S 52 SO 504/12

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
52
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 52 SO 504/12
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 20 SO 59/14
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin von der Beklagten Kosten der Unterkunft und Heizung beanspruchen kann bzw. ob diese Kosten bei ihrer Bedarfsermittlung erhöhend Berücksichtigung finden können.

Die am 10.03.19xx geborene Klägerin leidet an einem Down-Syndrom; sie ist insoweit geistig behindert. Sie bezieht Leistungen ihrer gesetzlichen Pflegekasse aufgrund der Pflegestufe III und ist seit dem 19.06.1979 anerkannt schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von zur Zeit 100 % sowie den festgestellten Nachteilsausgleichen "erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr", Merkzeichen "G", "Hilflosigkeit", Merkzeichen "H" und "Befreiung von bzw. Ermäßigung der Rundfunkgebührenpflicht", Merkzeichen "RF". Sie erzielte ein geringfügiges Einkommen bei einer Werkstätte für behinderte Menschen von rund 120,00 Euro netto monatlich im klageerheblichen Zeitraum. Daneben bezieht sie von der Beklagten seit Jahren ergänzende Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII in Form der Grundsicherung bei dauerhafter, vollständiger Erwerbsminderung.

Die Klägerin lebt zusammen in einem Haushalt mit ihrer Mutter und Betreuerin in einer Mietwohnung. Die Wohnung wird seit dem 01.05.19xx bewohnt. Ausweislich des Mietvertrages vom 17.04.19xx ist ausschließlich die Mutter Mieterin. Im Juni 2012 zahlte die Mutter an die Vermieterin monatlich 449,26 Euro an Mietkosten einschließlich Neben- und Heizkosten.

Die Mutter der Klägerin bezog seit dem 01.07.2012 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit von der Deutschen Rentenversicherung Bund in Höhe von monatlich 833,81 Euro Auszahlungsbetrag netto. Seit Oktober 2013 erhält sie eine Regelaltersrente von zur Zeit 953,00 Euro Auszahlungsbetrag netto monatlich. Wohngeld wurde der Mutter der Klägerin bis einschließlich August 2013 in Höhe von monatlich 25,00 Euro gewährt. Bis einschließlich zum 30.06.2012 wurden für die Klägerin hälftige Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 238,13 Euro bei der Bedarfsermittlung durch die Beklagte bedarfserhöhend mit berücksichtigt. Die Klägerin erhielt und erhält zudem ein Kindergeld in Höhe von monatlich 184,00 Euro.

Mit Bescheid vom 22.06.2012 bewilligte die Beklagte der Klägerin für den Zeitraum vom 01.07.2012 bis einschließlich 30.06.2013 monatliche Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII in Höhe von 279,45 Euro. Hierbei berücksichtigte sie bedarfserhöhend einen Mehrbedarf gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII aufgrund der anerkannten Schwerbehinderung und des Merkzeichens "G" der Klägerin. Kosten der Unterkunft und Heizung wurden hierbei nicht mehr berücksichtigt.

Am 11.07.2012 legte die Klägerin hiergegen Widerspruch ein und begehrte die weitere Berücksichtigung von eigenen Kosten der Unterkunft und Heizung.

Mit Änderungsbescheid vom 22.08.2012, der den identischen Bewilligungszeitraum wie der Ausgangsbescheid vom 22.06.2012 betraf, blieb die monatliche Bewilligung der Höhe nach unverändert. Mit Widerspruchsbescheid vom 10.10.2012 wies die Beklagte sodann den Widerspruch der Klägerin zurück.

Die Klägerin hat am 07.11.2012 Klage erhoben. Sie führt unter anderem zur Begründung aus, dass die Kosten der Wohnung insgesamt ihre Mutter an deren Leistungsgrenze führe; die Mutter der Klägerin hielte sich eine entsprechend große und teure Wohnung nicht, falls sie ohne ihre Tochter lebte.

Die Klägerin beantragt,

1. den Bescheid der Beklagten vom 22.06.2012 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 22.08.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.10.2012 abzuändern und
2. die Beklagte zu verurteilen, bei ihrer Bedarfsermittlung für den Zeitraum vom 01.07.2012 bis einschließlich 30.06.2013 Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von insgesamt 2.650,62 Euro, d. h. den jeweils hälftigen Anteil der insgesamt für ihre Mutter und sie anfallenden Miet- und Mietnebenkosten, zu berücksichtigen und dementsprechend weitere Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Außer der Gerichtsakte hat der die Klägerin betreffende Verwaltungsvorgang der Beklagten vorgelegen und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Akten sowie die Sitzungsniederschrift vom 16.01.2014 ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Klagegegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 22.06.2012 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 22.08.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.10.2012. Der Änderungsbescheid vom 22.08.2012 betrifft den identischen Bewilligungszeitraum. Der Verfügungssatz jedoch lässt die monatliche Bewilligungshöhe von 279,45 Euro unberührt.

Inhaltlich streitig ist die bedarfserhöhende Mitberücksichtigung von Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich jeweils 224,63 Euro. Ausweislich der dem Gericht vorgelegten Kontoauszüge der Mutter der Klägerin wurden im klagegegenständlichen Zeitraum 11 mal Miet- und Mietnebenkosten in Höhe von insgesamt monatlich 449,26 Euro gezahlt; die Hälfte hiervon beträgt 224,63 Euro. Ausweislich dieser Kontoauszüge sind jedoch am 04.02.2013 nicht die regelmäßigen 449,26 Euro an die Vermieterin überwiesen worden, sondern lediglich 359,38 Euro. Hiervon die Hälfte beträgt 179,69 Euro. 11 multipliziert mit 224,63 Euro zuzüglich 179,69 Euro ergibt die Gesamtsumme von 2650,62 Euro, die letztlich klagegegenständlich sind. Weshalb im Februar 2013 ein gekürzter Betrag an die Vermieterin überwiesen wurde, ließ sich auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 16.01.2014 nicht abschließend und mit Gewissheit klären; vermutlich wurde ein Guthaben aus einer Nebenkosten- bzw. Heizkostenabrechnung zu Gunsten der Mutter der Klägerin verrechnet.

Zeitraum des Klagegegenstandes ist der 01.07.2012 bis einschließlich 30.06.2013.

II.

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf bedarfserhöhende Mitberücksichtigung eigener Kosten der Unterkunft und Heizung sowie auf Gewährung entsprechender Grundsicherungsleistungen für den Zeitraum vom 01.07.2012 bis 30.06.2013 gemäß §§ 42 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. § 29 Abs. 1 SGB XII. Der Bescheid der Beklagten vom 22.06.2012 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 22.08.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.10.2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Lebt eine hilfebedürftige Person mit nicht hilfebedürftigen Verwandten oder verschwägerten Personen in einer Haushaltsgemeinschaft, setzt die Bewilligung von Leistungen für Unterkunft und Heizung tatsächliche Aufwendungen des Hilfebedürftigen voraus (Leitsatz Bundessozialgericht, Urteil vom 14.04.2011, Aktenzeichen B 8 SO 18/09 R). Die von der Klägerin begehrte, fortgesetzte Anwendung der Kopfteilmethode ist vorliegend nicht zu rechtfertigen: denn ihre Mutter ist nicht selbst hilfebedürftig im Sinne des SGB II bzw. SGB XII und rechtlich verpflichtende bzw. rechtlich zu vertretene, eigene Kosten für Unterkunft und Heizung fallen für die Klägerin schlichtweg nicht an (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 14.04.2011, Aktenzeichen B 8 SO 18/09 R, Randnummer 15).

Lediglich die Mutter ist Vertragspartnerin der Vermieterin und hat den Mietvertrag unterzeichnet; auch lediglich die Mutter ist zur Zahlung von Neben- und Heizkosten alleine verpflichtet. Ein Untermietvertrag zwischen der Klägerin und ihrer Mutter, der im Wege einer Ergänzungsbetreuung gegebenenfalls abgeschlossen werden könnte, lag bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 16.01.2014 nicht vor.

Es sind keinerlei Umstände ersichtlich, aus denen die Klägerin selbst zur Zahlung irgendwelcher Kosten für Unterkunft und Heizung rechtlich verpflichtet wäre. Allein das faktische "Mit-Wohnen" in der Mietwohnung der Mutter reicht nicht für die Begründung eines sozialhilferechtlichen Anspruches aus. Eigene Kosten der Klägerin für ihr "Mit-Wohnen" bei der Mutter fallen zumindest rechtlich notwendig nicht an.

Auch ist der Sachverhalt nicht gleichzusetzen mit einer Haushaltsgemeinschaft, in der auch die übrigen Mitglieder hilfebedürftig im Sinne der Sozialgesetzbücher II bzw. XII sind. Denn die Einkünfte der Mutter der Klägerin und insbesondere die Gesamteinkünfte beider liegen deutlich über denjenigen Mitteln, die Haushaltsgemeinschaften zur Verfügung stehen, welche existenzsichernder Leistungen bedürfen. Neben der im streitgegenständlichen Zeitraum relevanten Erwerbsminderungsrente der Mutter der Klägerin in Höhe von 833,81 Euro netto monatlich wurde ein Wohngeld in Höhe von 25,00 Euro monatlich, Kindergeld in Höhe von 184,00 Euro monatlich, Grundsicherungsleistungen für die Klägerin in Höhe von 279,45 Euro monatlich gewährt und es stand ein Einkommen der Klägerin von ca. 120,00 Euro netto monatlich aus ihrer Werkstattarbeit zur Verfügung. Diese Gesamtsumme liegt im Verhältnis zu den Mietkosten in Höhe von monatlich 449,26 Euro nicht nur knapp oder marginal über den sozialhilferechtlichen Bedarfssätzen, sondern deutlich darüber.

Schließlich ist für die Kammer kein Entscheidungsmaßstab, dass für die Beklagte eine Fortgewährung der kopfteiligen Unterkunftskosten günstiger wäre als der Auszug der Klägerin in eine eigene Wohnung und eine anschließende, vollständige Kostenübernahme einschließlich der Betreuung der Klägerin, die zur Zeit von der Mutter der Klägerin übernommen wird. Derlei wirtschaftliche Aspekte kann die Kammer – im Gegensatz zur Beklagten – nicht mit berücksichtigen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 193 Abs. 1 Satz 1, 183 Satz 1 SGG. Die Berufung ist zulässig, § 143 SGG.
Rechtskraft
Aus
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