den Mietpreis alleine gebildet. Er habe im Internet die Tabellen des Landkreises gefunden und diese Beträge dann als Mietzins angesetzt.

Auch im Hinblick auf die Zahlung des Mietzinses haben die "Vertragsparteien" unterschiedliche Angaben gemacht. Während sie im Mietvertrag noch eine Kontoüberweisung vereinbart hatten, habe die Antragstellerin zu 1 ausweislich der Beschwerdebegründung (Schriftsatz vom 14. Februar 2013) die Miete von Januar bis Juni 2012 in bar gezahlt. Dies hat sie auch im Erörterungstermin des Senats so mitgeteilt und zur Begründung angeführt, ihr Sohn habe Bargeld gebraucht, weil er Heu und Stroh immer in bar habe bezahlen müssen. Die Angaben im Mietvertrag zur Kontoüberweisung seien nur deshalb so erfolgt, weil das so "Gang und Gäbe" sei. Entgegen diesem Vortrag hat jedoch der Zeuge erklärt, es sei eine Banküberweisung vereinbart worden, da die Einnahme direkt über seine Betriebsbücher habe laufen sollen. Der Mietpreis sei von der Antragstellerin zu 1 daher auch teilweise überwiesen worden.

Die dargestellten Widersprüche sind derart gewichtig, dass der Senat im vorliegenden Eilverfahren nicht von der Ernstlichkeit des Mietvertrages ausgehen kann. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Steuerberater der Antragstellerin zu 1 ihrer Mandantin bestätigt haben, dass bei deren Sohn die Miete als Einnahme verbucht worden sei. Denn die Verbuchung einer Einnahme kann die dargestellten Zweifel an der Ernstlichkeit des Mietvertrages nicht entkräften.

2.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren ist nicht begründet, da die gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit §§ 114 ff Zivilprozessordnung (ZPO) notwendigen hinreichenden Erfolgsaussichten fehlen (vgl. unter II. 1.).

Diese ergeben sich auch nicht aus der Durchführung einer Beweisaufnahme im Erörterungstermin des Senats. Zwar hat der Berichterstatter den Sohn der Antragstellerin zu 1 als Zeugen vernommen. Jedoch haben sich die Angaben der Antragstellerinnen nicht bestätigt. Die bloße Behauptung erfolgsdienlicher Tatsachen begründet nicht automatisch eine hinreichende Aussicht auf Erfolg. So ist das Aufstellen einer Behauptung ins Blaue hinein oder sogar eine wissentlich falsche Behauptung nicht geeignet, eine hinreichende Aussicht auf Erfolg anzunehmen. Dies gilt auch, wenn das Gericht diese Behauptungen zunächst ernst nimmt und ihnen deshalb nachgeht. Diese auf unlautere Art veranlassten Ermittlungen sind keine, die nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung einen Anspruch auf Prozesskostenhilfe nach sich ziehen. Soweit sich daher eine behauptete Tatsache als nicht zutreffend erweist, darf ein derart missbräuchliches Prozessverhalten nicht mit der Bewilligung von PKH honoriert werden (Landessozialgericht Bayern, Beschluss vom 3. Mai 2012 – L 15 SB 53/12 B PKH – juris; Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 8. September 2010 – L 1 R 16/10 –).

Zudem fehlen bisher Erklärungen der wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse der Antragstellerinnen, sodass die sog. Prozessarmut nicht geprüft werden konnte. Soweit der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerinnen meint, insoweit seien die Angaben aus dem erstinstanzlichen Verfahren hinreichend, ist dies unzutreffend. Vielmehr sind die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen erneut glaubhaft zu machen, wenn auch für die Beschwerdeinstanz Prozesskostenhilfe begehrt wird.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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