L 7 AS 330/13 B ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 50 AS 1028/13 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 330/13 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Im einstweiligen Rechtsschutz kann ein Zusicherung zu laufenden Kosten einer künftigen Wohnung (§ 22 Abs. 4 SGB II) und eine Zusicherung für Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten (§ 22 Abs. 6 SGB II) nur in Form einer vorläufigen Zusicherung erlangt werden. Auch die aus einer vorläufigen Zusicherung im nachfolgenden Zusicherungsfall abgeleiteten Leistungen sind nur vorläufig. Eine abschließende Klärung ist dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.
Die Zusicherungen nach § 22 Abs. 4 SGB II und § 22 Abs. 6 Satz 2 SGB II müssen sich auf eine konkrete Wohnung beziehen.
Eine Zusicherung nach § 22 Abs. 6 Satz 1 SGB II steht im Ermessen der zuständigen Behörde.
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom
3. Mai 2013 zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.



Gründe:


I.
Die Antragstellerin begehrt im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes Leistungen für eine Unterkunft.

Die 1989 geborene Antragstellerin lebte bis Februar 2013 im Haushalt ihrer Eltern und bezog Leistungen vom Jobcenter D ... Am 20.03.2013 meldete sie sich unter der Adresse eines Herrn J., der seinerseits Arbeitslosengeld II vom Antragsgegner bezieht, in A-Stadt an und beantragte Leistungen zum Lebensunterhalt. Über eine Unterkunft verfüge sie nicht, sie wohne bei Bekannten in A-Stadt oder schlafe auf der Straße. Über diesen Antrag wurde noch nicht entschieden. Laut Antragsgegner stehen noch Unterlagen zum Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) aus. Die Antragstellerin wurde zur Behebung ihrer Obdachlosigkeit an die zentrale Wohnungshilfe (ZEW) der Stadt A-Stadt verwiesen.

Am 18.03.2013 stellte die Antragstellerin einen ersten Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht München (Az. S 48 SO 154/13 ER). Der Antragsgegner wurde beigeladen und mit Beschluss vom 10.04.2013 verpflichtet, der Antragstellerin von 18.03.2013 bis 31.07.2013 vorläufig Leistungen in Höhe von monatlich 305,60 Euro (80 % des Regelbedarfs von 382,- Euro) zu gewähren.

Am 03.05.2013 stellte die Antragstellerin den streitgegenständlichen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht München. Der Antragsgegner weigere sich, die vorherige richterliche Entscheidung anzuerkennen. Beigefügt war ein Schreiben der Antragstellerin, in dem sie sich darüber beklagte, dass die Kosten für eine nicht näher bezeichnete Wohnung in Höhe von 260,- Euro monatlich nicht übernommen worden seien und sie deshalb in ein Hotel ziehen müsse. Beigelegt war ein Kostenvoranschlag eines Hotels für ein Zimmer ohne Frühstück zum Preis von 2.791,- Euro (in Worten zweitausendsiebenhunderteinundneunzig) pro Monat.

Die vom Sozialgericht beigeladene Stadt A-Stadt teilte mit, dass der Antragstellerin am 08.05.2013 im Rahmen der Obdachlosenhilfe ein Platz in einem Notquartier zugewiesen wurde, den die Antragstellerin nicht in Anspruch genommen habe. Sofern die Antragstellerin erneut beim ZEW vorspreche, werde ihr wiederum ein Platz in einer Unterkunft zugewiesen werden. Dort erfolge auch immer eine sozialpädagogische Betreuung.

Das Sozialgericht lehnte den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 23.05.2013 ab. Der Antragsgegner sei seinen Verpflichtungen aus dem vorhergehenden Beschluss des Sozialgerichts vom 12.04.2013 nachgekommen. Hinsichtlich von Kosten der Unterkunft fehle es an einer Eilbedürftigkeit. Derartige Kosten seien der Antragstellerin bislang nicht entstanden. Ein Obdach könne der Antragstellerin bei Bedarf durch die Beigeladene zugewiesen werden. Der Antragsgegner könne auch nicht verpflichtet werden zukünftige Kosten, die in keiner Weise konkretisiert worden seien, für eine Mietwohnung oder ein Zimmer zu übernehmen. Ein Anspruch auf Übernahme von Hotelkosten in Höhe von 2.791,- Euro pro Monat bestehe nicht.

Die Antragstellerin hat am 04.06.2013 Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München eingelegt. Der Beschluss sei aufzuheben und die Antragsgegnerin sei zu verpflichten, die beantragten Unterkunftskosten zuzüglich der damit verbundenen Mehrkosten (Maklergebühren, Umzugskosten etc.) zu gewähren. Sie wohne derzeit in einem Frauenhaus, könne dort aber höchstens sechs Monate bleiben. Sie benötige eine angemessene Wohnung in A-Stadt. Weil der Antragsgegner sich weigere, die Kosten zu übernehmen, können sie keine Wohnung bekommen.

Das Beschwerdegericht hat die Niederschrift aus der nichtöffentlichen Sitzung vom 18.04.2013 in dem Eilverfahren S 16 AS 649/13 ER beigezogen. In diesem, von Herrn J. betriebenen Eilverfahren ging es um die Frage, ob die Antragstellerin bei Herrn J. in der Wohnung wohnt. Die Antragstellerin hat dort als Zeugin ausgesagt. Sie hat dort insbesondere bestätigt, dass sie derzeit in einem Frauenhaus wohnt.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts München vom 23.05.2013 aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, vorläufig die Übernahme von Kosten einer Unterkunft, auch Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten zuzusichern oder diese Kosten zu übernehmen.

Der Antragsgegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf die Akte des Antragsgegners, die Akten des Sozialgerichts München S 50 AS 1028/13 ER und S 48 SO 154/13 ER und die Akte des Beschwerdegerichts verwiesen.

II.
Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§ 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Die Beschwerde ist jedoch unbegründet, weil das Sozialgericht den Antrag auf einstweilige Anordnung zu Recht zurückgewiesen hat.

Die Antragstellerin hat nunmehr klargestellt, dass es ihr ausschließlich um Kosten einer Unterkunft geht. Dabei begehrt sie nicht die Kosten ihrer gegenwärtigen Unterkunft im Frauenhaus, sondern die Kosten einer künftigen Wohnung und die voraussichtlich mit der Wohnungsbeschaffung und einem Umzug zusammenhängenden Kosten.

Für die begehrte Begründung einer Rechtsposition im einstweiligen Rechtsschutz ist ein Antrag auf eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG statthaft. Der Antrag muss zulässig sein und die Anordnung muss zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheinen. Es muss glaubhaft sein, dass ein materielles Recht besteht, für das einstweiliger Rechtsschutz geltend gemacht wird (Anordnungsanspruch), und es muss glaubhaft sein, dass eine vorläufige Regelung notwendig ist, weil ein Abwarten auf die Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht zumutbar ist (Anordnungsgrund).

Zunächst ist festzustellen, dass der Antragsgegner unter keinen Umständen verpflichtet ist, der Antragstellerin eine Wohnung zu suchen oder zur Verfügung zu stellen. Für eine Unterbringung der Obdachlosigkeit ist ausschließlich die Beigeladene gemäß dem Bayerischen Landesstraf- und Verordnungsgesetz zuständig. Da die Obdachlosigkeit behoben ist, hat sich auch dies erledigt.

Die Antragstellerin kann daher allenfalls Kosten für eine künftige Wohnung geltend machen. Weil derartige Kosten derzeit nicht anfallen, kann sie nur eine Zusicherung zur Übernahme künftiger Kosten begehren.

Eine Zusicherung ist nach § 34 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch eine verbindliche Zusage, einen Verwaltungsakt später zu erlassen oder zu unterlassen. Die Zusicherung soll im Vorgriff Klarheit über eine zukünftige Regelung schaffen. Im vorliegenden Fall soll vorab geklärt werden, ob bestimmte künftige Kosten für eine neue Wohnung später durch eine Leistungsbewilligung übernommen werden. Dies kann für einen Hilfesuchenden und einen Vermieter von erheblichem wirtschaftlichem Interesse sein. Wenn der "Zusicherungsfall" eintritt, hier die Kosten der neuen Wohnung entstehen, kann aus der Zusicherung die zugesicherte Leistung verlangt werden.

Eine Verpflichtung der Behörde zum Erlass einer Zusicherung ist auch im einstweiligen Rechtsschutz ohne eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache möglich. Im einstweiligen Rechtsschutz kann aber nur eine vorläufige Regelung für die Zwischenzeit bis zur bestandskräftigen Entscheidung in der Hauptsache geschaffen werden (vgl. Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 2. Auflage 2008, Rn. 290). Daher kann im einstweiligen Rechtsschutz nur eine Verpflichtung zu einer vorläufigen Zusicherung ausgesprochen werden. Die Vorläufigkeit beruht auf der Abhängigkeit von der Entscheidung in der Hauptsache. Eine abschließende Klärung der künftigen Ansprüche kann eine einstweilige Anordnung zu einer Zusicherung grundsätzlich nicht erreichen. Das ist aber auch bei einstweiligen Anordnungen zu Zahlungsansprüchen die Eigenheit des vorläufigen Rechtsschutzes und kein Problem der Vorwegnahme der Hauptsache. Wenn der Zusicherungsfall während dem Hauptsacheverfahren einer Klage auf Zusicherung eintritt, hier also die Kosten der neuen Wohnung entstehen, können diese Kosten vorläufig aus der vorläufigen Zusicherung verlangt werden. Ob der Begünstigte die vorläufigen Leistungen behalten darf oder zurückzahlen muss, wird erst im Hauptsacheverfahren entschieden. Für eine endgültige Verpflichtung zur Erteilung einer Zusicherung im einstweiligen Rechtsschutz (so für Ausnahmefälle LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 06.05.2009, L 32 AS 612/09 B ER und Beschluss vom 31.07.2009, L 25 AS 1216/09 B ER) wird keine Rechtsgrundlage und keine Notwendigkeit gesehen.

Hier besteht aber weder ein Anordnungsgrund noch ein Anordnungsanspruch für eine Zusicherung, so dass die Beschwerde zurückzuweisen ist.

Nach § 22 Abs. 4 Satz 1 SGB II soll ein Leistungsberechtigter vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft die Zusicherung des bisher zuständigen Leistungsträgers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Eine Verpflichtung, diese Zusicherung zu erteilen, besteht nach Satz 2 dieser Vorschrift nur, wenn der Umzug erforderlich ist und die Aufwendungen der neuen Unterkunft angemessen sind.

Das BSG hat im Urteil vom 06.04.2011, B 4 AS 5/10 R, Rn. 17, dargelegt, dass eine Zusicherung nach § 22 Abs. 4 SGB II nur dann in Betracht kommt, wenn die künftigen Unterkunftskosten feststehen. Eine Zusicherung, in der Zukunft einen bestimmten Verwaltungsakt zu erlassen, ist nur möglich, wenn ein konkretes Wohnungsangebot vorliegt. Die Aufwendungen für das Hotelzimmer sind viel zu hoch und nicht angemessen. Eine andere Unterkunft ist nicht konkretisiert.

Nach § 22 Abs. 6 Satz 1 SGB II können Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug zuständigen Leistungsträger als Bedarf anerkannt werden. Diese Zusicherung soll nach Satz 2 dieser Vorschrift erteilt werden, wenn der Umzug durch die Behörde veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in angemessenem Zeitraum nicht gefunden werden kann.

Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten müssen grundsätzlich angemessen sein, weil sie, wenn es die Spezialregelung in § 22 Abs. 6 SGB II nicht gäbe, unter die allgemeinen Unterkunftskosten nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II fallen würden, die nur in angemessenem Umfang zu übernehmen sind (so BSG, Urteil vom 06.05.2010, B 14 AS 7/09 R, Rn. 14 für die Umzugskosten). Die Antragstellerin hat aber keinen Anspruch auf Zusicherung von Kosten in angemessener Höhe.

Weil der beabsichtigte Umzug nicht durch die Behörde veranlasst wurde und ein Umzug nur notwendig sein kann, wenn ein Einzug in eine konkrete kostenangemessene Wohnung erfolgt (Luik in Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 22 Rn. 215; Berlit in Münder, LPK SGB II, 4. Auflage 2011, § 22 Rn. 158) ), diese hier aber nicht vorhanden ist, besteht kein Anspruch auf eine Soll-Zusicherung nach § 22 Abs. 6 Satz 2 SGB II.

Die Zusicherung nach § 22 Abs. 6 Satz 1 SGB II steht im Ermessen des Leistungsträgers (BSG, Urteil vom 06.05.2010, B 14 AS 7/09 R, Rn. 18). Angesichts dessen, dass die Antragstellerin derzeit untergebracht ist und diese Unterkunft auch noch längere Zeit in Anspruch nehmen kann, spricht nichts für eine Ermessensreduzierung auf Null. Dann ist ein derartiger Anspruch im einstweiligen Rechtsschutz nicht durchsetzbar (vgl. Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 10. Auflage 2012, § 86b Rn. 30a).

Weil die Antragstellerin derzeit untergebracht ist, sie keine konkrete Unterkunft zur Hand hat und nicht erkennbar ist, dass eine vorläufige gerichtliche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig ist, kann auch ein Anordnungsgrund nicht bejaht werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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