L 16 AS 383/11

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
16
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 10 AS 814/10
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 AS 383/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 201/14 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Regelungen des § 31 Abs. 2, 3 i.d.F. des Gesetzes zur Festentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.07.2006, BGBl 1706 verstoßen nicht gegen Art. 1 i.V.m. Art. 20 GG.
Dem Gesetzgeber steht es frei, in welcher Art und Weise er das Existenzminimum sichert, dies kann durch eine Kombination von Geld und Sachleistungen geschehen. Die Höhe der Sachleistung hängt von Umfang und Dauer der Sanktion ab und kann im Einzelfall nicht auf Gewährung von Lebensmittelgutscheine beschränkt sein. Gegebenenfalls sind weitere Sachleistungen zu gewähren.
I. Die Berufungen gegen die Urteile des Sozialgerichts Landshut vom 18.04.2011 und vom 17.08.2011 werden zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Rechtmäßigkeit von Leistungsabsenkungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) um 80 v.H. der Regelleistung für die Monate Juni bis August 2010, um 90 v.H. der Regelleistung für die Monate Juli bis September 2010 und um 100 v.H. der Regelleistung für die Monate August bis Oktober 2010 streitig.

Der 1960 geborene Kläger erhält seit dem 16.06.2005 laufend Leistungen nach dem SGB II vom Beklagten.

Im streitigen Zeitraum wurden dem Kläger mit Bescheid vom 19.05.2010 Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.06.2010 bis zum 30.11.2010 bewilligt. Aufgrund von Sanktionen erhielt der Kläger für die Monate Juni bis August 2010 Leistungen in Höhe von 206,80 EUR (Kürzung um 80 v.H. mit Bescheid vom 07.05.2010) und für die Monate September bis November 2010 in Höhe von 494 EUR (ungekürzte Leistungen: Regelleistung 359 EUR, Kosten für Unterkunft und Heizung 135 EUR). Der Kläger zahlt monatlich 135 EUR Miete.

Am 18.01.2010 nahm der Kläger einen Meldetermin nicht wahr. Der Beklagte minderte mit bestandskräftigem Bescheid vom 05.02.2010 das Arbeitslosengeld II des Klägers für die Monate März bis Mai 2010 um 70 v.H. der Regelleistung. Der Bescheid wurde am 08.02.2010 zur Post gegeben.

Mit Schreiben vom 16.02.2010 wurde der Kläger aufgefordert, am 23.02.2010 um
9:30 Uhr in der Außenstelle A-Stadt des Beklagten vorzusprechen. Es solle ein Gespräch über das Bewerberangebot beziehungsweise über die berufliche Situation des Klägers geführt werden. Das Schreiben enthielt eine Rechtsfolgenbelehrung, mit der der Kläger darauf hingewiesen wurde, dass das Arbeitslosengeld II nochmals um 80 v.H. der Regelleistung für die Dauer von drei Monaten abgesenkt werde, wenn er ohne wichtigen Grund dieser Einladung nicht Folge leiste. Seine Leistungen seien bereits mit Bescheid vom 05.02.2010 um 70 v.H. gekürzt worden.

Am 23.02.2010 erschien der Kläger um 9:50 Uhr am Empfang des Beklagten und teilte mit, dass er zu dem Termin nur unter Zeugen erscheinen werde und übergab ein Widerspruchsschreiben. Sein persönlicher Ansprechpartner sei am 23.02.2010 um 9:30 Uhr nicht bereit gewesen mit ihm unter Zeugen zu sprechen. Mit Schreiben vom 23.02.2010 wurde der Kläger zu einer beabsichtigten Sanktion nach § 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) angehört, da er zu dem Termin nicht beim Ansprechpartner erschienen sei und auch keine Eigenbemühungen nachgewiesen habe.

Mit Bescheid vom 07.05.2010, der am gleichen Tag zur Post gegeben wurde, minderte der Beklagte das Arbeitslosengeld II des Klägers vom 01.06.2010 bis zum 31.08.2010 um 80 v.H. der Regelleistung nach § 31 Abs. 2, Abs.3 S. 3 und Abs. 4 SGB II in der für Sanktionstatbestände bis zum 31.03.2011 geltenden Fassung (a.F.). Die bisherige Bewilligungsentscheidung würde insoweit aufgehoben. Der Kläger sei am 23.02.2010 nicht beim zuständigen Arbeitsvermittler der Agentur für Arbeit erschienen. Ein wichtiger Grund für das Meldeversäumnis liege nicht vor, auf das Anhörungsschreiben vom 23.02.2010 habe der Kläger nicht geantwortet.

Der gegen diesen Bescheid eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 23.07.2010 zurückgewiesen. Die Entscheidung beruhe auf § 31 Abs. 2, Abs. 3 S. 3 SGB II. Diese Vorschrift bestimme, dass bei wiederholter Pflichtverletzung nach Abs. 2 (Meldeversäumnis) das Arbeitslosengeld II gemindert werde. Der Widerspruchsführer sei auch seiner Meldepflicht nicht nachgekommen. Er habe zwar am 23.02.2010 in der Eingangszone am Empfang vorgesprochen, sei jedoch nicht bei seinem Arbeitsvermittler erschienen. Das Einladungsschreiben habe unmissverständlich angegeben, in welchem Zimmer und um welche Uhrzeit er vorsprechen solle. Der Meldezweck sei auch rechtmäßig. Der Vortrag des Klägers, er sei nur unter Zeugen bereit, bei seinem Arbeitsvermittler vorzusprechen, sei unbeachtlich, da es andernfalls in seinem Belieben stünde, sich mit der Behauptung er habe keinen Zeugen finden können, Vorspracheterminen zu entziehen.

Am 12.08.2010 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Landshut, das die Klage mit Urteil vom 17.08.2011 abwies. Der Sanktionsbescheid sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger sei einer Meldeaufforderung nicht nachgekommen. Allein das Erscheinen am Empfang, ohne ein Gespräch über die berufliche Situation beziehungsweise über die Bewerbersituation zu führen, erfülle den Meldezweck nicht. Daher liege keine ordnungsgemäße Wahrnehmung des Meldetermins vor. Voraussetzung hierfür sei, dass auch der Meldezweck erreicht werden könne.

Mit Schreiben vom 11.05.2010 wurde der Kläger aufgefordert, am 19.05.2010 in der Außenstelle A-Stadt vorzusprechen. Es solle ein Gespräch über das Bewerberangebot beziehungsweise über die berufliche Situation des Klägers geführt werden. Das Schreiben enthielt eine Rechtsfolgenbelehrung, mit der der Kläger darauf hingewiesen wurde, dass das Arbeitslosengeld II nochmals um 90 v.H. der Regelleistung für die Dauer von drei Monaten abgesenkt werde, wenn er ohne wichtigen Grund dieser Einladung nicht Folge leiste. Seine Leistungen seien bereits mit Bescheid vom 07.05.2010 um 80 v.H. gekürzt worden. Mit Anhörungsschreiben vom 19.05.2010 wurde der Kläger zu einer beabsichtigten Sanktion nach § 24 SGB X angehört, da er zu dem Termin nicht beim Ansprechpartner erschienen sei. Nachdem eine Äußerung des Klägers nicht erfolgte, minderte der Beklagte mit Bescheid vom 14.06.2010, am 15.06.2010 zur Post gegeben, das Arbeitslosengeld II des Klägers vom 01.07.2010 bis zum 31.09.2010 um 90 v.H. der Regelleistung nach § 31 Abs. 2, Abs.3 S. 3 und Abs. 4 SGB II.

Zur Begründung des eingelegten Widerspruchs führte der Kläger aus, dass er zu dem Termin nicht habe kommen können, weil sein Autotank leer gewesen sei, er starke Rückenschmerzen gehabt habe und ein Besuch beim Arzt nicht möglich gewesen sei. Am Nachmittag seien seine Schmerzen nach Medikamenteneinnahme erträglicher geworden und er habe eine kostenlose Fahrgelegenheit (Anhalter) gehabt. Aber dann habe der Beklagte bereits geschlossen gehabt.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 30.07.2010 zurückgewiesen. Die Entscheidung beruhe auf § 31 Abs. 2, Abs. 3 S. 3 SGB II. Diese Vorschrift bestimme, dass bei wiederholter Pflichtverletzung nach Abs. 2 (Meldeversäumnis) das Arbeitslosengeld II gemindert werde. Der Widerspruchsführer sei seiner Meldepflicht nicht nachgekommen. Ein wichtiger Grund habe nicht vorgelegen. Zwar gebe er an, aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage gewesen zu sein zu erscheinen. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sei jedoch nicht vorgelegt worden. Auch der Vortrag, dass er wegen der Sanktion nicht über ausreichende finanzielle Mittel verfügt habe, um den Meldetermin wahrzunehmen, sei unbeachtlich, da der Kläger eine Fahrtkostenerstattung erhalten könne.

Am 12.08.2010 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Landshut, das die Klage mit Urteil vom 17.08.2011 abwies. Der Sanktionsbescheid sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger sei einer Meldeaufforderung nicht nachgekommen. Der Sanktionsbescheid sei nicht zu beanstanden.

Mit Schreiben vom 21.06.2010 wurde der Kläger aufgefordert, am 28.06.2010 in der Außenstelle A-Stadt vorzusprechen. Es solle ein Gespräch über das Bewerberangebot beziehungsweise über die berufliche Situation des Klägers geführt werden. Dem Schreiben war eine Rechtsfolgenbelehrung beigefügt, mit der der Kläger darauf hingewiesen wurde, dass das Arbeitslosengeld II nochmals um 100 v.H. der Regelleistung für die Dauer von drei Monaten abgesenkt werde, wenn er ohne wichtigen Grund dieser Einladung nicht Folge leiste. Seine Leistungen seien bereits mit Bescheid vom 14.06.2010 für die Monate Juli bis September 2010 um 90 v.H. gekürzt worden.

Mit Schreiben vom 28.06.2010 wurde der Kläger nach § 24 SGB X zu einer beabsichtigten Sanktion angehört, da er der Einladung zu dem Termin am 28.06.2010 nicht ausreichend nachgekommen sei. Er sei zwar erschienen, sei aber dem Einladungszweck nicht nachgekommen, da er ohne Worte das Einladungsschreiben auf den Schreibtisch des Sachbearbeiters gelegt habe und das Zimmer wieder verlassen habe. Nachdem eine Äußerung des Klägers nicht erfolgte, minderte der Beklagte mit Bescheid vom 16.07.2010 das Arbeitslosengeld II des Klägers vom 01.08.2010 bis zum 31.10.2010 um 100 v.H. der Regelleistung nach § 31 Abs. 2, Abs.3 S. 3 und Abs. 4 SGB II. Hieraus ergebe sich eine Absenkung in Höhe von monatlich 359 EUR. Die bisherige Bewilligungsentscheidung würde insoweit aufgehoben.

Der Kläger legte mit Schreiben vom 26.07.2010 Widerspruch gegen den Bescheid vom 16.07.2010 ein.

Mit Widerspruchsbescheid vom 30.07.2010 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Die Entscheidung beruhe auf § 31 Abs. 2, Abs. 3 S. 3 SGB II. Diese Vorschrift bestimme, dass bei wiederholter Pflichtverletzung nach Abs. 2 (Meldeversäumnis) das Arbeitslosengeld II gemindert werde. Dies gelte nur dann nicht, wenn ein wichtiger Grund für das Verhalten des Widerspruchsführers vorliege. Der Kläger mache zwar geltend, dass die Vorschrift verfassungswidrig sei, der Beklagte sei jedoch an die Gültigkeit der Norm gebunden, da das Bundesverfassungsgericht nicht festgestellt habe, dass eine Verfassungswidrigkeit der Norm vorliege. Der Widerspruchsführer sei auch seiner Meldepflicht nicht nachgekommen. Er sei zwar am 28.06.2010 beim Arbeitsvermittler erschienen, der Meldezweck habe durch das Erscheinen aber nicht erreicht werden können, weil er das Zimmer nach wenigen Sekunden wortlos wieder verlassen habe. Der Meldezweck der Meldeaufforderung sei auch rechtmäßig gewesen. Ein wichtiger Grund des Widerspruchsführers sei weder vorgetragen noch ersichtlich. Soweit vorgetragen werde, dass die Sanktionsentscheidung bereits deshalb rechtswidrig sei, weil nicht zugleich über die Gewährung von Lebensmittelgutscheinen entschieden worden sei, sei dies rechtlich nicht zutreffend. Die Entscheidung über die Gewährung von Sachleistungen könne getrennt erfolgen.

Am 05.10.2010 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Landshut und beantragte den Sanktionsbescheid aufzuheben und sein Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums zu berücksichtigen. Er sei seiner Meldepflicht nachgekommen, da er zur angegebenen Zeit am angegebenen Ort erschienen wäre.

Mit Urteil vom 18.04.2011 wies das Sozialgericht Landshut die Klage ab. Der Sanktionsbescheid sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger sei einer Meldeaufforderung nicht nachgekommen. Allein die physische Präsenz für einen sehr kurzen Zeitraum ohne jede weitere Mitwirkung seitens des Hilfebedürftigen führe nicht dazu, dass die Meldepflicht in ausreichendem Umfang erfüllt werde. Neben der tatsächlichen Meldung sei Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Meldung, dass auch der Meldezweck erreicht werde. Der Meldezweck (Gespräch über das Bewerberangebot beziehungsweise über die berufliche Situation) sei durch das Verhalten des Klägers vereitelt worden. Der Kläger sei über die Rechtsfolgen auch konkret, individuell, verständlich und richtig belehrt worden. Einen wichtigen Grund im Sinne von § 31 Abs. 2 SGB II habe der Kläger nicht nachgewiesen. Auch der Umfang der Absenkung sei nicht zu beanstanden. Die Entscheidung über die Sanktion einerseits und die Gewährung ergänzender Sachleistungen andererseits seien eigenständige Verwaltungsentscheidungen und nicht miteinander verknüpft. Der Beklagte habe Beginn und Dauer des Sanktionszeitraums zutreffend festgestellt.

Der Kläger hat gegen die Urteile des Sozialgerichts Landshut Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht erhoben und insbesondere die Verletzung seines Existenzminimums geltend gemacht. § 31 SGB II a.F. stehe nicht im Einklang mit dem Grundgesetz, er verstoße gegen das Gleichbehandlungsgebot, insbesondere wenn die Leistungskürzungen die Kosten der Unterkunft umfassen würden, außerdem sei er seiner Meldepflicht nachgekommen, da er erschienen sei. Er sei im Übrigen erwerbsunfähig.

Über den Gesundheitszustand und die Frage der Steuerungsfähigkeit des Klägers hat der Senat ein Gutachten der Psychiaterin Frau Dr. D. eingeholt, das diese am 29.08.2013 erstattet hat. Frau Dr. D. hat bei dem Kläger eine paranoide Persönlichkeitsstörung, einen Zustand nach metastasierendem Melanom sowie Funktionsstörungen und Schmerzen des rechten Armes und der Schulter festgestellt. Der Kläger könne mehr als 3 Stunden täglich leichte Arbeiten ohne besondere fachliche Anforderungen verrichten und sei durch diese Gesundheitsstörungen nicht daran gehindert, einen Meldetermin beim Beklagten ordnungsgemäß wahrzunehmen. Er sei insbesondere dazu in der Lage sein Verhalten willentlich zu steuern. Dies begründe sich in der Tatsache, dass sich der Kläger bei der jetzigen Begutachtungssituation kooperativ und situationsadäquat verhalten habe.

In der mündlichen Verhandlung am 22.01.2014 hat der Kläger erklärt, dass er immer pünktlich zu Vorspracheterminen erschienen sei. Er könne sich nicht erklären, warum sich aus den Akten der Beklagten eine 20-minütige Verspätung ergebe. Er könne sich allerdings daran erinnern, dass er ohne Zeugen nicht zur Vorsprache habe kommen wollen.

Der Kläger hat beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 17.08.2011 und den Bescheid des Beklagten vom 07.05.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.07.2010 und das Urteil des Sozialgerichts vom 17.08.2011 und den Bescheid des Beklagten vom 14.06.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.07.2010, sowie das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 18.04.2011 und den Bescheid des Beklagten vom 16.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.09.2010 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Berufungen zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben einer Entscheidung nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zugestimmt.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten, die Verfahrensakte L 6 R 643/08 des Bayerischen Landessozialgerichts, die Akten des Zentrums Bayern Familie und Soziales, Region Niederbayern sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, da die Beteiligten hiermit einverstanden waren.

Die frist- und formgerecht eingelegten Berufungen sind zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG), jedoch unbegründet.

Streitgegenstand ist die Höhe der vom Kläger begehrten Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.06.2010 bis 30.10.2010.

Streitgegenstand der Klagen des Klägers ist, die Leistungen nach dem SGB II ungekürzt bzw. nicht abgesenkt zu erhalten. Ein Sanktionsbescheid gemäß § 31 SGB II i.d.F. des Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Perspektiven für Langzeitarbeitslose mit besonderen Vermittlungshemmnissen - Jobperspektive vom 10.10.2007 - BGBl I 2327 (a.F.) stellt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts keinen abtrennbaren Streitgegenstand dar, der isoliert von den übrigen Anspruchsvoraussetzungen nach dem SGB II überprüft werden kann (BSGE 102, 201 = SozR 4-4200 § 16 Nr. 4, Rn. 12).

Der Beklagte hat die Leistungen nach dem SGB II mit Bescheid vom 19.05.2010 für die Monate Juni bis November 2010 bewilligt. In den Monaten Juni bis April 2010 berücksichtigte der Beklagte die Absenkung der Regelleistung um 70 v.H., die mit bestandskräftigem Bescheid vom 05.02.2010 ausgesprochen wurde. Dieser Bescheid ist im vorliegenden Berufungsverfahren nicht zu überprüfen, da er für die Beteiligten nach § 77 SGG bindend ist.

1. Die mit Bescheid vom 07.05.2010 verfügte Sanktion beruht auf § 31 SGB II a.F.

Der Sanktionsbescheid vom 07.05.2010 und der Bewilligungsbescheid vom 19.05.2010 bilden eine rechtliche Einheit hinsichtlich der Leistungsbewilligung für die Monate Juni bis August 2010 (vgl. BSG, Urteil vom 22.02.2010, B 4 AS 68/09 R, juris, Rn. 9). Der Bewilligungsbescheid war insoweit auch vom Widerspruchsbescheid erfasst. Um das Klageziel, die Gewährung ungekürzter Leistungen nach dem SGB II zu erreichen, ist die richtige Klageart die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage. Eine solche hat der Kläger nicht ausdrücklich erhoben, der Senat legt jedoch seinen Antrag im Sinne des Meistbegünstigungsgrundsatzes entsprechend aus, da er im gesamten Berufungsverfahren ausreichend deutlich gemacht hat, dass es ihm um eine ungekürzte Auszahlung der vollen Leistungen nach dem SGB II gehe.

Anzuwenden sind vorliegend die leistungsrechtlichen Vorschriften des SGB II in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung (§ 77 Abs. 12 SGB II). Danach wird das Arbeitslosengeld II unter Wegfall des Zuschlags nach § 24 SGB II in einer ersten Stufe um 10 v.H. der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 20 SGB II maßgebenden Regelleistung abgesenkt, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen einer Aufforderung des zuständigen Trägers, sich bei ihm zu melden oder zu einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu erscheinen, nicht nachkommt und keinen wichtigen Grund für sein Verhalten nachweist (§ 31 Abs. 2 SGB II). Bei wiederholter Pflichtverletzung nach Abs. 2 wird das Arbeitslosengeld II um den Vomhundertsatz gemindert, der sich aus der Summe des in Abs. 2 genannten Vomhundertsatzes und dem der jeweils vorangegangenen Absenkung nach Abs. 2 zu Grunde liegenden Vomhundertsatz ergibt (§ 31 Abs. 3 Satz 3 SGB II i.d.F des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.07.2006 - BGBl I 1706).

Erwerbsfähige Leistungsberechtigte erhalten Arbeitslosengeld II, das den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung umfasst (§ 19 Abs. 1 SGB II). Der Kläger erfüllt die Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 4 SGB II. An seiner Erwerbsfähigkeit i.S.d. § 8 Abs. 1 SGB II bestehen, nach Einholung des Gutachtens von Frau Dr. D. und nach Durchführung des Rentenverfahren vor dem 6. Senat des Bayerischen Landessozialgerichts keine Zweifel. Er ist hilfebedürftig i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. §§ 9, 11, 12 SGB II. Der alleinstehende Kläger verfügte im streitgegenständlichen Zeitraum über kein eigenes Einkommen oder berücksichtigungsfähiges Vermögen.

1.1. Mit Schreiben vom 16.02.2010 wurde der Kläger unter Angabe des Meldezwecks zu einem Gespräch über das Bewerberangebot/seine berufliche Situation zu einer Vorsprache beim Beklagten aufgefordert. Dieses Schreiben stellt eine wirksame Meldeaufforderung dar, von der der Kläger Kenntnis hatte und die ihm verdeutlichte, welches Verhalten von ihm gefordert wurde (vgl. Rixen in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008, § 31 Rn. 26, bzw. S.Knickrehm/Hahn in Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 32 Rn. 12, m.w.N.).

Die Meldeaufforderung enthielt den Zweck, den Zeitpunkt und den Ort der Meldung. Es wurde hinreichend bestimmt dargelegt, welches Verhalten vom Kläger erwartet wird, nämlich ein Gespräch über seine persönliche Bewerbungssituation mit seinem Arbeitsvermittler zu führen, um ihn wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

1.2. Die Meldeaufforderung war auch mit ordnungsgemäßer Rechtsfolgenbelehrung versehen. Die Rechtsfolgenbelehrung muss nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes konkret, richtig und vollständig sein und zeitnah im Zusammenhang mit dem jeweils geforderten Verhalten erfolgen (vgl. die Nachweise in dem Urteil des BSG vom 18.2.2010 - B 14 AS 53/08 R - BSGE 105, 297 = SozR 4-4200 § 31 Nr. 5 Rn. 19). Sie soll dem Hilfebedürftigen in verständlicher Form erläutern, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen sich aus der Weigerung des geforderten Verhaltens ergeben, wenn er keinen wichtigen Grund für sein Verhalten geltend machen kann. Hintergrund dieser strengen Anforderungen ist, dass nur eine verständliche Rechtsfolgenbelehrung den hinter den Sanktionen stehenden Zweck, das Verhalten des Hilfebedürftigen zu steuern, verwirklichen kann (BSG, Urteil vom 09.11.2010, B 4 AS 27/10 R, juris, Rn. 26). In der dem Kläger erteilten Rechtsfolgenbelehrung war nicht die konkrete Höhe der Minderung des Leistungsanspruchs angeführt. Sie enthielt lediglich die Angabe eines Prozentsatzes, um den die ihm zustehende Regelleistung abgesenkt werde. Der Senat sieht diese Angabe als ausreichend an, um den Kläger die unmittelbaren und konkreten Auswirkungen der Sanktion zu verdeutlichen. Es nicht notwendig, dass dem Kläger der konkrete, verbleibende Auszahlungsbetrag oder der einzubehaltende Betrag ausdrücklich genannt wird. Dem Kläger ist es zumutbar eine einfache Rechenoperation durchzuführen und die konkrete Höhe der verbleibenden Leistungen aus den Angaben des Beklagten zu entnehmen.

1.3. Bei der Verpflichtung, einen Meldetermin wahrzunehmen, handelt es sich um eine Obliegenheit des Leistungsberechtigten, die zum einen an die allgemeine Obliegenheit zum persönlichen Erscheinen und zu Untersuchungen (§§ 61f SGB I - Sozialgesetzbuch Erstes Buch) anknüpft, zum anderen an die allgemeine Meldepflicht in § 309 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III), dessen entsprechende Anwendung der Gesetzgeber in § 59 SGB II angeordnet hat und die sich als Ausformung der umfassenden Mitwirkungsobliegenheit des § 2 SGB II über die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten hinaus auch auf Sozialgeldbezieher bezieht. Diese Obliegenheit besteht nur dann, wenn sie für die Entscheidung über die Leistungsgewährung oder über erforderliche Maßnahmen angezeigt beziehungsweise erforderlich ist. (Berlit in Lehr- und Praxiskommentar (LPK) - SGB II, § 32, Rn. 5).

Der Kläger hat gegen diese Obliegenheit verstoßen, da er nicht ordnungsgemäß zum Meldetermin erschienen ist. Ein Meldeversäumnis liegt vor, wenn der Hilfeempfänger sich nicht zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort meldet, der in der Aufforderung genannt ist. Vorliegend sollte sich der Kläger beim Arbeitsvermittler um 9:30 Uhr in einem bestimmten Raum melden. Eine 20-minütige verspätete Vorsprache im Eingangsbereich des Beklagten stellt keine ordnungsgemäße Wahrnehmung des Meldetermins dar, wenn es anschließend nicht zu einer Nachholung des Termins beim Arbeitsvermittler kommt. Hierzu war der Kläger nicht bereit, da er den Termin nicht ohne Zeugen wahrnehmen wollte.

1.4. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes ist wegen der strukturellen Ähnlichkeit des § 31 SGB II a.F. zum Sperrzeittatbestand des § 144 Abs. 1 S. 2 SGB III auch im Rahmen des § 31 Abs. 2 SGB II a.F. die subjektive Vorwerfbarkeit des Verhaltens als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal zu prüfen (BSG, a.a.O., m.w.N.) Der Verstoß gegen die Meldeaufforderung ist dem Kläger subjektiv vorwerfbar. Insbesondere kann er sich nicht auf gesundheitliche Gründe berufen, wonach er nicht dazu in der Lage war, einen Meldetermin ordnungsgemäß wahrzunehmen und sich den Anforderungen an einen normalen zwischenmenschlichen Umgang entsprechend zu verhalten. Dies ergibt sich aus dem Gutachten der Psychiaterin Frau Dr. D ... Der Kläger ist trotz seiner Persönlichkeitsstörung dazu in der Lage, einen Vorsprachetermin ordnungsgemäß wahrzunehmen und sein Verhalten entsprechend zu steuern. Er ist nicht krankheitsbedingt daran gehindert, einen Meldetermin und den damit verbundenen Anforderungen gerecht zu werden. Damit hat der Kläger pflichtwidrig gegen seine Obliegenheit zur Meldung beziehungsweise zum Erscheinen beim Arbeitsvermittler verstoßen.

1.5. Einen wichtigen Grund für das Meldeversäumnis hat der Kläger nicht geltend gemacht. Die Angabe, dass er den Termin nur unter Anwesenheit eines Zeugen wahrnehmen wolle, stellt keinen wichtigen Grund dar. Der Kläger war nicht daran gehindert mit einem Zeugen zu dem Termin zu erscheinen. Aus § 13 Abs. 4 SGB X ergibt sich, dass er jederzeit berechtigt ist, zu einem Vorsprachetermin einen Beistand mitzubringen. Tut er dies nicht, obwohl er rechtzeitig von dem Termin wusste, kann er nicht mit dem Argument gehört werden, den Termin nur mit einem Zeugen wahrzunehmen.

1.6. Die Absenkung der Regelleistung um 80 v.H setzt voraus, dass zuvor eine vorangegangene Pflichtverletzung jeweils mit einem Absenkungsbescheid der niedrigeren Stufe sanktioniert wurde und dieser dem Hilfebedürftigen bekannt gegeben d.h. zugestellt worden ist (BSG, a.a.O., Rn. 19). Dies ergibt sich nicht bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift, aber aus der Systematik sowie dem Sinn und Zweck der Regelung. § 31 SGB II a.F. differenziert danach, ob es sich um eine erstmalige, eine erste wiederholte oder eine weitere wiederholte Pflichtverletzung handelt. Eine Sanktionierung durch Festlegung eines erhöhten Absenkungsbetrages soll nach dem Willen des Gesetzgebers erst dann zur Anwendung kommen, wenn dem Hilfebedürftigen in einem vorangegangenen Absenkungsbescheid die Konsequenzen seines Handelns vor Augen geführt wurde (BSG a.a.O., Rn. 20, Berlit in LPK-SGB II, 3. Aufl. 2009, § 31 Rn. 86). In der ab dem 01.04.2011 geltenden Neuregelung der Meldeversäumnisse ist nunmehr in § 31a Abs. 1 SGB II ausdrücklich geregelt, dass eine wiederholte Pflichtverletzung nur vorliegt, wenn bereits zuvor eine Minderung festgestellt wurde. Diese gesetzliche Regelung stellt nach der amtlichen Begründung keine Rechtsänderung dar, sondern will Rechtsklarheit schaffen (vgl. BT-Drs. 17/3404, Seite 111).

Vorliegend wurde mit bestandskräftigem Bescheid vom 05.02.2010 ein Meldeversäumnis vom 18.01.2010 festgestellt und die Regelleistung des Klägers um 70 v.H. abgesenkt. Diesen Bescheid hat der Kläger spätestens am 09.02.2010 erhalten. Somit stellt das Meldeversäumnis vom 23.02.2010 eine weitere wiederholte Pflichtverletzung dar und führt zu einer Absenkung der Regelleistung um 80 v.H.

Somit hat der Beklagte die Regelleistung mit Bescheid vom 19.05.2010 ordnungsgemäß festgesetzt. Auch einen höheren Anspruch auf Kosten der Unterkunft gemäß § 22 SGB II als die vom Beklagten übernommenen 135 EUR hat der Kläger nicht geltend gemacht. Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, das weitere Kosten angefallen sind. Ebenso wenig sind Ansprüche nach § 23 SGB II a.F. ersichtlich.

2. Die angefochtenen Bescheide vom 14.06.2010 und 16.07.2010 haben ihre Rechtsgrundlage in § 48 SGB X, § 31 Abs. 6 SGB II a.F.

Nach § 48 Abs 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Eintritt vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine solche Änderung ist (mit Wirkung für die Zukunft) eingetreten, da die Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 und 3 SGB II a.F. für eine Absenkung des Arbeitslosengeldes II vorgelegen haben.

2.1. Die Meldeaufforderung vom 11.05.2010 stellt eine wirksame Meldeaufforderung dar, die mit einer ordnungsgemäßen Rechtsfolgenbelehrung versehen war (vgl. oben).

Der Kläger erschien zum Meldetermin nicht und machte nachträglich gesundheitliche Gründe für das Nichterscheinen geltend. Einen Nachweis für seine Krankheit, die zur Unfähigkeit zu dem Meldetermin zu erscheinen geführt haben soll, hat er nicht vorgelegt, obwohl er aufgefordert wurde, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen. Es ist zwar nicht zwingend notwendig, das krankheitsbedingte Nichterscheinen durch eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nachzuweisen (vgl. BSG a.a.O. Rn. 32), da auch andere Nachweismöglichkeiten denkbar sind. Der Kläger hat den geltend gemachten wichtigen Grund jedoch auch in anderer Form nicht nachgewiesen; die bloße Behauptung ist nicht ausreichend. Dem Senat war es auch nicht möglich, weitere Ermittlungen von Amts wegen vorzunehmen, da der Kläger nach eigenen Angaben keinen Arzt aufgesucht hat.
Der Kläger hatte von dem Meldetermin Kenntnis und hätte sich im Vorfeld um eine rechtzeitige Transportmöglichkeit kümmern müssen. Weder der leere Pkw-Tank, noch die Mitfahrgelegenheit erst am Nachmittag können die Annahme eines wichtigen Grundes i.S.v. § 31 SGB II rechtfertigen.

Auch dieses Meldeversäumnis stellt eine wiederholte weitere Pflichtverletzung dar und führt somit zu einer Absenkung der Regelleistung um 90 v.H, da bereits zuvor mit Bescheid vom 07.05.2010 eine Absenkung um 80 v.H der Regelleistung festgestellt worden ist.

2.2. Auch die Meldeaufforderung vom 28.06.2010 stellt eine wirksame Meldeaufforderung dar, die mit einer ordnungsgemäßen Rechtsfolgenbelehrung versehen war (vgl. oben).

Der Kläger erschien zum Meldetermin, verhinderte jedoch durch sein Verhalten, dass der Arbeitsvermittler mit ihm über sein Bewerberangebot und seine berufliche Situation sprechen konnte. Er ist zwar erschienen, legte jedoch lediglich das Einladungsschreiben auf den Schreibtisch des Arbeitsvermittlers und verließ anschließend den Raum ohne ein Gespräch zuzulassen. Der mit der Meldung verfolgte Zweck wurde durch das Verhalten des Klägers nicht erreicht. Dieses vom Kläger bewusst herbeigeführte Nicht-Erreichen des Meldezwecks steht einem nicht wahrgenommenen Meldetermin gleich, da ein Meldetermin nur dann ordnungsgemäß wahrgenommen wird, wenn dessen Zweck erfüllt wird. Der Kläger kann für sein Verhalten keinen wichtigen Grund geltend machen, da er nach den Feststellungen der Psychiaterin Dr. D. dazu in der Lage war den Meldezweck zu erkennen, zu verstehen und sein Verhalten ausreichend zu steuern. Dies wurde durch den persönlichen Eindruck, den der Kläger in der mündlichen Verhandlung auf den Senat gemacht hat, bestätigt.

Auch dieses Meldeversäumnis stellt eine wiederholte weitere Pflichtverletzung dar und führt somit zu einer Absenkung der Regelleistung um 100 v.H, da bereits zuvor mit Bescheid vom 14.06.2010 eine Absenkung um 90 v.H der Regelleistung festgestellt worden war.

3. Die Sanktionsbescheide sind nicht deshalb rechtswidrig, weil nicht zugleich mit der Entscheidung über die Sanktionen eine Entscheidung über die Bewilligung von ergänzenden Sachleistungen oder geldwerten Leistungen nach § 31 Abs. 3 S. 6 SGB II a.F. getroffen wurde. Die Leistungserbringung nach § 31 Abs. 3 S. 6 SGB II steht im Ermessen des Beklagten. Sie erfordert stets eine Einzelfallbetrachtung, da es möglich ist, dass ein Hilfebedürftiger seinen Bedarf im Sanktionszeitraum auf andere Weise decken kann. Mit dem Hinweis in dem Bescheid, dass auf Antrag in angemessenem Umfang ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen - insbesondere in Form von Lebensmittel Gutscheinen - gewährt werden, wurde dem Gesetzeszweck des § 31 Abs. 3 S. 6 SGB II ausreichend Rechnung getragen. Es besteht keine Verpflichtung des Beklagten, zeitgleich mit dem Erlass des Sanktionsbescheides auch über die Erbringung ergänzender Sachleistungen zu entscheiden (vgl. LSG Baden-Württemberg vom 21.06.2012, L 7 AS 4298/11, Rn. 40, m.w.N.).

4. Der Beklagte hat auch verhältnismäßig gehandelt. Die Entscheidung nach § 31 SGB II a.F., den Kläger zu sanktionieren stellt eine gebundene Verwaltungsentscheidung dar. Bei einem Meldeversäumnis ist zwingende Rechtsfolge die Absenkung des Arbeitslosengeldes II um 10 v.H. Eine Ausnahme von dieser Rechtsfolge gilt nur, wenn der Leistungsberechtigte für sein Verhalten einen "wichtigen Grund" geltend machen kann. Das SGB II stellt den Grundsatz des "Förderns und Forderns" in den Vordergrund (§§ 2, 14 SGB II). Der Beklagte soll die Leistungsempfänger in Arbeit vermitteln und sie entsprechend fördern. Hieraus ergibt sich, dass es, solange ein Gespräch mit dem Arbeitsvermittler nicht zu Stande gekommen ist, nicht unverhältnismäßig ist, wenn der Kläger immer wieder aufgefordert wird, an einem Vermittlungsgespräch mitzuwirken, um das Ziel, den Kläger in Arbeit zu vermitteln, zu erreichen. Der Senat kann noch keine unverhältnismäßig hohe Einladungsdichte erkennen.

5. Der Senat hat außerdem keine verfassungsrechtlichen Bedenken dahingehend, dass § 31 SGB II a.F. gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums, das aus Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG (Sozialstaatsprinzip) hergeleitet wird, verstößt. Diese ergeben sich auch nicht mit Rücksicht auf die Ausführungen des BVerfG in seinem Urteil vom 09.02.2010 zum grundrechtlich gewährleisteten Existenzminimum (BVerfGE 125, 175). Dem Grundgesetz ist nämlich kein Normbefehl auf Gewährung von voraussetzungslosen steuerfinanzierten Staatsleistungen zu entnehmen (BVerfG, Beschluss vom 07.07.2010, 1 BvR 2556/09, SozR 4-4200 § 11 Nr. 33, S.Knickrehm/Hahn, Eicher, SGB II, 3. Aufl. 2013, § 31 Rn. 7).
Auch steht das verfassungsrechtlich gesicherte Existenzminimum einem abgestuften Sanktionssystem mit Leistungsabsenkung bei bestimmten Pflichtverletzungen nicht entgegen. Durch den Verweis auf den alternativen Bezug von ergänzenden Sachleistungen bleibt das verfassungsrechtlich verbürgte physische Existenzminimum gewahrt (so Valgolio in: Hauck/Noftz, SGB II K § 31, Rn. 39). Gesichert muss lediglich sein, dass die grundgesetzlich geschützten Grundbedürfnisse befriedigt werden können. Wohnungslosigkeit, mangelnde Gesundheitsvorsorge und soziale Isolierung müssen verhindert werden.

Dem Kläger wurden im streitigen Zeitraum stets ergänzende Sachleistungen gewährt. Dem Gesetzgeber steht es frei, in welcher Art und Weise er das Existenzminimum sichert. Dies kann durch das Bereitstellen von Geldleistungen geschehen, es ist aber auch möglich, Sachleistungen in Form von Gutscheinen wie im Fall des Klägers während der Sanktionen geschehen, zu erbringen. Das Existenzminimum wird dann durch eine Kombination von Sach- und Geldleistungen gesichert. Nach § 31 Abs. 3 S. 6 SGB II a.F. steht es im Ermessen des Beklagten, bei einer Minderung des Arbeitslosengeldes II um mehr als
30 v.H. in angemessenem Umfang ergänzend Sachleistungen oder geldwerte Leistungen zu erbringen (BT-Drs. 15/1516, S. 61). Wie hoch im konkreten Einzelfall diese ergänzenden Sachleistungen sind, hängt vom Umfang und Dauer der Sanktionen ab. Je höher die Sanktion ist und je länger sie andauert, desto bedeutender wird auch die Gewährung von Sachleistungen in Form von Gutscheinen sein. Der Beklagte muss bei weitreichenden Sanktionen wie vorliegend stets berücksichtigen, dass er verpflichtet ist, dem Kläger ein menschenwürdiges Existenzminimum zu sichern. Dies kann er vor dem Hintergrund des Grundrechtes auf Gewährung des menschenwürdigen Existenzminimums nur erreichen, indem er bei weitreichenden Sanktionen besonders sorgfältig prüft, in welcher Höhe und in welcher Form die ergänzenden Sachleistungen nach § 31 Abs. 3 S. 6 SGB II a.F. zu gewähren sind. Hierbei wird er sich nicht auf die Gewährung von Lebensmittelgutscheinen beschränken können, sondern wird entsprechend seiner Pflicht, das menschenwürdige Existenzminimum zu sichern, gegebenenfalls weitere Sachleistungen gewähren. Ob die vom Beklagten gewährten Sachleistungen in ausreichender Höhe ausgereicht wurden, ist nicht Streitgegenstand dieses Verfahrens.

Da der Kläger im streitigen Zeitraum stets Sachleistungen erhalten hat, war auch sein Kranken- und Pflegeversicherungsschutz gewährleistet.

Soweit der Kläger geltend macht, dass die Sanktionen auch die Leistungen für die Kosten der Unterkunft betroffen haben, ist dies nicht zutreffend.

Aus diesen Gründen sind die Berufungen zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG), liegen nicht vor, da die maßgeblichen Rechtsvorschriften zwischenzeitlich aufgehoben wurden.
Rechtskraft
Aus
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