L 6 U 81/12

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 3 U 8/08
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 U 81/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 16/13 R
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert beträgt für das Berufungsverfahren 95,74 EUR.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger als Unternehmer für 2006 einen Mindestbeitrag in Höhe von 100,- EUR zahlen muss, obwohl er im gesamten Jahr nur eine Person für wenige Arbeitsstunden zu versichern hatte und der Mindestbeitrag dafür etwa 80 Prozent des gezahlten Bruttoarbeitsentgelts beträgt.

Der Kläger betreibt seit 1990 ein selbständiges Handwerksgeschäft auf dem Gebiet der Klempnerei und Sanitärinstallation. In dieser Eigenschaft ist er nach dem Bescheid der Rechtsvorgängerin der Beklagten – nachfolgend einheitlich Beklagte – vom 12. Dezember 1990 Mitglied der Beklagten.

Für die Jahre 2003 und 2004 stellte die Beklagte für den Kläger Mindestbeiträge in Höhe von 100,- EUR fest; im Jahre 2005 beschäftigte er keinen Arbeitnehmer.

Mit Veranlagungsbescheid vom 9. Dezember 2005 stellte die Beklagte die für das Unternehmen des Klägers zutreffenden Gefahrklassen nach ihrem Gefahrtarif fest.

Mit dem Lohnnachweis für das Jahr 2006 vom 12. Januar 2007 meldete der Kläger für den Bereich Installation als einziges in seinem Unternehmen angefallenes Bruttoarbeitsentgelt eine Gesamtsumme von 122,- EUR für 17 tatsächlich geleistete Arbeitsstunden.

Mit Bescheid vom 20. April 2007 setzte die Beklagte den Beitrag für das Jahr 2006 und die Beitragsvorschüsse für das Jahr 2007 fest. Bezogen auf das Jahr 2006 errechnete sie für das Arbeitsentgelt im Bereich Bau/Ausbau einen Beitrag von 3,65 EUR, zuzüglich eines internen Lastenausgleichs von 0,61 EUR eine Gesamtsumme von 4,26 EUR. Diesen Betrag hob sie um 95,74 EUR auf den Mindestbeitrag von 100,- EUR an. Zuzüglich eines Beitrages für das Insolvenzgeld von 0,18 EUR ergab sich ein Gesamtbeitrag von 100,18 EUR. Die Festsetzung der Beitragsvorschüsse für 2007 hob die Beklagte später auf.

Gegen den Bescheid erhob der Kläger mit Eingangsdatum vom 25. April 2007 bei der Beklagten Widerspruch und wandte sich sinngemäß gegen die Unverhältnismäßigkeit des Mindestbeitrags. Er verwies darauf, er sei nur in ganz geringem Umfang erwerbsfähig und sei deshalb auf den Bezug von Arbeitslosengeld II angewiesen. Weiterhin äußerte er Bedenken gegen die Zuständigkeit der Beklagten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 4. Dezember 2007 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte die Beklagte aus, in der gesetzlichen Unfallversicherung seien nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII alle Beschäftigten pflichtversichert, ohne dass Geringfügigkeitsgrenzen vorgesehen seien. § 161 SGB VII eröffne die Möglichkeit eines einheitlichen Mindestbeitrages als Satzungsentscheidung des Versicherungsträgers. § 26 Abs. 6 ihrer Satzung sehe einen solchen Mindestbeitrag vor, dessen Höhe nach § 19 Nr. 12 der Satzung der Vorstand festsetze. Der Beitrag sei nicht überhöht und schon gar nicht sittenwidrig. Er müsse nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in einem angemessenen Verhältnis zum Wagnis des Unfallversicherungsträgers stehen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass diesem auch bei nur kurzzeitig beschäftigten oder geringfügig entlohnten Personen ein uneingeschränktes Versicherungsrisiko entstehe. Dafür biete der Mindestbeitrag eine angemessene Gegenleistung. Für den Kläger bestehe die Möglichkeit, mit der Beklagten eine Stundung in Form einer Ratenzahlung zu vereinbaren. Der Widerspruchsbescheid ist dem Kläger am 10. Dezember 2007 zugestellt worden.

Mit der am 10. Januar 2008 beim Sozialgericht Magdeburg erhobenen Klage hat der Kläger sich gegen den Beitragsbescheid gewandt, soweit die festgestellte Beitragsforderung eine Höhe von 4,26 EUR übersteigt. Er hat vorgerechnet, er habe auf den Nettolohn von 120,05 EUR bereits 30,75 EUR an die Bundesknappschaft abgeführt. Zusammen mit weiteren 100,18 EUR Beitrag zur Beklagten errechne sich ein Stundenlohn von 14,76 EUR für einen ungelernten Helfer. Er hat die Auffassung vertreten, für sein Gewerk sei die Norddeutsche Metall-Berufsgenossenschaft zuständig. Er hat deren Regelungen über die sachliche Zuständigkeit vorgelegt, wonach die Zuständigkeit auch für Klempnereien gegeben ist. Der Kläger hat weiter vorgebracht, es fehle an einer sachgerechten Differenzierung im Hinblick auf die Risikoabstufung, die nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu fordern sei. Die 17 Arbeitsstunden hätten sich über drei Tage verteilt. Ein Mindestbeitrag dürfe erhoben werden, müsse sich aber am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit messen lassen. Dieser sei hier eindeutig nicht gewahrt.

Die Beklagte hat sich auf die Rechtsprechung bezogen (BSG, Urt. v. 27.1.1994 – 2 RU 9/93). Die Ausführungen des Klägers zur Unzuständigkeit seien inhaltlich unrichtig. Der Kläger betreibe keinen herstellenden Betrieb, wie er in § 3 Abs. 1 Nr. 5 der Satzung der im Übrigen örtlich unzuständigen Norddeutschen Metall-Berufsgenossenschaft bezeichnet werde. Zudem sei ihr Zuständigkeitsbescheid vom 12. Dezember 1990 bestandskräftig geworden. Änderungen seien nur unter den Voraussetzungen des § 136 SGB VII möglich. Selbst bei Eintritt einer Zuständigkeitsänderung habe dies auf die Beitragsforderungen für das Jahr 2006 keine Auswirkungen mehr. Eine Rückwirkung ergebe sich nach § 137 Abs. 1 S. 1 SGB VII nicht.

Die Höhe des Mindestbeitrages sei durch Beschluss des Vorstandes vom 2. Mai 2005 festgelegt worden. Von der gesetzlichen Ermächtigung des § 153 Abs. 3 SGB VII habe sie keinen Gebrauch gemacht.

Mit Urteil vom 24. Juli 2012 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und die Beru-fung zugelassen. Es hat ausgeführt, die Erhebung eines von den Verhältnissen des Klägers unabhängigen, nämlich für jegliche Verhältnisse einheitlichen Mindestbeitrages stehe im Einklang mit § 161 SGB VII und der dadurch gedeckten Regelung der Satzung der Beklagten. Schon die Einfachheit der Beitragserhebung gebiete die Einheitlichkeit des Mindestbeitrages. Die Höhe des Mindestbeitrages bezwecke nicht nur die Deckung von Verwaltungskosten, sondern der Kosten, die durch die Gewährung eines umfassenden Versicherungsschutzes gegen Unfall auch bei kurzzeitiger Beschäftigung entstehen könnten. Das Gericht schließe sich der Auffassung des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg (Urt. v. 22.3.2007 – L 3 U 15/03-16) an, das auch Überlegungen dazu angestellt habe, weshalb selbst eine Beschäftigung von nur einer Stunde im Jahr der Veranlagung mit Mindestbeiträgen nicht entgegen stehen könne. Das Urteil des Sozialgerichts ist dem Kläger am 3. August 2012 zugestellt worden.

Mit der noch im August 2012 beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingegangenen Berufung verfolgt der Kläger sein Anliegen weiter: Das vom Sozialgericht herangezogene Argument der Einfachheit der Beitragserhebung sei veraltet und angesichts der heute automatisierten und computergestützten Beitragsberechnung nicht mehr haltbar. Insofern seien auch Überlegungen in dem vom Kläger zitierten Urteil überholt. Der Gedanke der größeren Einfachheit sei schon deshalb nicht nachvollziehbar, weil der genau berechnete Beitrag aus dem Bescheid vom 20. April 2007 hervorgehe und erst im Anschluss rechnerisch auf den Mindestbeitrag erhöht werde. Auch lasse sich der vollständige Versicherungsschutz für die nur kurzfristige Beschäftigung nicht anführen. Denn das Unfallrisiko bleibe bei einer 17-stündigen Beschäftigung deutlich geringer als beispielsweise bei einer 17-tägigen Beschäftigung, für die der gleiche Mindestbeitrag zu zahlen gewesen wäre. § 161 SGB VII räume der Beklagten ein Ermessen ein, ob sie einen einheitlichen Mindestbeitrag erheben wolle. Jedenfalls dürfe sie aber keinen unverhältnismäßigen Mindestbeitrag erheben. Diese Grenze sei hier nicht eingehalten.

Die Beklagte habe nach der Rechtsprechung (BSG, Urt. v. 7.12.2004 – B 2 U 43/03 R) die Bestimmung des Mindestbeitrages auch nicht auf den Vorstand übertragen dürfen. Dies sei nur für Rechengrößen zulässig, die im Vorhinein nicht bekannt wären, was für den Bedarf, der durch den Mindestbeitrag zu decken sei, nicht gelte. Zwischen der maßgeblichen Norm dieser Rechtsprechung – § 182 Abs. 2 SGB VII – und der hier einschlägigen Vorschrift des § 161 SGB VII bestünde im Wesentlichen Gemeinsamkeit. Der in der Rechtsprechung für die Beitragsfestlegung in der Satzung als entscheidend angesehene Begriff des Bestimmens finde sich auch in § 161 SGB VII.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 24. Juli 2012 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 20. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Dezember 2007 aufzuheben, soweit die festgestellte Beitragsforderung (ohne Insolvenzgeldumlage) für 2006 4,26 EUR überschreitet.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie räumt ein, dass zwischen dem rechnerischen Beitrag des Klägers und dem tatsächlich zu fordernden Mindestbeitrag eine auffallende Differenz vorliegt. Als Begründung dafür führt sie allgemeine Verwaltungskosten an, z.B. für die Führung von Rechtsbehelfsverfahren, weiterhin ihre Belastung durch etwaig eintretende Unfälle aus kurzfristigen Beschäftigungsverhältnissen. Auf Anforderung des Gerichts hat sie die Umlagenrechnung für 2006 und die Zahl der Mitglieder in diesem Jahr, Bl. 98 f. d. A., und den Vorstandsbeschluss vom 2. Mai 2005 über Mindestbeiträge mitgeteilt.

Die Übertragung der Festlegung der Höhe des Mindestbeitrages auf ihren Vorstand hält sie für unbedenklich und verweist auf Rechtsprechung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg. § 161 SGB VII verlange vom Satzungsgeber selbst nur die Entscheidung darüber, ob der einheitliche Mindestbeitrag erhoben werden solle.

Bei der mündlichen Verhandlung und Beratung hat die Akte der Beklagten – Mitgl.-Nr 9315402678 – ihre am 1. Mai 2005 in Kraft getretene Satzung vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Die zugelassene Berufung hat keinen Erfolg.

Der Bescheid der Beklagten vom 20. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Dezember 2007 beschwert den Kläger im angefochtenen Umfang nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 S. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Die Beklagte hat zu Recht die Verpflichtung des Klägers festgestellt, einen Beitrag zur Gesetzlichen Unfallversicherung für das Jahr 2006 in Höhe von 100,- EUR (ohne Insolvenzgeldumlage) zu zahlen.

Die Beklagte ist zuständiger Versicherungsträger. Diese Feststellung hat die Rechtsvorgängerin der Beklagten in dem Bescheid vom 12. Dezember 1990 bestandskräftig getroffen; daran sind die Beteiligten gebunden. Änderungen wegen fehlender Zuständigkeit wirken nach § 137 Abs. 1 S. 1 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII – G. v. 7. 8. 1996, BGBl. I S. 1254) erst vom Beginn des Folgejahres der bestandskräftigen Entscheidung über einen Zuständigkeitsübergang; eine solche Entscheidung gibt es hier nicht. Diese Wirkung gilt auch dann, wenn die Zuständigkeit von Anfang an falsch festgestellt gewesen sein sollte. Denn § 137 Abs. 1 S. 1 SGB VII bezieht sich mit der genannten Wirkung auf alle Fälle des § 136 Abs. 1 S. 4 SGB VII. Als einen Fall davon zählt die Vorschrift auch auf, dass die Feststellung der Zuständigkeit von Anfang an unrichtig war.

Die Höhe dieses Beitrags ergibt sich aus dem Vorstandsbeschluss der Beklagten vom 2. Mai 2005, wonach ab dem Folgetag ein Mindestbeitrag in der genannten Höhe gilt. Der Beschluss beruht auf der Ermächtigung in § 26 Abs. 6 der Satzung der Beklagten vom März 2005, wonach ein einheitlicher Mindestbeitrag erhoben wird, den der Vorstand festsetzt. Für diese Satzungsvorschrift findet sich die Ermächtigung in § 161 SGB VII.

Es verstößt nicht gegen höherrangiges Recht, wenn im Bereich der Gesetzlichen Unfallversicherung außerhalb der landwirtschaftlichen Unfallversicherung die Entscheidung über die Höhe des Mindestbeitrags dem Vorstand überlassen wird. Aus der anderen Rechtslage (BSG, Urt. v. 7.12.2004 – B 2 U 43/03 RSozR 4-2700 § 182 Nr. 1) für den Bereich der landwirtschaftlichen Unfallversicherung lässt sich zu Gunsten des Klägers nichts herleiten. Denn für den Bereich der landwirtschaftlichen Unfallversicherung schrieb und schreibt § 182 Abs. 2 S. 4 SGB VII vor, "die Satzung" habe – ggf. – "einen Mindestbeitrag" bzw. jetzt "Mindestbeiträge" zu bestimmen. Weist dieser Wortlaut darauf hin, dass der Mindestbeitrag auch der Höhe nach unter Satzungsvorbehalt steht, ordnet § 161 SGB VII für alle anderen Bereiche der Gesetzlichen Unfallversicherung den Satzungsvorbehalt allein für den Gegenstand an, "dass" – dem Grunde nach – "ein einheitlicher Mindestbeitrag erhoben wird". Gibt der Gesetzgeber einen gesetzlichen Rahmen für die Ausformung eines Gebietes der Selbstverwaltung vor, muss er nicht in sonstiger Weise die entscheidenden Regelungen selbst treffen (vgl. BVerfG, Beschluss v. 23.10.1986 – 2 BvL 7, 8/84 – E 73, 388, 401). Hier stellt es eine sachgerechte Abwägung des Gesetzgebers dar, die Erhebung eines Mindestbeitrages der Selbstverwaltung des Unfallversicherungsträgers zu überlassen und für den Fall der Erhebung im Hinblick auf die Rechtsklarheit allein dessen Einheitlichkeit vorzuschreiben. Welches Organ der Selbstverwaltung weitere Entscheidungen zu treffen hat, kann der Gesetzgeber selbst regeln. Eine grundgesetzliche Vorgabe für Zuordnungen innerhalb der Selbstverwaltungsorgane besteht im Rahmen der demokratischen Legitimation durch die gesetzliche Verfassung der Selbstverwaltungsorgane nicht. Selbstverwaltungsorgan ist gem. § 31 Abs. 1 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IV – noch in der Fassung durch G. v. 23.12.1976 – BGBl. I S. 3845) auch der Vorstand.

Aus den gesetzlichen Regelungen über die Aufgabenzuweisung an die Organe der Selbstverwaltung ergibt sich nicht, dass die Höhe des Mindestbeitrages in der Satzung geregelt werden muss. Hätte der Gesetzgeber dies anordnen wollen, hätte nichts näher gelegen, als die sprachliche Fassung des § 161 SGB VII derjenigen des § 182 SGB VII anzunähern und sprachlich sogar kürzer zur Bestimmung eines einheitlichen Mindestbeitrages durch die Satzung zu ermächtigen. Hätte der Gesetzgeber zumindest die Bestimmung abstrakter Maßstäbe für die Höhe des Mindestbeitrages zum Gegenstand eines Satzungsvorbehalts machen wollen, so wäre auch dies leicht zu formulieren gewesen. Stattdessen hat der Gesetzgeber, worauf die Beklagte zu Recht hinweist, an die wortgleiche Vorgängervorschrift in § 728 Abs.1 der Reichsversicherungsordnung angeknüpft, für die bereits das Bundessozialgericht die Festsetzung von Mindestbeiträgen durch den Vorstand eines Unfallversicherungsträgers unbeanstandet gelassen hatte (Urt. v. 27.1.1994 – 2 RU 9/93SozR 3-2200 § 728 Nr. 1). Um eine Problematik der Normenbestimmtheit geht es dabei im Übrigen nicht: Die Festlegung des Mindestbeitrages auf 100,- EUR ist für jedermann verständlich; die Zuständigkeit des Vorstandes ist keine Frage der Bestimmtheit.

In der inhaltlichen Regelung des Mindestbeitrages in der dargestellten Weise liegt auch kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes.

Den Berufsgenossenschaften kommt im Rahmen ihres Selbstverwaltungsrechts bei der Festsetzung des Beitrags ein weiter Gestaltungsspielraum zu (BSG, Urt. v. 27.1. 1994, a.a.O.). Dieser ist nicht dadurch verletzt, dass auf den Kläger bei der Berechnung seines Unternehmensbeitrages eine andere Berechnungsweise – nämlich die Übernahme des pauschal festgelegten Mindestbeitrages – angewandt wird, als die Festlegung nach § 26 Abs. 3 S. 1 der Satzung, nämlich nach Arbeitsentgelt der Versicherten, Gefahrklassen und Beitragsfuß, die zu einem um den Streitwert niedrigeren Beitrag führen würde. Diese Unterscheidung entspricht dem Äquivalenzprinzip, wonach Beiträge in einem angemessenen Verhältnis zu der dafür gewährten Leistung liegen müssen.

Der Mindestbeitrag ist sachlich zunächst dadurch zu rechtfertigen, dass die Verwaltung der Unfallversicherung für ein Unternehmen von geringem (zu versichernden) Umfang einen bestimmten Mindestaufwand erfordert, der über demjenigen liegt, der dem Verhältnis der zu vergleichenden Arbeitnehmerentgelte entspräche. Die Daten, die für die Zuständigkeitsfeststellung und Beitragsbemessung zu erheben und zu verarbeiten sind, unterscheiden sich nämlich grundsätzlich nicht; für die Beitragsbemessung bestehen sie in der einmal jährlich mitgeteilten Gesamtzahl der Arbeitsstunden und -entgelte in den jeweiligen, dem Unternehmen vorher zugeordneten Gefahrklassen (§ 28 Abs. 1 der Satzung).

Daneben ist für das Bedürfnis nach Deckung des Verwaltungsaufwandes auch die Vorhaltung der Leistungsorganisation zu berücksichtigen. Diese lässt sich nicht allein mit Beiträgen nach minimalen Lohnsummen finanzieren, steht im Leistungsfall aber auch den Versicherten von Unternehmen sofort in vollem Umfang zur Verfügung, in denen nur solche geringen Lohnsummen anfallen. Bei Beiträgen, die allein an einem ggf. auch niedrigen Arbeitslohn berechnet sind, würden praktisch die nach der Lohnsumme großen Unternehmen kleine Unternehmen (noch stärker) mit stützen, weil sie für diese die Vorhaltung der Leistungsorganisation im Wesentlichen mit tragen. Es begegnet im Rahmen der Selbstverwaltung der Unfallversicherungsträger keinen Bedenken, wenn durch die Erhebung eines Mindestbeitrages eine solche Wirkung vermindert werden soll.

Hier liegt der Mindestbeitrag in einem angemessenen Verhältnis zu den insgesamt anfallenden Verwaltungskosten. Die Beklagte hatte nach ihren Mitteilungen 2006 Verwaltungskosten in Höhe von 237.090.497 EUR. Beiträge waren von 494.253 beitragspflichtigen Unternehmern zu erheben. Durch den Beitragsanteil jedes Unternehmers in Höhe des Mindestbeitrages von 100,- EUR ist nur ca. ein Fünftel der Verwaltungskosten refinanziert; der Rest ist von den Unternehmen mit höheren Lohnsummen zu erbringen.

Daneben ist es angemessen, wenn ein fester Beitrag erhoben wird, um einen Risikoausgleich für diejenigen Kosten zu erzielen, die unabhängig vom erzielten Arbeitsentgelt anfallen. Das Leistungsrisiko ist nämlich nicht in jeder Hinsicht von den gezahlten Entgelten abhängig. So entstehen der Beklagten allein für ambulante, stationäre und sonstige Heilbehandlung Kosten von 313 Mio. EUR, pro Unternehmen von ca. 633 EUR. Es ist nachvollziehbar, wenn das entsprechende Risiko aber zumindest insoweit von jedem Unternehmer mit getragen werden soll, der sich durch die Zahlung von einer Haftung nach §§ 104 ff. SGB VII befreit. Diesem Gesichtspunkt kommt gerade für diejenigen Unternehmer besondere Bedeutung zu, die im Hinblick auf den geringen Umfang ihres Unternehmens durch eine eigene Haftung in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerieten.

Der Kläger wird auch nicht durch die Höhe des geforderten Beitrages in unangemessner Weise in seiner Existenz gefährdet. Dazu ist die Beitragssumme selbst für ein Unternehmen von sehr geringem Umfang nicht geeignet. Wenn der Kläger dadurch gleichwohl besonders betroffen sein sollte, ist dies nicht vorrangig Wirkung der Belastung durch sachlich gerechtfertigte Unternehmensbeiträge. Ein überraschender gesundheitlicher Leistungsabfall eines Kleinunternehmers gefährdet – wie der Vortrag einer Bedürftigkeit des Bezuges von Arbeitslosengeld II beim Kläger zeigt – als solcher die Existenz, ohne dass dabei der Erhebung eines Mindestbeitrages Gewicht zukommt. Vielmehr hätte für den Kläger sogar die Möglichkeit bestanden, die besonderen Umstände der ungewöhnlichen Verminderung seiner Unternehmenstätigkeit – nach seinen Angaben aus gesundheitlichen Gründen – bei seiner kaufmännischen Kalkulation zu berücksichtigen. Hat er insgesamt seine Unternehmenstätigkeit auf ein so geringes Maß herabgesetzt, dass er nach seinem Vortrag daneben Arbeitslosengeld II beziehen muss, erscheint es durchaus zumutbar, der verminderten Leistungsfähigkeit des Unternehmens mit einer Kalkulation Rechnung zu tragen, die einen unwirtschaftlich geringfügigen Einsatz von zu versichernden Arbeitnehmern vermeidet. Dabei geht es nicht – wie der Kläger meint – um den Unterschied eines Einsatzes von versichert oder "schwarz" beschäftigten Arbeitnehmern. Vielmehr handelt es sich um den Unterschied zwischen Aufträgen, die ein Unternehmen nach den Rahmenbedingungen wirtschaftlich erfüllen kann und denjenigen, bei denen dies nicht der Fall ist. Hier bestand die Möglichkeit einer Berücksichtigung bei der Kalkulation erkennbar. Denn zumindest der Arbeitnehmereinsatz war schon in den Vorjahren auf ein so geringes Maß herabgesunken, dass der Mindestbeitrag von 100,- EUR auch mit Bescheid vom 23. April 2004 für 2003 – unter Anhebung um 88,53 EUR – und mit Bescheid vom 18. April 2005 für 2004 erhoben worden war und der Kläger 2005 sogar schon auf den Einsatz von Arbeitnehmern verzichtet hatte. Insofern waren für ihn alle Folgen eines geringfügigen Arbeitnehmereinsatzes von vornherein ersichtlich.

Der Gleichheitssatz ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt verletzt, dass der Kläger durch einen einheitlichen Mindestbeitrag nach § 161 SGB VII in sachlich nicht zu rechtfertigender Weise mit anderen Unternehmern gleich behandelt wird, die zum Mindestbeitrag veranlagt werden und Arbeitnehmer über längere Zeiträume beschäftigen. Zunächst ist festzuhalten, dass die Veranlagung zum Mindestbeitrag praktisch zwingend eine nicht ganzjährige Beschäftigung eines Arbeitnehmers voraussetzt. So haben selbst im Jahr 2004 für einen rechnerisch ermittelten Beitrag des Klägers von 99,23 EUR nur 418 Arbeitsstunden – weniger als drei Monaten vollzeitiger Beschäftigung eines Arbeitnehmers entsprechend – zu Grunde gelegen, obwohl das Bruttoarbeitsentgelt nach der Meldung des Klägers unter 7,66 EUR je Arbeitsstunde lag.

Darüber hinaus ist eine Unterscheidung nach dem Umfang von kleineren Teilzeiträumen eines Jahres, in denen die Beschäftigung stattfindet, durch den Gleichheitssatz nicht geboten. In Abwägung mit der sachgerecht angestrebten Pauschalierung zum Zweck der Einfachheit der Verwaltung, die hier sogar die Einbeziehung der Unternehmer selbst betrifft, ist der Bezug des Mindestbeitrags auf ein Jahr angemessen. Denn die Beitragserhebung beruht auf Auskünften der Unternehmer, die diese nach § 28 Abs. 1 der Satzung einmal jährlich ohne Aufschlüsselung nach Teilzeiträumen zu erteilen haben. Eine grundsätzliche Verkomplizierung dieser Meldepflicht, um eine Staffelung von Mindestbeiträgen von vergleichsweise geringer Bedeutung zu ermöglichen, ist sachlich nicht geboten. Wie schwierig hier eine Bemessung nach individuellen Verhältnissen wäre, zeigt die Überlegung, dass ein stundenweise erfolgender Einsatz von Arbeitskräften mit einer Erhöhung des Wegerisikos wegen häufigerer An- und Abfahrten verbunden sein kann oder dass geringere Geübtheit der eingesetzten Kräfte – zumindest unter den Bedingungen des vergleichsweise kurzzeitig eingenommenen Arbeitsplatzes – das Unfallrisiko erhöhen kann, umgekehrt solche Faktoren aber nicht vorliegen müssen.

Der Senat hat nicht zu entscheiden, ob die vorstehenden Überlegungen auch noch Spielraum für nennenswert höhere Mindestbeiträge lassen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung.

Die Revision war gem. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, weil die Frage der Übertragbarkeit einer Festsetzung der Beitragshöhe auf den Vorstand in Abgrenzung zur zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung klärungsbedürftig erscheint.

Der Streitwert war gem. § 63 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes i. V. m. § 52 Abs. 3 dieses Gesetzes festzusetzen.
Rechtskraft
Aus
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