L 1 KR 89/10

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 34 KR 1310/09
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 KR 89/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Sozialversicherungspflicht des Klägers.

Die K. B. GmbH Steuerberatungsgesellschaft, eine Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 2, wurde am 12. Oktober 2006 gegründet. Am 22. November 2006 wurde sie in B. + K. GmbH Steuerberatungsgesellschaft umbenannt. Das Stammkapital betrug 27.000 EUR. Der Kläger, ein seinerzeit 36-jähriger Dipl.-Kaufmann und Steuerberater, war einer von fünf Gesellschaftern. Er hielt einen Anteil von 25 Prozent. Der nur wenig ältere Mitgesellschafter A.K. hielt ebenfalls einen Anteil von 25 Prozent. Die übrigen Gesellschafter, die seinerzeit jeweils über 50 Jahre alt waren, hielten zusammen einen Anteil von 50 Prozent. Letztere waren zugleich Gesellschafter einer anderen Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 2, der T. GmbH, die bereits seit mehr als zwei Jahrzehnten als Steuerberatungsgesellschaft existierte. Sowohl der Kläger als auch die übrigen Gesellschafter übernahmen jeweils gegenüber der D. Bank eine selbstschuldnerische Bürgschaft bis zum Höchstbetrag von 482.750 EUR. Sicherungsgegenstand waren sämtliche Ansprüche der Bank gegen die B. + K. GmbH Steuerberatungsgesellschaft aus zwei Kreditverträgen vom 12. Dezember 2006.

Der Kläger wurde aufgrund des "Anstellungsvertrags Geschäftsführer" vom 20. Dezember 2006, auf den vollumfänglich Bezug genommen wird, ab dem 1. Januar 2007 zum alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer der B. + K. GmbH Steuerberatungsgesellschaft bestellt. Weiterer Geschäftsführer war Herr K ... Nach § 6 Abs. 6 des Gesellschaftervertrags, auf den vollumfänglich Bezug genommen wird, waren die Geschäftsführer zur Beachtung der Weisungen der Gesellschafterversammlung verpflichtet. Nach § 9 Abs. 3 des Gesellschaftervertrags wurden Gesellschafterbeschlüsse grundsätzlich mit einfacher Mehrheit gefasst, dabei wurde nach Geschäftsanteilen abgestimmt und je 50 EUR eines Geschäftsanteils eine Stimme gewährt.

Bereits am 1. Dezember 2006 war bei der Beklagten, bei der der Kläger zu diesem Zeitpunkt krankenversichert war, ohne Anschreiben ein vom Kläger ausgefüllter "Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Gesellschafter-Geschäfts- führers einer GmbH im Rahmen eines Anfrageverfahrens gemäß § 7a Abs. 1 S. 2 SGB IV" eingegangen. Nachdem sie die Clearingstelle der Beigeladenen zu 1 beteiligt hatte, stellte die Beklagte mit Bescheid vom 28. August 2007 fest, der Kläger sei in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der B. + K. GmbH Steuerberatungsgesellschaft seit dem 1. Januar 2007 in allen Zweigen der Sozialversicherung versicherungspflichtig. Er könne aufgrund seiner Kapitalbeteiligung die Geschicke der GmbH nicht maßgeblich beeinflussen. Er trage auch kein Unternehmerrisiko; bei einem Anspruch auf ein jährliches Gehalt in Höhe von 71.500 EUR sei der Erfolg der eingesetzten Arbeitskraft nicht ungewiss. Die vertraglich vereinbarten Urlaubs- und Kündigungsregelungen sowie die Regelung zur Fortzahlung des Arbeitsentgeltes im Krankheitsfall seien ebenfalls Indizien für eine abhängige Beschäftigung.

Zur Begründung seines Widerspruchs führte der Kläger unter anderem aus, aufgrund des engen Vertrauensverhältnisses zwischen den Gesellschaftern, die sich bereits seit vielen Jahren persönlich und fachlich kennen würden, würden ihm keine Weisungen erteilt. Er sei hinsichtlich Zeit, Dauer, Umfang und Ort seiner Tätigkeit ungebunden sowie alleinvertretungsberechtigt. Das Unternehmerrisiko trage er über seine erfolgsabhängige Tantieme mit. Nicht zuletzt wegen der übernommenen Bürgschaft hänge seine gesamte wirtschaftliche Existenz vom finanziellen Erfolg der Gesellschaft ab.

Herr K., der vor seiner Geschäftsführertätigkeit für die B. + K. GmbH Steuerberatungsgesellschaft bei der Techniker Krankenkasse krankenversichert gewesen war, wurde hinsichtlich dieser Tätigkeit nicht als sozialversicherungspflichtig angesehen. Mit Wirkung zum 1. Januar 2009 verschmolzen sowohl die B. + K. GmbH Steuerberatungsgesellschaft als auch die T. GmbH mit der neugegründeten Beigeladenen zu 2. Für seine Tätigkeit als Geschäftsführer der B. + K. GmbH Steuerberatungsgesellschaft waren an den Kläger in keinem Jahr des Gesellschaftsbestands Tantiemen ausgeschüttet worden. Die Gesellschaft hatte die Geschäftsjahre 2006 und 2007 jeweils mit einem Verlust abgeschlossen; im Geschäftsjahr 2008, das mit einem Gewinn in Höhe von 68.986,51 EUR abschloss, wirkte sich insoweit der Verlustvortrag aus.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12. November 2009 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Die Eingliederung in den Betrieb liege bereits darin, dass er Beschlüsse der Gesellschafterversammlung auszuführen habe und nur im Rahmen dieser Beschlüsse handeln dürfte. Es komme hingegen nicht darauf an, ob die übrigen Gesellschafter von ihrer Überwachungsbefugnis tatsächlich Gebrauch machen würden.

Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger am 13. November 2009 zugestellt. Der 13. Dezember 2009 war ein Sonntag. Die am 14. Dezember 2009 erhobene Klage hat das Sozialgericht Hamburg durch Urteil vom 17. September 2010 abgewiesen. Für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sprächen das feste Einkommen, die Tantiemenzusage, die Regelungen zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, die Urlaubs- und Kündigungsregelungen sowie das fest bezeichnete Aufgabengebiet des Klägers. Vor allem komme er als Geschäftsführer an den Beschlüssen der Gesellschafterversammlung nicht vorbei und dieses sei auch von allen Gesellschaftern so gewollt. Es sei nicht ersichtlich, dass die übrigen Gesellschafter ihre Entscheidungsrechte nicht ausüben würden. Nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung seien die Gesellschafteranteile so verteilt worden, dass weder er und Herr K. als die beiden jüngeren Gesellschafter noch die drei älteren Gesellschafter die jeweils andere Gruppe überstimmen könnten. Auf diese Weise habe der Mandatsübergang von der schon etablierten T. GmbH auf die Beigeladene zu 2 vorbereitet werden sollen; die älteren Gesellschafter hätten allmählich aus der Gesellschafterstellung ausscheiden wollen. Dem Kläger sei gerade keine Rechtsmacht eingeräumt worden, die es ihm im Zweifel ermögliche, seine Interessen gegenüber den anderen Gesellschaftern durchzusetzen. Er sei aufgrund der Verteilung der Anteile nicht einmal in der Lage, gemeinsam mit Herrn K. die Geschicke der Gesellschaft maßgeblich zu bestimmen. Unerheblich sei, dass die Gesellschafter Konflikte möglichst konsensual lösten würden. Aus dem Umstand, dass der Kläger eine selbstschuldnerische Bürgschaft in maßgeblicher Höhe übernommen habe, ergebe sich ebenfalls nichts anderes. Insoweit unterscheide sich seine Position nicht von derjenigen der übrigen Gesellschafter.

Bereits am 19. Oktober 2010 hat der Kläger Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts eingelegt, das ihm dann am 26. November 2010 zugestellt worden ist.

Am 1. März 2011 hat die Beigeladene zu 1 eine Betriebsprüfung bezogen auf die B. + K. GmbH Steuerberatungsgesellschaft durchgeführt, die keine Feststellungen oder Beanstandungen ergeben hat. Die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der Tätigkeit des Klägers ist nicht Gegenstand der Prüfung gewesen.

Der Kläger ist weiterhin der Auffassung, es besteht keine Weisungsgebundenheit. Dies sei auch nicht mit dem freien Beruf des Steuerberaters vereinbar. Zudem macht er geltend, bei Herrn K. sei bei gleicher Sachlage von Anfang an keine Sozialversicherungspflicht festgestellt worden. Da auch die Betriebsprüfung durch die insoweit kompetente Beigeladene zu 1 keine Beanstandung ergeben habe, liege eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung vor.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 17. September 2010 sowie den Bescheid vom 28. August 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12. November 2009 aufzuheben und festzustellen, dass er im Zeitraum vom 1. Januar 2007 bis zum 31. Dezember 2008 in keinem Zweig der Sozialversicherung versicherungspflichtig war.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend. Soweit der Kläger sich auf eine Gleichbehandlung mit Herrn K. berufe, gelte, dass es keine Gleichbehandlung im Unrecht gebe. Aus den Ergebnissen der Betriebsprüfung folge schon deswegen nichts Abweichendes, weil die Beigeladene zu 1 nicht zuständig für die Feststellung der Versicherungspflicht sei.

Die Beigeladene zu 2 hat sich dem Antrag des Klägers angeschlossen. Die übrigen Beigeladenen haben sich im Berufungsverfahren nicht zur Sache geäußert und keine Anträge gestellt.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte und der Akte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz – SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben worden. Es ist unschädlich, dass der Kläger die Berufung zwischen Verkündung und Zustellung des erstinstanzlichen Urteils eingelegt hat (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/ders., SGG, § 151 Rn. 9).

II. Die Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das Sozialgericht hat die als Feststellungklage zulässige Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen. Der Bescheid vom 28. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. November 2009 ist rechtmäßig, so dass der Kläger durch ihn nicht i.S.d. § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert ist.

1. Der angegriffene Bescheid ist formal rechtmäßig. Insbesondere war die Beklagte zuständig, die Versicherungspflicht festzustellen. Indem der Kläger ihr am 1. Dezember 2006 den ausgefüllten Fragebogen zuschickte, machte er ausreichend deutlich, dass er ihre Entscheidung über seine Versicherungspflicht gemäß § 28h Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB VI) – wünschte und nicht etwa die Prüfung seiner Versicherungspflicht im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens nach § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Allein aus dem Umstand, dass er dabei einen Antragsvordruck nutzte, der für das Statusfeststellungsverfahren vorgesehen ist, ergibt sich nichts anderes, zumal der seit dem Widerspruchsverfahren durchgehend anwaltlich vertretene Kläger zu keinem Zeitpunkt vorgebracht hat, eine Statusfeststellungsentscheidung durch die Beigeladene zu 1 zu begehren (vgl. zu einer ähnlichen Konstellation BSG 28.9.2011 – B 12 KR 15/10 R – Juris). Die Beklagte war zur Entscheidung im demnach eingeleiteten Einzugstellenverfahren grundsätzlich befugt. Sie war auch nicht verpflichtet, gemäß § 7a Abs. 1 Satz 2 SGB V eine Entscheidung der Beigeladenen zu 1 herbeizuführen. Das obligatorische Statusfeststellungsverfahren ist nicht auf Fälle zu erstrecken, in denen wie vorliegend keine Meldung durch den Arbeitgeber erfolgt, sondern die Einzugstelle im Rahmen eines Einzugstellenverfahrens Kenntnis von der Gesellschafterstellung eines GmbH-Geschäftsführers erlangt (so bereits LSG Baden-Württemberg 16.6.2010 – L 5 KR 5179/08 – Juris; offen gelassen von BSG 28.9.2011 – B 12 KR 15/10 R – Juris (Rn. 31)). Andernfalls würde der Ausnahmecharakter des § 7a Abs. 1 Satz 2 SGB IV unterlaufen. Mit dem obligatorischen Statusfeststellungsverfahren soll vermieden werden, dass bei Personen im Grenzbereich zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit der Arbeitgeber Beiträge abführt und der Arbeitnehmer daher in der Regel keine ausreichende Eigenvorsorge trifft, die Arbeitsverwaltung im Fall von Arbeitslosigkeit dann aber einen Anspruch auf Arbeitslosengeld verneint (vgl. Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit zum Gesetzentwurf eines Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt in BT-Drucks. 15/1749, S. 9). Geht die GmbH wie vorliegend nicht von einer abhängigen Beschäftigung aus und führt deswegen von sich aus keine Beiträge zur Arbeitslosenversicherung ab, bedarf es dieses besonderen Schutzes des GmbH-Geschäftsführers nicht.

2. Der angegriffene Bescheid ist auch materiell rechtmäßig. Der Kläger war im streitbefangenen Zeitraum versicherungspflichtig in allen Zweigen der (Sozial-) Versicherung. In den Jahren 2007 und 2008 unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, der Versicherungspflicht in der Gesetzlichen Arbeitslosen-, Kranken und Rentenversicherung sowie in der Sozialen Pflegeversicherung, vgl. § 24 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung – in der Fassung des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes – AFRG – vom 24. März 1997 (BGBl. I, S. 594); § 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung – in der Fassung des Gesundheits-Reformgesetzes – GRG – vom 20. Dezember 1988 (BGBl. I, S. 2477); § 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung – in der Fassung des Gesetzes zur Förderung ganzjähriger Beschäftigung vom 24. April 2006 (BGBl. I, S. 926); § 20 Sozialgesetzbuch Elftes Buch – Soziale Pflegeversicherung – ebenfalls in der Fassung des Gesetzes zur Förderung ganzjähriger Beschäftigung vom 24. April 2006 (BGBl. I, S. 926). Maßstab für die Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses ist § 7 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung. Wie das Sozialgericht zutreffend dargelegt hat, ist bei Gesellschafter-Geschäftsführern einer GmbH, die wie der Kläger weder über die Mehrheit der Gesellschaftsanteile noch über eine Sperrminorität verfügen, im Regelfall von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen. Etwas anderes gilt nur bei Vorliegen besonderer Umstände, die eine Weisungsgebundenheit im Einzelfall ausnahmsweise aufheben (vgl. BSG 14.12.1999 – B 2 U 48/98 R – Juris – m.w.N.; 18.12.2001 – B 12 KR 10/01 R – Juris – m.w.N.; 6.3.2003 – B 11 AL 25/02 R – Juris – m.w.N.; 4.7.2007 – B 11a AL 5/06 R – Juris; st. Rspr.). Wie das Sozialgericht mit zutreffender Begründung, auf die uneingeschränkt Bezug genommen wird, entschieden hat, lagen hier keine solchen Umstände vor. Der Senat sieht insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung seiner Entscheidungsgründe ab. Mit Blick auf das Vorbringen im Berufungsverfahren sei lediglich Folgendes hervorgehoben: Selbst wenn man zu Gunsten des Klägers als wahr unterstellt, ihm und auch Herrn K. gegenüber sei das Weisungsrecht tatsächlich nicht ausgeübt worden, wäre es doch rechtlich wirksam bestehen geblieben. Der Kläger hat selbst nicht vorgebracht, die Regelungen zur Weisungsgebundenheit, insbesondere § 6 Abs. 6 des Gesellschaftsvertrags, seien im Rechtssinne abbedungen worden; eine solche Änderung des Gesellschaftsvertrags hätte im Übrigen gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung notariell beglaubigt werden müssen. Die bloße Nichtausübung eines Weisungsrechts ist aber unbeachtlich, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Für die Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit sind die tatsächlichen Verhältnisse maßgeblich. Hierzu gehört aber auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht, unabhängig von ihrer Ausübung. Nur in diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (vgl. BSG 29.8.2012 – B 12 KR 25/10 R – Juris – mit einer zusammenfassenden Darstellung der bisherigen Rechtsprechung). Dem Kläger war gerade keine Rechtsmacht eingeräumt, die es ihm ermöglicht hätte, gegen den Willen der B. + K. GmbH Steuerberatungsgesellschaft die Geschäfte zu betreiben. Dass die drei älteren Gesellschafter zusammen keine Stimmmehrheit in der Gesellschafterversammlung hatten, führt zu keinem abweichenden Ergebnis. Entscheidend ist, dass sie gemeinsam mit Herrn K. eine Mehrheitsentscheidung treffen konnten und ihnen damit die Rechtsmacht eingeräumt war, dem Kläger auch gegen seinen erklärten Willen eine Weisung zur Geschäftsführung zu erteilen.

Dass der Beruf des Steuerberaters zu den freien Berufen gehört, steht der Annahme einer abhängigen Beschäftigung des Klägers nicht entgegen. Gegenstand der Beurteilung ist nicht seine mandatsbezogene Tätigkeit als Steuerberater, sondern seine Geschäftsführertätigkeit. Da der Kläger und seine Mitgesellschafter für ihre Steuerberatungsgesellschaft die Rechtsform einer GmbH wählten, die mit haftungs- und steuerrechtlichen Vorteile verbunden ist, kann er sich bezogen auf seine Geschäftsführertätigkeit nicht darauf berufen, die Zusammenarbeit mit den anderen Gesellschaftern habe unabhängig von der gewählten Gesellschaftsform der einer Sozietät freiberuflich selbständiger Steuerberater entsprochen (vgl. LSG Baden-Württemberg 16.6.2012 – L 5 KR 5179/08 – Juris).

Ebenso wenig vermag die Übernahme der selbstschuldnerischen Bürgschaft (vgl. BSG 29.8.2012 – B 12 KR 25/10 R – Juris – m.w.N.) oder die Vereinbarung einer erfolgsabhängigen Tantieme (vgl. BSG 10.5.2007 – B 7a AL 8/06 R – Juris). für sich genommen eine abhängige Beschäftigung ausschließen. Auch der Umstand, dass der Kläger vom Selbstkontrahierungsverbot befreit war, spricht nicht zwingend für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit (vgl. BSG 6.3.2003 – B 11 AL 25/02 R – Juris). Vielmehr sind auch diese Umstände im Rahmen der Gesamtwürdigung zu gewichten. Dem Kläger ist zuzugestehen, dass er mit Übernahme der selbstschuldnerischen Bürgschaft ein erhebliches wirtschaftliches Risiko einging. Allerdings ist dieses Risiko nicht mit seiner Geschäftsführertätigkeit verbunden, sondern in erster Linie mit seiner Stellung als Gesellschafter. Denn mit der Bürgschaft wurden Forderungen gegenüber der Gesellschaft abgesichert und sämtliche Gesellschafter übernahmen eine solche Bürgschaft. Es spricht nichts dafür, dass der Kläger mit der Bestellung der Bürgschaft seiner Dienstpflicht als Geschäftsführer nachkam. Im Geschäftsführervertrag ist dazu auch nichts geregelt. Vielmehr dürften die Gründe für die Bürgschaftsübernahme außerhalb der Beschäftigung bzw. des Dienstverhältnisses liegen und Bestandteil des vom Kläger und seinen Mitgesellschaftern gewählten Modells für den Generationenwechsel in der T. GmbH sein, das eben haftungs- und steuerrechtlich mit gewissen Vorteilen verbundenen war. Bezogen auf seine Geschäftsführerstätigkeit hatte der Kläger hingegen kein Unternehmerrisiko zu tragen. Als Gegenleistung stand ihm unabhängig vom wirtschaftlichen Ergebnis der Gesellschaft ein festes Jahresgehalt (§ 7 Abs. 1 Satz 1 des Geschäftsführervertrags) zu. Der Geschäftsführervertrag enthält keine Regelung zur Anrechnung einer etwaigen Dividende, die an ihn als Gesellschafter ausgeschüttet worden wäre. Auch die erfolgsabhängige Tantieme nach § 7 Abs. 2 des Geschäftsführervertrags wäre dem Kläger zusätzlich zu seinem Festgehalt gewährt worden. Sie war in Höhe von 10 Prozent des Jahresüberschusses der Gesellschaft nach Verrechnung mit Verlustvorträgen zu gewähren. Dass sie damit den substantiellen Teil seines Entgelts ausmachte, ist bei einem Festgehalt von 71.500 EUR jährlich nicht ersichtlich, zumal im gesamten streitbefangenen Zeitraum keine Tantieme ausgeschüttet wurde. Der Kläger nahm mithin bezogen auf die geschuldeten Dienste als Geschäftsführer nur an einer positiven Geschäftsentwicklung teil. Ein Unternehmerrisiko trug er insoweit nicht, wie der tatsächliche Ablauf anschaulich zeigt: Obwohl die Gesellschaft Verluste erwirtschaftete bzw. im letzten Jahr ihres Bestands ein Verlustvortrag vorgenommen wurde, bezog der Kläger sein Geschäftsführergehalt in unveränderter Höhe. Er hatte lediglich wie jeder andere Beschäftigte auch das Risiko des Entgeltausfalls in der Insolvenz des Arbeitgebers zu tragen. Der Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot kommt vor diesem Hintergrund kein entscheidendes Gewicht zu.

Es ist in der Tat schwer nachzuvollziehen, warum Herr K. bei offensichtlich gleicher Sachlage bezogen auf seine Geschäftsführertätigkeit für die B. + K. GmbH Steuerberatungsgesellschaft als Selbständiger behandelt wird. Hieraus kann der Kläger aber nichts für sich herleiten. Insbesondere liegt hierin kein Verstoß gegen das verfassungsrechtlich in Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz verankerte allgemeine Gleichbehandlungsgebot. Das gilt umso mehr, als die Beklagte nicht die zuständige Einzugstelle für Herrn K. ist und daher mit der Beurteilung seiner Tätigkeit zu keinem Zeitpunkt befasst war. Anders als der Kläger zu meinen scheint, vertritt die Beigeladene zu 1 auch keine für ihn günstigere Auffassung. Seine Tätigkeit war ausdrücklich nicht Gegenstand der vorgenommenen Betriebsprüfung. Im Übrigen ergibt sich aus der Verwaltungsakte, dass die Beklagte die Tätigkeit des Klägers intern zunächst als selbständig einstufte. Die Clearingstelle der Beigeladenen zu 1 ging hingegen von Anfang an von einer abhängigen Beschäftigung aus. Die Beklagte schloss sich dem an, formulierte aber noch in der Klageerwiderung, wegen der unterschiedlichen Auffassungen der beteiligten Sozialversicherungsträger bedürfe es einer gerichtlichen Klärung. Im Übrigen ist nicht ausgeschlossen, dass die Beigeladene zu 1 aus Anlass dieses Verfahren bezogen auf Herrn K. eine neuerliche Überprüfung durchführen wird.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf dem Rechtsgedanken des § 197 Abs. 1 und 4 SGG und berücksichtigt, dass der Kläger und die Beigeladene zu 2 unterliegen und die Aufwendungen der Beigeladenen zu 1, 3 und 4 nicht erstattungsfähig sind.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen, weil keiner der in § 160 Abs. 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe vorliegt.
Rechtskraft
Aus
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