L 2 U 558/10

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 1 U 5028/07
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 558/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 18/14 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Zum Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nrn. 1105 und 1317 der Anlage 1 zur BKV.
2. Ob neue wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, die es im Sinne des § 9 Abs. 2 SGB VII rechtfertigen, eine durch Pestizide verursachte Parkinson ähnliche Erkrankung als Berufskrankheit anzuerkennen, kann offenbleiben. Jedenfalls ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Pestizid Exposition und der Parkinson ähnlichen Erkrankung dann nicht hinreichend wahrscheinlich, wenn zwischen dem Ende der Pestizid Exposition und dem Zeitpunkt, ab dem die Diagnose der Erkrankung erstmals gerechtfertigt ist, ein Zeitraum von mehr als 10 Jahren liegt.
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 22.11.2010 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Parteien ist streitig, inwieweit ein Erschöpfungssyndrom mit Muskelschwäche auf eine langjährige Tätigkeit des Klägers (Kl.) im Hopfenanbau mit Einsatz von Schädlingsbekämpfungsmitteln zurückzuführen und deshalb als Berufskrankheit (BK) im Sinne des § 9 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) anzuerkennen ist. Nach umfassender Prüfung möglicher BKen im Verwaltungsverfahren und im erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahren beschränkt sich der Streit in der Berufungsinstanz auf das Vorliegen der BKen Nr. 1105 (Erkrankungen durch Mangan oder seine Verbindungen) und Nr. 1317 (Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische) der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) sowie einer Parkinson-ähnlichen Erkrankung als Wie-BK i. S. d. § 9 Abs. 2 SGB VII.

Der 1954 geborene Kläger war von 1970 bis 1998 im eigenen Hopfenanbaubetrieb tätig und brachte in dieser Zeit regelmäßig Schädlingsbekämpfungsmittel (Herbizide, Insektizide und quecksilber- bzw. manganhaltige Fungizide) aus. Die landwirtschaftliche Nutzfläche des Betriebs betrug 15 ha, davon 6 ha Hopfenanbau. Die Mittel wurden 14 bis 15 mal jährlich gespritzt. Erst ab 1994 trug der Kl. dabei eine Atemschutzmaske. 1998 wurde der Hopfenanbau eingestellt. Von 1998 bis 2000 wurden 10 ha Getreide angebaut und Grünflächen bewirtschaftet. Seitdem werden nur noch Ferienwohnungen vermietet und Pferde für die Gäste gehalten.

Im Jahr 2002 spitzte sich ein angeblich bereits seit dem 40. Lebensjahr schleichend entwickelndes Erschöpfungssyndrom mit Müdigkeit und Kraftlosigkeit des Kl. zu, so dass dieser seinen Angaben zufolge im Oktober 2002 mehrere Wochen bettlägerig war. Ärztlich dokumentiert ist dieser Zustand nicht. Es entwickelte sich eine allgemeine Kraftlosigkeit und eine Muskelatrophie am rechten Oberschenkel. Der Kl. konnte sich an einen Virusinfekt im Frühjahr 2002 erinnern.

Nachdem es dem Kl. etwas besser ging, begab er sich zur diagnostischen Aufklärung stationär an das F-B-Institut an der Neurologischen Klinik C-Stadt. Nach dem dortigen Arztbrief vom 04.12.2003 ging man am ehesten von einer entzündlichen Erkrankung aus, es wurde ein Verdacht auf Myositis im Rahmen einer übergeordneten rheumatologischen Erkrankung in Remission diagnostiziert. Laut Arztbrief vom 25.02.2004 fand vom 28.01. bis 11.02.2004 eine erneute stationäre Behandlung statt, in deren Verlauf eine Biopsie vom rechten Oberschenkel entnommen wurde. Als Diagnose wurde eine generalisierte Muskelschwäche unklarer Ätiologie gestellt. Der morphologische Befund der entnommenen Muskelbiopsie vom 27.02.2004 ergab keinen Nachweis entzündlicher Veränderungen.

Ein stationärer Aufenthalt von 4 Wochen in der TCM-K. Mitte 2004 führte zur Hauptdiagnose einer generalisierten körperlich-geistigen Erschöpfung.

Am 01.10.2004 stellte sich der Kl. beim Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Universität B-Stadt, Prof. Dr. H. D., zur Abklärung vor. Nach dessen Arztbrief vom 12.10.2004 lässt sich ein Zusammenhang der Beschwerden mit dem beruflichen Umgang mit Pestiziden nicht begründen, da dieser ca. 6 Jahre vor der erheblichen Verschlimmerung geendet habe. Es bestehe jedoch ein erheblicher Verdacht, dass der Kläger an einer Schlafapnoe leide.

Die vom Kläger ebenfalls konsultierte Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie B. R. diagnostizierte am 01.12.2004 eine chronifizierte somatisierte depressive Störung (F 32.8).

Anfang 2005 erfolgte eine Untersuchung in einem Schlaflabor, die den Verdacht einer Schlafapnoe bestätigte. Die verschriebene Maske wurde vom Kl. aber nicht toleriert und deshalb nur kurzzeitig getragen.

Von 2005 bis 2006 begab sich der Kl. für einige Zeit in die Behandlung des Umweltmediziners Dr. M. in C-Stadt. Dieser stellte in einem Lymphozytentransformationstest eine Sensibilisierung gegen Quecksilber fest und führte eine "Entgiftung" durch, die dem Kl. vorübergehend etwas Erleichterung brachte.

Am 04.07.2005 zeigte der Kl. der Beklagten den Verdacht einer Berufskrankheit an. Durch jahrelangen Umgang mit Spritzmitteln im Hopfenbau sei er gesundheitlich geschädigt. Seit drei Jahren seien körperliche und geistige Einschränkungen bis zum völligen Zusammenbruch fortgeschritten.

Der Hausarzt und Internist Dr. S. berichtete am 28.04.2006 von multiplen Bagatellerkrankungen, Infekten und allgemeiner Müdigkeit und einer deutlichen Verschlechterung des Zustands ab 2002. Aus hausärztlicher Sicht habe er am ehesten an eine depressive Erkrankung gedacht, was der Kl. nie akzpetiert habe. Derzeit befinde sich der Kl. an der Grenze der Kompensation und könne nur zeitweise leichtere Arbeiten in der Landwirtschaft verrichten.

Der technische Aufsichtsdienst der Bekl. lieferte Arbeitsplatzanalysen vom 24.02. und 27.06.2006. Auf dieser Grundlage äußerte sich das Gewerbeaufsichtsamt der Regierung von Oberbayern dahingehend, dass der Nachweis einer mäßiggradigen zellulären Sensibilisierung gegenüber anorganischem Quecksilber nicht geeignet sei, den Nachweis einer klinisch relevanten chronischen Quecksilber-Intoxikation zu erbringen.

Prof. Dr. D. von der Universität B-Stadt fasste in seinem Gutachten vom 12.09.2006 den Stand der bisherigen Ermittlungen dahingehend zusammen, dass die eingehende fachneurologische Abklärung an der LMU C-Stadt keine eindeutige Schädigung des Nervensystems oder der Muskulatur, insbesondere keinen Hinweis für das Vorliegen einer Polyneuropathie oder Encephalopathie, ergeben habe. Fachpsychiatrisch liege die Diagnose einer chronifizierten somatisierten depressiven Störung vor. Die Tätigkeit mit Pflanzenschutzmitteln habe der Kläger 1998 aufgegeben. 2002 sei es zu einer Symptomverstärkung gekommen. Die Beschwerdesymptomatik sei sehr unspezifisch. Deshalb sei kein hinreichend wahrscheinlicher Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und der Erkrankung erkennbar. Mit hoher Wahrscheinlichkeit bestehe vielmehr eine chronifizierte somatisierte depressive Störung.

Mit Bescheid vom 16.10.2006 entschied die Bekl., dass die Erkrankung des Kl. keine BK sei. Sie sei auch nicht wie eine BK anzuerkennen. Dagegen legte der Kl. am 24.10.2006 Widerspruch ein. Während des Widerspruchsverfahrens erfolgte eine Anzeige der BKen 1102, 1302, 1303 und 1307 durch Dr. M., C-Stadt. Mit Widerspruchsbescheid vom 24.04.2007 wies die Bekl. den Widerspruch vom 24.10.2006 gegen den Bescheid vom 16.10.2006 zurück. In den Gründen wird ausgeführt, krankhafte Befunde i. S. einer BK nach den Nrn. 1102, 1301 bis 1311, 1314 bis 1317 der Anlage 1 zur BKV hätten beim Kl. gutachterlich nicht bestätigt werden können.

Dagegen hat der Kl. am 03.05.2007 beim Sozialgericht (SG) München Klage erhoben und beantragt, die BK des Kl. anzuerkennen und gemäß den gesetzlichen Vorschriften zu entschädigen.

Das SG hat auf Antrag des Klägers den Neurologen Dr. M., die Dipl.-Psych. Dr. V. und Prof. Dr. W. K. zu Sachverständige ernannt.
Der Sachverständige Dr. M. hat mit Gutachten vom 04.02.2009 ein parkinson-ähnliches Krankheitsbild mit Tremor, Rigor, Zahnradphänomen, Bradymimie, Bradykinese, Gangunsicherheit, Stolpertendenz und Sturzgefahr sowie eine symmetrisch beinbetonte Polyneuropathie festgestellt. Psychiatrisch bestehe eine reaktiv depressive Störung. Parkinson-ähnliche Symptome würden vor allem beschrieben bei chronisch-schleichender Manganbelastung und würden auch als Manganismus bezeichnet, ebenso werde beschrieben bei Manganexposition Muskelschwund. Krankheitssymptome träten bei Mangan-Belastung langsam schleichend auf. Verschlechtern könnten sie sich auch noch Jahre nach der Exposition. Es handle sich um die BKen 1105 und 1317.
Die Sachverständige Dipl.-Psych. Dr. V. hat in ihrem neuropsychologischen Gutachten vom 12.01.2009 in einer dreistündigen Testung eine deutliche Einschränkung der kognitiven Leistung festgestellt. Ob diese Teil einer depressiven Grunderkrankung ist oder ein davon unabhängiges, hirnorganisches Krankheitsbild darstellt, habe zum Zeitpunkt der Untersuchung nicht beurteilt werden können, da eine antidepressive Behandlung nicht erfolgt sei. Sollten die kognitiven Leistungseinschränkungen bei Remission der depressiven Symptome unter antidepressiver Behandlung persistieren, sei deren eigenständige, hirnorganische Verursachung zu unterstellen.
Der Sachverständige Prof. Dr. W. K. hat als Diagnosen 1. eine Parkinson-ähnliche Symptomatik (Manganismus), 2. eine symmetrisch distal betonte Polyneuropathie, 3. eine Enzephalopathie und 4. eine reaktive Depression festgestellt. Es lägen die BK 1105 und eine Parkinson-ähnliche Erkrankung als Wie-BK nach § 9 Abs. 2 SGB VII vor. Der Kl. habe manganhaltige Pestizide (Maneb, Mancozeb) über 15 Jahre eingesetzt. Die in der Literatur beschriebenen Symptome von manganbedingten Erkrankungen (Parkinsonismus, Müdigkeit, kognitive Defizite) deckten sich mit den Symptomen beim Kl. Der Umgang mit Quecksilber über 10 Jahre nach BK 1102 sei ebenfalls gesichert. Die dadurch bedingten Symptome ähnelten denen infolge Manganeinwirkung. Es gebe keine klar definierten klinischen Standards zur Unterscheidung zwischen einem Manganismus bzw. Parkinsonismus infolge exogener Schadstoffeinwirkungen und einem idiopathischen Parkinson (IDP) ohne exogene Einwirkugen. M. Parkinson sei als BK nicht anerkannt, während die Anerkennung einer Parkinson-ähnlichen Symptomatik (also Folgen einer chronischen Manganexposition) nach BK 1305 möglich erscheine. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) liege bei 80 % seit Januar 2002.

Von Amts wegen hat das SG den Neurologen und Psychiater Dr. S. zum Sachverständigen ernannt, der in seinem Gutachten vom 15.02.2010 keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Parkinson-Erkrankung feststellen konnte (kein Rigor, kein Tremor, unauffällige Schriftprobe, kein kleinschrittiger Gang). Nachweisbar sei lediglich eine leichte, überwiegend sensible distale symmetrische Polyneuropathie. Testpsychologisch ergäben sich Hinweise auf Aggravation. Mögliche Ursachen der kognitiven Einschränkungen seien die Depression oder ein hirnorganisches Psychosyndrom. Der Kl. habe in den letzten Jahren keine psychiatrische, psychotherapeutische oder neurologische Behandlung durchgeführt und nehme keine Medikamente ein. Unklar sei, wie die von den Vorgutachtern diagnostizierte Parkinson-ähnliche Erkrankung ohne Behandlung wieder abgeklungen sei. Ein ursächlicher Zusammenhang der beruflichen Pestizid-Exposition mit der Erkrankung sei aufgrund des mehrjährigen zeitlichen Abstands eher unwahrscheinlich, insoweit bedürfe es jedoch einer ergänzenden arbeitsmedizinischen oder toxikologischen Stellungnahme. Wenn überhaupt eine BK vorliege, dann am ehesten die Nr. 1317, obwohl der Landwirt nicht als Risikoberuf im dortigen Merkblatt genannt werde und außerdem Veränderungen bei Expositionskarenz reversibel sein müssten. Denkbar seien auch die BKen 1302, 1305 und 1306.

Das SG hat im Einverständnis der Parteien ohne mündliche Verhandlung mit Urteil vom 22.11.2010 (Az. S. 1 U 5028/07) die Klage gegen den Bescheid vom 16.10.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.04.207 abgewiesen. Im Tatbestand hat es den Antrag des Kl. sinngemäß so ausgelegt, das SG möge die Bekl. verurteilen, eine BK, insbesondere nach den Nrn. 1105 und 1317 der Anlage 1 zur BKV anzuerkennen und zu entschädigen.

Der Kl. hat gegen das Urteil, das ihm am 06.12.2010 zugestellt worden ist, am 15.12.2010 Berufung eingelegt.

Bereits vom 28.10. bis zum 05.11.2010 hatte sich der Kl. in die Neurologische Klinik des Krankenhauses R. begeben. Anlass waren seit 6 Monaten aufgetretene deutliche progrediente Muskelzuckungen, "schmeißende" Bewegungen an allen Extremitäten. In dem Arztbrief vom 22.02.2011 wurden als Diagnosen eine Depression und der Verdacht auf ein beginnendes akinetisch-rigides Syndrom gestellt. Klinisch-neurologisch zeige sich ein recht flüssiges Gangbild und kein Rigor. Der Kernspin des Hirnschädels sei unauffällig gewesen. Überraschend habe sich in der Hirnszintigrafie (DAT-Scan) eine asymmetrische Belegung des Corpus striatum und Putamen gezeigt. Deshalb erfolgte die Empfehlung, versuchsweise Dopaminagonisten zu verabreichen.

Tatsächlich führte die Einnahme eines Dopaminagonisten in den folgenden Monaten beim Kl. zum Rückgang der Muskelzuckungen sowie zu einer Verbesserung seines Allgemeinzustands.

Inzwischen hatte der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. M. W., K., die persönliche Beratung des Kl. übernommen. Mehrere Schriftsätze dieses Arztes sind dem Gericht über dessen Prozessbevollmächtigten vorgelegt worden. Insbesondere hat Dr. W. eine wissenschaftliche Veröffentlichung von Wang u. a. über die Zusammenhänge zwischen Pestizid-Expositionen und Parkinson vorgelegt als auch einen Pressebericht, wonach ein Pestizid-induzierter M. Parkinson in Frankreich als BK anerkannt worden sei.

Das LSG hat mit Beweisanordnung vom 20.09.2011 den Direktor des Instituts und der Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin C-Stadt, Prof. Dr. C., zum Sachverständigen ernannt, der den Kl. am 20.03.2012 ambulant untersucht und am 18.02.2013 sein schriftliches Gutachten erstattet hat. Als Diagnosen hat der Sachverständige gestellt: chronifiziertes Erschöpfungssyndrom bei abgelaufener, vermutlich entzündlich bedingter Muskelerkrankung, V. a. beginnendes Parkinson-Syndrom, V. a. abgelaufene entzündliche Myopathie im Rahmen einer immunvermittelten Erkrankung und Schlafapnoe-Syndrom (auswärtige Diagnose 2005). Eine BK, die mit Wahrscheinlichkeit auf Einwirkungen der beruflichen Tätigkeit in der Landwirtschaft zurückzuführen wäre, liege nicht vor. Der Kl. habe bei der neurologischen Untersuchung nicht das typische Vollbild der motorischen Kardinalsymptome einer Parkinson-Erkrankung gezeigt. Zwar sei eine Verlangsamung der Bewegungsabläufe (Bradykinese) festzustellen, nicht aber eine kleinschrittige Gangstörung, Rigor- oder Tremorphänomene oder ein Verlust der Haltungsreflexe. Ein Parkinson-Syndrom sei deshalb leitliniengerecht nicht zu diagnostizieren. Allerdings spreche die im Krankenhaus R. durchgeführte nuklearmedizinische Untersuchung dafür, dass sich eine solche Krankheit anbahne.
Die 2002 aufgetretene Störung des Allgemeinbefindens mit Gewichtsverlust, einer muskulären Schwäche und recht akut entstandener umschriebener proximaler Beinatrophie passe am besten zu einer Autoimmunmyositis, auch wenn sich bei der Abklärung, die erst nach einem Jahr und weitgehender Remission der Beschwerden erfolgte, ein aktiver entzündlicher Prozess nicht mehr nachweisen habe lassen und lediglich sehr diskrete elektromyographische Zeichen überhaupt noch eine Muskelerkrankung objektiviert hätten.
Eine klinisch bedeutsame Polyneuropathie lasse sich hingegen der Aktenlage und dem hiesigen Untersuchungsbefund nicht entnehmen. Bezüglich der mehrfach vordiagnostizierten "Polyneuropathie" hätten sich auch jetzt gleichbleibend sehr unspektakuläre Befunde mit beidseits lediglich abgeschwächten Achillessehnenreflexen und einer geringen Minderung des Vibrationsempfindens an den distalen unteren Extremitäten gefunden.
Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Pestizid-Exposition und der Muskelerkrankung sei nicht anzunehmen. Erst 4 Jahre nach Expositionsende sei es unter dem Bild einer akuten Erkrankung zu der Muskelschwäche und -atrophie gekommen. Eine mehrjährige Latenzzeit bis zum Symptomausbruch sei bei einer solchen Erkrankung nicht denkbar.
Die Verdachtsdiagnose Parkinson sei erstmals 10 Jahre nach Expositionsende gestellt worden. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse über den Einfluss von Pestiziden auf die Entstehung von Parkinson reichten nicht aus, um hierfür einen ursächlichen Zusammenhang herzustellen. Daran ändere auch die von Dr. W. vorgelegte neuere Publikation von Wang u. a. nichts. Auch nach dem von Dr. W. vorgelegten Presseartikel über die Anerkennung der Parkinson-Erkrankung als BK in Frankreich müsste nach den dort geltenden Kriterien die Krankheit spätestens 1 Jahr nach Ende der Pestizid-Exposition ausgebrochen sein.
Bezüglich der BK 1105 sei schon fraglich, ob die Expositionsmenge vergleichbar ist bei gelegentlichem Spritzen von Schädlingsbekämpfungsmitteln mit derjenigen von Arbeitern in Mangan-verarbeitenden Betrieben. Entscheidend sei, das die bildgebende Diagnostik eher für ein idiopathisches Parkinson-Syndrom als für eine Mangan-bedingte Erkrankung spreche. Außerdem fehle der zeitliche Zusammenhang zwischen Exposition und Symptomatik.
Eine BK 1102 scheide aus, weil Quecksilber nur bis zu dessen Verbot im Jahre 1982 eingesetzt worden sei. Eine Quecksilber-bedingte neurologische Erkrankung, die mit jahrzehntelanger Latenz eintrete, sei nicht bekannt.
Bei der BK 1317 sei die für die Entstehung einer Erkrankung erforderliche Expositionshöhe mit Sicherheit nicht erreicht worden. Eine klinisch relevante Polyneuropathie sei nicht in zeitlichem Zusammenhang mit der Exposition festgestellt worden. Auch eine toxisch verursachte Enzephalopathie sei nicht wahrscheinlich, es fehle an einer kontinuierlichen Exposition über einen Zeitraum von 10 Jahren und an einem plausiblen zeitlichen Zusammenhang zwischen Exposition und Symptomen.

Auf die Stellungnahme von Dr. W. vom 05.04.2013 hin hat das Gericht die ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. C. vom 22.07.2013 eingeholt, in dem dieser seinen Standpunkt bekräftigt und näher erläutert hat. Ergänzend hat er darauf hingewiesen, dass bei einem sekundären (also nicht idiopathischen, sondern pharmakologisch oder durch Mangan-Intoxikation induzierten) Parkinson-Syndrom in der Hirnszintigraphie mit einem Normalbefund zu rechnen gewesen wäre.

Am 08.05.2013 hat sich der Kl. in der Ambulanz der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums D-Stadt vorgestellt. Im Arztbrief der Prof. Dr. D. B. ist die Verdachtsdiagnose eines idiopathischen Parkinson-Syndroms vom akinetisch-rigiden Typ, rechts betont erwähnt mit dem Hinweis auf den positiven DAT-Scan und das gute Ansprechen auf die dopaminerge Medikation. Hinweise auf atypische Parkinsonsyndrome bestünden nicht. Weiter bestehe der Verdacht auf eine periphere Polyneuropathie.

In der mündlichen Verhandlung am 06.11.2013 hat das Gericht den vom Kl. mitgebrachten Arzt für Allgemeinmedizin Dr. M. W. als sachverständigen Zeugen vernommen. Auf die Sitzungsniederschrift wird verwiesen.

Der Kläger und Berufungskläger beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts München vom 22.11.2010 und Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 16.10.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.04.2007 festzustellen, dass eine Berufskrankheit nach den Listennummern 1105 beziehungsweise 1317 der Anlage zur BKV besteht, hilfsweise eine Wie-Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogene Akte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht eingelegt (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Die Berufung bedarf gemäß § 144 SGG keiner Zulassung.

Die Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klage ist sowohl im Haupt- als auch im Hilfsantrag zulässig, aber unbegründet.

Zulässig ist die Klage insbesondere auch, soweit sie auf die Feststellung der BK 1105 gerichtet ist, obwohl diese BK explizit weder im Ausgangs- noch im Widerspruchsbescheid erwähnt wird. Grundsätzlich ist jede BK ein eigener Leistungsfall i.S.d. §§ 7, 9 SGB VII. Trotzdem ist vorliegend das Zulässigkeitserfordernis einer Entscheidung durch Verwaltungsakt sowie der Durchführung eines Widerspruchsverfahrens erfüllt. Denn der Bescheid vom 16.10.2006 beinhaltete eine umfassende Ablehnung der Anerkennung der Beschwerden des Kl. sowohl als Listen-BK als auch als Wie-BK. Damit erfasste das Verwaltungsverfahren alle Listen-BKen, also auch die BK 1105, ohne diese ausdrücklich zu benennen. Es kann offenbleiben, ob eine derart weite Entscheidung der Bekl. erforderlich oder überhaupt zulässig war. Jedenfalls war sie nicht nichtig. Der Widerspruchsbescheid vom 24.04.2007 bezog sich seinem Verfügungssatz nach auf den Regelungsinhalt des Ausgangsbescheides ohne Einschränkungen. Dass in den Gründen des Widerspruchsbescheides bestimmte BKen - allerdings ohne die BK 1105 - erwähnt wurden, war deshalb nur Bestandteil der Begründung, schränkte jedoch nicht den Verfügungssatz ein, der die unbeschränkte Zurückweisung des Widerspruchs gegen einen Verwaltungsakt, der alle BKen und Wie-BKen betraf, zum Inhalt hatte.

Die Klage ist im Hauptantrag unbegründet. Die Kl. kann weder die Feststellung der BK 1105 noch die der BK 1317 verlangen. Die Feststellung anderer BKen hat der Kläger im Berufungsverfahren nicht mehr weiterverfolgt. Gemäß § 7 Abs. 1 SGB VII gelten als Versicherungsfälle - neben Arbeitsunfällen - auch Berufskrankheiten. Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden (§ 9 Abs. 1 SGB VII). Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. In diesem Sinne sind BKen gemäß Nr. 1105 der Anlage 1 zur BKV Erkrankungen durch Mangan oder seine Verbindungen und gemäß Nr. 1317 dieser Anlage Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische.

Die BK 1105 liegt nicht vor. Beim Kl. ist keine Erkrankung nachweisbar, für die eine Verursachung durch die berufsbedingten Mangan-Expositionen überwiegend wahrscheinlich wäre. Die Auffassung der Sachverständigen Dr. M. und Prof. Dr. K., dass eine Parkinson-ähnliche Erkrankung auf die Mangan-Belastung zurückgehe, überzeugt nicht. Denn es fehlt bis heute an den klinischen Symptomen einer Parkinson-Erkrankung. Ein Parkinson-ähnliches Krankheitsbild ist ausschließlich von Dr. M. festgestellt und als Diagnose von Prof. Dr. K. übernommen worden. Alle anderen Sachverständigen und sogar die behandelnden Ärzte des Kl. haben die klinischen Symptome einer Parkinson-Erkrankung, insbesondere Rigor, Tremor und kleinschrittigen Gang, verneint: so die Sachverständigen Dr. S. und Prof. Dr. C. und ebenso die vom Kl. selbst aufgesuchten Ärzte, darunter explizit das Krankenhaus R. und zuletzt das Universitätsklinikum D-Stadt. Auch der sachverständige Zeuge Dr. W. hat angegeben, dass er einen typischen M. Parkinson nicht festgestellt hat. Da auch nicht ersichtlich ist, wie sich ohne jede Behandlung die von Dr. M. festgestellten Symptome einer Parkinson-Erkrankung hätten zurückbilden können, muss die Feststellung dieser Erkrankung durch Dr. M. als nicht glaubhaft bewertet werden. Erst die Ende 2010 im Krankenhaus R. vorgenommene Gehirnszintigraphie (DAT-Scan) erlaubte die Verdachtsdiagnose einer beginnenden Parkinson-Erkrankung. Als die Parkinson-Verdachtsdiagnose Ende 2010 zum ersten Mal gerechtfertigt gestellt werden konnte, war die Exposition mit Pestiziden und insbesondere Mangan bereits seit über 10 Jahren - nämlich seit 1998 - beendet. Wie jedoch der Sachverständige Prof. Dr. C. ausgeführt hat, ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einer Mangan-Exposition und einer Parkinson-Erkrankung nicht hinreichend wahrscheinlich, wenn zwischen dem Ende der Exposition und der erstmals zu rechtfertigenden Krankheitsdiagnose ein Zeitraum von mehr als 10 Jahren liegt.

Die seit 2002 aufgetretene Muskelschwäche ist zu unspezifisch, um sie mit der Mangan-Exposition in ursächlichen Zusammenhang zu bringen. Außerdem hat der Sachverständige Prof. Dr. C. zu Recht ausgeführt, dass diese Muskelschwäche am ehesten durch eine 2002 durchgemachte Muskelentzündung zu erklären ist, die im Rahmen einer Autoimmunerkrankung aufgetreten ist. Dieselbe Erklärung wurde auch durch das F-B-Institut C-Stadt, in das sich der Kl. Ende 2003 zur Abklärung begeben hatte, für am wahrscheinlichsten gehalten. Auch fehlt es am zeitlichen Zusammenhang zwischen der Exposition, die 1998 endete, und dem 4 Jahre später erfolgten Ausbruch der Erkrankung.
Soweit sich der Kl. auf die Anerkennung von Parkinson als Folge einer Pestizid-Exposition beruft, ist darauf hinzuweisen, dass nach dem vom Kl. vorgelegten Pressebericht auch in Frankreich hierfür gefordert wird, dass die Diagnose spätestens ein Jahr nach dem Ende der Pestizid-Exposition gestellt wird, was vorliegend nicht der Fall ist. Schließlich hat Prof. Dr. C. überzeugend dargelegt, dass die im Krankenhaus R. angefertigte Gehirn-Szintigraphie eher für eine idiopathische - also eine Erkrankung unbekannter Ursache - als für eine toxisch induzierte Parkinson-Erkrankung spricht. Diese Einschätzung von Prof. Dr. C. wird durch den Befund von Prof. Dr. B. vom Universitätsklinikum D-Stadt nachträglich bestätigt.

Bei der BK 1317 muss entweder eine Polyneuropathie oder eine Enzephalopathie im Vollbeweis nachgewiesen werden. Zusätzlich muss mit überwiegender Wahrscheinlichkeit die Verursachung durch organische Lösungsmittel und deren Gemische feststehen. Jedenfalls der Nachweis des ursächlichen Zusammenhangs ist für beide Tatbestandsalternativen nicht gelungen, so dass die Frage, ob der Kl. überhaupt an einer Polyneuropathie oder einer Enzephalopathie leidet, offen bleiben kann.

Am Vorliegen einer Polyneuropathie, die von Dr. M. und Prof. Dr. K. als distal symmetrisch beinbetont festgestellt worden ist, bestehen erhebliche Zweifel. Auch Dr. S. hat die Diagnose gestellt, jedoch vom Schweregrad her als leicht bezeichnet. Prof. Dr. C. dagegen hat sich ausführlich mit dieser Diagnose beschäftigt und sie letztlich abgelehnt. Allein aufgrund abgeschwächter Achillessehnenreflexe und einer geringen Minderung des Vibrationsempfindens an den distalen unteren Extremitäten könne eine solche Diagnose nicht gestellt werden. Eine geringe axonale Schädigung in einer elektrophysikalischen Untersuchung sei noch keine Polyneuropathie. Vom Krankenhaus R. wurde die Diagnose nicht gestellt, das Universitätsklinikum D-Stadt hat die periphere Polyneuropathie nur als Verdachtsdiagnose festgestellt. Zusammenfassend liegt also allenfalls eine Polyneuropathie sehr leichter Ausprägung vor.

Auch wenn diese vorläge, so wäre jedoch jedenfalls ein ursächlicher Zusammenhang zu organischen Lösemitteln in den verwendeten Pestiziden nicht überwiegend wahrscheinlich. Der als leichte Polyneuropathie zu bezeichnende Zustand ist frühestens 2002 nachweisbar, die jahrzehntelange Exposition mit Pestiziden hatte schon vier Jahre zuvor geendet. Somit fehlt jede zeitliche Relation zwischen Exposition und Symptomen, wie Prof. Dr. C. ausgeführt hat.

Bezüglich des Vorliegens einer Enzephalopathie bleibt das Gutachten von Prof. Dr. C. offen, weil nicht klar ist, wie die neuropsychologisch festgestellten deutlichen kognitiven Leistungsdefizite einzuordnen sind. Sie könnten sowohl auf die Depression als auch auf einen hirnorganischen Schaden - also eine Enzephalopathie - zurückzuführen sein. Die Sachverständige Dipl.-Psych. Dr. V. hat in ihrem Gutachten vom 12.01.2009 selbst ausgeführt, dass eine hirnorganische Läsion nur dann angenommen werden könnte, wenn die kognitiven Defizite unter einer antidepressiven Behandlung persistieren würden. Nicht gefolgt werden kann in diesem Zusammenhang der Argumentation von Prof. Dr. K. in seinem Gutachten vom 26.05.2009, wo dieser ausführt, bei der Befragung des Kl. habe sich ergeben, dass bei diesem bereits vor mehreren Jahren eine antidepressive Behandlung mit Fluoxetin durchgeführt worden sei, die jedoch nach zwei Monaten wegen Unverträglichkeit des Präparats habe eingestellt werden müssen. Denn dass Jahre vor der Testung für zwei Monate Antidepressiva eingenommen wurden, kann nicht als ausreichende antidepressive Behandlung angesehen werden, die es rechtfertigen würde, die Depression als Ursache der kognitiven Leistungseinschränkungen auszuschließen, zumal die depressive Symptomatik im Zeitpunkt der neuropsychologischen Testung andauerte. In Frage zu stellen sind die Testergebnisse auch deshalb, weil Dr. S. deutlich machte, dass Hinweise auf Aggravation vorlagen. Auch der vom Senat gehörte sachverständige Zeuge Dr. W. hat angegeben, dass er nur anfänglich eine hirnorganische Enzephalopathie toxischer Genese diagnostiziert hat. Eine Enzephalopathie konnte deshalb im erforderlichen Vollbeweis nicht nachgewiesen werden. Selbst wenn aber eine Enzephalopathie vorläge, wäre diese jedoch nach den Ausführungen von Prof. Dr. C. nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf die Pestizid-Exposition ursächlich zurückzuführen, da auch hier ein plausibler zeitlicher Zusammenhang zwischen der Exposition und dem Auftreten von psychischen und kognitiven Defiziten fehlt.

Auch der Hilfsantrag bezüglich der Anerkennung einer Wie-BK ist zulässig, aber unbegründet. Der klägerische Antrag ist so auszulegen, dass er sich auf die Anerkennung einer durch Pestizide verursachten Parkinson-ähnlichen Erkrankung als BK bezieht. In dieser Auslegung ist der Antrag hinreichend bestimmt. Gemäß § 9 Abs. 2 SGB VII haben Unfallversicherungsträger eine Krankheit, die nicht in der BKV bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine BK als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung als BK erfüllt sind. Ob neue wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, die es im Sinne des § 9 Abs. 2 SGB VII rechtfertigen, eine durch Pestizide verursachte Parkinson-ähnliche Erkrankung als Berufskrankheit anzuerkennen, kann offenbleiben. Jedenfalls ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Pestizid-Exposition und der Parkinson-ähnlichen Erkrankung dann nicht hinreichend wahrscheinlich, wenn zwischen dem Ende der Pestizid-Exposition und dem Zeitpunkt, ab dem die Diagnose der Erkrankung erstmals gerechtfertigt ist, ein Zeitraum von mehr als 10 Jahren liegt. Wie Prof. Dr. C. ausgeführt hat, lässt sich nach einem so langen Zeitraum ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Pestizid-Exposition und der Parkinson-Erkrankung nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit begründen. Im vorliegenden Fall betrug dieser zeitliche Abstand mehr als 10 Jahre, weil - wie bereits erläutert - die vom Kl. gezeigten klinischen Symptome nicht die Diagnose einer Parkinson-Erkrankung rechtfertigen, sondern erst aufgrund der Ende 2010 durchgeführten Gehirn-Szintigraphie die Verdachts-Diagnose einer beginnenden Parkinson-Erkrankung gestellt werden konnte. Die Pestizid-Exposition hatte dagegen bereits 1998 geendet. Da also jedenfalls im vorliegenden Einzelfall ein ursächlicher Zusammenhang nicht nachweisbar ist, kann offenbleiben, ob neue wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, die allgemein ausreichen würden, um einen Zusammenhang zwischen Pestizid-Expositionen und dem Auftreten von Parkinson-ähnlichen Symptomen zu begründen (verneinend LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 05.04.2000 Az. L 3 U 241/99 bei Juris; bejahend SG Duisburg, Urteil vom 08.01.2013 Az. S 6 U 140/11 WA bei Juris zum Zusammenhang zwischen dem in Pestiziden enthaltenen Wirkstoff Lindan und einer Parkinson-Erkrankung). Im Übrigen fehlt es auch am Nachweis einer Parkinson-ähnlichen Erkrankung im erforderlichen Vollbeweis, da eindeutige klinische Symptome bis heute fehlen und sich allein auf die Ende 2010 angefertigte Gehirn-Szintigraphie sowie das positive Ansprechen der Medikation mit Dopaminagonisten nur eine Verdachtsdiagnose rechtfertigen lässt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved