L 8 KR 162/11

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 9 KR 74/10
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 162/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 17/13 R
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 10.02.2011 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen einschließlich der dem Beigeladenen zu 1) und ausschließlich der den übrigen Beigeladenen entstandenen außergerichtlichen Kosten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um den sozialversicherungsrechtlichen Status des Beigeladenen zu 1) aufgrund seiner Tätigkeit für die Klägerin im Zeitraum vom 01.10.2003 bis 24.05.2005.

Der Beigeladene zu 1) war seit dem 01.10.2003 auf der Basis eines am 25.09.2003 abgeschlossenen Projektvertrages, auf dessen Inhalt verwiesen wird, für die Klägerin tätig. Bis 30.09.2004 war er zudem als Student immatrikuliert (Studienabschluss 01.03.2004) und bei den Beigeladenen zu 2) und 3) kranken- und pflegeversichert. Ab dem 01.10.2004 war er bei den Beigeladenen zu 4) und 5) kranken- und pflegeversichert.

Am 26.01.2005 stellte der Beigeladene zu 1) bei der Beklagten einen Antrag auf Feststellung seines sozialversicherungsrechtlichen Status für die von ihm ausgeübte Tätigkeit "Merchandising/Rackjobbing" bei der QW. GmbH, deren Rechtsnachfolgerin die Klägerin ist.

Rackjobbing ist (zitiert nach http://de.wikipedia.org/wiki/Rackjobbing; Internetrecherche vom 29.04.2013) eine Dienstleistung, die im Bereich der Verkaufsförderung erbracht wird. Unter Rackjobbing versteht man Verkaufsförderung am POS (Point Of Sale) durch
- Design bzw. Aufbau der Verkaufsfläche (Regale)
- Pflege der Präsentation der Ware
- Disposition der Ware im Auftrag des Herstellers oder Großhändlers
- Warenverräumung im Auftrag des Herstellers oder einer zwischengeschalteten Agentur
- Auszeichnung der Ware
- Retoure (von Teilen) der präsentierten Ware auf Grund eines Aufrufs (Aufrufretoure), eines Defekts (Defektenretoure) oder Erreichen der Haltbarkeitsdaten
- Auffüllen von warenspezifischem Prospektmaterial.

Der Beigeladene zu 1) trug vor, er führe Besuche bestimmter Vertriebspartner der Firma ER. durch und betreue "Rückwände" bzw. "Gondeln" mit Original Handy-Zubehör. Die Frage nach einer regelmäßigen Arbeitszeit bejahte der Beigeladene zu 1) und gab sie mit 1 Tag pro Woche an. Daneben sei er für eine andere Auftraggeberin, die TZ. GmbH (TZ.) als Sales Assistant tätig.

Konkret betreute der Beigeladene zu 1) für die Klägerin zwei UO. Märkte in D-Stadt, einen in F-Stadt und einen in G-Stadt.

Nach Durchführung weiterer Sachverhaltsermittlungen, insbesondere Einholung von Erläuterungen des Beigeladenen zu 1) zu seiner Tätigkeit bei der Klägerin und Auswertung vorgelegter Unterlagen (u. a. des zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) geschlossenen "Projektvertrags" vom 25.09.2003 und der vom Beigeladenen zu 1) gegenüber der Klägerin gestellten Rechnungen) erließ die Beklagte nach Anhörung der Klägerin (die daraufhin ebenfalls eine umfangreiche Stellungnahme abgab) und des Beigeladenen zu 1) am 31.08.2005 gegenüber der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) einen Bescheid, worin sie feststellte, dass der Beigeladene zu 1) "die Tätigkeit im Bereich Regalservice in der Zeit vom 01.10.2003 bis 24.05.2005 im Rahmen eines abhängigen und damit dem Grunde nach sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses" ausübe. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass der Beigeladene zu 1) in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingebunden sei. Diese erteile einseitig im Wege des Direktionsrechts eines Arbeitgebers Weisungen, die Zeit, Dauer und den Ort der zu beurteilenden Tätigkeit sowie Art und Weise von deren Durchführung beträfen.

Gegen diesen Bescheid legten sowohl die Klägerin als auch der Beigeladene zu 1) Widerspruch ein, weil sie der Rechtsauffassung waren, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) für die Klägerin eine selbständige Tätigkeit sei.

Mit Widerspruchsbescheiden vom 18.07.2006 wies die Beklagte den Widerspruch sowohl der Klägerin als auch des Beigeladenen zu 1) zurück.

Hiergegen erhob die Klägerin zum Sozialgericht Frankfurt/Main Klage. Auch der Beigeladene zu 1) erhob Klage, die beim Sozialgericht Stuttgart geführt wird (dieser Rechtsstreit ruht).

Die Klägerin trug vor, sie sei ein Dienstleistungsunternehmen, das Dienstleistungen für den Handel als Bindeglied zwischen den Produktherstellern und den sog. Retailern (Weiterverkäufern) anbiete. Bei den Retailern handele es sich typischerweise um Handelsmarktketten wie PA., UO. Markt, SD., FG., HJ. etc., die in ihren jeweiligen lokalen Handelsmärkten (Retailmärkten) als "points of sale" die Produkte an die Endverbraucher verkauften. Zu ihren Dienstleistungsschwerpunkten gehöre zunächst die umfassende Betreuung der Produkte der Produkthersteller in den Retailmärkten ("Merchandising"), die über den bloßen Regalservice - also das einfache Befüllen der Verkaufsregale wie z.B. das Nachfüllen von Konservendosen in einem Lebensmittelmarkt nach fest vorgegebenen Standards - weit hinausgehe. Vielmehr würden die durch die Retailmärkte zur Verfügung gestellten Regalflächen in verkaufsaktive Präsentationen umgebaut und die Produkte unter Analyse des konkreten Endverbraucherverhaltens im jeweiligen Retailmarkt individuell disponiert und präsentiert. Insbesondere die Analyse der Abverkaufszahlen und die daraus für die Präsentation und Disposition der einzelnen Produkte zu ziehenden Schlüsse zur Erreichung möglichst hoher Umschlagszahlen erforderten ausgeprägte Erfahrungen im Handel und Kommunikationsfähigkeiten gegenüber den Mitarbeitern der Retailmärkte. Zu ihren Leistungen gehörten ferner die Bearbeitung von Retouren und Reklamationen sowie die Initiierung und/oder Umsetzung von Sonderaktionen und Zweitplatzierungen, die jedoch letztlich eigenverantwortlich durch ihre "Lieferanten" [unternehmensinterne Bezeichnung für Personen, die eine Tätigkeit wie der Beigeladene zu 1) ausüben] verantwortet bzw. initiiert würden. Darüber hinaus biete sie umfassende Dienstleistungen in Bezug auf Display-, Dekorations- und sog. Point of Sale-Systeme an, um die Produkte der Produkthersteller möglichst optimal und damit verkaufsfördernd in den Retailmärkten zu platzieren und zu repräsentieren, sei es für saisonale oder dauerhafte Platzierungen, sei es auf den allgemeinen Verkaufsflächen der Retailmärkte oder in eigens durch sie installierten Shop-in-Shop-Bereichen. Dies umfasse alle Schritte von der Konzeptionierung in Zusammenarbeit mit den Produktherstellern bis zur Umsetzung in Gestalt des Aufbaus, der Bestückung und der laufenden Betreuung (Logistik) in den Retailmärkten. Schließlich berate sie in Fragen des Retail-Managements. Dies umfasse die Konzeptionierung von Vertriebskonzepten, d. h. die Definition von Vertriebskanälen und deren Entwicklung unter Ausnutzung ihrer Kontakte zu den Zentralen des Handels. Ihre Kunden seien primär namhafte Produkthersteller, insbesondere aus der IT-, Kommunikations- und Unterhaltungselektronik-Branche wie Nokia, Samsung, LG, hp, Epson, Lexmark, Atari, Nintendo u.a. Schriftliche Verträge zwischen ihr und den Produktherstellern bestünden aufgrund der Marktmacht der Produkthersteller regelmäßig nicht. Sie "lebe" insoweit von der Zufriedenheit der Produkthersteller mit ihren Dienstleistungen und deren Bereitschaft, die von ihr geforderten Vergütungen zu zahlen. Insoweit gebe sie schriftliche Angebote für ihre Dienstleistungen ab, auf deren Basis dann - entschließe sich ein Produkthersteller zur Zusammenarbeit mit ihr - die Dienstleistungen ohne formalen Vertragsabschluss erbracht würden. Die von ihr zu betreuenden Produkte würden direkt aus den Warenlagern der Produkthersteller in die Retailmärkte geliefert. Ein eigenes Warenlager unterhalte sie nicht. Zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen gegenüber ihren Kunden (den Produktherstellern) bediene sie sich selbstständiger Unternehmer wie des Beigeladenen zu 1), die als ihre Subunternehmer die von ihr gegenüber den Produktherstellern übernommenen Aufgaben wahrnähmen und dazu in den Retailmärkten tätig würden. Sie verfüge hierfür über einen Adressenbestand von rund 75 Lieferanten, mit denen häufig sog. Rahmenverträge bestünden, die die grundsätzlichen Bedingungen der Zusammenarbeit zwischen ihr und den Lieferanten regelten. Je nach Bedarf biete sie ihr geeignet erscheinenden Lieferanten die Erfüllung der von ihr übernommenen Dienstleistungen in Form von Ausschreibungen für einzelne oder mehrere Projektaufträge an. Die Projektangebote könnten sich dabei auf alle Aufgaben im Rahmen ihres Leistungsangebotsspektrums, insbesondere auf einzelne Produkte, Warengruppen, konkrete Hersteller etc. beziehen und für nur einzelne oder mehrere Retailmärkte gelten. Wolle der Lieferant aufgrund der Ausschreibung für sie tätig werden, teile er ihr dies in Form eines mündlichen oder schriftlichen Angebotes mit. Sie entscheide dann, ob sie mit dem Lieferanten einen (schriftlichen) Projekteinzelauftrag abschließe. Je nach Form der vom Lieferanten zu erbringenden Dienstleistungen seien diese Projekteinzelaufträge inhaltlich völlig unterschiedlich ausgestaltet. Dies gelte nicht nur im Hinblick auf die Projektdauer, die z. B. zeitlich limitiert oder unbefristet sein könne, sondern insbesondere hinsichtlich der für den jeweiligen Projektauftrag geltenden Vergütungsstruktur. So würden die von den Lieferanten zu erbringenden Leistungen teils auf Basis von Pauschalen, teils auf Basis von Stundensätzen oder auch in Mischsystemen vergütet. Die von den Lieferanten erbrachten Leistungen würden ihr dann von diesen unter Ausweisung der gesetzlichen Umsatzsteuer in Rechnung gestellt. Sei ein Lieferant zur Leistungserbringung bereit, gebe er ein Angebot für den oder die jeweilig ausgeschriebenen Projekteinzelaufträge ganz oder teilweise ab. Sei er dies nicht, reagiere er auf die Ausschreibung nicht oder lehne den Projekteinzelauftrag oder die Projekteinzelaufträge ganz oder teilweise ab.

Die Lieferanten führten die von ihnen übernommenen Aufgaben unter den Bedingungen des jeweiligen Projekteinzelauftrages in den Retailmärkten eigenverantwortlich aus. Im Vergleich zu Regalauffüllern oder Regalservicekräften seien die Präsentations-, Überwachungs- und Dispositionsaufgaben sowie die ebenfalls vom Lieferanten wahrzunehmenden Layout-Prüfungen und Inventuren wesentlich komplexer und anspruchsvoller. Insbesondere hätten die Lieferanten erkennbare eigene Entscheidungsbefugnisse. Zwar werde ihnen bisweilen zu Beginn der Übernahme der Betreuung eines bestimmten Produktsegments ein sog. Regalspiegel übergeben, aus dem sich die Vorstellungen des jeweiligen Produktherstellers hinsichtlich der Präsentation seiner Produkte ergäben. Dieser Regalspiegel habe jedoch lediglich die Funktion eines unverbindlichen Präsentationsvorschlags und könne von den Lieferanten jederzeit nach freiem Ermessen geändert werden.

Die Klägerin legte u. a. ihr Angebot für die Merchandising-Betreuung ausgewählter Handelspartner aus den Bereichen Leh [Lebensmitteleinzelhandel], Fachmarkt sowie Kauf- und Warenhäuser, ausgearbeitet für ER. Germany GmbH vom 20.02.2003, und ihre "Berechnungsgrundlage/Eckwerte für die Merchandising-Betreuung ausgewählter Handelspartner aus den Bereichen Leh, Fachmarkt sowie Kauf- und Warenhäuser" vom selben Datum vor, auf denen letztlich der zwischen ihr und dem Beigeladenen zu 1) geschlossene Projektvertrag beruht.

Die Beklagte vertrat auch und gerade nach Vorlage der soeben genannten Unterlagen seitens der Klägerin weiterhin die Rechtsauffassung, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) für sie in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis erfolge.

Der Beigeladenen zu 1) trug vor, er habe ausgewählte Märkte in regelmäßigen Abständen besucht, wobei er die Termine mit jedem Markt nach seinen eigenen Vorstellungen habe vereinbaren können. Ziel der Besuche sei gewesen, in den Märkten Original Handy-Zubehör adäquat zu platzieren. Dazu gehöre in erster Linie die Sorge um die absolute Aktualität der dargebotenen Waren, die Bestellung sowie Retourenabwicklung, die Schulung des Personals über Neuerungen sowie Verhandlungen mit den Abteilungsleitern der Märkte über Durchführung, Art und Menge der Bestellungen. Hierzu habe er sich aufgrund seiner eigenen Unterlagen geschult. Informationen habe er sich über das Internet besorgt. Den Abschluss seiner Tätigkeit habe ein Bericht an die Klägerin dargestellt. Die Art der Verhandlung in den Märkten mit Angestellten und Abteilungsleitern sei ihm nicht vorgegeben gewesen. Er sei ausschließlich am Erfolg seiner Kommunikationsfähigkeit und Kommunikationstätigkeit gemessen worden. Irgendwelche mündliche Absprachen bezüglich Arbeitsort, Arbeitszeit sowie Art und Weise der zu verrichtenden Arbeiten hätten nicht vorgelegen. Er habe seine eigenen Betriebsmittel wie einen Pkw, einen Laptop und eine komplette Büroeinrichtung sowie einen Internetanschluss zur Verfügung gestellt. Sämtliche Umsätze habe er ordnungsgemäß versteuert einschließlich der Mehrwertsteuer.

Am 02.02.2010 erließ die Beklagte gegenüber der Klägerin (wegen eines Schreibfehlers mit Bescheid vom 11.03.2010 abgeändert), und dem Beigeladenen zu 1) jeweils einen Bescheid, mit welchem der Bescheid vom 31.08.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.07.2006 dahingehend abgeändert wurde, dass für die "in der Zeit vom 01.10.2003 bis 24.05.2005 ausgeübte Beschäftigung im Bereich Regalservice bei der QW. GmbH Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestand."

Nach informatorischer Befragung des Geschäftsführers der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 22.04.2010 wurde der Rechtsstreit zunächst vertagt. Nach informatorischer Befragung des Beigeladenen zu 1) in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 10.02.2011 hat das Sozialgericht in seinem Urteil vom selben Tag den Bescheid vom 31.05.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.07.2006 in der Fassung des Bescheids vom 02.02.2010 aufgehoben und festgestellt, dass der Beigeladene zu 1) vom 01.10.2003 bis 24.05.2005 nicht sozialversicherungspflichtig für die Klägerin tätig war.

Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, dass sowohl bei Betrachtung der einzelnen Elemente als auch bei einer Gesamtbetrachtung der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) für die Klägerin die Aspekte der Selbständigkeit überwögen. Hiergegen sprächen auch nicht die vertraglich vereinbarte Schweigepflicht, die Berichtspflicht, die Beschäftigung eines Projektmanagers durch die Klägerin (weil dieser nicht beauftragt gewesen sei, den Beigeladenen zu 1) zu überwachen), der Umstand, dass der Beigeladene zu 1) kein eigenes Kapital eingesetzt habe und dass der Klägerin etwaige Nutzungsrechte aus der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) zugestanden hätten. Ein Indiz für die Annahme einer selbständigen Tätigkeit sei, dass die Beklagte die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) für die Firma TZ. (Schulung von Verkäufern für Sony Produkte, Warenpflege, adäquate Präsentation von Waren, Warendisposition und Ansprechpartner für die Verkäufer vor Ort) als selbständig beurteilt habe. Dort habe er aber eine vergleichbare Tätigkeit der Verkaufsförderung wie im vorliegenden Fall ausgeführt. Weiter spreche für eine selbständige Tätigkeit, dass die Vergütung des Beigeladenen zu 1) zu knapp 40 % erfolgsbezogen gewesen sei, er kein Kilometergeld und keine Vergütung für das privat genutzte Büro, den Laptop und das Kfz enthalte habe, er seine Einsätze jeweils von Woche zu Woche mit den Abteilungsleitern der UO. Märkte abgesprochen habe und die Termine danach habe bestimmen können, welche Zeiten er für sein Studium und für seine Verpflichtungen gegenüber der Firma TZ. benötigt habe.

Die Beklagte, der das Urteil am 26.04.2011 zugestellt wurde, hat am 26.05.2011 Berufung eingelegt.

Die Beklagte ist weiterhin der Rechtsauffassung, dass die von ihr getroffene Entscheidung rechtmäßig ist. Sie verweist insbesondere auf den Internetauftritt der Klägerin. Hieraus leitet sie ab, dass der Beigeladene zu 1) sich nicht nur an die Vorgaben aus den mit der Klägerin getroffenen Vereinbarungen zu halten gehabt habe, sondern zusätzlich die von der Klägerin mit deren Kunden vereinbarten Regelungen zu beachten gehabt habe und ggf. die Arbeitsweise sogar habe verändern müssen, wenn die Qualitätskontrollen dies erforderlich gemacht hätten.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt vom 10.02.2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Klägerin erweitert und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag. Insbesondere verweist sie darauf, dass der Beigeladene zu 1) wegen der erfolgsabhängigen variablen Vergütung (Stückprämie) ein Unternehmerrisiko getragen habe. Der Beigeladene zu 1) sei nicht in ihren Betrieb eingegliedert, sondern lediglich eingebunden gewesen. In einem solchen Fall habe das Bayerische LSG (Hinweis auf Urteil vom 12.08.2008, L 5 KR 135/06) eine selbständige Tätigkeit bejaht.

Der Beigeladene zu 1) schließt sich dem Antrag der Klägerin an. Auf Anforderung der Berichterstatterin hat er u. a. eine Umsatzaufstellung für die Jahre 2003 bis 2005 vorgelegt.

Mit Beschluss vom 12.01.2012 hat der Senat die BKK Stadt Augsburg (Krankenkasse und Pflegekasse), die Techniker Krankenkasse (Krankenkasse und Pflegekasse) und die Bundesagentur für Arbeit zu dem Rechtstreit notwendig beigeladen, die sich allesamt nicht geäußert und keinen Antrag gestellt haben.

Der Senat hat im Rahmen der Sachverhaltsermittlungen die Verwaltungsakte der Beklagten zu dem Rechtstreit beigezogen und hat im Termin zur mündlichen Verhandlung den Beigeladenen zu 1) persönlich gehört.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat hat die Beklagte erklärt, dass die angegriffenen Bescheide dahingehend abgeändert werden, dass die Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) bei der Klägerin in der Zeit vom 01.10.2003 bis 30.09.2004 nicht der Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung unterlegen hat. Dieses Teilanerkenntnis hat der Klägervertreter ebenfalls in der mündlichen Verhandlung angenommen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakte verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung war. Im Hinblick auf die persönliche Anhörung des Beigeladenen zu 1) wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte trotz Abwesenheit der Beigeladenen zu 2) und 3) in der mündlichen Verhandlung entscheiden, da diese hierauf in der Terminsmitteilung hingewiesen worden waren.

Nach Annahme des Teilanerkenntnisses der Beklagten durch die Klägerin war für den Zeitraum vom 01.10.2003 bis 30.09.2004, nur noch die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1) in der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung streitig. Für den übrigen streitigen Zeitraum (01.10.2004 bis 24.05.2005) war weiterhin die Versicherungspflicht in der Kranken- und Rentenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung streitig.

Dabei ist auch der Bescheid vom 02.02.2010, abgeändert durch den Bescheid vom 11.03.2010, nach § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des anhängigen Verfahrens geworden. Denn in diesem Bescheid ändert die Beklagte den vorausgegangen Bescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheid ab, der das Element "abhängige Beschäftigung" isoliert festgestellt hatte, und konkretisiert die von ihr im Statusfeststellungsverfahren getroffene Feststellung weiter. Mit dem neuen Bescheid vom 02.02.2010, abgeändert durch den Bescheid vom 11.03.2010, hat die Beklagte der neueren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 11. März 2009 - B 12 R 11/07 RSozR 4-2400 § 7a Nr. 2 = BSGE 103, 17-27; Urteile vom 4. Juni 2009 - B 12 KR 31/07 RSozR 4-2400 § 7a Nr. 3 und B 12 KR 8/08 R - USK 2009-72 - juris) Rechnung getragen, nach der eine isolierte Feststellung einer abhängigen Beschäftigung - wie noch im Ausgangsbescheid vom 31.08.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.07.2006 vorgenommen - nicht zulässig ist. Die in ihm getroffene Feststellung geht nicht dahin, dass der Ausgangsbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids in seinen Grundaussagen zur sozialversicherungsrechtlichen Bewertung der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) für die Klägerin in dem streitgegenständlichen Zeitraum vollständig revidiert wird. Der Bescheid vom 02.02.2010, abgeändert durch den Bescheid vom 11.03.2010, stellt letztlich nur klar, dass Rechtsfolge der getroffenen Feststellung, es habe ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis bestanden, hier in concreto die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1) in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung sowie in der Arbeitslosenversicherung ist. Er ergänzt den Ausgangsbescheid in dessen Regelungsbereich, indem er feststellt, dass aufgrund der abhängigen Beschäftigung Versicherungspflicht vorlag, und ändert ihn in seinem Verfügungssatz ab. Auch bei einem Verwaltungsakt, der in dieser Weise gemäß § 96 SGG Gegenstand des sozialgerichtlichen Verfahrens wird, bedarf es keines Vorverfahrens (vgl. BSG, Urteil vom 30. Oktober 1962 - 2 RU 270/59 - BSGE 18, 93). Damit ist der Bescheid vom 02.02.2010, abgeändert durch den Bescheid vom 11.03.2010, als ein Abänderungsbescheid im Sinne des § 96 Abs. 1 SGG anzusehen (vgl. Hessisches Landessozialgericht – LSG – , Urteil vom 17. Dezember 2009 - L 8 KR 245/07 - juris; LSG Berlin - Brandenburg, Urteil vom 24. März 2010 - L 9 KR 13/08 - juris; LSG Rheinland - Pfalz, Urteil vom 31. März 2010 - L 6 R 3/09 - juris; Sozialgericht Berlin, Urteil vom 22. April 2010 - S 36 KR 2638/08 - juris).

Auch wenn der Tenor des erstinstanzlichen Urteils den Bescheid vom 11.03.2010 nicht aufführt, so ist dieser von der Entscheidung mitumfasst, ändert er doch den Bescheid vom 02.02.2010 nur wegen eines Schreibfehlers ab.

Die zulässige Berufung der Beklagten führt in der Sache nicht zum Erfolg. Das Sozialgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die angefochtene Entscheidung der Beklagten ist rechtswidrig, denn der Beigeladene zu 1) war in der streitgegenständlichen Zeit vom 01.10.2003 bis 24.05.2005 nicht in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis für die Klägerin tätig.

Die Entscheidung der Beklagten stützt sich auf § 7a Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV), wonach bei der Beklagten eine Entscheidung darüber beantragt werden kann, ob eine Beschäftigung vorliegt, die Voraussetzung der Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung ist. Die Beklagte ist dabei in ihrem Widerspruchsbescheid, der mehr als ein Jahr nach Beendigung der streitigen Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) ergangen ist, zu Recht davon ausgegangen, dass ein Statusverfahren nach § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV auch für ein bereits beendetes Auftragsverhältnis noch durchgeführt werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 04.06.2009 – B 12 KR 31/07 R).

Hinsichtlich der materiell-rechtlichen Vorgaben gilt dabei Folgendes:

Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung der Beitrags- bzw. Versicherungspflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – SGB V – , § 20 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch – SGB XI – , § 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – SGB VI – sowie § 24 Abs. 1 und § 25 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch – SGB III –). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV sind Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt, wobei angesichts veränderter gesellschaftlicher und technischer Rahmenbedingungen, innerhalb derer eine Erwerbstätigkeit heute ausgeübt wird, das Kriterium der "Weisungsabhängigkeit" deutlich an Konturen verliert. Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Abstrakte, für alle Arbeitsverhältnisse geltende Merkmale lassen sich nicht aufstellen (vgl. Bundesarbeitsgericht – BAG –, Urteil vom 20.01.2010, Az.: 5 AZR 99/09, Rz. 13 zu insoweit identischen Abgrenzungskriterien eines Arbeitsverhältnisses). Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Dieses bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen, zu denen die rechtlich relevanten Umstände gehören, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben (vgl. Urteile des BSG vom 1.12.1977, 12/3/12 RK 39/74, BSGE 45, 199 = SozR 2200 § 1227 Nr. 8, vom 4.6.1998, B 12 KR 5/97 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 13, vom 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 20, vom 22.6.2005, B 12 KR 28/03 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 5, vom 24.1.2007, B 12 KR 31/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 7 vom 28.5.2008, B 12 KR 13/07 R, USK 2008-45 und vom 11.03.2009, B 12 KR 21/07 R; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 20.5.1996, 1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr. 11).

Maßgeblich ist zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt (vgl. BSG, Urteil vom 24.01.2007, a. a. O.).

Neben dem Vertragsverhältnis ist insbesondere wesentlich, ob sich die zu beurteilende Tätigkeit im Rahmen einer Eingliederung in eine fremd vorgegebene Arbeitsorganisation vollzieht, innerhalb derer die Tätigkeit in einem "übergeordneten Organismus" erbracht wird. Unter Eingliederung kann dabei die "[ ] abstrahierte und verstetigte, also institutionalisierte Weisungsunterworfenheit" verstanden werden (Segebrecht in Juris PK-SGB IV, § 7 Rz. 103 ff. unter Auswertung der Beiträge von Bieback, Sozialer Fortschritt 1999, 166 und Neumann, NZS 2001, 14). Für eine selbständige Tätigkeit spricht demgegenüber insbesondere, wenn die betreffende Person für ihre Tätigkeit eigenes Kapital, Arbeit, Geld oder sonstige Vermögenswerte mit dem Risiko ihres Verlustes (unentgeltliche Arbeit) einsetzt, ob sie mithin selbst das Unternehmerrisiko zumindest in erheblichem Umfange mit trägt. Ein wesentliches Indiz für eine abhängige Beschäftigung ist die Höchstpersönlichkeit der Arbeitsleistung. Bei abhängiger Beschäftigung ist die Arbeitsleistung in aller Regel durch den Verpflichteten selbst zu erbringen und die Einschaltung Dritter, also von Erfüllungs- und Verrichtungsgehilfen, nicht vorgesehen (§ 613 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB –). Im Falle der Arbeitsverhinderung ist es Sache des Geschäftsherrn und nicht des Beschäftigten, für eine Vertretung zu sorgen. Demgegenüber stellt die Möglichkeit, Arbeiten laufend durch eigenes Personal – also nicht höchstpersönlich – erledigen lassen zu können und besonders die mit der Beschäftigung eigener Arbeitnehmer einhergehende Übernahme von Arbeitgeberpflichten einen Anhaltspunkt für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit dar. Mit der Einstellung von Personal sind unabhängig von der Auftragslage laufende Ausgaben und wirtschaftliche Verpflichtungen verbunden, die das Risiko in sich bergen, Kapital mit dem Risiko eines Verlustes einzusetzen.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der Senat im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung zu der Auffassung gelangt, dass vorliegend die für eine selbständige Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) sprechenden Umstände überwiegen. Anknüpfungspunkt für die rechtliche Beurteilung ist zunächst der zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) am 25.09.2003 abgeschlossene Projektvertrag. Nach dessen Ziff. 1 war der Beigeladene zu 1) von der Klägerin beauftragt, Leistungen in Bezug auf die "Auftragsnummer 123, Projekt E., Dispo und Service bei UO. Markt" ab Oktober 2003 zu erbringen. Darüber hinausgehende Verträge wurden zwischen den soeben Genannten nicht geschlossen.

Der Projektvertrag enthält überwiegend Regelungen, die für eine selbständige Tätigkeit sprechen:

Nach Ziff. 3 war der Beigeladene zu 1) in der Wahl des Zeitpunkts zur Leistungserbringung generell frei.

Nach Ziff. 4 vereinbarte der Beigeladene zu 1) Tag und Zeitpunkt seines Besuchs mit den zuständigen Mitarbeitern des Handels.

Nach Ziff. 6 konnte der Beigeladene zu 1) die vertraglich geschuldete Leistung auch durch Dritte erbringen lassen. Bei Verhinderung (wie Überlastung, Krankheit oder Urlaub) hatte er selbst für eine Vertretung zu sorgen.

Nach Ziff. 7 erhielt der Beigeladene zu 1) einen pauschalen Besuchspreis in Höhe von 15,- EUR pro Markt, inklusive Fahrtkosten sowie pro Besuch und nachgewiesener Bestellung ab dem 36-sten bestellten Produkt eine Stückprämie von 0,40 EUR. Die Fahrtkosten bestanden aus Kilometergeld und Fahrzeitvergütung für den Besuch von Märkten außerhalb des damaligen Wohnortes des Beigeladenen zu 1) (D-Stadt).

Nach Ziff. 8 erfolgte die Abrechnung monatlich unter Ausweisung von Mehrwertsteuer und Angabe der Umsatzsteuernummer des Beigeladenen zu 1).

Nach Ziff. 9 war die Vereinbarung jederzeit mit einer Frist von 14 Tagen ordentlich kündbar.

Nach Ziff. 10 durfte der Beigeladene zu 1) auch für andere, ähnlich geartete Auftraggeber tätig werden.

Nach Ziff. 14 haftete der Beigeladene zu 1) für Schäden, die aus der verzögerten Erledigung resultierten, es sei denn, er hatte die Verzögerung oder Verhinderung nicht zu vertreten. In vollen Umfang haftete der Beigeladene zu 1) auch für das Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen (Mitarbeiter, beauftragte Personen, Unternehmen).

Einem im Vertrag dokumentierten Willen der Vertragsparteien, kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis eingehen zu wollen, kommt jedenfalls dann indizielle Bedeutung zu, wenn dieser den festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnissen nicht offensichtlich widerspricht und er durch weitere Aspekte gestützt wird (vgl. BSG, Urteil vom 28.05.2008, B 12 KR 13/07 R).

Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Vereinbarung eines Auftragsverhältnisses auf selbständiger Basis hier nur formal vereinbart wurde, sind für den Senat nicht ersichtlich. In seiner persönlichen Anhörung vor dem erkennenden Senat hat der Beigeladene zu 1) (wie schon im Termin vor dem Sozialgericht Frankfurt) seine Tätigkeit als weitgehend weisungsfrei geschildert. Er habe von Seiten der Klägerin nur die Vorgabe gehabt, einmal in der Woche die von ihm betreuten Märkte zu besuchen. Die Termine und die Bestückung der Regalflächen habe er mit den Marktleitern besprochen, wobei das Layout und die Platzierung der Produkte seine Entscheidung gewesen sei. Sehr plausibel hat der Beigeladene zu 1) dargelegt, dass das Erzielen eines möglichst hohen Umsatzes durch eine gute Platzierung der Produkte zu erreichen war. Dies galt sowohl wegen der vereinbarten Stückprämie als auch wegen der vereinbarten Vergütung pro Marktbesuch und nicht etwa pro Stunde, weshalb der Beigeladene zu 1) durch Optimierung der Produktplatzierung einen möglichst kurzen Verbleib im einzelnen Markt anstrebte. Wie der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung hierzu ergänzend ausgeführt hat, war es Hintergrund dieser Vergütungsstruktur, Auftragnehmern wie dem Beigeladenen zu 1) zu ermöglichen, eventuell sogar im selben Markt für mehrere Auftraggeber tätig zu sein und damit Synergieeffekte zu nutzen.

Hieraus wird deutlich, dass es sich bei den von dem Beigeladenen zu 1) übernommenen Aufgaben nicht um klassische Regalauffülltätigkeiten handelt, die typischerweise in abhängiger Beschäftigung ausgeführt werden, weil sie keine oder nur wenig Entscheidungs- und Gestaltungsfreiheiten eröffnen und regelmäßig von einer Einbindung in fremde Betriebsabläufe geprägt sind. Dementsprechend kann nicht von einem reinen Outsourcing hergebrachter Arbeitnehmertätigkeiten ausgegangen werden. Die Aufgaben der Auftragnehmer der Klägerin erschöpften sich nicht in der Vornahme von Preisauszeichnungen und der Auffüllung von vorgegebenen Regalplätzen nach erfolgtem Warenabverkauf. Im Gegensatz zu reinen Regalauffüllern oblag es den Auftragnehmern der Klägerin zusätzlich, über die Präsentation der Produkte der Vertragspartner der Klägerin zu entscheiden und dementsprechend Layout-Prüfungen durchzuführen und gegebenenfalls Neugestaltungen der Regalaufstellung festzulegen. Die klassische Tätigkeit des bloßen Regalauffüllers wurde durch gestalterische und auf Steigerung des Warenabsatzes ausgerichtete Elemente ergänzt. Diese Entwicklung ist Folge neuer Warenabsatzstrategien, die die Rechtsbeziehungen zwischen den Herstellern der Waren und den Märkten, die deren Waren anbieten, verändern. Insbesondere Hersteller von Unterhaltungselektronik und IT-Produkten sind dazu übergegangen, die Präsentation ihrer Waren nicht mehr den Betreibern von Märkten und Warenhäusern zu überlassen. Die neuere Entwicklung, der das Geschäftsmodell der Klägerin geschuldet ist, geht dahin, dass die Warenproduzenten mit einzelnen Verbrauchermärkten vertraglich festlegen, welche Verkaufs- bzw. Regalflächen ihnen von dem jeweiligen Retailer zur Verfügung gestellt werden. Die Warenproduzenten setzen sodann gehäuft spezielle Dienstleister, zu denen auch die Klägerin gehört, ein, um ihre Waren zeitnah und umsatzoptimiert in den Märkten mit den angemieteten Regalflächen zu positionieren und möglichst werbewirksam zu präsentieren (vgl. die Darstellung dieser neueren Warenabsatzformen im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichtes vom 08.01.2009 – L 5 R 80/08). Damit obliegt es den von der Klägerin eingesetzten Auftragnehmern, zusätzlich zu dem Bestücken von Regalflächen, auch die Warendarstellung zu prüfen und gegebenenfalls zu optimieren. Der Aufgabenkreis wird somit um gewisse gestalterische Elemente erweitert und von dem mechanischen Ein- oder Ausräumen von Produkten abgehoben.

Aus der Ausgestaltung der aufgezeigten neuen Formen des Warenabsatzes ergibt sich folgerichtig, dass die Auftragnehmer der Klägerin die von ihnen übernommenen Tätigkeiten in einem zeitlichen Rahmen, der durch den Warenwirtschaftsturnus und den regelmäßigen Warenabverkauf bestimmt ist, erfüllen müssen und dass die Tätigkeit zwangsläufig in den zu betreuenden Verbrauchermärkten zu erbringen ist. Diese Rahmenbedingungen lassen jedoch nach Überzeugung des Senats nicht per se auf eine abhängige Beschäftigung schließen. Sie sind der Natur der Tätigkeit geschuldet und nicht Ausfluss eines einseitigen Direktionsrechts der Klägerin.

Die Tatsache, dass der Beigeladene zu 1) während seiner Tätigkeit für die Klägerin auch für andere Auftraggeber, vornehmlich im Vertrieb, tätig war (vgl. Umsatzaufstellung), zeigt, dass es sich bei der Regelung in Ziff. 10 des Projektvertrags um eine ernsthaft gewollte und auch praktizierte Regelung handelte und diese nicht nur zum Zwecke der Erweckung des Anscheins, es sei kein Arbeitsverhältnis geschlossen worden, aufgenommen wurde. Zwei der Auftraggeber des Beigeladenen zu 1) waren nach dessen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Frankfurt am 10.02.2011 sogar Konkurrenten der Klägerin

An der Ernsthaftigkeit der Regelung in Ziff. 6 des Projektvertrages, "Erfüllungsgehilfen" einzusetzen, kann ebenso wenig Zweifel bestehen. Zwar kam diese Regelung nicht zum Tragen, weil der Beigeladene zu 1) keine Erfüllungsgehilfen einsetzte, jedoch hat sich in der am selben Tag verhandelten Berufungssache L 8 KR 278/12 die Ernsthaftigkeit dieser Regelung (bei allerdings teilweise abweichenden vertraglichen Grundlagen) bestätigt, weil die dortige "Auftragnehmerin" eigene Mitarbeiter eingesetzt hatte, um ihre Verpflichtungen als "Rackjobberin/Merchandiserin" gegenüber der dortigen und hiesigen Klägerin zu erfüllen. Auch wenn aus dem Recht, einen Vertreter zu stellen, nicht (allein) die Selbständigkeit abgeleitet werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 19.08.2003, B 2 U 38/02 R – Juris, Rz. 33), ist doch für die abhängige Beschäftigung die persönliche Dienstleistung die Regel. Dementsprechend ist die Befugnis, übernommene Tätigkeiten durch Dritte ausführen zu lassen, ein gewichtiges Argument für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit zu werten (so auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 08.08.2007 – L 11 (8) R 196/05; Segebrecht, a.a.O., § 7 Rz. 117, Stichwort Beschäftigung und Bezahlung eigenen Personals; andere Auffassung: LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30.03.2012, L 1 KR 118/09 – Juris, Rz. 31 f.).

Der Senat übersieht nicht, dass der Projektvertrag auch Regelungen enthält, die im Hinblick auf die Frage nach der abhängigen Beschäftigung bzw. Selbständigkeit zumindest ambivalent sind:

So war der Beigeladene zu 1) verpflichtet, bei der Leistungserbringung betriebliche Sachzwänge der Klägerin oder ihrer Kunden zu berücksichtigen (Ziff. 3); er musste der Klägerin die durchgeführten Besuche anhand von Unterlagen mitteilen (Ziff. 4), was auch Grundlage für die Vergütung war (Ziff. 7 und 8; die Klägerin hatte insoweit sogar ein Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich ihrer Zahlungen); die Klägerin behielt sich eine Qualitätskontrolle vor (Ziff. 4); der Einsatz Dritter stand unter dem Vorbehalt, dass diese nicht im Wettbewerb zur Klägerin standen oder sonstige Gründe auf Seiten der Klägerin dagegen standen (Ziff. 6); die Tätigkeit für andere Auftraggeber war dem Beigeladenen zu 1) nur gestattet, wenn dadurch die Qualität seiner gegenüber der Klägerin zu erbringenden Leistungen nicht beeinträchtigt wurde und sich keine Interessenkollision ergab (Ziff. 10).

Allerdings relativiert sich etwa die Mitteilungspflicht dadurch, dass auch viele Selbständige Aufzeichnungen über ihren zeitlichen Einsatz vorlegen und auch Selbständige einem Konkurrenzverbot unterliegen können. Zudem war der Beigeladene zu 1) – nach dem Wortlaut der getroffenen Vereinbarung vertragswidrig – sogar für Auftraggeber tätig, die zur Klägerin in Konkurrenz standen, ohne dass es ihrerseits Beanstandungen gegeben hätte.

Der Beigeladene zu 1) zählt damit als sog. Solo-Selbständiger zu der soziologisch ausgemachten Gruppe der kleinen Selbständigen (vgl. hierzu und im Folgenden ausführlich Waltermann, Welche arbeits- und sozialrechtlichen Regelungen empfehlen sich im Hinblick auf die Zunahme Kleiner Selbständigkeit, RdA 2010, 162 ff.; die Abhandlung Waltermanns ist der ausgegliederte Teil des von ihm für den 68. Deutschen Juristentag erstatteten Gutachtens zum Verhandlungsthema "Abschied vom Normalarbeitsverhältnis? – Welche arbeits- und sozialrechtlichen Regelungen empfehlen sich im Hinblick auf die Zunahme neuer Beschäftigungsformen und die wachsende Diskontinuität von Erwerbsbiographien?"; Weitere instruktive Analysen zum Thema Neue Selbständigkeit finden sich bei Ruland, ZRP 2009, 165, 167; Kreikebohm, NZS 2010, 184, 186; direkt mit dem Gutachten von Waltermann setzen sich auseinander: Giesen in NZS 2010, 473, 478; Joussen, JZ 2010, 812, 819). Der Unterschied dieser Selbständigkeitsformen beim Vergleich mit den klassischen Spielarten der Selbständigkeit besteht darin, dass ihre Akteure überwiegend im Dienstleistungssektor und dabei im Wesentlichen ohne Einsatz sächlicher Produktionsmittel tätig sind. Ein guter Teil dieser kleinen Selbständigen hat keinen oder nur einen kleinen eigenen ausdifferenzierten Kundenkreis. Er ist regelhaft nur für einen oder zwei Auftraggeber tätig und damit nur bedingt "marktorientiert".

Häufig werden – wie vorliegend – Vertragsgestaltungen mit den Auftraggebern gewählt, die sich an den Typus von Dienst- und Werkverträgen, Geschäftsbesorgungs- oder Auftragsbeziehungen anlehnen. Aus rein rechtlicher Sicht besteht dann Weisungsunabhängigkeit und keine persönliche Unterordnung im Verhältnis zum Auftraggeber. Indessen sind so als kleine Selbständige auftretende Auftragnehmer vielfach von nur ein oder zwei Vertragsparteien wirtschaftlich in einer Weise abhängig, wie dies bei einem Arbeitnehmer im Verhältnis zu dessen Arbeitgeber vorzufinden ist. Die wirtschaftliche und soziale Situation der kleinen Selbständigen ähnelt damit in vielerlei Hinsicht der von Personen, die in abhängiger Beschäftigung stehen (vgl. Waltermann, a. a. O., S 167). Es ist jedoch Sache des Gesetzgebers, dieser vergleichbaren sozialen Schutzbedürftigkeit der kleinen Selbständigen Rechnung zu tragen und sie ggf. in die Sozialversicherung (ggf. in einzelne Zweige der Sozialversicherung) einzubeziehen. Nach geltendem Rentenversicherungsrecht sind Solo-Selbständige, die nicht den Berufsgruppen des § 2 Abs. 1 Nrn. 1 bis 8 SGB IV unterfallen, nach Nr. 9 dieser Vorschrift nur dann versicherungspflichtig, wenn sie auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind (Buchst. b; zum Vorschlag, dieses Tatbestandsmerkmal zu streichen s. Waltermann, a. a. 0., S. 170). Da der Beigeladene zu 1) in dem streitigen Zeitraum für mehrere Auftraggeber selbständig tätig war, sind auch diese Voraussetzungen für eine Versicherungspflicht in der Rentenversicherung nicht erfüllt.

Nach alledem war die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Kosten des Beigeladenen zu 1) sind zu erstatten, da dieser einen eigenen Antrag gestellt und das Verfahren besonders gefördert hat (§ 162 Abs. 3 VwGO). Dies gilt nicht für die übrigen Beigeladenen.

Die Zulassung der Revision stützt sich auf § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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