L 12 AS 4836/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 4 AS 1133/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 4836/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Notwendige Ausgaben im Sinne von § 11 Abs. 2 Nr. 5 SGB II können auch Weiter- und Fortbildungskosten sein. Voraussetzung ist, dass diese Kosten in Kausalzusammenhang mit der Einkommenserzielung stehen.
Auf die Berufungen der Kläger werden die Urteile des Sozialgerichts Freiburg vom 24.09.2012 aufgehoben und die Erstattungsbescheide des Beklagten vom 15.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 13.02.2012 insoweit aufgehoben sowie der Festsetzungsbescheid des Beklagten vom 15.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 10.02.2012 insoweit abgeändert, als bei der Klägerin zu 1 für den Zeitraum 01.03.2011 bis 31.07.2011 Einkommen auf die Leistungen nach dem SGB II angerechnet wurde, und der Beklagte verurteilt, dementsprechend die Leistungen festzusetzen.

Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Kläger in beiden Rechtszügen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über zu bewilligende und zu erstattende Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in der Zeit vom 01.03.2011 bis 31.07.2011. Die 1981 geborene Klägerin zu 1, ihr 1979 geborener Lebenspartner (Kläger zu 2) und ihr im Jahr 2009 geborenes gemeinsames Kind (Klägerin zu 3) beziehen laufend in Bedarfsgemeinschaft von dem Beklagten Leistungen nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 23.02.2011 bewilligte der Beklagte der Bedarfsgemeinschaft vorläufig Leistungen für die Zeit vom 01.03.2011 bis 31.08.2011 in Höhe von 1.051,88 EUR monatlich. Die Bewilligung erfolgte vorläufig mit Blick auf die Einnahmen bzw. Ausgaben des Klägers zu 2 aus selbständiger Tätigkeit. Die Klägerin zu 1 absolvierte in der hier interessierenden Zeit eine Ausbildung zur Psychologischen Psychotherapeutin an der W. Akademie für Psychotherapie (WIAP) in Teilzeit. Nach dem Ausbildungsvertrag vom Juli 2008 handelt es sich dabei um einen Ausbildungsgang gemäß dem Psychotherapeutengesetz und der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Psychologische Psychotherapeuten (PsychTh-APrV). Der Vertrag regelt ferner u.a., dass die Ausbildung aus einem theoretischen und einem praktischen Teil besteht, dass die Ausbildungsdauer bei einer Teilzeitausbildung 60 Monate beträgt und die Vergütung von insgesamt 28.750 EUR u.a. in 60 Monatsraten à 60 EUR gezahlt werden kann (§§ 2 und 7 des Vertrags). Nach § 2 Abs. 3 PsychTh-APrV umfasst die Ausbildung der Psychologischen Psychotherapeuten mindestens 4200 Stunden und besteht aus einer praktischen Tätigkeit (§ 2), einer theoretischen Ausbildung (§ 3), einer praktischen Ausbildung mit Krankenbehandlungen unter Supervision (§ 4) sowie einer Selbsterfahrung (§ 5). Im Zuge dieser Ausbildung nahm die Klägerin zu 1 gemäß Anstellungsvertrag vom 02./04.12.2010 am 01.03.2011 eine Tätigkeit als "Psychologin im Praktikum" mit einer Wochenarbeitszeit von 24 Stunden und einer monatlichen Vergütung von 1000 EUR brutto im Fachkrankenhaus St. G. in B. auf. Die Anstellung erfolgte im Rahmen der Weiterbildung zur Psychologischen Psychotherapeutin als praktische Tätigkeit nach § 2 Abs. 2 PsychTh-APrV. Sie dauerte bis Ende Juli 2011. Nach Angaben der Kläger zu 1 und 2 im Schreiben an den Beklagten vom 02.04.2011 fielen monatlich 430,- EUR an Fahrtkosten (180 km x 0,30 EUR x 8 Tage monatlich, bei einer 2-Tage-Woche), eine einmalige Versicherungspauschale von 31,83 EUR jährlich sowie Kinderbetreuungskosten von monatlich 157,50 EUR an. Nach dem Erlass weiterer Änderungsbescheide (01.06.2011 und 21.06.2011), mit denen Leistungen nach dem SGB II ebenfalls nur vorläufig bewilligt wurden, setzte der Beklagte die Bewilligung der Leistungen an die Kläger für die Zeit vom 01.03.2011 bis 31.08.2011 mit Bescheid vom 15.12.2011 endgültig für März bis Juli 2011 auf monatlich 774,50 EUR und für August 2011 auf 1.135,81 EUR fest. Bei der Leistungsberechnung berücksichtigte der Beklagte das Einkommen (monatlich netto 793,75 EUR) aus der Tätigkeit der Klägerin zu 1. Weiterhin erließ der Beklagte unter dem 15.12.2011 einen Erstattungsbescheid, mit dem er von der Klägerin zu 1 Leistungen für März bis Mai 2011 in Höhe von 381,57 EUR zurückforderte. Mit separatem Erstattungsbescheid ebenfalls vom 15.12.2011 forderte der Beklagte von dem Kläger zu 2 und von der Klägerin zu 3 Leistungen für März bis Mai 2011 in Höhe von 381,60 EUR bzw. 99,97 EUR zurück. Die Kläger legten gegen diese Entscheidungen mit Schreiben vom 17.01.2012 Widerspruch ein. Die Leistungen seien nicht zutreffend berechnet worden. Es seien die Ausbildungskosten der Klägerin zu 1 von dem angerechneten Einkommen in Abzug zu bringen. Der Beklagte wies die Widersprüche bezüglich der Erstattung bei endgültiger Festsetzung für die Zeit von März bis Mai 2011 mit Widerspruchsbescheid vom 13.02.2012 zurück. Bezüglich der Höhe der Leistungsbewilligung für die Zeit von März bis August 2011 wies er die Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 10.02.2012 zurück. Die monatlichen Ausbildungskosten von 480,- EUR, welche an die WIAP zu entrichten seien, könnten nicht als zusätzlicher Absetzbetrag berücksichtigt werden. Es handele sich nicht um mit der Erzielung des Einkommens verbundene notwendige Ausgaben. Die steuerrechtliche Behandlung der Ausbildungskosten für einen künftigen Beruf als Werbungskosten lasse sich nicht mit den Zwecken des SGB II vereinbaren. Denn im Rahmen des § 3 SGB II bestehe kein Anspruch auf eine bestimmte Ausbildung und die Übernahme der Kosten einer solchen Ausbildung. Der Beklagte berief sich dabei auf die Beschlüsse des LSG Berlin-Brandenburg vom 22.01.2007 - L 19 B 687/06 AS ER - und des SG Berlin vom 04.05.2007 - S 102 AS 9326/07 ER - (beide in Juris). Die Kläger haben am 05.03.2012 Klage gegen die Widerspruchsbescheide vom 10.02.2012 und 13.02.2012 beim Sozialgericht (SG) Freiburg (Az.: S 4 AS 1133/12) erhoben. Sie haben die Auffassung vertreten, dass die Ausbildungskosten vom Einkommen der Klägerin zu 1 abzuziehen seien, und sich dabei auf das Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 06.03.2008 - L 28 AS 1276/07 - Juris, gestützt. Mit Beschluss vom 24.09.2012 hat das SG das Verfahren gegen den Bewilligungsbescheid vom 15.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 10.02.2012 abgetrennt und unter dem Aktenzeichen S 4 AS 4654/12 fortgeführt. Durch Urteile vom 24.09.2012 hat das SG die Klagen abgewiesen und jeweils die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Die Anrechnung des Einkommens der Klägerin zu 1 sei zutreffend. Nach § 11 Abs. 2 Nr. 5 SGB II a.F. bzw. nach § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB II n.F. (in Kraft seit 01.04.2011) seien vom Einkommen die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben abzusetzen. Nach der Legaldefinition des § 9 Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) würden unter dem Begriff der Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen verstanden. Da der Gesetzgeber den aus dem Steuerrecht stammenden Begriff in § 11 Abs. 2 Nr. 5 SGB II a.F. bzw. § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB II n.F. nicht übernommen habet, bestehe keine Identität zwischen mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben im Sinne des SGB II und Werbungskosten im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG. Die dazu von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze könnten nur insoweit herangezogen werden, als nicht der Zweck der Leistungen nach dem SGB II Differenzierungen gebieten würden. Absetzbar seien nur solche Aufwendungen mit Werbungskostencharakter, die durch die Einkommenserzielung - beispielsweise beruflich - bedingt seien. Dies sei der Fall bei Aufwendungen, die nicht zugleich der privaten Lebensführung dienen würden. Anders als im Einkommensteuerrecht sei die Absetzbarkeit von mit der Erzielung des Einkommens verbundenen Ausgaben zusätzlich von deren Notwendigkeit abhängig. Entscheidend dafür sei, ob die Aufwendungen einen Nutzen für das Einkommen des Aufwendenden erwarten lassen. So könnten Aufwendungen für Arbeitsmittel mit der Erzielung von Einkommen verbundene notwendige Ausgaben darstellen. Ob Ausbildungskosten für einen künftig auszuübenden Beruf als Kosten der Lebensführung oder als notwendige Ausgaben im Sinn des § 11 Abs. 2 Nr. 5 SGB II a.F. bzw. § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB II n.F anzusehen seien, sei streitig. Vorab entstandene Werbungskosten könnten nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes - BFH - gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG auch bei einer erstmaligen Berufsausbildung anzuerkennen sein. Maßgebend sei, dass die Aufwendungen beruflich veranlasst seien. Sie müssten in einem hinreichend konkreten, objektiv feststellbaren Zusammenhang mit künftigen steuerbaren Einnahmen aus der angestrebten beruflichen Tätigkeit stehen. So könnten vorab entstandene Werbungskosten bei einem im Anschluss an das Abitur durchgeführten Hochschulstudium anzuerkennen sein, wenn der erforderliche Veranlassungszusammenhang bestehe. Bei Anwendung der vom BFH aufgestellten Grundsätze könnte ein erforderlicher Veranlassungszusammenhang anzunehmen sein, da der Besuch der WIAP für die Klägerin zu 1 der Erlangung des Abschlusses als Psychologische Psychotherapeutin dient. Dass jedoch die Kosten dieser Ausbildung, selbst wenn sie als vorab entstandene Werbungskosten steuerlich anzuerkennen wären, als mit der Erzielung der hier als Einkommen zu sehenden Leistung für ihre praktische Tätigkeit im Fachkrankenhaus St. G.notwendig verbundene Ausgaben anzusehen seien, sei zu verneinen. Hiergegen spreche bereits, dass Studierende im Studiengang der Klägerin, die aufgrund eines Vollzeitstudiums Leistungen nach dem Berufsausbildungsförderungsgesetz (BAföG) beziehen würden, diese Kosten nicht durch höhere Ausbildungsförderung nach dem BAföG erstattet erhalten würden. Staatliche Leistungen würden insoweit weder nach dem BAföG noch nach dem SGB II gewährt, eine Finanzierung durch Kredit den Studenten in diesen Fällen zugemutet. Ferner ergebe sich bei einer leistungserhöhenden Anrechnung der von der Klägerin zu 1 zu entrichtenden Ausbildungsvergütung ein Wertungswiderspruch zu den Zwecken des arbeitsmarktbezogenen Leistungssystems des SGB II. Den Klägern wäre im Ergebnis erlaubt, die besonderen dem Ausbildungsinteresse geschuldeten Bedarfe indirekt über eine weitere Einkommensabsetzung zu decken. Dem stehe der Rechtsgedanke des § 3 Abs. 3 SGB II entgegen Danach dürften Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nur erbracht werden, soweit die Hilfebedürftigkeit nicht anderweitig beseitigt werden könne. Die nach dem SGB II vorgesehenen passiven Leistungen würden den Bedarf der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten und der mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen decken. Die unmittelbare oder mittelbare Finanzierung einer Ausbildung sei durch die existenzsichernden Leistungen des SGB II dagegen nicht vorgesehen. Die Berechnungen der Leistungen an die Kläger und der von den Kläger zu entrichtenden Erstattung seien im Übrigen zutreffend. Hiergegen richten sich die am 21.11.2012 von den Klägern beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegten Berufungen (Az.: L 12 AS 4836/12 und L 12 AS 4837/12), die der Senat durch Beschluss vom 27.02.2014 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden hat ... Die Kläger machen geltend, der Anspruch auf Absetzung der Ausbildungsgebühren vom Einkommen der Klägerin zu 1 ergebe sich aus § 11b Abs. 1 Nr. 5 SGB II. Ohne die Ausbildung hätte diese ihre Anstellung nicht ausüben können. Insoweit werde auf die Entscheidungen des LSG Berlin-Brandenburg vom 06.03.2008 (a.a.O.) und des LSG Baden-Württemberg vom 25.09.2012 - L 13 AS 3794/12 ER-B - Juris, verwiesen.

Die Kläger beantragen, die Urteile des Sozialgerichts Freiburg vom 24.09.2012 aufzuheben und die Erstattungsbescheide des Beklagten vom 15.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 13.02.2012 insoweit aufzuheben sowie den Festsetzungsbescheid des Beklagten vom 15.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 10.02.2012 insoweit abzuändern, als bei der Klägerin zu 1 für den Zeitraum 01.03.2011 bis 31.07.2011 Einkommen auf die Leistungen nach dem SGB II angerechnet wurden. Der Beklagte beantragt, die Berufungen zurückzuweisen. Er hält die erstinstanzlichen Entscheidungen für zutreffend. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und der Darstellung des Sachverhalts wird auf die Verfahrensakten beider Rechtszüge und die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufungen haben Erfolg.

Die form- und fristgerecht eingelegten Berufungen der Kläger sind statthaft, da das SG die Berufung im jeweiligen Urteil zugelassen hat (vgl. §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Das LSG ist gem. § 144 Abs. 3 SGG an die Zulassung gebunden.

Die Berufungen sind auch begründet.

Streitgegenstand ist das Begehren der Kläger auf Nichtberücksichtigung des Einkommens der Klägerin zu 1. und damit einerseits auf höhere Leistungen für den Zeitraum 01.03.2011 bis 31.07.2011 bzw. andererseits auf Aufhebung der Erstattungsbescheide vom 15.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 13.02.2012. Dieses ist als Anfechtungs- und Leistungsklage in Bezug auf den streitgegenständlichen Bewilligungsbescheid vom 15.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.02.2012 bzw. als Anfechtungsklage hinsichtlich der Erstattungsbescheide vom 15.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 13.02.2012 zulässig.

Nach der Legaldefinition des § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält. Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind nach § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Bei unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen sichern können, sind auch das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils und dessen in Bedarfsgemeinschaft lebender Partnerin oder lebenden Partners zu berücksichtigen. Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig, dabei bleiben die Bedarfe nach § 28 außer Betracht. In den Fällen des § 7 Absatz 2 Satz 3 ist Einkommen und Vermögen, soweit es die nach Satz 3 zu berücksichtigenden Bedarfe übersteigt, im Verhältnis mehrerer Leistungsberechtigter zueinander zu gleichen Teilen zu berücksichtigen (§ 9 Abs. 2 Sätze 2 bis 4 SGB II). Als Einkommen zu berücksichtigen sind gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II Einnahmen in Geld oder Geldeswert abzüglich der nach § 11 Abs. 2 SGB II a.F. (gültig bis 31.03.2011) bzw. § 11b SGB II abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11 Abs. 3 SGB II a.F. bzw. § 11a SGB II genannten Einnahmen. § 11 Abs. 2 Nr. 5 SGB II a.F. bzw. § 11b Abs. 1 Nr. 5 SGB II bestimmt, dass die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben vom Einkommen abzusetzen sind.

Die hier im Streit stehenden, von der Klägerin zu 1 für ihre Ausbildung zur Psychologischen Psychotherapeutin an der WIAP zu zahlenden Gebühren in Höhe von monatlich 480,- EUR erfüllen den Tatbestand des § 11 Abs. 2 Nr. 5 SGB II a.F. bzw. § 11b Abs. 1 Nr. 5 SGB II und sind deshalb von ihrem Einkommen abzusetzen.

Notwendige Ausgaben im Sinne der genannten Bestimmung können auch Weiter- und Fortbildungskosten sein. Voraussetzung hierfür ist lediglich, dass die geltend gemachten Ausgaben mit der Erzielung der Einnahmen verbunden sind, sie also dem Grund und der Höhe nach bei vernünftiger Wirtschaftsführung anfallen (LSG Baden-Württemberg a.a.O; Geiger in LPK-SGB II, 4. Aufl., § 11 Rdnr. 14 m.w.N.). Psychologische/r Psychotherapeut/in ist nach dem Berufenet der Agentur für Arbeit eine bundesweit geregelte Weiterbildung, die auf einem abgeschlossenen Studium der Psychologie aufbaut. Sie besteht aus einer praktischen Tätigkeit, die von theoretischer und praktischer Ausbildung begleitet wird (siehe die Regelungen in der PsychTh-APrV). Aufgrund dessen, dass es sich um eine Weiterbildung handelt, ist der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II, der allein Ausbildungsmaßnahmen betrifft, nicht einschlägig (vgl. Spellbrink/G.Becker in Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 7 Rn. 178).

Grundsätzlich darf bei der Beurteilung, was mit der Erzielung des Einkommens verbundene notwendige Ausgaben sind, zunächst auf den - eher weiter gefassten - steuerrechtlichen Begriff der Werbungskosten abgestellt werden. Eine über die steuerrechtliche Sichtweise noch hinausgehende Berücksichtigung von berufsbezogenen Aufwendungen kann angebracht sein, wenn dies durch das Ziel des SGB II, den Leistungsberechtigten in das Erwerbsleben einzugliedern, geboten ist (vgl. BSG, Urt. v. 19.06.2012 - B 4 AS 163/11 R - BSGE 111, 89). Anders als das SG sieht der Senat nicht den zukünftigen Beruf als psychologische Psychotherapeutin als Anknüpfungspunkt für die Frage der Notwendigkeit der Aufwendungen gem. § 11 Abs. 2 Nr. 5 SGB II a.F. bzw. § 11b Abs. 1 Nr. 5 SGB II. Aus Sicht des Senats ist maßgeblich für die Frage der Notwendigkeit der Ausbildungskosten deren Verknüpfung mit der im Rahmen der Ausbildung erfolgenden Tätigkeit als Psychologin im Praktikum und dem daraus erzielten Einkommen. Es erscheint daher verfehlt die mangelnde Erstattung der Ausbildungskosten im Rahmen eines BAföG-Bezuges als Argument gegen die Berücksichtigung der Ausbildungskosten des im Rahmen der praktischen Ausbildung erzielten Einkommens anzuführen. Der Senat hält auch nicht das Argument für überzeugend, Leistungen des SGB II dienten nicht der (mittelbaren) Ausbildungsfinanzierung, da hier der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 5 SGB II nicht eingreift. Vielmehr ist die notwendige Verknüpfung zwischen der Einkommenserzielung und den Ausbildungskosten nach der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für psychologische Psychotherapeuten (PsychTh-APrV) gegeben. Die Tätigkeit der Klägerin zu 1 als Psychologin im Praktikum im Fachkrankenhaus St. G.in Bad Dürrheim ist als praktische Tätigkeit nach § 2 Abs. 2 PsychTh-APrV zwingende Voraussetzung für den Abschluss der Weiterbildung zur Psychologischen Psychotherapeutin. Die Einkommenserzielung im Rahmen der praktischen Tätigkeit und die Ausbildungskosten stehen in Kausalzusammenhang. Ohne die Weiterbildung zur Psychologischen Psychotherapeutin und die in diesem Zusammenhang anfallenden Ausbildungskosten wäre die Erzielung des Einkommens aus der praktischen Tätigkeit im Rahmen der PsychTh-APrV undenkbar gewesen. Die Ausbildungskosten sind daher notwendig im Sinne des § 11 Abs. 2 Nr. 5 SGB II a.F. bzw. § 11b Abs. 1 Nr. 5 SGB II und somit vom erzielten Einkommen der Klägerin zu 1 abzusetzen. Da das monatlich zu berücksichtigende Einkommen der Klägerin zu 1 mit 321,72 EUR niedriger ist, als die monatlichen Ausbildungsgebühren in Höhe von 480,- EUR, ist damit kein Einkommen aus der Tätigkeit der Klägerin zu 1 als Psychologin im Praktikum in Ansatz zu bringen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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