L 4 KR 2784/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 3 KR 3132/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 2784/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Krankenkassen sind nicht verpflichtet, Leistungserbringer von Heilmitteln über die Änderung ihrer Genehmigungspraxis hinsichtlich der Verordnung außerhalb des Regelfalles zu informieren.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 11. Juni 2013 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf EUR 5.092,06 festgesetzt.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Zahlung einer Vergütung von EUR 92,06 sowie die Feststellung, die Beklagte sei verpflichtet, ihn über Vertragsänderungen zu informieren.

Der Kläger ist Physiotherapeut und in eigener Praxis im Land Baden-Württemberg niedergelassen. Er ist Mitglied im Verband Physikalische Therapie. Dieser Verband und drei weitere Verbände der Physiotherapeuten sowie die Landesverbände der Krankenkassen in Baden-Württemberg und die (damalige) Bundesknappschaft schlossen den am 1. Dezember 2002 in Kraft getretenen Rahmenvertrag nach § 125 Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Diesem Rahmenvertrag trat der Kläger bei.

Die Beklagte, eine Betriebskrankenkasse, hatte darauf verzichtet, gemäß § 8 Abs. 4 Satz 4 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von Heilmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Heilmittel-Richtlinie) Verordnungen außerhalb des Regelfalls vorab zu genehmigen. Diesen Verzicht widerrief sie gegenüber den Kassenärztlichen Vereinigungen am 3. Mai 2011 mit Wirkung zum 1. Juli 2011.

Die (damalige) Gemeinschaftspraxis Dr. J./Dr. V. verordnete mit der Folgeverordnung vom 7. November 2011 einer bei der Beklagten Versicherten außerhalb des Regelfalls mit Begründung sechsmal aktive Krankengymnastik und sechsmal Elektrotherapie. Ohne dass vorab eine Genehmigung bei der Beklagten eingeholt worden war, erbrachte der Kläger diese Leistungen zwischen dem 23. November und 12. Dezember 2011 und berechnete der Beklagten EUR 92,06 (EUR 113,46 abzüglich Zuzahlung der Versicherten von EUR 21,40). Die Beklagte lehnte die Zahlung ab, weil Rechnungen mit Verordnungsdatum ab dem 1. Juli 2011 nur beglichen würden, wenn vorab eine Genehmigung erteilt worden sei (Schreiben vom 5. Januar 2012).

Der Kläger erhob am 29. August 2012 Klage beim Sozialgericht Ulm (SG) mit dem Begehren, an ihn EUR 92,06 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 28. Januar 2012 zu zahlen sowie festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihn über Vertragsänderungen zu informieren. Er habe den Widerruf des Verzichts nicht gekannt. Die Beklagte habe weder ihn noch - was mühelos durchführbar gewesen wäre - die vier Verbände der Physiotherapeuten informiert. Aus § 241 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) oder § 242 BGB resultierten Rücksichts- und Sorgfaltspflichten in Form von Informationspflichten. Wenn die Beklagte eine Vertragsänderung vornehme, indem sie die Genehmigungsfreistellung abschaffe und damit die Genehmigungspflicht einführe, liege es in ihrer Sphäre, die Leistungserbringer, die durch den Beitritt zum Rahmenvertrag Vertragspartner der Beklagten seien, und deren Verbände zu informieren. Die in § 8 Abs. 4 Satz 4 Heilmittel-Richtlinie festgeschriebene Informationspflicht der Krankenkassen gegenüber den Kassenärztlichen Vereinigungen führe nicht dazu, dass er als Leistungserbringer informiert werde, da zwischen Kassenärztlicher Vereinigung und Leistungserbringer kein Vertragsverhältnis bestehe. Die Kassenärztlichen Vereinigungen seien nicht bereit, die nicht zu ihrem Mitgliederkreis zählenden Therapeuten zu informieren. Der einzige, allerdings nicht zumutbare Weg, Informationen von den einzelnen Krankenkassen zu einem Genehmigungsverzicht zu erlangen, sei, dass er sich täglich nach einem etwaigen Widerruf des Verzichtes erkundigen müsse, um nicht Gefahr zu laufen, dass seine Tätigkeit nicht honoriert werde. Die Beklagte habe mit der Freistellung von der Genehmigung einen Rechtsschein gesetzt, auf den er habe vertrauen dürfen, weshalb sich die Beklagte ihm gegenüber so behandeln zu lassen habe, als entspräche der Rechtsschein der Rechtswirklichkeit. Die (vom SG übermittelte) Information über den Widerruf des Genehmigungsverzichts stamme nicht von dem Verband Physikalische Therapie, dessen Mitglied er sei, sondern von einem anderen Bundesverband selbstständiger Physiotherapeuten. Der GKV-Spitzenverband habe mit Schreiben vom 15. Mai 2013 die Information über die Rücknahme eines Genehmigungsverzichtes angekündigt. Er hat das Rundschreiben des Spitzenverbandes Bund der gesetzlichen Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) vom 31. Oktober 2012 vorgelegt, wonach dieser es für zielführend halte, die Vertragspartner auf Bundes- und Landesebene über das Aussprechen oder die Rücknahme eines Genehmigungsverzichts zu informieren, ferner eine Übersicht des Verbands Physikalische Therapie (Stand 21. Januar 2013), welche Krankenkassen auf die Genehmigung bei Verordnungen außerhalb des Regelfalls verzichtet oder den Verzicht widerrufen haben, sowie das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 11. April 2013 (S 1 KR 69/12), das die Beklagte verurteilt hatte, den geltend gemachten Vergütungsanspruch zu zahlen, die (insoweit mit der Berufung angefochtene) Feststellungsklage jedoch abgewiesen hatte.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Der Feststellungsantrag sei wegen fehlenden Feststellungsinteresses unzulässig. Eine weitergehende Information über den Widerruf des Genehmigungsverzichts als diejenige, die gegenüber den Kassenärztlichen Vereinigungen erfolgt sei, obliege ihr nicht. Vielmehr obliege dem Heilmittelerbringer, sich über den jeweils aktuellen Stand bei den Kassenärztlichen Vereinigungen zu informieren, jedenfalls dann wenn er - wie der Kläger im ersten Halbjahr - längere Zeit nicht mehr mit ihr (der Beklagten) abgerechnet habe. Es gebe keine rechtliche Grundlage, auch nicht nach Treu und Glauben, nach der sie verpflichtet wäre, jeden Landesverband (der Physiotherapeuten) zu informieren. Für sie sei auch nicht erkennbar, welcher Leistungserbringer zu welchem Landesverband und welcher Landesverband zu welchem Bundesverband gehöre. In Ermangelung entsprechender Regelungen in den Verträgen nach § 125 Abs. 1 und 2 SGB V sei davon auszugehen, dass die Regelungen in der Heilmittel-Richtlinie als ausreichend erachtet und seitens der Vertragspartner selbst kein Regelungsbedarf zum Genehmigungsverzicht wie auch seines Widerrufes gesehen worden sei.

Das SG wies die Klage mit Urteil vom 11. Juni 2013 ab. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Zahlung aus einem vertraglichen Schuldverhältnis. Eine direkte vertragliche Beziehung bestehe allein zwischen den Beteiligten des Rahmenvertrags. Auch wenn der Kläger zwingend einem der beteiligten Berufsverbände angehören müsse, werde er dadurch nicht zum Vertragspartner. Der Vergütungsanspruch für den streitigen Fall der Verordnung außerhalb des Regelfalls könne auch nicht aus einer mittelbaren Betroffenheit aus dem Rahmenvertrags resultieren, weil entgegen der Auffassung des Sozialgerichts Trier in dem vom Kläger vorgelegten Urteil eine vertragliche Regelung hinsichtlich Verordnungen außerhalb des Regelfalls nicht existiere. Der Rahmenvertrag enthalte hierzu keine Vereinbarungen. Zudem habe die Heilmittel-Richtlinie Vorrang. Der Kläger habe auch keinen Zahlungsanspruch auf der Grundlage eines gesetzlichen Schuldverhältnisses. Die Voraussetzungen des § 8 (Abs. 4) Heilmittel-Richtlinie seien nicht erfüllt. Im Rahmen der Prüfung der zulässigen Höchstverordnungsmengen habe der Kläger festzustellen gehabt, dass es sich um eine Verordnung außerhalb des Regelfalls gehandelt habe. Die Problematik um die mögliche nicht zu vertretende Unkenntnis von dem Widerruf löse keinen Primärleistungsanspruch aus, sondern sei lediglich bei der Prüfung von Sekundäransprüchen relevant. Einen Anspruch könne der Kläger aber auch nicht aus schadensersatzrechtlichen Gesichtspunkten gemäß § 280 BGB oder § 241 Abs. 2 BGB herleiten. Da der Kläger den Voraussetzungen aus § 8 Heilmittel-Richtlinie nicht vollumfänglich nachgekommen sei, liege ein Verstoß der Beklagten gegen ihre Hauptleistungspflicht durch die Nichtzahlung (der Vergütung) nicht vor. Die Beklagte sei der in § 8 (Abs. 4) Heilmittel-Richtlinie normierten Informationspflicht nachgekommen. Aus dieser Vorschrift folge keine weitergehende Pflicht, auch den Kläger über den Widerruf zu informieren. Schließlich könne der Kläger über eine durch ihn nicht zu vertretende Unkenntnis keine Zahlungspflicht aus dem Grundsatz von Treu und Glauben herleiten. Im Hinblick auf die Änderung der Heilmittel-Richtlinie gerade zum 1. Juli 2011 habe der Kläger keine Möglichkeit gehabt, sich auf eine beachtliche Unkenntnis von dem Widerruf zu berufen. Vielmehr oblägen dem Kläger im Hinblick auf die ausdrückliche Einführung des Widerrufs gesteigerte Informationspflichten. Die streitgegenständliche Verordnung datiere vom November 2011, folglich mehr als vier Monate nach Inkrafttreten des Widerrufs. Der Kläger hätte sich unlängst über mögliche Änderungen informieren können und müssen. Im Hinblick auf die durch (einen anderen) Berufsverband bereits im Juni 2011 im Internet veröffentlichte Bekanntmachung hätte der Kläger, selbst wenn es sich bei diesem Berufsverband nicht um den seinigen handle, ohne nachhaltigen Aufwand Kenntnis von der Änderung erlangen können. Im Hinblick auf die Vielzahl der Verbände und der Leistungserbringer vermöge die Kammer gerade keine Überzeugung dahingehend zu gewinnen, dass sich aus dem gesetzlichen Schuldverhältnis eine Verpflichtung der Beklagten ergeben solle, alle Betroffenen von der Änderung informieren zu müssen. Die Mitteilungspflichten seien vom Gesetzgeber gerade aufgrund der Vielzahl der Betroffenen richtigerweise begrenzt worden. Die erhobene Feststellungsklage sei unzulässig, weil es an einem berechtigten Interesse des Klägers an der begehrten Feststellung fehle. Die zwischen den Berufsverbänden und den Landesverbänden der Krankenkassen nach § 125 SGB V geschlossene Vereinbarung sei überhaupt nicht betroffen, da sich der Streitgegenstand aus dem Gesetz nicht aus dem Vertrag ergeben. Der Kläger begehre die Klärung einer abstrakten Rechtsfrage.

Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 17. Juni 2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 8. Juli 2013 Berufung und am 15. Juli 2013 Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung, die er am 29. Juli 2013 wieder zurückgenommen hat, eingelegt. Es sei eine rechtliche Fehleinschätzung des SG, dass er nicht Vertragspartner der Beklagten geworden sei. Eine Zulassungsvoraussetzung sei die Anerkennung der für die Versorgung der Versicherten maßgeblichen Verträge. Auch müsse er nicht einem der an den Verträgen nach § 125 Abs. 2 SGB V beteiligten Berufsverbände angehören. Mit der Unterzeichnung des Verpflichtungsscheins (Anl. 1 zum Rahmenvertrag) werde jeder zugelassene Leistungserbringer auch Vertragspartner der gesetzlichen Krankenkassen. Aufgrund der geltenden Verträge bestehe eine Verpflichtung der Beklagten, den Widerruf des Genehmigungsverzichts in einer für ihn leicht feststellbaren Art und Weise bekanntzugeben oder diesen direkt mitzuteilen. Gemäß dem Rundschreiben des GKV-Spitzenverbandes vom 31. Oktober 2012 verträten die Krankenkassen inzwischen nicht mehr die Meinung, es bestehe keine Verpflichtung, über die Kassenärztliche Vereinigung hinaus zu informieren. Das (vorgelegte) Rundschreiben des GKV-Spitzenverbandes vom 15. Mai 2013 entspreche einer von diesem empfundenen Verpflichtung der einzelnen Krankenkassen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 11. Juni 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm EUR 92,06 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 28. Januar 2012 zu zahlen sowie festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihn über Vertragsänderungen zu informieren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Dass der "Heilmittelvertrag" für den Kläger gelte, bedeute nicht, dass dies für ihn eine Vertragspartnerschaft begründe, aus der er sich bemühe, die Informationspflichten herzuleiten. Überdies habe der Vertrag diese Informationspflichten auch für die Vertragsparteien weder geregelt noch vorgesehen. Dass der GKV-Spitzenverband eine Änderung der Informationen plane, führe nicht dazu, dass die jetzige Regelung unwirksam sei oder im Sinne der Interpretation des Klägers auszulegen wäre.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte des SG sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) entschieden hat, ist zulässig. Der Kläger hat die Berufung form- und fristgerecht eingelegt. Die Berufung ist auch statthaft. Sie bedurfte nicht der Zulassung nach § 144 Abs. 1 SGG. Hinsichtlich der begehrten Feststellung betrifft der Rechtsstreit keine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Hinsichtlich der begehrten Zahlung von EUR 92,06 wird zwar der Beschwerdewert von EUR 750,00 nicht erreicht. Der Wert des Beschwerdegegenstandes kann aber nicht allein in der verweigerten Zahlung der Vergütung von EUR 92,06 gesehen werden. Der Kläger wendet sich auch gegen künftig mögliche Nichtzahlungen oder Kürzungen seiner Vergütung wegen fehlender Informationen zum Vertragsinhalt und Abrechnungen.

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat weder Anspruch auf Zahlung von EUR 92,06 (1.) noch auf die begehrte Feststellung (2.).

1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung von EUR 92,06.

a) Rechtsgrundlage für den Vergütungsanspruch des Klägers ist § 125 Abs. 2 SGB V i.V.m. § 15 Abs. 1 des zum 1. Dezember 2002 in Kraft getretenen Rahmenvertrags sowie der in Anl. 5 zu diesem Rahmenvertrag enthaltenen Preisvereinbarung. Nach § 125 Abs. 2 Satz 1 SGB V schließen über die Einzelheiten der Versorgung mit Heilmitteln, über die Preise, deren Abrechnung und die Verpflichtung der Leistungserbringer zur Fortbildung die Krankenkassen, ihre Landesverbände oder Arbeitsgemeinschaften Verträge mit Leistungserbringern oder Verbänden oder sonstigen Zusammenschlüssen der Leistungserbringer; die vereinbarten Preise sind Höchstpreise. Nach § 15 Abs. 1 Rahmenvertrag erfolgt die Vergütung der vertraglich erbrachten Leistungen nach der Preisvereinbarung (Anl. 5) in der jeweils geltenden Fassung. Der zum 1. Dezember 2002 in Kraft getretene Rahmenvertrag ist trotz der zum 31. Dezember 2006 erfolgten Kündigung für die vom Kläger im Jahre 2011 abgerechneten Leistungen für die bei der Beklagten Versicherten weiter maßgeblich, weil er nach § 23 Nr. 4 Rahmenvertrag über den Zeitpunkt der Kündigung hinaus weiter gilt. Denn einen neuen Rahmenvertrag schlossen zum 1. Februar 2012 nur die AOK Baden-Württemberg und die Berufsverbände, nicht jedoch die anderen Landesverbände der Krankenkassen in Baden-Württemberg.

Wie das Bundessozialgericht (BSG) bereits entschieden hat (z.B. Urteil vom 13. September 2011 - B 1 KR 23/10 R -, m.w.N. in juris) begründet § 125 Abs. 2 Satz 1 SGB V im Zusammenspiel mit den konkretisierenden vertraglichen Vereinbarungen eine öffentlich-rechtliche Leistungsberechtigung und -verpflichtung für die zugelassenen (vgl. § 124 Abs. 1 SGB V) Leistungserbringer von Heilmitteln, die Versicherten mit vertragsärztlich verordneten Heilmitteln zu versorgen. Das entspricht der allgemeinen Konzeption, die der 1. und 3. Senat des BSG übereinstimmend dem Vergütungsrecht der nicht vertragsärztlichen Leistungserbringer zugrunde legen. Die Versorgung mit Heilmitteln richtet sich dagegen nicht nach dem Recht des Dienstvertrages (§ 611 BGB i.V.m. § 69 SGB V; so noch BSG, Urteil vom 15. November 2007 - B 3 KR 4/07 R -, in juris). Die Leistungserbringer von Heilmitteln erwerben im Gegenzug für die Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen Leistungspflicht einen durch Normenverträge näher ausgestalteten gesetzlichen Anspruch auf Vergütung gegen die Krankenkassen, der schon in § 125 Abs. 2 Satz 1 SGB V vorausgesetzt wird. Rechtsnatur und Struktur des Vergütungsanspruchs der Leistungserbringer von Heilmitteln folgen der Einbindung der Leistungserbringer von Heilmitteln in den öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrag der Krankenkassen (vgl. hierzu ab dem Jahr 2000 Art. 1 Nr. 26 Gesetz zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung vom 22. Dezember 1999 [BGBl. I, S. 2626]). Die Krankenkassen erfüllen mit der Versorgung Versicherter mit vertragsärztlich verordneten Heilmitteln ihre im Verhältnis zum Versicherten bestehende Pflicht zur Krankenbehandlung (vgl. § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und § 32 SGB V). Dies betonen auch die vertraglichen Regelungen nach § 125 Abs. 2 Satz 1 SGB V. Die vertragsärztliche Verordnung schafft eine Grundlage dafür, dass ein Versicherter mit dem Heilmittel als Naturalleistung der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V) auf Kosten der Krankenkasse versorgt wird. Leistet ein zugelassener Leistungserbringer von Heilmitteln entsprechend seiner Berechtigung und Verpflichtung einem Versicherten aufgrund ordnungsgemäßer vertragsärztlicher Verordnung, erwächst ihm daraus ein gesetzlicher Vergütungsanspruch gegen die Krankenkasse.

Voraussetzung des Vergütungsanspruchs eines Leistungserbringers von Heilmitteln - hier des Klägers - ist neben der im vorliegenden Fall ordnungsgemäß durchgeführten Leistungserbringung, dass ein Leistungsanspruch des Versicherten nach §§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 32 SGB V bestand und das Heilmittel vertragsärztlich verordnet war (BSG, Urteil vom 13. September 2011 - B 1 KR 23/10 R -, a.a.O.). Das Bestehen des Leistungsanspruchs setzt voraus, dass die vertragsärztliche Verordnung (hier die Verordnung der Gemeinschaftspraxis Dr. J./Dr. V.) gültig bzw. wirksam ist. Davon gehen auch die Vertragspartner des Rahmenvertrags aus, wie sich aus § 4 Nr. 10 Rahmenvertrag ergibt. Dort ist bestimmt, dass ein Vergütungsanspruch nicht besteht, wenn eine (ursprünglich gültige) Verordnung gemäß § 4 Nr. 8 Buchst. a) und b) Rahmenvertrag ungültig geworden ist. Nichts anderes kann gelten, wenn von vornherein gar keine gültige Verordnung vorlag. Eine vertragsärztliche Verordnung von Heilmitteln ist ungültig bzw. unwirksam, wenn sie gegen geltendes Recht verstößt. Bei der Verordnung von Heilmitteln gemäß § 73 Abs. 2 Nr. 7 SGB V hat der Vertragsarzt die vom Gemeinsamen Bundesausschuss auf der Grundlage von § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V erlassene Heilmittel-Richtlinie zu beachten. Die Heilmittel-Richtlinie legt den Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistungen verbindlich fest. Sie ist auch für die Leistungserbringer von Heilmitteln unmittelbar geltendes Recht (§ 1 Abs. 3 Satz 1 Heilmittel-Richtlinie; BSG, Urteil vom 13. September 2011 - B 1 KR 23/10 R -, a.a.O.).

Der Anspruch des Versicherten auf die Versorgung mit Heilmitteln wird durch die Heilmittel-Richtlinie näher bestimmt. Heilmittel sind nur nach Maßgabe der Heilmittel-Richtlinie nach pflichtgemäßem Ermessen verordnungsfähig (§ 3 Abs. 4 Satz 1 Heilmittel-Richtlinie). Die Heilmittel-Richtlinie unterscheidet Verordnungen im Regelfall (§ 7 Heilmittel-Richtlinie) und Verordnungen außerhalb des Regelfalls (§ 8 Heilmittel-Richtlinie). Der Versicherer hat grundsätzlich Anspruch auf die Verordnung von Heilmitteln in einem bestimmten Umfang. Den Heilmittelverordnungen liegt in den jeweiligen Abschnitten des Heilmittelkatalogs (Zweiter Teil der Heilmittel-Richtlinie) ein definierter Regelfall zugrunde. Lässt sich die Behandlung mit der nach Maßgabe des Heilmittelkatalogs bestimmten Gesamtverordnungsmenge nicht abschließen, sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Heilmittel-Richtlinie weitere Verordnungen möglich (Verordnungen außerhalb des Regelfalls, insbesondere längerfristige Verordnungen) und bedürfen nach § 8 Abs. 1 Satz 2 Heilmittel-Richtlinie einer besonderen Begründung mit prognostischer Einschätzung. Begründungspflichtige Verordnungen sind der zuständigen Krankenkasse vor Fortsetzung der Therapie zur Genehmigung vorzulegen (§ 8 Abs. 4 Satz 1 Heilmittel-Richtlinie). Verzichtet die Krankenkasse auf ein Genehmigungsverfahren hat dies die gleiche Rechtswirkung wie eine erteilte Genehmigung (§ 8 Abs. 4 Satz 3 Heilmittel-Richtlinie). Sie informiert hierüber die Kassenärztliche Vereinigung (§ 8 Abs. 4 Satz 4 Heilmittel-Richtlinie).

Ausgehend hiervon hatte die bei der Beklagten Versicherte keinen Anspruch auf die verordneten Heilmittel (aktive Krankengymnastik und Elektrotherapie). Es handelte sich um eine Verordnung außerhalb des Regelfalls, wie sich aus den Angaben der die Verordnung ausstellenden Vertragsärzte ergibt. Dies bestreitet der Kläger auch nicht. Die nach § 8 Abs. 4 Satz 1 Heilmittel-Richtlinie erforderliche Genehmigung durch die Beklagte erfolgte nicht. Die Genehmigung war erforderlich, weil die Beklagte für die Zeit ab 1. Juli 2011 nicht mehr auf die Genehmigung verzichtet hatte. Die Beklagte hatte - was zwischen den Beteiligten unstreitig ist - den Genehmigungsverzicht am 3. Mai 2011 mit Wirkung zum 1. Juli 2011 widerrufen und hierüber die Kassenärztlichen Vereinigungen informiert. Dass die Versicherte selbst oder die verordneten Vertragsärzte die Genehmigung bei der Beklagten veranlasst oder eingeholt hätten, ist nicht erkennbar und wird auch vom Kläger nicht behauptet.

Der Vergütungsanspruch des Leistungserbringers von Heilmitteln - hier des Klägers - setzt weiter voraus, dass er aus seiner professionellen Sicht ebenfalls die Anspruchsvoraussetzungen für die Versorgung des Versicherten mit dem verordneten Heilmittel überprüft und bejaht hat (allgemein zur Prüfungspflicht des Leistungserbringers von Heilmitteln: BSG, Urteil vom 13. September 2011 - B 1 KR 23/10 R -, a.a.O.). Da die Verordnung ausdrücklich als solche außerhalb des Regelfalls gekennzeichnet war, musste der Kläger erkennen, dass grundsätzlich eine Genehmigung der Krankenkasse in Betracht kam. Wenn er über den aktuellen Stand der Genehmigungspraxis der Beklagten nicht informiert war, hätte er vor Erbringen der verordneten Heilmitteln abklären müssen, ob eine Genehmigung der Beklagten erforderlich war und wenn ja, ob diese vorlag. Dies war dem Kläger zumutbar.

Dem Einwand des Klägers, dies sei unzumutbar, folgt der Senat nicht. Die überwiegende Anzahl der Versicherten, die ein Leistungserbringer von Heilmitteln behandelt, sind Mitglieder der großen Krankenkassen (z.B. der regionalen Allgemeinen Ortskrankenkasse, in Baden-Württemberg die AOK Baden-Württemberg, oder den bundesweiten Ersatzkassen). Wenn ein Leistungserbringer von Heilmitteln Kenntnis von der Genehmigungspraxis hinsichtlich der Verordnung von Heilmitteln außerhalb des Regelfalls hat, ist es nicht erforderlich, bei der Behandlung eines jeden Versicherten Erkundigungen hierzu einzuholen, zumal die Krankenkassen nicht täglich die Genehmigungspraxis ändern. Eine geringere Anzahl der Versicherten, die ein Leistungserbringer von Heilmitteln behandelt, sind Mitglieder anderer Krankenkassen, z.B. Betriebskrankenkassen. Es kann deshalb vorkommen, dass ein Leistungserbringer von Heilmitteln Mitglieder solcher Krankenkassen in einem oder mehreren Quartalen nicht behandelt. Dies war beim Kläger nach dem von ihm nicht bestrittenen Vortrag der Beklagten der Fall. Der Kläger hatte längere Zeit, im gesamten ersten Halbjahr 2011, nicht mit der Beklagten abgerechnet. Hat der Leistungserbringer von Heilmitteln wegen der nur gelegentlichen Behandlung von Versicherten bestimmter Krankenkassen keine aktuelle Kenntnis vom Stand der Genehmigungspraxis dieser Krankenkasse, hält es der Senat für zumutbar, dass der Leistungserbringer von Heilmitteln sich im Rahmen seiner ihm obliegenden allgemeinen Prüfungspflicht über die aktuelle Genehmigungspraxis dieser Krankenkasse informiert. Angesichts des geringen Anteils der Versicherten solcher Krankenkassen entsteht für den Leistungserbringer von Heilmitteln kein erheblicher Aufwand, wenn er mit der Krankenkasse Rücksprache nimmt. Im Übrigen kann der Leistungserbringer von Heilmitteln auch bei dem verordnenden Vertragsarzt und dem Versicherten nachfragen, ob eine Genehmigung der Krankenkasse für die Verordnung außerhalb des Regelfalls vorliegt oder veranlasst ist. Schließlich kann der Leistungserbringer von Heilmitteln auch bei seinem Verband regelmäßig (beispielsweise zu Beginn eines Quartals) nachfragen, ob dort Informationen bezüglich des Widerrufs eines zuvor erklärten Genehmigungsverzichts vorliegen oder nicht. Jedenfalls der Verband, dem der Kläger angehört, führt eine Übersicht über die Genehmigungsverfahren bei Verordnungen außerhalb des Regelfalls mit Anpassung an gegebenenfalls erklärte Änderung der Krankenkassen. Dies entnimmt der Senat der vom Kläger dem SG vorgelegten entsprechenden Übersicht (Bl. 78/79 SG-Akte).

Eine Verpflichtung der Beklagten, Leistungserbringer von Heilmitteln über eine Änderung ihrer Genehmigungspraxis hinsichtlich der Verordnung außerhalb des Regelfalles zu informieren, besteht nicht. § 8 Abs. 4 Satz 4 Heilmittel-Richtlinie sieht nur die Information der Kassenärztlichen Vereinigungen vor. Da im Rahmenvertrag hierzu keine Regelung enthalten ist, sahen die Vertragspartner insoweit keinen Regelungsbedarf. Angesichts der dargelegten Obliegenheit des einzelnen Leistungserbringers von Heilmitteln, sich über den aktuellen Stand hinsichtlich eines Genehmigungsverzichts zu informieren, erweisen sich die Heilmittel-Richtlinie und der Rahmenvertrag insoweit auch nicht als unvollständig. Zudem wäre die Information jedes einzelnen zugelassenen Leistungserbringers von Heilmitteln für die Krankenkassen bei der Anzahl der zugelassenen Leistungserbringer von Heilmitteln mit einem immensen Verwaltungsaufwand verbunden. Auch müssten die Krankenkassen über eine vollständige Aufstellung der zugelassenen Leistungserbringer von Heilmitteln mit aktueller Anschrift verfügen. Letzteres wäre auch wieder mit einem erheblichen Aufwand für den Leistungserbringer von Heilmitteln verbunden, weil er allen Krankenkassen eine eventuelle Änderung seiner Anschrift mitteilen müsste.

Bei dieser Sachlage sieht der Senat keinen Anlass zu der vom Kläger im Berufungsverfahren in den Vordergrund gestellten Frage, ob er Vertragspartner der Beklagten sei oder nicht, näher einzugehen. Selbst wenn der Senat insoweit der Auffassung des Klägers folgen würde, ergäbe sich aus den genannten Gründen keine (vertragliche) Nebenpflicht zur Information hinsichtlich der Genehmigungspraxis.

b) Wegen fehlender Verpflichtung der Beklagten zur Information, kann der Kläger die begehrte Zahlung von EUR 92,06 auch nicht auf einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Verletzung vertraglicher Nebenpflichten stützen.

2. Der Senat lässt dahingestellt, ob der Kläger ein besonderes Feststellungsinteresse hat oder nicht und die Feststellungsklage deshalb zulässig ist oder nicht. Die Feststellungsklage ist jedenfalls unbegründet. Es besteht keine Verpflichtung der Beklagten, den Kläger über Vertragsänderungen zu informieren. Weder das SGB V noch die Heilmittel-Richtlinie noch der Rahmenvertrag sehen eine solche Verpflichtung der Krankenkassen gegenüber den Leistungserbringern von Heilmitteln vor. Aus den obigen Ausführungen folgt, dass ein solcher Anspruch auch nicht besteht.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 197a Abs. 1 Satz 1 SGG, 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

4. Die endgültige Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren auf EUR 5.092,06 beruht auf § 197a Abs. 1 SGG sowie §§ 1 Abs. 2 Nr. 3, 63 Abs. 1 Satz 1, 6 Abs. 1 Nr. 4, 47 Abs. 1 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG).
Rechtskraft
Aus
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