L 11 KR 2876/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 11 KR 100/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 2876/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Während der auf einer Krankheit beruhenden Arbeitsunfähigkeit tritt
eine weitere Krankheit hinzu (§ 48 Abs. 1 Satz 2 SGB V), wenn diese
Krankheit unabhängig von der bereits vorliegenden Erkrankung
ebenfalls die Arbeitsunfähigkeit des Versicherten bedingt. Es reicht
aus, dass beide Krankheiten zumindest an einem Tag nebeneinander
bestanden haben.
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 26.06.2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung von Krankengeld (Krg) über den 05.12.2011 streitig.

Der Kläger war als Bezieher von Arbeitslosengeld I bei der Beklagten versicherungspflichtiges Mitglied. Ab dem 08.06.2010 wurde Arbeitsunfähigkeit unter Angaben der Diagnose "Gonarthrose" und "sonstige näher bezeichnete Bandscheibenverlagerung" durch den Allgemeinmediziner R bescheinigt. Bis zum 19.07.2010 bezog der Kläger Arbeitslosengeld I und vom 20.07.2010 bis zum 05.12.2011 erhielt der Kläger von der Beklagten Krg.

Vom 23.11.2010 bis 03.12.2010 erfolgte eine stationäre Aufnahme in das Kreiskrankenhaus E. zu einer Kniegelenksoperation mit anschließender Anschlussheilbehandlung vom 03.12.2010 bis zum 24.12.2010 in der R.klinik Bad K ... In dem Entlassbericht finden sich die Diagnosen:

• Knie-TEP Implantation links am 24.11.2010 bei Gonarthrose links • Gonarthrose rechts • anamnestisch Coxarthrose beidseits • chronisches Lumbalsyndrom bei anamnestischen Zustand nach BS-Prolaps ca 2004 • Impingementsyndrom linke Schulter • chronische Schmerzen mit relevanten psychischen Faktoren • mittelgradig depressive Episode.

Weiter heißt es, die Durchführung einer Psychotherapie sei dringend initiiert.

Im Auftrag der Beklagten erstellte der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) am 18.03.2011 ein Gutachten aufgrund einer Untersuchung des Klägers. Danach bestünden Restbeschwerden nach Implantation einer zementfreien Knietotalprothese links am 24.11.2010. Außerdem sei durch die Trennung von der früheren Lebensgefährtin eine schwere psychische Belastungsreaktion eingetreten. Wegen dieser sei bereits im Rahmen der Rehabilitationsbehandlung mit einer Psychotherapie begonnen worden. Diese sei weiterhin indiziert. Derzeit bestehe Arbeitsunfähigkeit. Bei entsprechender ambulanter psychotherapeutischer Unterstützung sowie bei Feststellung eines regelrechten postoperativen Befundes könne voraussichtlich Mitte April 2011 mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit gerechnet werden.

Am 19.05.2011 bescheinigte der behandelnde Allgemeinarzt R Arbeitsunfähigkeit wegen der Restbeschwerden nach der Knietotalprothese. Letzter Tag der Arbeitsunfähigkeit sei der 19.05.2011. Am 20.05.2011 stellte er eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wegen einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode (F33.1 ICD-10) aus, derentwegen der Kläger vom 20.05.2011 bis voraussichtlich 03.06.2011 arbeitsunfähig sein werde.

Die Beklagte beauftragte erneut den MDK. Nach einem am 06.06.2011 nach Aktenlage verfassten Gutachten des MDK bestünden beim Kläger Restbeschwerden nach Implantation der Knietotalprothese links sowie eine rezidivierende depressive Störung bei aktuell mittelgradiger Episode, einer rezidivierenden Lumbago und eine beginnende Coxarthrose beidseits. Hinsichtlich der depressiven Störung würden sich im Rahmen der Psychotherapie Fortschritte zeigen. Aktuell werde die Arbeitsunfähigkeit durch die Depression begründet. Es bestehe noch keine ausreichende affektive Stabilität. Bei weiterem Behandlungsverlauf sei von weiterer Arbeitsunfähigkeit für die Dauer von zwei bis drei Monaten auszugehen. Bis etwa Mitte August 2011 könne mit dem Erreichen einer ausreichend stabilen affektiven und emotionalen Stimmungslage gerechnet werden.

Nachdem jedoch weiterhin Arbeitsunfähigkeit wegen der psychischen Erkrankung bescheinigt worden war, stellte die Beklagte mit Bescheid vom 21.10.2011 fest, dass der Anspruch auf Krg am 05.12.2011 endet. Wegen derselben Krankheit sei der Anspruch auf Krg auf 78 Wochen innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren begrenzt. Der Krg-Anspruch sei an diesem Tag mit der Höchstanspruchsdauer von 78 Wochen innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren erschöpft. Dies gelte auch dann, wenn während der drei Jahre eine weitere Krankheit hinzugetreten sei. Der Kläger sei seit dem 08.06.2010 arbeitsunfähig. Mit der Krankmeldung vom 20.05.2011 sei eine weitere Diagnose hinzugetreten.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 25.10.2011 Widerspruch ein. Zugleich beantragte er beim Sozialgericht Freiburg (SG) die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes. Zur Begründung hat er geltend gemacht, die Annahme der Beklagten, eine weitere Erkrankung sei hinzugetreten, sei unzutreffend. Wegen der Kniegelenksarthrose habe nur bis zum 19.05.2011 Arbeitsunfähigkeit bestanden. Diese Arbeitsunfähigkeit habe am 19.05.2011 um 24.00 Uhr geendet. Wegen der rezidivierenden Depression habe die Arbeitsunfähigkeit erst am 20.05.2011 um 00:00 Uhr begonnen. Die Annahme in dem Gutachten des MDK, die Depression habe bereits vor dem 20.05.2011 Arbeitsunfähigkeit begründet, beruhe auf einer Ferndiagnose.

Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 15.11.2011 (S 11 KR 5664/11 ER) abgelehnt. Die hiergegen eingelegte Beschwerde zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG; L 5 KR 5096/11 ER-B) blieb erfolglos (Beschluss vom 16.01.2012).

Mit Widerspruchsbescheid vom 20.12.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 05.01.2012 Klage zum SG erhoben. Zur Begründung hält er an der Auffassung fest, die psychische Erkrankung habe vor dem 20.05.2011 keine Arbeitsunfähigkeit begründet. Der Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit bedingenden Kniegelenkserkrankung könne deshalb keine Berücksichtigung finden.

Mit Gerichtsbescheid vom 26.06.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Bei der ab dem 20.05.2011 bescheinigten psychischen Erkrankung handele es sich um eine hinzugetretene Erkrankung im Sinn des § 48 Abs 1 Satz 2 SGB V. Die depressive Erkrankung sei bereits im vorläufigen Entlassungsbericht der R.klinik festgestellt worden und habe ausweislich des Berichts weiterer Behandlung bedurft. Auch in den nach einer Untersuchung des Klägers erstellten Gutachten des MDK sei eine psychische Belastungsreaktion diagnostiziert worden, wie sich aus dem MDK-Gutachten vom 06.06.2011 ergebe. Wie sich aus dem Befundbericht von Diplompsychologin B. vom 11.05.2011 über die durchgeführte Psychotherapie ergebe, habe sich der Kläger zu diesem Zeitpunkt in psychotherapeutischer Behandlung befunden. Es könne daher nicht davon ausgegangen werden, dass die psychische Erkrankung erstmals am 20.05.2011, genau nach dem Ende der wegen der Kniegelenkserkrankung bis zum 19.05.2011 bestehenden Arbeitsunfähigkeit, Arbeitsunfähigkeit begründet haben soll.

Gegen den seinem Bevollmächtigten am 28.06.2012 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 05.07.2012 zum LSG erhobene Berufung des Klägers. Das SG habe den Begriff des Hinzutritts einer Erkrankung verkannt. Vor dem 20.05.2011 habe es sich um eine Anpassungsstörung oder Belastungsreaktion und eine reaktive Beeinträchtigung gehandelt. Eine psychische Belastungsreaktion sei beim besten Willen keine Krankheit. Erst durch die Chronifizierung der Krankheitsgeschichte habe sich diese später zu einer Depression entwickelt.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 26.06.2012 sowie den Bescheid vom 21.10.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.12.2011 aufzuheben und dem Kläger Krankengeld über den 05.12.2011 hinaus zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat den endgültigen Entlassbericht der R.klinik über den Aufenthalt des Klägers vom 03.12.2010 bis 24.12.2010 beigezogen. Darüber hinaus wurde die behandelnde Psychotherapeutin des Klägers, Diplompsychologin B., befragt. Diese gab in ihrer Stellungnahme vom 13.12.2012 an, dass sich der Kläger seit 01.04.2011 in regelmäßiger ambulanter psychotherapeutischer Behandlung, in der Regel vierzehntägig, befinde. Der Kläger habe im Erstgespräch am 01.04.2011 angegeben, dass er sich wie ein "Wrack" fühle, da er unter massiven Schmerzen in sämtlichen Körpergelenken und Rücken leide, er könne nicht zur Ruhe kommen, habe Schlafstörungen sowie eine depressive Stimmungslage mit Niedergeschlagenheit, Existenz- und Zukunftsängsten. Phasenweise leide er auch unter starker Hoffnungslosigkeit und Lebensüberdruss. Seit Beginn der psychotherapeutischen Behandlung am 01.04.2011 bestehe Arbeitsunfähigkeit. Herr R als Facharzt für Allgemeinmedizin teilte mit, dass ein "offizieller" Diagnosewechsel von der rein somatischen zur psychiatrischen Diagnose (Depression) am 20.05.2011 erfolgt sei. Ab dem 20.05.2011 sei die Arbeitsunfähigkeit auf Grundlage einer Depression bescheinigt worden, obwohl sie wahrscheinlich schon viel früher den Krankheitsprozess wesentlich beeinflusst habe.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie des Verfahrens auf einstweiligen Rechtsschutz und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist statthaft und damit zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 21.10.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.12.2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Versicherte haben gemäß § 44 Abs 1 SGB V Anspruch auf Krg, wenn Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung (§ 23 Abs 4, §§ 24, 40 Abs 2 und 41 SGB V) behandelt werden. Der Anspruch auf Krg entsteht bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung von ihrem Beginn an, im Übrigen von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt (§ 46 Satz 1 SGB V). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG bestimmt allein das bei Entstehen eines Krg-Anspruchs bestehende Versicherungsverhältnis, wer in welchem Umfang als Versicherter Anspruch auf Krg hat (vgl BSG 05.05.2009, B 1 KR 20/08 R, SozR 4-2500 § 192 Nr 4; BSG 02.11.2007, B 1 KR 38/06 R, SozR 4-2500 § 44 Nr 14). Wird das Krg abschnittsweise gewährt, ist das Vorliegen der leistungsrechtlichen Voraussetzungen des Krg für jeden weiteren Bewilligungsabschnitt neu zu prüfen (BSG 22.03.2005, B 1 KR 22/04 R, BSGE 94, 247 = SozR 4-2500 § 44 Nr 6 = juris).

§ 48 Abs 1 SGB V bestimmt zur Dauer des Krankengeldes: "Versicherte erhalten Krankengeld ohne zeitliche Begrenzung, für den Fall der Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit, jedoch längstens für 78 Wochen innerhalb von je drei Jahren, gerechnet vom Tag des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an. Tritt während der Arbeitsunfähigkeit eine weitere Krankheit hinzu, wird die Leistungsdauer nicht verlängert." Bei der Feststellung der Leistungsdauer des Krg werden nach § 48 Abs 3 Satz 1 SGB V Zeiten, in denen der Anspruch auf Krg ruht oder für die das Krg versagt wird, wie Zeiten des Bezugs von Krg berücksichtigt. § 48 Abs 1 SGB V enthält drei unterschiedliche Regelungen: Anspruch auf Krankengeld besteht zunächst im Grundsatz ohne abstrakte zeitliche Begrenzung, solange die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Nach der in § 48 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V geregelten ersten Ausnahme führt es zur Rechtsfolge der Begrenzung der Leistungsdauer auf 78 Wochen, wenn "dieselbe Krankheit" die Arbeitsunfähigkeit bedingt. Jede neue Krankheit löst hier eine Kette von Dreijahreszeiträumen mit entsprechenden Höchstbezugszeiten von 78 Wochen aus (Methode der starren Rahmenfrist; ständige Rechtsprechung des BSG seit 17.04.1970, 3 RK 41/69, BSGE 31, 125 = SozR Nr 49 zu § 183 RVO). Die zweite Ausnahme ist in § 48 Abs 1 Satz 2 SGB V geregelt und ein der ersten gleichgestellter weiterer Fall der Leistungsbegrenzung, nämlich dass während der Arbeitsunfähigkeit aufgrund einer ersten Erkrankung eine weitere Erkrankung hinzutritt (Beschluss des Senats vom 16.12.2013, L 11 KR 4880/13 ER-B).

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Krankengeld ab dem 06.12.2011, weil seine Arbeitsunfähigkeit auf derselben Krankheit beruht, wegen der er schon Krg für 78 Wochen innerhalb eines Dreijahreszeitraums erhalten hat. Der relevante Zeitraum von drei Jahren begann, wie die Beklagte und das SG zutreffend festgestellt haben, am 08.06.2010, da die Erkrankung zu diesem Zeitpunkt das erste Mal festgestellt wurde. Die maßgebende Blockfrist endet mithin am 07.06.2013. Innerhalb dieses Zeitraums bezog der Kläger für 78 Wochen Krg wegen Beschwerden im linken Knie sowie wegen einer Depression. Bei der Depression handelt es sich um eine hinzugetretene Krankheit iSd § 48 Abs 1 Satz 2 SGB V, weil diese Erkrankung zumindest von April bis Mai 2011 neben den seit Juni 2010 bestehenden Kniegelenksbeschwerden bestanden hat und beide Krankheiten für sich allein AU verursacht hätten.

Tritt während der auf einer Krankheit beruhenden Arbeitsunfähigkeit eine weitere Krankheit hinzu, so wird die Leistungsdauer nicht verlängert (§ 48 Abs 1 Satz 2 SGB V). Unter einer hinzugetretenen Krankheit in diesem Sinne ist ein Krankheitsgeschehen zu verstehen, bei dem eine andere medizinische Ursache feststellbar ist. Die Krankheit muss während einer aufgrund einer anderen Erkrankung bereits bestehenden Arbeitsunfähigkeit hinzutreten. Dass (noch) Krg gezahlt wird, ist dagegen nicht Voraussetzung. Ein "Hinzutritt während der Arbeitsunfähigkeit" liegt auch dann vor, wenn zeitgleich mit dem Vorliegen oder Wiedervorliegen einer zur Arbeitsunfähigkeit führenden ersten Erkrankung unabhängig von dieser Erkrankung zugleich eine weitere Krankheit die Arbeitsunfähigkeit des Versicherten bedingt. Es reicht insoweit aus, dass die Krankheiten zumindest an einem Tag zeitgleich nebeneinander bestanden haben. Ist die Arbeitsunfähigkeit dagegen beendet und tritt eine neue Krankheit am Tag nach dem Ende der Arbeitsunfähigkeit ein, so liegt keine hinzugetretene Krankheit im Sinne des § 48 Abs 1 Satz 2 SGB V vor, selbst wenn inzwischen die Arbeit nicht wieder aufgenommen wurde. Entfällt wegen der zuerst aufgetretenen Krankheit die Arbeitsunfähigkeit und wird die fortbestehende Arbeitsunfähigkeit nur noch von der "hinzugetretenen" Krankheit verursacht, so sind bei der Feststellung der Höchstbezugsdauer für das Krg auch die Vorerkrankungen wegen der zuerst eingetretenen Krankheit anzurechnen. Die hinzugetretene Erkrankung verlängert also auch bei Fortfall der Ersterkrankung die Leistungsdauer von 78 Wochen ab dem ersten Tag der (zunächst nur) auf die Ersterkrankung beruhende Arbeitsunfähigkeit nicht. Die weitere Krankheit verlängert nicht die Leistungsdauer und setzt auch nicht - wie eine nach Beendigung der vorhergehenden Arbeitsunfähigkeit eingetretene neue Krankheit mit erneuter Arbeitsunfähigkeit - einen neuen Dreijahreszeitraum in Gang.

Zur Überzeugung des Senats handelt es sich bei der Depressionserkrankung des Klägers um eine zur Kniegelenkserkrankung des Klägers hinzugetretene Erkrankung im Sinne von § 48 Abs 1 Satz 2 SGB V mit der Folge, dass kein selbstständiger, neuer Krg-Anspruch mit erneuter Höchstbezugsdauer entstanden ist. Die Beklagte hat die Zahlung von Krg vielmehr zu Recht mit Ablauf des 05.12.2011 nach Ausschöpfen der gesetzlichen Höchstbezugsdauer von 78 Wochen eingestellt. Die Kammer stützt ihre Einschätzung auf die Befragung der behandelnden Ärzte, den vorläufigen sowie den endgültigen Entlassbericht der R.klinik Bad K. sowie die Stellungnahme des MDK vom 11.04.2011.

Die behandelnde Diplompsychologin B. hat in ihrer Stellungnahme vom 13.12.2012 mitgeteilt, dass sich der Kläger seit 01.04.2011 in regelmäßiger ambulanter psychotherapeutischer Behandlung befinde. Seit Beginn der Behandlung am 01.04.2011 sei von Arbeitsunfähigkeit auszugehen. Dementsprechend diagnostizierte sie eine rezidivierende depressive Störung mittelgradiger bis schwerer Ausprägung sowie eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung. Insoweit stellte sie in ihrem psychischen Befund vom 01.04.2011 fest, dass das Kontaktverhalten des Klägers freundlich und hilfesuchend sei. Mimik und Gestik seien angespannt. Der Kläger wirke erschöpft und vorgealtert. Er sei bewusstseinsklar, allseitig orientiert. Konzentrationsstörungen seien vorhanden, ansonsten keine anamnestischen Auffälligkeiten. Der Antrieb sei gehemmt. Gleichzeitig sei der Kläger unruhig. Es sei von einer depressiv gedrückten, gereizten Stimmungslage mit Schwankungen bei erhaltener Modulationsfähigkeit auszugehen. Der Kläger schildere starke Insuffizienzgefühle wegen seiner Schmerzen und zeige deutlichen Leidensdruck. Der Kläger wirke gekränkt und frustriert. Formale Denkstörungen in Form von kreisendem Denken und seine für ihn ausweglos erscheinende Lebenssituation sei vorhanden. Der Gedankengang sei unstrukturiert und weitschweifig. Aktuell seien Gefühle von Sinnlosigkeit und Lebensüberdruss vorhanden. Suizidideen mit Umsetzungstendenzen bestünden nicht.

Die von der behandelnden Psychotherapeutin angenommene Arbeitsunfähigkeit durch die Erkrankung auf psychiatrischem Fachgebiet zumindest seit 01.04.2011 ist aufgrund der genannten Befunde für die Kammer sozialmedizinisch nachvollziehbar. Danach ist der Kläger jedenfalls ab dem 01.04.2011 auch aufgrund der psychischen Erkrankung vorübergehend nicht mehr in der Lage gewesen, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zu verrichten. Dem steht auch nicht entgegen, dass der behandelnde Hausarzt erst ab dem 20.05.2011 Arbeitsunfähigkeit auf der Grundlage einer Depression bescheinigt hat. So geht dieser selbst davon aus, dass diese Depression schon viel früher den Krankheitsprozess wesentlich beeinflusst hat. Dies ergibt sich auch aus dem Entlassbericht der R.klinik Bad K ... Dort wurde bereits im Rahmen der im Dezember 2010 durchgeführten Rehabilitation eine mittelgradige depressive Episode diagnostiziert, die dringend behandlungsbedürftig sei. Auch dies stützt die Einschätzung der behandelnden Psychotherapeutin, dass bereits vor dem 19.05.2011 aufgrund der psychischen Erkrankung Arbeitsunfähigkeit bestand.

Die Angaben des Klägers, wonach nach dem 19.05.2011, nachdem die Arbeitsunfähigkeit aufgrund der Kniegelenkserkrankung beendet war, eine Intensivierung der Depression erfolgt sein soll, sodass nunmehr erstmals eine Arbeitsunfähigkeit aufgrund der psychischen Erkrankung begründet worden ist, ist demgegenüber nicht nachvollziehbar. Dagegen spricht insbesondere, dass ausweislich des MDK-Gutachtens vom 06.06.2011 und dem darin wiedergegebenen psychologischen Befundbericht der Diplompsychologin B. vom 11.05.2011 über die durchgeführte Psychotherapie sich Fortschritte im Rahmen dieser therapeutischen Behandlung gezeigt hätten. Dies lässt eher eine Verbesserung der psychischen Problematik im Mai 2011 gegenüber dem zuvor bestehenden Zustand erkennen als eine Verschlechterung, auch wenn noch keine ausreichende affektive Stabilität eingetreten war und die Arbeitsunfähigkeit - nunmehr allein wegen der psychischen Erkrankung - daher noch fortbestand. Es besteht daher kein Anhaltspunkt dafür, dass diese Erkrankung taggenau am 20.05.2011 in einer die Arbeitsunfähigkeit nunmehr erstmals begründenden Intensität aufgetreten ist.

Auf die vom Klägervertreter geltend gemachte Argumentation, es liege kein ärztliches Attest dafür vor, dass die Depression schon vor dem 20.05.2011 eine Arbeitsunfähigkeit begründet habe, kommt es nach Auffassung des Senats nicht an, weil der Kläger bis zum 19.05.2011 wegen der Kniegelenkserkrankung durchgehend arbeitsunfähig und auch arbeitsunfähig geschrieben war. Ein zusätzlicher Arbeitsunfähigkeitsnachweis wegen einer weiteren - der hinzugetretenen - Krankheit war daneben nicht erforderlich. Die Feststellung, dass neben der orthopädischen Erkrankung eine weitere Erkrankung vorlag, die ebenfalls eine Arbeitsunfähigkeit begründet hat, scheitert deshalb nicht an einer fehlenden förmlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung seiner Depressionserkrankung, da es einer solchen bis zum Ende der attestierten Arbeitsunfähigkeit wegen der orthopädischen Erkrankung eben nicht bedurft hat. Dies hat Herr R in seiner sachverständigen Zeugenaussage bestätigt.

Der Senat schließt sich damit der Stellungnahme des MDK vom 04.11.2011 und der darin geäußerten Auffassung, dass es sich um einen typischen Fall des Hinzutritts handelt, an. Zu der Kniegelenkserkrankung des Klägers, die zumindest bis 19.05.2011 Arbeitsunfähigkeit begründet hat, ist zumindest seit 01.04.2014 die psychiatrische Erkrankung hinzugetreten. Die Bescheide der Beklagten vom 21.10.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.12.2011 sind daher rechtlich nicht zu beanstanden.

Die Berufung war deshalb zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Nr 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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