S 182 KR 1747/12

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
182
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 182 KR 1747/12
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Rechtsgrundlage für das Rückforderungsbegehren einer nach § 52 Abs. 2 SGB V gezahlten Eigenbeteiligung an den Behandlungskosten der Explantation unsachgemäß hergestellter Brustimplantate ist der allgemeine Folgenbeseitigungsanspruch.

2. Zu den Tatbestandsvoraussetzungen des § 52 Abs. 2 SGB V.

3. Das in § 52 Abs. 2 SGB V enthaltene Tatbestandsmerkmal „in angemessener Höhe“ räumt der Krankenkasse auf der Rechtsfolgenseite ein Auswahlermessen ein. Bei dessen Ausübung hat die Krankenkasse auch die finanzielle Belastbarkeit des Versicherten zu berücksichtigen. Die Heranziehung von § 33 Abs. 3 Satz 1 EStG bei der Festsetzung der Höhe der Eigenbeteiligung stellt hierbei einen geeigneten Anknüpfungspunkt dar.

4. § 52 Abs. 2 SGB V ist sowohl hinsichtlich der Auswahl körpermodifizierender Eingriffe als auch hinsichtlich der divergierenden Rechtsfolgen in § 52 Abs. 1 und Abs. 2 SGB V mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) vereinbar.

5. Das ersatzweise Einbringen neuer Implantate nach Explantation fehlerhaft hergestellter Brustimplantate zählt nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung, wenn bereits die erstmalige Implantation rein ästhetischen Zwecken diente.
Die Klage wird abgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Beteiligung der Klägerin an den Kosten für die Explantation unsachgemäß hergestellter Brustimplantate sowie die Erstattung von Kosten für die Implantation neuer Brustimplantate.

Die am 2. Oktober 1984 geborene Klägerin ist pflichtversichertes Mitglied der beklagten Krankenkasse. Sie ist alleinerziehende Mutter eines 2010 geborenen Kindes und stand bis zum 26. November 2012 im Bezug von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Seither übt sie eine Erwerbstätigkeit aus. Die daraus erzielten monatlichen Bruttoeinkünfte betrugen im November 2012 225,17 Euro und im Dezember 2012 1.351,00 Euro.

Die Klägerin unterzog sich am 27. April 2004 in Alicante (Spanien) einer Operation zur ästhetischen Brustvergrößerung (Mammaaugmentationsplastik). Ausweislich des in der Verwaltungsakte der Beklagten enthaltenen "Implantation Slips" wurden ihr durch den dort ansässigen Arzt Dr. D. E. A. V. beidseits Brustimplantate (Volumen jeweils 270 ml) des französischen Herstellers Poly Implant Prothèse (PIP) eingesetzt.

Anfang 2010 war bekannt geworden, dass die meisten seit 2001 erzeugten Brustimplantate dieses und eines niederländischen Herstellers (Rofil Medical Nederlands B.V.) nicht mit dem ursprünglich – für medizinische Zwecke – vorgesehenen und dafür spezifizierten Silikongel, sondern illegal mit einem minderwertigen Industriesilikon gefüllt sind. Industriesilikon unterliegt mit Blick auf seine Eignung und Biokompatibilität als Implantatmaterial nicht denselben strengen Qualitätsanforderungen wie medizinisches Silikon. Es soll unter anderem ein erhöhtes Risiko für Rissbildungen bergen, die zum Austritt des Industriesilikons führen können. In der Folge wurde zudem bekannt, dass aus den betroffenen Implantaten auch ohne Rissbildung vermehrt und im Zeitverlauf zunehmend Silikon austreten kann (sog. "Ausschwitzen" oder "gel bleeding"). Wegen des hohen Risikos einer Ruptur waren Vertrieb und Verwendung der PIP-Brustimplantate bereits ab dem 29. März 2010 europaweit untersagt worden. Am 23. Dezember 2011 empfahl das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zur Vermeidung weitergehender Gesundheitsgefahren zunächst eine Explantation bei erkennbar geschädigten Brustimplantaten. Mit Empfehlung vom 6. Januar 2012 erweiterte das BfArM die Risikobewertung und empfahl nunmehr als Vorsichtsmaßnahme die Entfernung der betroffenen Implantate. Wie dringend eine Entnahme im Einzelfall sei, hänge wesentlich davon ab, wie lange die Patientin das Implantat bereits trage.

Mit Schreiben vom 22. Februar 2012 beantragte die Klägerin die Übernahme der Kosten für die Explantation der PIP-Implantate sowie die Implantation neuer Implantate submuskulär mit einer Neuformung und einer entsprechenden Straffung des Hautmantels. Dabei gab sie an, dass die schadhaften Implantate seinerzeit aus ästhetischen/psychischen Grünen auf eigene Kosten eingesetzt worden seien. Als jetzt 27-jährige Frau könne sie es nicht verkraften, wenn nach der notwendigen Entfernung der jetzigen Implantate ihre Brüste nicht wieder in einen für sie psychisch annehmbaren Zustand gebracht würden. Da sie mittellos sei und ein 16 Monate altes Kleinkind allein erziehe, sei es ihr persönlich nicht möglich, die anfallenden Kosten zu übernehmen. Dem Antrag war ein Kostenvoranschlag des Facharztes für Plastische und Ästhetische Chirurgie, Handchirurgie Prof. Dr. Dr. med. J. C. B. beigefügt. Darin heißt es, für die geplante Explantation der PIP-Implantate würde das Krankenhaus (DRK Klinikum W.) folgende Fallpauschale ansetzen müssen: "5-889.1 Entfernung Prothese + Excision Kapselfibrose, j24B, entsprechend EUR 4223.-". Die Neuformung, Neueinlage der Implantate submuskulär und eine entsprechende Straffung des Hautmantels müsse zusätzlich mit 4.528,70 Euro berechnet werden.

Mit Schreiben vom 17. März 2012 teilte die Klägerin mit, ein zweites "Preisangebot" des H. Klinikums E., Klinik für Plastische und Ästhetische Chirurgie sowie Handchirurgie für den aus medizinischen Gründen erforderlichen Implantatwechsel eingeholt zu haben. Ausweislich der beigefügten E-Mail des Dr. med. M. vom 13. März 2012 sollten auf die Klägerin für die Verlagerung der neuen Implantate unter den Brustmuskel mit Straffung des Hautmantels Kosten in Höhe von 3.500,00 Euro zuzüglich 19 % Umsatzsteuer (= 665,00 Euro, insgesamt: 4.165,00 Euro) zukommen.

Mit Bescheid vom 19. März 2012 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie einen Teil der Kosten, die infolge der stationären Entfernung fehlerhafter Brustimplantate entstehen, selbst tragen müsse, da das vorherige Einsetzen medizinisch nicht begründet gewesen war. Nach dem Willen des Gesetzgebers sei sie grundsätzlich zu 50 % an den Kosten für die medizinisch notwendige Leistung zu beteiligen. Medizinisch notwendig sei die Explantation der fehlerhaften Brustimplantate. Bei der Kostenbeteiligung sei jedoch auch die finanzielle Belastbarkeit zu berücksichtigen. Die Durchführung medizinisch notwendiger Maßnahmen dürfe nicht daran scheitern, dass die auferlegte Eigenbeteiligung aufgrund der finanziellen Verhältnisse nicht aufgebracht werden könne. Daher sei der Eigenanteil auf die der Klägerin zumutbare Belastung zu begrenzen. Für eine Alleinerziehende mit einem Kind betrage die Zumutbarkeitsgrenze 2 % der jährlichen Einnahmen zum Lebensunterhalt. Die Beklagte bat daher die Klägerin, ihre jährlichen Einkünfte zum Lebensunterhalt durch Vorlage einer eigenen Einkommenserklärung unter Beifügung der Bewilligungsbescheide für das Arbeitslosengeld II nachzuweisen. Die Rechnung über ihren Kostenteil erhalte die Klägerin erst, wenn ihre Behandlung abgeschlossen sei und die Gesamtkostenrechnung des Krankenhauses vorliege. Unter der Überschrift "&61531; &61533; wichtiger Hinweis" hieß es, dass die zusätzlichen Kosten für aus kosmetischen Gründen eingesetzte neue Implantate wie in der Vergangenheit nicht übernommen würden. Der Bescheid enthielt keine Rechtsbehelfsbelehrung.

Mit von der Beklagten zur Verfügung gestelltem Formular "Antrag auf Befreiung von den gesetzlichen Zuzahlungen" bezifferte die Klägerin unter dem 31. März 2012 ihre jährlichen Einkünfte aus Arbeitslosengeld II mit 8.752,68 Euro und für ihr Kind mit 5.276,40 Euro (insgesamt 14.029,08 Euro).

Am 8. Juni 2012 schloss die Klägerin mit der H. Privatkliniken GmbH, Betriebsstätte B.-Z. schriftlich eine Behandlungs- und Honorarvereinbarung, in der sie sich für einen vorzunehmenden Implantatwechsel mit Straffung des Hautmantels zur Zahlung eines Entgelts in Höhe von 4.165,00 Euro verpflichtete. Die Vereinbarung enthielt eine Klausel, wonach der Betrag spätestens am Vorbereitungstag zu entrichten war. Die Operation wurde für den 4. Juli 2012 festgelegt. Mit schriftlicher Vereinbarung vom 15. Juni 2012 gewährten H. und E. L. der Klägerin zur "Zwischenfinanzierung" des in Aussicht genommenen Eingriffs ein zinsloses Darlehen in Höhe von 4.165,00 Euro. Sobald ein Leistungsträger die Kosten übernehme oder sie selbst über die finanziellen Mittel verfüge, sollte die Klägerin der Vereinbarung zufolge zur Rückzahlung verpflichtet sein.

Mit Schreiben vom 28. Juni 2012 wandte sich der Bevollmächtigte der Klägerin an die Beklagte. Die Klägerin habe mehrfach eindeutige Anträge auf Übernahme der Kosten nicht nur der Explantation, sondern auch der Implantation neuer Implantate gestellt. Bei der Klägerin handele es sich um eine 27-jährige Frau. An ihrer Bedürftigkeit dürften Zweifel ebenso wenig angebracht sein, wie an der Notwendigkeit einer Neuimplantation. Sie leide unter erheblichen psychischen Problemen. Sie könne nicht hinnehmen, "dass diese Probleme mit der Größe ihrer Brüste erstmals bereits durch sie in Eigenleistung unter Kreditaufnahme" hätten bewältigt werden müssen. Nunmehr eine "deutlichste Verschlimmerung unverschuldet hinzunehmen, da die Implantate entfernt werden müssen", sei ihr nicht zuzumuten.

Die Klägerin befand sich vom 4. Juli 2012 bis zum 7. Juli 2012 zur vollstationären Behandlung im H. Klinikum E ... Ausweislich des Operationsberichtes vom 4. Juli 2012 und des Entlassungsberichtes vom 7. Juli 2012 der Dres. med. von F., M. und K. wurden aufgrund einer diagnostizierten tast- und sichtbaren Kapselfibrose (Baker Grad II-III) mit Verdacht auf beidseitige Implantatruptur auf beiden Seiten die Implantatkapseleinheiten entfernt. Ferner wurde randständiges Restdrüsengewebe bzw. Granulations- und Narbengewebe medial, kranial und lateral entnommen. Zudem wurden die Implantatlager durch Dermisfettlappen neu gebildet und beidseits Silikongelimplantate (Volumen jeweils 295 ml) subpectoral neu eingebracht. Die explantierten PIP-Implantate waren intakt, zeigten jedoch einen deutlichen Silikonverlust durch die Hülle. Sie wurden in der Klinik asserviert.

Am 7. August 2012 forderte die Beklagte von der Klägerin eine Eigenbeteiligung für die Entfernung der fehlerhaften Brustimplantate in Höhe von 280,58 Euro an. Die Rechnung des H. Klinikums E. habe sich auf insgesamt 4.113,46 Euro belaufen. Die Beklagte ging für das Jahr 2012 von einer jährlichen Einnahme in Höhe von 14.029,08 Euro aus und errechnete die Eigenbeteiligung mit 2 %. Zur Begründung hieß es, bei der Festlegung des Selbstbehalts sei die finanzielle Belastbarkeit der Klägerin zu berücksichtigen. Die zumutbare Belastung sei abhängig vom Gesamtbetrag der Einkünfte, vom Familienstand und der Zahl der Kinder. Das Schreiben enthielt eine Rechtsbehelfsbelehrung, wonach gegen den Bescheid innerhalb eines Monats nach dessen Bekanntgabe Widerspruch eingelegt werden könne. Die Klägerin überwies den Betrag in Höhe von 280,58 Euro am 30. August 2012. Die Zahlung ging bei der Beklagten am 31. August 2012 ein. Der Bescheid vom 7. August 2012 wurde nicht gesondert angefochten.

Die Beklagte wertete das Schreiben des Bevollmächtigten der Klägerin vom 28. Juli 2012 als Widerspruch, den sie mit Widerspruchsbescheid vom 5. September 2012 zurückwies. Zur Begründung heißt es im Wesentlichen, nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts hätten Versicherte keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für operative Eingriffe zur Veränderung eines im Normbereich liegenden Körperzustandes, nur weil der Patient auf die gewünschten Änderungen fixiert ist. Die erstmalige Entscheidung für eine Versorgung mit Brustimplantaten habe die Klägerin aus rein kosmetischen Gründen getroffen. Die Entfernung der Brustimplantate der Firma Rofil (gemeint ist wohl: PIP) sei laut Empfehlung des BfArM notwendig. Aus diesem Grund würden diese Kosten übernommen werden. Allerdings sei die Klägerin hieran mit 2 % ihrer jährlichen Einnahmen zum Lebensunterhalt zu beteiligen. Da jedoch die damalige Versorgung mit Brustimplantaten aus rein kosmetischen Gründen erfolgt sei und keine Krankheit im Sinne des Rechts der Gesetzlichen Krankenversicherung vorgelegen habe, könnten die Kosten für die Neuversorgung mit Brustimplantaten nicht übernommen werden.

Mit ihrer am 8. Oktober 2012 beim Sozialgericht eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Zur Begründung heißt es im Wesentlichen, sie sei unverschuldet in die Situation gekommen, dass ihr die Brustimplantate entfernt werden mussten. Auch bei der Neuimplantation handele es sich um einen medizinisch notwendigen Eingriff, der zum einen zur Stabilisierung des Brustgewebes nach dem Entfernen der Implantate und zum anderen wegen der notwendigen Entfernung bereits geschädigten Gewebes im Rahmen dieser Operation erforderlich gewesen sei. In aller Regel finanziere die Krankenkasse bei der notwendigen Entfernung eines künstlichen Hüftgelenks auch den Ersatz desselben. Sie sei in einem psychisch sehr angeschlagenen Zustand gewesen, der sie überhaupt erst bewogen habe, die Implantate operativ einsetzen zu lassen. Diese Kosten habe sie auch allein übernommen. Die nunmehr medizinisch notwendige Entfernung impliziere auch die Notwendigkeit des Neueinsetzens dieser Implantate.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 19. März 2012 in der Fassung des Bescheides vom 7. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. September 2012 zu verpflichten, die Kosten für die Eigenbeteiligung in Höhe von 280,58 Euro für die Explantation der schadhaften Brustimplantate sowie die Kosten für die durchgeführte beidseitige Neubildung der Implantatlager und der beidseitigen Neueinbringung von Silikongelimplantaten in Höhe von 4.165,00 Euro zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hält die angefochtenen Entscheidungen für rechtmäßig. Sie verweist im Wesentlichen auf den Inhalt des Widerspruchsbescheides sowie auf die dem Gericht und dem Prozessbevollmächtigten zur Verfügung gestellte Stellungnahme des GKV-Spitzenverbandes vom 18. April 2012.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes nimmt die Kammer auf die Sitzungsniederschrift über die mündliche Verhandlung, den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und der die Klägerin betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten Bezug, die ihr bei ihrer Entscheidung vorgelegen haben.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

1. Die Klägerin verfolgt ihre Begehren zulässigerweise mit einer Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Das Begehren gerichtet auf die Rückerstattung der Eigenbeteiligung und das Begehren bezüglich der Erstattung der für die Implantation aufgewendeten Kosten konnte die Klägerin gem. § 56 SGG in einer Klage zusammen verfolgen. Die Klägerin hat ihre Zahlungsbegehren konkret beziffert.

a) Der Klägerin fehlt mit Blick auf die begehrte Rückerstattung der Eigenbeteiligung an der Explantation nicht das Rechtsschutzbedürfnis für eine Leistungsklage. Zwar kann angenommen werden, dass die Beklagte angesichts ihrer in Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) verankerten Bindung an Gesetz und Recht bei einer Aufhebung der verfügten Eigenbeteiligung die Klägerin auch ohne Leistungsurteil mit Vollstreckungsdruck befriedigen wird. Allerdings sieht gerade § 131 Abs. 1 Satz 1 SGG die Möglichkeit der Rückgängigmachung bereits vollzogener Verwaltungsakte prozessual ausdrücklich vor.

b) Ein Vorverfahren als Klagevoraussetzung (§ 78 Abs. 1 Satz 1 SGG) ist durchgeführt worden. Der Bescheid vom 19. März 2012 konnte wegen unterbliebener Rechtsbehelfsbelehrung gem. § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG innerhalb eines Jahres angefochten werden. Die Beklagte durfte das von einem Rechtsanwalt verfasste Schreiben vom 28. Juni 2012 als Widerspruch werten. Selbst im Falle einer zutreffend erteilten Rechtsbehelfsbelehrung wäre die Beklagte befugt gewesen, über einen verfristeten Widerspruch sachlich zu entscheiden (Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 84 Rdnr. 7 m.w.N.).

c) Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 19. März 2012 in der Fassung des Bescheides vom 7. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. September 2012. Der Festsetzungs- und Anforderungsbescheid vom 7. August 2012 ist gem. § 86 SGG Gegenstand des mit dem Schreiben vom 28. Juni 2012 eingeleiteten Widerspruchs- und mithin auch des Klageverfahrens geworden. Er ändert den mit dem Widerspruch angefochtenen Bescheid vom 19. März 2012 konkretisierend ab. Der Bescheid vom 19. März 2012 verfügte unter anderem die Selbstbeteiligung der Klägerin an der Explantation der Brustimplantate. Diese Verfügung war inhaltlich hinreichend bestimmt im Sinne des § 33 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Verwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X). Sie nannte die Kriterien, nach denen die Beklagte die Höhe der Eigenbeteiligung berechnen werde. Diese hingen lediglich von der Höhe der noch mitzuteilenden jährlichen Einkünfte der Klägerin zum Lebensunterhalt und der konkreten Behandlungskosten ab. Nachdem diese Informationen vorlagen, verfügte die Beklagte mit dem Festsetzungs- und Anforderungsbescheid vom 7. August 2012 den konkreten Betrag. Vor diesem Hintergrund konnte offen bleiben, ob der mit einer unzutreffenden Rechtsbehelfsbelehrung versehene Bescheid vom 7. August 2012, gegen den nicht gesondert Widerspruch erhoben worden war, innerhalb der Jahresfrist des § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG mit der Klageerhebung vom 8. Oktober 2012 angefochten worden ist.

2. Die Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Eigenbeteiligung in Höhe von 280,58 Euro für die Explantation der unsachgemäß hergestellten Brustimplantate (dazu unter a) noch auf Erstattung der für die durchgeführte beidseitige Neubildung der Implantatlager und beidseitige Neueinbringung von Silikongelimplantaten aufgewandten Kosten in Höhe von 4.165,00 Euro (dazu unter b).

a) Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Eigenbeteiligung. Die Klägerin kann ihr Begehren nur auf den allgemeinen Folgenbeseitigungsanspruch stützen. Eine spezialgesetzliche Regelung ist nicht ersichtlich. § 50 SGB X räumt lediglich der Verwaltung ein Recht zur Rückforderung zu Unrecht erbrachter Leistungen ein. Der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch setzt, anders als der Folgenbeseitigungsanspruch, keinen rechtswidrigen Eingriff voraus und ist daher subsidiärer Natur. Die Voraussetzungen des allgemeinen Folgenbeseitigungsanspruchs sind indes nicht erfüllt.

aa) Der Folgenbeseitigungsanspruch ist ein Wiederherstellungsanspruch, der im materiellen Recht wurzelt. § 131 Abs. 1 Satz 1 SGG begründet ihn nicht, sondern setzt ihn voraus und ermöglicht eine prozessual vereinfachte Geltendmachung des Vollzugsfolgenbeseitigungs¬anspruchs (so zum inhaltsgleichen § 113 Abs. 1 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 18. Aufl. 2011, § 30 Rdnr. 4). Der Folgenbeseitigungsanspruch zielt auf die Beseitigung der tatsächlichen Folgen eines rechtswidrigen Eingriffs und soll den ursprünglichen, durch den rechtswidrigen Eingriff veränderten Zustand grundsätzlich im Wege einer Naturalrestitution wiederherstellen. Es kann offen bleiben, ob der Anspruch dogmatisch beim Rechtsstaatsprinzip oder dem Gebot der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 1 und Abs. 3 GG), dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) oder als eine Analogie zum zivilrechtlichen negatorischen Rechtsschutz (§ 1004 Bürgerliches Gesetzbuch u.a.) oder aber bei den Grundrechten systematisch einzuordnen ist, da er in der Rechtsprechung mittlerweile gewohnheitsrechtlich anerkannt ist (BVerwG, Urteil vom 26. August 1993 – 4 C 24/91, juris, Rdnr. 23 = BVerwGE 94, 100, 103 f.; Bumke, JuS 2005, 22 m.w.N.).

bb) Der Anspruch setzt voraus, dass durch einen hoheitlichen Eingriff in ein subjektives Recht des Betroffenen ein rechtswidriger Zustand geschaffen wurde und dieser Zustand noch andauert (BVerwG, Urteil vom 26. August 1993 – 4 C 24/91, juris, Rdnr. 24 = BVerwGE 94, 100, 104). Der zutreffend durch konstitutiven Verwaltungsakt (zu diesem Erfordernis: Noftz, in: Hauck/Noftz, SGB V, Stand: Erg.-Lfg. III/09, § 52 Rdnr. 3; Schmidt, in: Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Teil II, Band 2, Stand: 33. Lfg., September 1998, § 52 SGB V Rdnr. 72; Reyels, jurisPK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 52 Rdnr. 132) verfügte Selbstbehalt der Klägerin an den Kosten der Explantation stellt einen dem öffentlichen Recht zuzuordnenden und damit hoheitlichen Eingriff dar (vgl. zur öffentlich-rechtlichen Natur der Forderung der Krankenkasse im Rahmen der Eigenbeteiligung an den Kosten der Leistungen Schomburg, in: Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Band 1/1, 183. Lfg. Juli 2009, Kap. 2, S. 132). Mit der Zahlungsverpflichtung wurde auch in die Eigentumsposition (Art. 14 Abs. 1 GG) und damit ein subjektives Recht der Klägerin eingegriffen. Unerheblich ist insoweit, dass die Klägerin die Zahlung freiwillig geleistet hat (BSG, Urteil vom 14. August 1996 – 13 RJ 9/95, juris, Rdnr. 47 = BSG SozR 3-1200 § 42 Nr. 6). Die durch die vollständige Zahlung des eingeforderten Betrages zugunsten der Beklagten eingetretene Vermögensverschiebung dauert nach wie vor an. Der dadurch geschaffene Zustand ist jedoch nicht rechtswidrig, weil die Beklagte von der Klägerin zu Recht eine Eigenbeteiligung in der festgesetzten Höhe fordern durfte.

cc) Die rechtliche Grundlage für die Eigenbeteiligung der Klägerin bildet § 52 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V). Danach hat die Krankenkasse Versicherte, die sich eine Krankheit durch eine medizinisch nicht indizierte ästhetische Operation, eine Tätowierung oder ein Piercing zugezogen haben, in angemessener Höhe an den Kosten zu beteiligen und das Krankengeld für die Dauer dieser Behandlung ganz oder teilweise zu versagen oder zurückzufordern. Die Voraussetzungen der Norm sind erfüllt; die Entscheidung der Beklagten erweist sich sowohl in formeller (hierzu (1)) als auch in materieller Hinsicht (hierzu (2)) als rechtmäßig. § 52 Abs. 2 SGB V steht überdies mit der Verfassung in Einklang (dazu (3)).

(1) Die Entscheidung ist formell rechtmäßig. Insbesondere hat die Beklagte vor der endgültigen Festsetzung mit Bescheid vom 7. August 2012 die Klägerin gem. § 24 Abs. 1 SGB X angehört. Nachdem die Beklagte mit Bescheid vom 19. März 2012 die wesentlichen Rahmenbedingungen genannt hatte, von denen sie sich bei der Ausübung ihres Ermessens werde leiten lassen, hatte die Klägerin in Gestalt des ihr zur Verfügung gestellten und am 31. März 2012 ausgefüllten Formulars Gelegenheit, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Eines ausdrücklichen Hinweises bedurfte es hierfür nicht (vgl. von Wulffen, in: von Wulffen, SGB X, 7. Aufl. 2010, § 24 Rdnr. 7).

(2) Die Entscheidung ist auch materiell rechtmäßig. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 52 Abs. 2 SGB V sind erfüllt (hierzu (a)). Die Beklagte hat auch das ihr eingeräumte Ermessen pflichtgemäß ausgeübt (dazu unter (b)).

(a) Die Klägerin war im streitgegenständlichen Zeitraum über den Bezug von Arbeitslosengeld II gem. § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V (Pflicht-)Versicherte. Das erstmalige Einsetzen von Brustimplantaten im Jahre 2004 stellt eine medizinisch nicht indizierte ästhetische Operation dar. Medizinisch ist eine Maßnahme, wenn sie aus Gründen der Medizin als der Heilkunst, der Wissenschaft von der Vorbeugung und Heilung menschlicher Krankheiten durchgeführt wird (Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 262. Aufl. 2012, Stichwort: Medizin, S. 1281). Unter Indikation wird in der Medizin der Grund zur Anwendung eines bestimmten diagnostischen oder therapeutischen Verfahrens in einem Erkrankungsfall gesehen (Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 262. Aufl. 2012, Stichwort: Indikation, S. 979). Unter einer ästhetischen Operation versteht man Eingriffe in den menschlichen Körper zur Verbesserung des Aussehens (Höfler, in: Kasseler Kommentar, EL 58 August 2008, § 52 SGB V Rdnr. 24). Bei der Klägerin lag 2004 keine Krankheit oder Entstellung der Brust vor (vgl. zu diesen Kriterien unten unter b) aa) (3) (a) und (b)), die der operativen Behandlung und des Einsetzens von Brustimplantaten bedurft hätte. Es handelte sich nicht um eine rekonstruktive Maßnahme etwa nach einer Tumorerkrankung oder einem Unfall, sondern – was die Klägerin selbst einräumt – um einen rein kosmetischen Eingriff. Dabei ist unbeachtlich, dass die Klägerin angibt, die Implantation aus psychischen Gründen durchgeführt zu haben. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kommen körperliche Eingriffe in intakte Organsysteme zur Behandlung psychischer Krankheiten grundsätzlich nicht in Betracht. Es existiert derzeit kein medizinischer Erfahrungssatz, wonach psychischen Erkrankungen mit den Mitteln der Chirurgie entgegengewirkt werden könnte (vgl. BSG, Urteil vom 11. September 2012 – B 1 KR 3/12 R, juris, Rdnr. 10, 16 = BSGE 111, 289, 291, 293; Urteil vom 11. September 2012 – B 1 KR 11/12 R, juris, Rdnr. 8, 14; Urteil vom 28. Februar 2008 – B 1 KR 19/07 R, juris, Rdnr. 18 = BSGE 100, 119, 122; Urteil vom 28. September 2010 – B 1 KR 5/10 R, juris = SozR 4-2500 § 27 Nr. 20, jew. Rdnr. 14, vgl. auch unten unter b) aa) (3) (c)).

Die Klägerin hat sich auch eine Krankheit zugezogen. Der Krankheitsbegriff des § 52 SGB V ist identisch mit demjenigen des § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V (Schmidt, in: Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Teil II, Band 2, Stand: 33. Lfg., September 1998, § 52 SGB V Rdnr. 22; Padé, in: Eichenhofer/Wenner, SGB V, § 52 Rdnr. 10; Höfler, in: Kasseler Kommentar, EL 58 August 2008, § 52 SGB V Rdnr. 4, 20 unter Verweis auf EL 54 Juni 2007, § 27 SGB V Rdnr. 9 ff.; Heberlein, BeckOK SGB V, Stand: 1.6.2013, § 52 Rdnr. 2). Danach ist Krankheit ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand, dessen Eintritt die Notwendigkeit von Heilbehandlung bzw. Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2004 – B 1 KR 3/03 R, juris, Rdnr. 12 = BSGE 93, 252, 252 f.; Urteil vom 30. September 1999 – B 8 KN 9/98 KR R, juris, Rdnr. 14 = BSGE 85, 36, 38; Urteil vom 10. Februar 1993 – 1 RK 14/92, juris, Rdnr. 16 = BSGE 72, 96, 98, jew. m.w.N.).

Fraglich ist, ob es sich bereits bei der diagnostizierten Kapselfibrose Grad II bis III nach Baker um eine behandlungsbedürftige Krankheit handelte. Im einschlägigen medizinischen Schrifttum gilt die Kapselfibrose als die häufigste Langzeitkomplikation bei der Verwendung von Brustimplantaten gleich welcher Qualität. Im Rahmen der normalen Wundheilung bildet sich innerhalb von vier bis sechs Wochen um das Implantat als physiologische Reaktion des Körpers auf den Fremdkörper eine dünne Bindegewebsschicht, die als Kapsel bezeichnet wird. Unter idealen Umständen ist diese sehr dünn, behält ihre ursprüngliche Dimension und ist nicht tastbar. In einem multifaktoriellen Geschehen kann allerdings die bindegewebige Kapsel schrumpfen und das Implantat zusammendrücken, sodass eine Verhärtung unterschiedlichen Grades entstehen kann. Nach Baker werden klinisch verschiedene Härterade unterschieden. Grad I bezeichnet eine weiche Brust, bei der das Implantat nicht getastet werden kann. Grad II bedeutet eine schwach tastbare Kapsel, Grad III die deutlich fühl- und sichtbare Verhärtung. Grad IV kennzeichnen zusätzlich auftretende Schmerzen. Die Kapselfibrose wird nicht als Gesundheitsrisiko eingestuft; gleichwohl wird von plastischen Chirurgen die Notwendigkeit einer erneuten Operation mit Entfernung der Bindegewebskapsel gesehen (Gabka/Bohmert, Plastische und Rekonstruktive Chirurgie der Brust, 2. Aufl. 2006, S. 8). Bei der Klägerin wurde eine Kapselfibrose mit Grad II bis III nach Baker diagnostiziert. Da den Grad III eine Verhärtung ohne auftretende Schmerzen kennzeichnet und die Kapselfibrose per se kein Gesundheitsrisiko darstellt, spricht dieser Befund eher nicht für eine Krankheit im Sinne des § 52 Abs. 2 SGB V, auch wenn in der plastischen Chirurgie als therapeutische Konsequenz die Notwendigkeit einer operativen Entfernung gesehen wird.

Dies kann jedoch offen bleiben. Befinden sich nämlich im menschlichen Körper unsachgemäß hergestellte Brustimplantate, die die Gefahr eines Austritts von Industriesilikon bergen, stellt dies wegen der nicht absehbaren Gesundheitsrisiken eine Krankheit im krankenversicherungsrechtlichen Sinne dar. Dies harmoniert mit der Empfehlung des BfArM vom 6. Januar 2012, welches seit Anfang 2012 zu einer generellen Explantation von Implantaten des Herstellers PIP rät. Diese Krankheit hat sich die Klägerin auch zugezogen. Unter "Zuziehen" versteht man das Setzen einer Ursache für die Erkrankung durch eigenes Handeln (Schmidt, in: Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Teil II, Band 2, Stand: 33. Lfg., September 1998, § 52 SGB V Rdnr. 26), wobei der zurechenbare Entschluss ausreicht, die Maßnahme von einem Dritten vornehmen zu lassen (Reyels, jurisPK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 52 Rdnr. 110). Zwischen dem Verhalten des Versicherten und der Krankheit muss ein ursächlicher Zusammenhang bestehen. Dieser Kausalzusammenhang ist – wie auch sonst im Sozialrecht – nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilen. Das Handeln muss danach zumindest eine wesentliche Mitursache gewesen sein (vgl. nur BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R, juris, Rdnr. 13 ff. = BSGE 96, 196, 199 ff.). Das Einbringen von seinerzeit unerkannt fehlerhaft hergestellten Implantaten durch einen spanischen Arzt beruhte auf dem autonomen und eigenverantwortlichen Entschluss der Klägerin. Für das Setzen einer Ursache durch eigenes Handeln spielt es auch keine Rolle, dass die eingesetzten Implantate von dem französischen Hersteller PIP stammen, weil sich die Klägerin selbst für diese Implantate entschieden hat. Da die Provenienz der Implantate unzweifelhaft ist, besteht ein direkter Kausalzusammenhang zwischen der Implantation und den von Fachkreisen gesehenen Gesundheitsrisiken, die von den eingesetzten Implantaten ausgehen können. Eine konkurrierende Mitursache ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die Klägerin war auch an den Kosten zu beteiligen. Kostenbeteiligung bedeutet, dass der Versicherte der Krankenkasse einen Teil der Aufwendungen zu ersetzen hat, die dieser durch die an ihn erbrachten Leistungen entstanden sind (Schmidt, in: Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Teil II, Band 2, Stand: 33. Lfg., September 1998, § 52 SGB V Rdnr. 61). In vollständiger Erfüllung des fortbestehenden Sachleistungsanspruchs (vgl. hierzu nur Zipperer, in: Orlowsky, GKV-Komm., 22. Erg.-Lfg. Oktober 1990, § 52 SGB V Rdnr. 9) hat die Beklagte der Klägerin die Explantation der Implantate gewährt. Ihr sind dadurch Kosten in Höhe von 4.113,46 Euro entstanden. Die Heranziehung der Klägerin zur Kostenbeteiligung war schon deshalb rückwirkend zulässig, weil die exakte Höhe der entstandenen Kosten erst nach Abschluss der Krankenbehandlung feststand (vgl. Schmidt, in: Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Teil II, Band 2, Stand: 33. Lfg., September 1998, § 52 SGB V Rdnr. 62).

(b) Somit war die Klägerin in angemessener Höhe an den Kosten der Explantation zu beteiligen. Auch insoweit begegnet die Entscheidung der Beklagten keinen rechtlichen Bedenken.

Entgegen einer in der Literatur geäußerten Ansicht handelt es sich bei dem Tatbestandsmerkmal "in angemessener Höhe" nicht um einen gerichtlich voll überprüfbaren unbestimmten Rechtsbegriff (so aber Lang, in: Becker/Kingreen, SGB V, 3. Aufl. 2012, § 52 Rdnr. 6; Kruse, in: Hänlein/Kru¬se/Schuler, SGB V, 4. Auf. 2012, § 52 Rdnr. 10; Reimer/Me¬rold, SGb 2008, 713, 714), sondern um die Einräumung von (Auswahl-)Ermessen. Dies ergibt sich bereits aus der Normstruktur: Sofern die tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt sind, hat die Krankenkasse den Versicherten in angemessener Höhe an den Kosten zu beteiligen. Da sich das Tatbestandsmerkmal "in angemessener Höhe" auf der Rechtsfolgenseite der Norm findet, handelt es sich um die Einräumung von Ermessen (h.M., vgl. etwa Noftz, in: Hauck/Noftz, SGB V, Stand: Erg.-Lfg. V/08, § 52 Rdnr. 32a; Krauskopf, in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Stand: EL 63 September 2008, § 52 SGB V Rdnr. 12; Reyels, jurisPK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 52 Rdnr. 127; Teichner/Schröder, MedR 2009, 586, 589; ferner bereits Schmidt, in: Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Teil II, Band 2, Stand: 33. Lfg., September 1998, § 52 SGB V Rdnr. 11 und insb. 64).

Das nach § 52 Abs. 2 SGB V eingeräumte Auswahlermessen ist nach § 39 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – Allgemeiner Teil (SGB I) entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben, und es sind die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Im Gegensatz zum Vorliegen aller Voraussetzungen der Tatbestandsseite der Norm, die voller gerichtlicher Überprüfung unterliegen, gilt für die Überprüfung von Ermessens¬ent¬scheidun¬gen ein eingeschränkter gerichtlicher Prüfmaßstab. Das Gericht ist hier darauf beschränkt zu kontrollieren, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens eingehalten wurden und ob von dem eingeräumten Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde (§ 54 Abs. 2 Satz 2 SGG). Nur Ermessensfehler oder Ermessensmissbrauch können zu einer Aufhebung führen.

Die Beklagte hat das ihr eingeräumte Ermessen erkannt und pflichtgemäß ausgeübt. Sie hat bei der Ermessensausübung den Zweck der Ermächtigung im Auge behalten. Es sind weder Ermessensfehler noch eine missbräuchliche Handhabung des Ermessens erkennbar.

Die Beklagte hat zunächst in Erfüllung ihrer Amtsermittlungspflicht (§ 20 Abs. 1 und 2 SGB X) die finanziellen Verhältnisse der Klägerin aufgeklärt. Sie durfte bei der Ermittlung der Jahreseinkünfte 2012 sowohl das der Klägerin als auch das ihrem Kind zufließende Arbeitslosengeld II in tatsächlicher Höhe berücksichtigen. Dies ist sachlich gerechtfertigt, denn der Gesetzgeber hat eine solche Vorgehensweise bei der Ermittlung von Belastungsgrenzen bei der Zuzahlung ausdrücklich angeordnet (§ 62 Abs. 2 Satz 1 SGB V, vgl. auch Höfler, in: Kasseler Kommentar, EL 58 August 2008, § 52 Rdnr. 18; Carius, in: Figge, Sozialversicherungs-Handbuch Leistungsrecht, Lfg. 30 Dezember 2009, Kap. 1.6, S. 30; Schellhorn, in: von Maydell, GK-SGB V, Stand: April 1994, § 52 Rdnr. 16, 20; § 62 Abs. 2 Satz 6 SGB V ist in diesem Zusammenhang unbeachtlich, vgl. Lehnert, in: Jahn/Figge/Wäl¬termann/Wiegand/Me¬nard, Sozialgesetzbuch für die Praxis, Bearbeitungsstand: 15.11.2010, § 52 SGB V Rdnr. 10). Die Beklagte hat auch die von der Klägerin angegebene Höhe der finanziellen Mittel in Ansatz gebracht. Soweit die Klägerin tatsächlich höhere jährliche Einkünfte hatte, weil sie – was die Beteiligten zum Zeitpunkt der Festsetzung der Eigenbeteiligung noch nicht wissen konnten – ab Ende November 2012 über Einkommen aus Erwerbstätigkeit verfügte, geht dies zu ihren Gunsten und ist daher nicht zu beanstanden.

Die Beklagte hat sich bei der Bestimmung der angemessenen Höhe der Eigenbeteiligung schließlich von sachgerechten Kriterien leiten lassen. Es begegnet keinen Bedenken, dass sie in Anlehnung an § 33 Abs. 3 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) die der Klägerin zumutbare Belastung – ausgehend von einem Gesamtbetrag der Einkünfte bis 15.340 Euro und einem Kind – mit 2 % festgelegt hat (vgl. auch § 62 Abs. 1 Satz 2 1. Halbs. SGB V sowie Wolf, SozSich 2012, 110, 112). Nach § 33 Abs. 1 EStG werden zwangsläufig erwachsene außergewöhnliche Belastungen, soweit sie die zumutbare Belastung übersteigen, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen. Diese zumutbare Belastung definiert § 33 Abs. 3 EStG in differenzierter Weise. Der Gesetzgeber verfolgt im Einkommensteuerrecht damit im Wesentlichen das Ziel, gewisse Aufwendungen für die existenzielle Grundsicherung des Steuerpflichtigen und seiner Angehörigen steuermindernd zu berücksichtigen (vgl. K. Heger, in: Blümich, EStG, KStG, GewStG, EL 120 August 2013, § 33 EStG Rdnr. 3). Die zumutbare Belastung stellt den Betrag für die existenzielle Grundsicherung dar, der steuerlich nicht privilegiert werden soll. Somit handelt es sich um eine vom Gesetzgeber festgelegte Zumutbar¬keitsgrenze, die mit Blick auf die hier interessierende finanzielle Belastbarkeit ohne weiteres auf das Krankenversicherungsrecht übertragen werden durfte. Nach Auffassung der Kammer handelt es sich dabei sogar um einen besonders geeigneten Anknüpfungspunkt.

Die Beklagte hatte Verschuldensaspekte bei ihrer Ermessensentscheidung nicht zu berücksichtigen. Sofern dieser Gesichtspunkt im Schrifttum thematisiert wird (Krauskopf, in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Stand: EL 63 September 2008, § 52 SGB V Rdnr. 12), handelt es sich um eine unbesehene Übertragung von Grundsätzen des strukturell anders gearteten Abs. 1 auf § 52 Abs. 2 SGB V. Es leuchtet nicht ein, weshalb bei autonom gefassten Entschlüssen zu einer Körpermodifikation ein bestimmter, ohnehin kaum praktikabel zu ermittelnder Verschuldensgrad eine Rolle spielen sollte. Vor diesem Hintergrund ist es auch irrelevant, dass die Klägerin offensichtlich ein Opfer krimineller Machenschaften geworden ist. Denn in unerkannt fehlerhaften Prothesen realisiert sich gerade das typische erhöhte Gesundheitsrisiko, welches Schönheitsoperationen generell anhaftet und den Gesetzgeber zu § 52 Abs. 2 SGB V veranlasst hat (Wolf, SozSich 2012, 110, 113). Weitere Aspekte des Einzelfalls, die die Beklagte in ihre Entscheidung hätte einstellen müssen, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die Eigenbeteiligung in Höhe von 280,58 Euro steht auch in einem angemessenen Verhältnis zu den durch die Explantation ausgelösten Gesamtkosten in Höhe von 4.113,46 Euro. Dieser Betrag stellt sich in der Relation als ausgesprochen moderat dar und bewegt sich nach Meinung der Kammer an der unteren Grenze der Angemessenheit. Damit erweist sich die Ermessensausübung der Beklagten insbesondere auch als verhältnismäßig.

Die Beklagte hat das Ermessen auch entsprechend dem Zweck der Ermächtigung ausgeübt. Mit § 52 Abs. 2 SGB V verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, von Versicherten die Übernahme von Eigenverantwortung für die Folgen von medizinisch nicht notwendigen Schönheitsoperationen, Piercings und Tätowierungen einzufordern. Da sich Versicherte, die derartige Maßnahmen durchführen lassen, aus eigenem Entschluss gesundheitlichen Risiken aussetzten, hält er es nicht für sachgerecht, diese Risiken durch die Versichertengemeinschaft abzudecken (BT-Drucks. 16/3100, S. 108, Zu Nummer 31). Die Norm konkretisiert damit den bereits in §§ 1 Satz 2, 2 Abs. 1 Satz 1 SGB V niedergelegten Grundsatz der Eigenverantwortung der Versicherten. Der Grundsatz der Eigenverantwortung stellt eine wesentliche Voraussetzung für das dem Krankenversicherungssystem ebenfalls zugrundeliegende Solidaritätsprinzip (§ 1 Satz 1 SGB V) dar (Rompf, SGb 1997, 105). Mit Blick auf die Kollektivierung vermeidbarer Risiken markiert § 52 Abs. 2 SGB V zugleich auch eine Grenze des Solidaritätsprinzips. Die Norm schützt die Solidargemeinschaft der Versicherten vor unsolidarischem Verhalten einzelner Versicherter. Der Versicherte missbraucht die gesetzliche Risikoausgleichsgemeinschaft, wenn er sie wegen Leistungen in Anspruch nimmt, deren vermeidbare Voraussetzungen er durch die selbstverantwortete Durchführung medizinisch nicht gebotener Maßnahmen mit erheblichem Gesundheitsrisiko selbst geschaffen hat (vgl. Noftz, in: Hauck/Noftz, SGB V, Stand: Erg.-Lfg. XI/12, § 52 Rdnr. 10). Der Versicherte bewegt sich damit bewusst außerhalb des versicherten Risikos. Angesichts des interdependenten Verhältnisses zwischen dem Solidaritätsprinzip und dem Prinzip der Eigenverantwortung bedeutet die Zuweisung von Verantwortung für das eigene Handeln Versicherter nicht einen Einstieg in die Entsolidarisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (so Eberbach, MedR 2008, 325, 333; Reimer/Merold, SGb 2008, 713, 716; Wienke, in: Wienke/Eber¬bach/Kra¬mer/Janke, Die Verbesserung des Menschen, 2009, S. 169, 175 ff.), sondern erweist sich vielmehr als konsequente Verwirklichung des Autonomieprinzips und unverzichtbares Korrelat des Selbstbestimmungsrechts.

Die Klägerin hat sich mit der 2004 durchgeführten Schönheitsoperation aus eigenem Entschluss den damit verbundenen gesundheitlichen Risiken ausgesetzt und sich damit außerhalb der von der Solidargemeinschaft der gesetzlichen Krankenversicherung abgedeckten Risiken bewegt. Für dieses Verhalten hat ihr die Beklagte in Form des Selbstbehalts die Verantwortung zugewiesen. Zugleich hat die Beklagte aber auch das Solidaritätsprinzip eingelöst, indem sie den Entschluss der Klägerin, die fehlerhaften Implantate entfernen zu lassen, zu jedem Zeitpunkt unterstützte und nicht an der Frage der Eigenbeteiligung scheitern lassen wollte.

Die Beklagte hat schließlich die Gesichtspunkte, von denen sie bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist, in den angefochtenen Bescheiden benannt (§ 35 Abs. 1 Satz 3 SGB X).

(3) Die Norm ist auch anwendbar. Die mit Blick auf den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) in der Literatur geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich der Auswahl unterschiedlicher Eingriffe in den Körper (hierzu (a)) und der divergierenden Rechtsfolgen des § 52 Abs. 1 und Abs. 2 SGB V (dazu (b)) teilt die Kammer nicht (so auch Andreas, ArztR 2012, 145, 152 f.; im Ergebnis ebenso Noftz, in: Hauck/Noftz, SGB V, Stand: Erg.-Lfg. III/09 § 52 Rdnr. 11; Dalichau/Grüner, Krankenversicherung, 144. Erg. Stand: 1. Oktober 2008, § 52, S. 4; siehe auch Krüger/Helml, GesR 2011, 584, 585 in Fußnote 8; die Norm verteidigend auch F. Kirchhof, ZMGR 2010, 210, 213).

§ 52 SGB V ist als Nachfolgevorschrift von § 192 Reichsversicherungsordnung durch das Gesetz zur Strukturreform im Gesundheitswesen vom 20. Dezember 1988 (BGBl. I 2477) geschaffen worden und am 1. Januar 1989 in Kraft getreten. Danach konnte die Krankenkasse Versicherte, die sich eine Krankheit vorsätzlich oder bei einem von ihnen begangenen Verbrechen oder vorsätzlichen Vergehen zugezogen hatten, an den Kosten der Leistungen in angemessener Höhe beteiligen und das Krankengeld ganz oder teilweise für die Dauer dieser Krankheit versagen und zurückfordern. Mit Wirkung vom 1. April 2007 wurde Abs. 2 angefügt und der bisherige Gesetzeswortlaut zum Abs. 1 (Art. 1 Nr. 31 i.V.m. Art. 46 Abs. 1 GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz vom 26. März 2007, BGBl. I 378, 386, 471). Die damalige Fassung von § 52 Abs. 2 SGB V lautete noch wie folgt: "Haben sich Versicherte eine Krankheit durch eine medizinisch nicht indizierte Maßnahme wie zum Beispiel eine ästhetische Operation, eine Tätowierung oder ein Piercing zugezogen, hat die Krankenkasse die Versicherten in angemessener Höhe an den Kosten zu beteiligen und das Krankengeld für die Dauer dieser Behandlung ganz oder teilweise zu versagen oder zurückzufordern". Mit Wirkung vom 1. Juli 2008 wurden in Abs. 2 nach dem Wort "indizierte" die Wörter "Maßnahme wie zum Beispiel eine" gestrichen (Art. 6 Nr. 7 i.V.m. Art. 17 Abs. 1 des Pflege-Weiterentwicklungsgesetzes vom 28. Mai 2008, BGBl. I 874, 899, 906). Diese Änderung sollte der Klarstellung dienen und gewährleisten, dass nur bei Folgen einer medizinisch nicht indizierten ästhetischen Operation, einer Tätowierung oder einem Piercing eine Kostenbeteiligung der Versicherten erfolgt (so die amtliche Begründung, BT-Drucks. 16/7439, S. 96, Zu Nummer 7).

(a) Mit der derzeit gültigen Fassung des § 52 Abs. 2 SGB V hat der Gesetzgeber eine abschließende Aufzählung bestimmter Maßnahmen zur Optimierung des äußeren Erscheinungsbildes geschaffen (allg. Meinung, a.A. ohne nähere Begründung nur Heberlein, BeckOK SGB V, Stand: 1.6.2013, § 52 Rdnr. 15). Eine analoge Anwendung der Rechtsfolgen auf andere körperliche Eingriffe ist wegen der bewusst geschaffenen gesetzlichen Begrenzung mangels Fehlens einer unbeabsichtigten Lücke im Gesetz sowie des Ausnahmecharakters der Vorschrift ausgeschlossen (vgl. insoweit Noftz, in: Hauck/Noftz, SGB V, Stand: Erg.-Lfg. III/09, § 52 Rdnr. 28j, Erg.-Lfg. XI/12, § 52 Rdnr. 4; Höfler, in: Kasseler Kommentar, EL 58 August 2008, § 52 SGB V Rdnr. 3; Nebendahl, in: Spickhoff, Medizinrecht, § 52 SGB V Rdnr. 17). Ausgehend von diesem Befund wird kritisiert, der Gesetzgeber habe in § 52 Abs. 2 SGB V drei Erscheinungsformen der willkürlichen Veränderung am eigenen Körper aus der Vielzahl der Erscheinungsformen herausgegriffen, ohne deutlich zu machen, weshalb er gerade diese gewählt habe. Eingriffe wie etwa das sog. "cutting" (Zufügen von Schnittwunden zur Erzielung eines gewünschten Narbenmusters auf der Haut), "branding" (Einbrennen von Zeichen auf der Haut zur Erzielung eines Brandnarbenmusters) oder "tongue cutting" (Aufspalten der Zungenspitze zur Herbeiführung einer amphibisch anmutenden Zungenform) würden nicht aufgeführt. Wegen dieser grundlos geschaffenen Diskriminierung sei die Norm verfassungswidrig (so insbesondere Bernzen, MedR 2008, 549, 550 f., 553, nach ihm auch die Definitionen englischsprachiger Begriffe; vgl. ferner Reimer/Merold, SGb 2008, 713, 715; Wienke, in: Wienke/Eber¬bach/Kramer/Jan¬ke, Die Verbesserung des Menschen, 2009, S. 169, 174 f.; Einbecker Empfehlungen der DGMR zu Rechtsfragen der wunscherfüllenden Medizin, MedR 2009, 41; Höfling, ZEFQ 103 (2009), 286, 291; Prehn, NZS 2010, 260, 264 f.; Eberbach, MedR 2010, 756, 765; Huster, Ethik Med 22 (2010), 289, 293 = G + S 2012, 23, 25; Reyels, jurisPK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 52 Rdnr. 113; Lang, in: Becker/Kingreen, SGB V, 3. Aufl. 2012, § 52 Rdnr. 8; zurückhaltend: Kruse, in: Hänlein/Kruse/Schuler, SGB V, 4. Auf. 2012, § 52 Rdnr. 12).

Der Gesetzgeber hat mit dem Herausgreifen der ästhetischen Operation, der Tätowierung und dem Piercing nicht gegen den Gleichheitssatz verstoßen. Für die in § 52 Abs. 2 SGB V vorgenommene Ungleichbehandlung existiert ein sachlicher Grund (vgl. nur BVerfGE 1, 14, 52; 55, 72, 88; 85, 238, 244 f.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass dem Gesetzgeber auf dem Gebiet des Sozialversicherungs-, insbesondere des Krankenversicherungsrechts, eine weite Einschätzungsprärogative zukommt (BVerfGE 113, 167, 215; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl. 2012, Art. 3 Rdnr. 54; zur Frage der Kostenverteilung bei wie hier durch sog. Enhancement verursachten Krankheiten auch Merkel/Boer/Fegert/Galert/Hartmann/Nuttin/Rosahl, Intervening in the Brain, 2007, S. 451). Bei der Ordnung der auf diesem Gebiet anzutreffenden Massenerscheinungen kann ein ausreichender Differenzierungsgrund in der Typisierung und Generalisierung von Sachverhalten liegen (BVerfGE 17, 1, 23 f.; 26, 265, 275 f.; 71, 146, 157; 103, 310, 319). Der Gesetzgeber handelt nicht bereits dann gleichheitswidrig, wenn er nicht die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Lösung wählt, sondern die Regelung sachlich vertretbar und nicht sachfremd ist (BVerfGE 11, 245, 253 f.). Bei der ästhetischen Operation, der Tätowierung und dem Piercing handelt es sich um die am häufigsten vorkommenden Erscheinungsformen der Körpermodifikation. Andere mögliche Eingriffe stellen – jedenfalls derzeit noch – kleinere Randgruppen dar (vgl. Padé, in: Eichenhofer/Wenner, SGB V, § 52 Rdnr. 32; Noftz, in: Hauck/Noftz, SGB V, Stand: Erg.-Lfg. III/09, § 52 Rdnr. 2). Den Gesetzgeber trifft mit Blick auf die getroffene Auswahl allenfalls eine Be¬obachtungs- und Nachbesserungspflicht (vgl. hierzu BVerfG, Urteil vom 14. Februar 2012 – 2 BvL 4/10, juris, Rdnr. 165), die er jedoch angesichts des bislang verstrichenen Zeitraums seit Einführung des § 52 Abs. 2 SGB V nicht evident verletzt hat. Der Gesetzgeber durfte daher diese drei Phänomene herausgreifen, ohne willkürlich zu handeln (so auch Andreas, ArztR 2012, 145, 152 f.; vgl. zudem Noftz, in: Hauck/Noftz, SGB V, Stand: Erg.-Lfg. III/09, § 52 Rdnr. 11 a.E.).

(b) Gleichheitsrechtliche Bedenken werden ferner wegen der unterschiedlichen Rechtsfolgen von § 52 Abs. 1 und Abs. 2 SGB V geltend gemacht. Während der Krankenkasse nach Abs. 1 sowohl ein Entschließungs- als auch ein Auswahlermessen eingeräumt ist, handelt es sich bei der Kostenbeteiligung nach Abs. 2 um eine gebundene Entscheidung. Bei einem von der Rechtsordnung durch Strafe bedrohten Verhalten könnten alle Aspekte des Einzelfalls berücksichtigt werden und im Einzelfall von einer Kostenbeteiligung des Versicherten ganz abgesehen werden, wohingegen im Falle des Verschuldens allein gegen sich selbst, das von der Rechtsordnung im Übrigen nicht sanktioniert werde, diese Möglichkeit nicht gegeben sei. Durch die nicht begründbare Diskrepanz zwischen dem objektiven und dem subjektiven Handlungsunwert von Abs. 1 und der Handlungsintention von Abs. 2 werde der Gleichheitssatz verletzt (Prehn, NZS 2010, 260, 265 f.; Neumann, NJOZ 2008, 4494, 4495; Eberbach, MedR 2010, 756, 765; Padé, in: Eichenhofer/Wenner, SGB V, § 52 Rdnr. 33; Reyels, jurisPK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 52 Rdnr. 113; Lang, in: Becker/Kin¬green, SGB V, 3. Aufl. 2012, § 52 Rdnr. 8 a.E.; Heberlein, BeckOK SGB V, Stand: 1.6.2013, § 52 Rdnr. 22; kritisch auch Walter¬mann, in: Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 3. Aufl. 2013, § 52 SGB V Rdnr. 5).

Es liegt ebenfalls kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz bzw. das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) vor, weil § 52 Abs. 1 SGB V mit Blick auf eine Kostenbeteiligung dem Grunde nach der Krankenkasse ein Entschließungsermessen einräumt, während § 52 Abs. 2 SGB V insoweit eine gebundene Entscheidung vorsieht. Für die unterschiedlichen Rechtsfolgen kann ein sachlicher Grund ins Feld geführt werden. Wenn überhaupt, erscheinen viel eher die Diskrepanzen innerhalb des Abs. 1 problematisch, von denen jedoch nicht auf eine Verfassungswidrigkeit des Abs. 2 geschlossen werden kann. Die Tatbestandsvoraussetzungen des Abs. 1 sind viel weiter gefasst. In § 52 Abs. 1 SGB V werden Fälle der gezielten Schädigung der eigenen Gesundheit mit Fällen gleichgesetzt, bei denen die Gesundheit gelegentlich einer Straftat Schaden nimmt. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Norm braucht sich der Vorsatz lediglich auf die Verwirklichung des Strafdelikts, nicht aber auf die Realisierung der Krankheit zu richten (Noftz, in: Hauck/Noftz, SGB V, Stand: Erg.-Lfg. III/09, § 52 Rdnr. 24; Krauskopf, in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Stand: EL 63 September 2008, § 52 SGB V Rdnr. 5). Die Bandbreite der Vorsatzformen reicht vom dolus directus 1. Grades bis zum dolus eventualis (Noftz, in: Hauck/Noftz, SGB V, Stand: Erg.-Lfg. III/09, § 52 Rdnr. 19; Höfler, in: Kasseler Kommentar, EL 58 August 2008, § 52 SGB V Rdnr. 5a). Hinzu kommt im Falle der zweiten Tatbestandsalternative des Abs. 1 die Vielzahl und Weite der unterschiedlichen Tatbestände des Kern- und Nebenstrafrechts, deren Verwirklichung ein Verbrechen oder vorsätzliches Vergehen darstellen kann. Angesichts des vielgestaltigen Spektrums, das von § 52 Abs. 1 SGB V erfasst wird, ist es sachgerecht, der Krankenkasse auch ein Entschließungsermessen einzuräumen. § 52 Abs. 2 SGB V enthält demgegenüber drei klar abgrenzbare Erscheinungsformen der Körpermodifikation. Daran eine gebundene Entscheidung hinsichtlich des "ob" der Kostenbeteiligung zu knüpfen, ist sachlich gerechtfertigt (so auch Andreas, ArztR 2012, 145, 153). Da die Krankenkassen die Versicherten auch in § 52 Abs. 2 SGB V nur in angemessener Höhe beteiligen müssen, ist die Norm sowohl hinsichtlich der erfassten Sachverhalte als auch im Hinblick auf die Rechtsfolgen hinreichend flexibel (BT-Drucks. 17/9213, S. 5; Krüger/Helml, GesR 2011, 584, 585 in Fußnote 8). Art. 3 Abs. 1 GG ist im Übrigen nicht schon dann verletzt, wenn eine andere als die vom Gesetzgeber getroffene Regelung zweckmäßiger oder gerechter wäre oder dem Bedürfnis nach Gleichbehandlung besser entspräche (BVerfGE 11, 245, 253 f.).

dd) Da sich die angefochtenen Bescheide insoweit als rechtmäßig erweisen, ist der Zustand, der durch die verfügte und seitens der Klägerin in voller Höhe an die Beklagte ausgekehrte Eigenbeteiligung in Höhe von 280,58 Euro geschaffen worden ist, rechtmäßig. Eine Folgenbeseitigung in Form der Rückerstattung dieses Betrags scheidet aus.

b) Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten, die sie für die beidseitige Neubildung der Implantatlager und die beidseitige Neueinbringung von Silikongelimplantaten in Höhe von 4.165,00 Euro aufgewandt hat. Die Kammer geht davon aus, dass die Klägerin die ihr in Rechnung gestellten Operationskosten, wie in der Behandlungs- und Honorarvereinbarung vorgesehen, mit dem zu diesem Zweck aufgenommenen Privatkredit bereits vor der vollstationären Aufnahme beglichen hat, da sonst der Eingriff nicht durchgeführt worden wäre. Ohnehin wäre für den Fall, dass die Klägerin die Kosten bislang nicht beglichen hätte, das Begehren als Freistellungsanspruch zu werten, der den gleichen rechtlichen Voraussetzungen wie ein Erstattungsanspruch unterliegt (vgl. nur BSG, Urteil vom 22. Juli 2004 – B 3 KR 5/03 R, juris, Rdnr. 15 = SozR 4-2500 § 33 Nr. 5, Rdnr. 8).

aa) Grundlage des geltend gemachten Erstattungsanspruchs ist § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V. Die Norm bestimmt: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. nur Urteil vom 22. März 2005 – B 1 KR 3/04 R, juris, Rdnr. 12 = USK 2005-68) besteht für beide Regelungsalternativen des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V das strenge Erfordernis eines Kausalzusammenhangs zwischen dem die Haftung der Krankenkasse begründenden Umstand und dem Nachteil (Kostenlast bzw. Bestehen einer wirksamen zivilrechtlichen Verpflichtung) des Versicherten. Haftungsbegründender Umstand ist bei Regelung 1 das Unvermögen der Krankenkasse zur rechtzeitigen Leistung und bei Regelung 2 die rechtswidrige Ablehnung.

(1) Angesichts des zeitlichen Intervalls zwischen Antragstellung und Vornahme der operativen Neuimplantation ist im streitgegenständlichen Fall alleine die Regelungsalternative 2 einschlägig. Es ist vorliegend auch unschädlich, dass sich die Klägerin mit der H. Privatkliniken GmbH in ein Krankenhaus begeben hat, das möglicherweise nicht gem. § 108 SGB V zur Behandlung Versicherter zugelassen ist (§§ 27 Abs. 1, 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Versicherte, denen ihre Krankenkasse rechtswidrig Leistungen verwehrt, sind nicht prinzipiell auf die Selbstbeschaffung der Leistungen bei zugelassenen Leistungserbringern verwiesen. Sie müssen sich nur eine der vorenthaltenen Naturalleistung entsprechende Leistung verschaffen, dies aber von vornherein privatärztlich außerhalb des Leistungssystems (BSG, Urteil vom 11. September 2012 – B 1 KR 3/12 R, juris, Rdnr. 33 = BSGE 111, 289, 297 f.). Die Kammer konnte es offen lassen, ob die Klägerin aufgrund der mit der H. Privatkliniken GmbH abgeschlossenen Behandlungs- und Honorarvereinbarung einer wirksamen zivilrechtlichen Verpflichtung ausgesetzt war, da der Anspruch aus einem anderen Grund nicht gegeben ist.

(2) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts reicht ein Anspruch auf Kostenerstattung (für die Vergangenheit) nicht weiter als ein entsprechender Naturalleis¬tungsan¬spruch. Er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Therapie zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sachleistung zu erbringen haben (vgl. bspw. BSG, Urteil vom 30. Juni 2009 – B 1 KR 5/09 R, juris = SozR 4-2500 § 31 Nr. 15, jew. Rdnr. 19; Urteil vom 19. Oktober 2004 – B 1 KR 9/04 R, juris, Rdnr. 11 = USK 2004-111, jew. m.w.N. zur höchstrichterlichen Rspr.). Hieran fehlt es. Die Klägerin hat keinen Primäranspruch auf eine beidseitige Neubildung der Implantatlager und eine beidseitige Neueinbringung von Silikongelimplantaten im Rahmen einer vollstationären Krankenhausbehandlung.

(3) Die Klägerin kann den geltend gemachten Anspruch nicht auf § 27 Abs. 1 i.V.m. § 39 Abs. 1 SGB V als einzig in Betracht kommender rechtlicher Grundlage stützen, weil die Voraussetzungen dieser Normenkette nicht erfüllt sind. Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Gem. § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V wird die Krankenhausbehandlung von der Krankenbehandlung umfasst. Nach § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB V wird die Krankenhausbehandlung vollstationär, teilstationär, vor- und nachstationär sowie ambulant erbracht. Die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung setzt eine "Krankheit" voraus. Damit wird nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand umschrieben, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2004 – B 1 KR 3/03 R, juris, Rdnr. 12 = BSGE 93, 252, 252 f.; Urteil vom 30. September 1999 – B 8 KN 9/98 KR R, juris, Rdnr. 14 = BSGE 85, 36, 38; Urteil vom 10. Februar 1993 – 1 RK 14/92, juris, Rdnr. 16 = BSGE 72, 96, 98, jew. m.w.N.). Krankheitswert kommt nicht jeder körperlichen Unregelmäßigkeit zu. Erforderlich ist vielmehr, dass der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird (hierzu unter (a)) oder dass er an einer Abweichung vom Regelfall leidet, die entstellend wirkt (dazu (b), st. Rspr., vgl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2004 – B 1 KR 3/03 R, juris, Rdnr. 13 = BSGE 93, 252, 253; Urteil vom 13. Juli 2004 – B 1 KR 11/04 R, juris, Rdnr. 21 = BSGE 93, 94, 102).

(a) Die Klägerin war nicht in ihren Körperfunktionen beeinträchtigt. Der rechtlich relevante Anknüpfungspunkt für die Beurteilung dieser Frage ist der Zustand nach der Explantation der unsachgemäß hergestellten Implantatkapseleinheiten sowie der Excision randständigen Restdrüsengewebes bzw. Granulations- und Narbengewebes medial, kranial und lateral. Mit der Explantation war zunächst der Zustand vor der erstmaligen Mammaaugmentation wieder hergestellt worden. Es ist nicht ersichtlich, dass bereits dieser Zustand mit der Beeinträchtigung einer Körperfunktion einherging. Sofern der Bevollmächtigte der Klägerin meint, die notwendige Entfernung impliziere auch die Notwendigkeit des Neueinsetzens von Implantaten, konnte die Kammer dem nicht folgen. Da sich die Klägerin bereits 2004 Implantate aus rein ästhetischen Gründen hat einsetzen lassen, kann für die Einbringung neuer Implantate nichts anderes gelten (vgl. auch SG Koblenz, Urteil vom 18. Mai 2006 – S 11 KR 467/05, juris, Rdnr. 15). Die im Zuge der Explantation durchgeführte Entnahme fibrotischen Materials führte bei der Klägerin zu einem Gewebeverlust. Auch insoweit ist nicht ersichtlich, dass dieser Gewebeverlust zur Beeinträchtigung einer Körperfunktion geführt hätte. Die Kammer konnte auch nicht erkennen, dass – wie von dem Bevollmächtigten der Klägerin vorgetragen – eine Stabilisierung der Brust im Sinne des Ausgleichs einer beeinträchtigten Körperfunktion notwendig gewesen wäre. Dieser Vortrag ist unsubstantiiert und wird auch nicht durch die vorgelegten ärztlichen Dokumente gestützt. Es spricht auch sonst nichts für die Beeinträchtigung einer Körperfunktion. Bei einer ebenfalls mit einem Gewebeverlust unterschiedlichen Ausmaßes einhergehenden Mastektomie dient die Rekonstruktion der Brust, also die Herstellung des ursprünglichen Zustandes, alleine ästhetischen Zwecken. Es entspricht ferner allgemeiner Lebenserfahrung, dass die weibliche Brust, etwa durch Stillen oder mit zunehmendem Alter, einer "Destabilisierung" unterliegt. Der Verlust oder die Einschränkung einer Körperfunktion ist damit jedoch nicht verbunden. Eine medizinische Indikation für einen dem entgegenwirkenden chirurgischen Eingriff konnte die Kammer nicht erkennen. Daran ändert auch das ins Feld geführte Alter der Klägerin nichts, zumal sich eine zeitliche Grenze für einen entsprechenden Eingriff ohnehin kaum ziehen lassen dürfte. Zweifelhaft ist auch die Notwendigkeit eines chirurgischen Eingriffs, da die vorgetragene Notwendigkeit einer Stabilisierung auch durch das Tragen konfektionierter Damenoberbekleidung ermöglicht wird. Schließlich leuchtet es nicht ein, wie durch eine Mammaaugmentationsplastik eine Körperfunktion der weiblichen Brust – etwa die Fähigkeit zu Stillen – wiederhergestellt werden könnte.

(b) Die Klägerin kann einen Sachleistungsanspruch auch nicht auf eine äußerliche Entstellung stützen, welche den Bedarf nach einer operativen Korrektur implantatloser Brüste begründen könnte. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung genügt für die Annahme einer Entstellung nicht jede körperliche Anomalität. Vielmehr muss es sich objektiv um eine erhebliche Auffälligkeit handeln, die naheliegende Reaktionen der Mitmenschen wie Neugier oder Betroffenheit auslöst und damit zugleich erwarten lässt, dass der Betroffene ständig viele Blicke auf sich zieht, zum Objekt besonderer Beachtung anderer wird und sich deshalb aus dem Leben in der Gemeinschaft zurückzuziehen oder zu vereinsamen droht, sodass die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft gefährdet ist (BSG, Urteil vom 28. Februar 2008 – B 1 KR 19/07 R, juris, Rdnr. 13 = BSGE 100, 119, 121 m.w.N.). Um eine Auffälligkeit eines solchen Ausmaßes zu erreichen, muss eine beachtliche Erheblichkeitsschwelle überschritten sein: Es genügt nicht allein ein markantes Gesicht oder generell die ungewöhnliche Ausgestaltung von Organen, etwa die Ausbildung eines sechsten Fingers an einer Hand. Vielmehr muss die körperliche Auffälligkeit in einer solchen Ausprägung vorhanden sein, dass sie sich schon bei flüchtiger Begegnung in alltäglichen Situationen quasi "im Vorbeigehen" bemerkbar macht und regelmäßig zur Fixierung des Interesses anderer auf den Betroffenen führt. Dies gilt gerade auch vor dem Hintergrund, dass die Rechtsordnung im Interesse der Eingliederung behinderter Menschen fordert, dass Nichtbehinderte ihre Wahrnehmung von Behinderung korrigieren müssen. Die Rechtsprechung hat als Beispiele für eine Entstellung z.B. das Fehlen natürlichen Kopfhaares bei einer Frau oder eine Wangenatrophie oder Narben im Lippenbereich angenommen oder erörtert (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2004 – B 1 KR 3/03 R, juris, Rdnr. 14 = BSGE 93, 252, 253 f.). Dagegen hat der 1. Senat des BSG bei der Fehlanlage eines Hodens eines männlichen Versicherten eine Entstellung nicht einmal für erörterungswürdig angesehen (vgl. BSG, Urteil vom 9. Juni 1998 – B 1 KR 18/96 R, juris, Rdnr. 27 = BSGE 82, 158, 163 f.) und eine Entstellung bei fehlender oder wenig ausgeprägter Brustanlage unter Berücksichtigung der außerordentlichen Vielfalt in Form und Größe der weiblichen Brust revisionsrechtlich abgelehnt (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2004 – B 1 KR 3/03 R, juris, Rdnr. 14 = BSGE 93, 252, 253 f.).

Ob nach der Explantation der unsachgemäß hergestellten Implantatkapseleinheiten sowie der Excision weiteren Brustgewebes eine entstellende Wirkung vorlag, ist nicht nachgewiesen. Dieser Umstand kann im Nachhinein auch nicht mehr festgestellt werden, da unmittelbar nach der Durchführung der genannten Maßnahmen beidseitig die Implantatlager neu gebildet und neue Silikongelimplantate eingebracht wurden. So waren bereits vor Klageerhebung vollendete Tatsachen geschaffen worden. Dieser Umstand geht nach den allgemeinen Regeln der Feststellungs- bzw. Beweislast zu Lasten der Klägerin. Aber selbst wenn man trotz der Rechtsprechung des BSG zur Ablehnung einer Entstellung bei fehlender oder wenig ausgeprägter Brustanlage von einer entstellenden Wirkung zugunsten der Klägerin ausgehen wollte, müsste diese unter Verweis auf den Rechtsgedanken des § 52 Abs. 2 SGB V verneint werden, da sich diese letztlich als Folge der auf autonomem Entschluss beruhenden medizinisch nicht notwendigen Operation erwiese.

(c) Die psychische Belastung der Klägerin rechtfertigt ebenfalls keinen operativen Eingriff auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG, die bislang keine Änderung erfahren hat, können psychische Leiden einen Anspruch auf eine Operation zur Vergrößerung der weiblichen Brüste nicht begründen (vgl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2004 – B 1 KR 3/03 R, juris, Rdnr. 15 ff. = BSGE 93, 252, 254 ff.; Urteil vom 28. Februar 2008 – B 1 KR 19/07 R, juris, Rdnr. 16 = BSGE 100, 119, 121 f.; Urteil vom 28. September 2010 – B 1 KR 5/10 R, juris = SozR 4-2500 § 27 Nr. 20, jew. Rdnr. 13 f.).

Die Krankenkassen sind weder nach dem SGB V noch von Verfassungs wegen gehalten, alles zu leisten, was an Mitteln zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit verfügbar ist. Das trägt der begrenzten Aufgabenstellung der gesetzlichen Krankenversicherung Rechnung, sich auf gezielte Maßnahmen der Krankheitsbekämpfung zu beschränken. Selbst wenn ein Versicherter hochgradig akute Suizidgefahr geltend macht, kann er regelmäßig lediglich eine spezifische Behandlung etwa mit den Mitteln der Psychiatrie beanspruchen, nicht aber Leistungen außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung (siehe BSG, Urteil vom 28. Februar 2008 – B 1 KR 19/07 R, juris, Rdnr. 17 = BSGE 100, 119, 122 m.w.N.).

Nach diesen Grundsätzen sind Operationen am – krankenversicherungsrechtlich gesehen – gesunden Körper, die psychische Leiden beeinflussen sollen, nicht als "Behandlung" im Sinne von § 27 Abs. 1 SGB V zu werten, sondern vielmehr der Eigenverantwortung der Versicher¬ten zugewiesen. Dies beruht in der Sache vor allem auf den Schwierigkeiten einer Vorhersage der psychischen Wirkungen von körperlichen Veränderungen und der deshalb grundsätzlich unsicheren Erfolgsprognose sowie darauf, dass Eingriffe in den gesunden Körper zur mittelbaren Beeinflussung eines psychischen Leidens mit Rücksicht auf die damit verbundenen Risiken besonderer Rechtfertigung bedürfen. Denn damit wird nicht gezielt gegen die eigentliche Krankheit selbst vorgegangen, sondern es soll nur mittelbar die Besserung eines an sich einem anderen Bereich zugehörigen gesundheitlichen Defizits erreicht werden (vgl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2004 – B 1 KR 3/03 R, juris, Rdnr. 17 = BSGE 93, 252, 255 f. m.w.N.; Urteil vom 19. Februar 2003 – B 1 KR 1/02 R, juris, Rdnr. 12 = BSGE 90, 289, 291 m.w.N.). Das gilt jedenfalls so lange, wie medizinische Kenntnisse zu¬mindest Zweifel an der Erfolgsaussicht von Operationen zur Überwindung einer psychischen Krankheit begründen. Davon, dass nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse nicht mehr Zweifel im dargelegten Sinne bestehen, konnte sich die Kammer im Anschluss an die höchstrichterliche Rechtsprechung nicht überzeugen (vgl. BSG, Urteil vom 28. Februar 2008 – B 1 KR 19/07 R, juris, Rdnr. 18 = BSGE 100, 119, 122; Urteil vom 28. September 2010 – B 1 KR 5/10 R, juris = SozR 4-2500 § 27 Nr. 20, jew. Rdnr. 14: Für die Annahme einer wissenschaftlichen Überzeugung von der generellen psychotherapeutischen Eignung chirurgischer Eingriffe besteht kein Anlass). Die Klägerin hätte daher zu Lasten der Beklagten nur eine psychiatrische bzw. psychotherapeutische Behandlung beanspruchen können.

bb) Da die Klägerin keinen Naturalleistungsanspruch auf eine beidseitige Neubildung der Implantatlager und die beidseitige Neueinbringung von Silikongelimplantaten hat, steht ihr auch kein Anspruch auf Erstattung der durch die entsprechende Versorgung entstandenen Kosten zu.

3. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens.
Rechtskraft
Aus
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