L 14 RA 103/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 12 RA 488/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 RA 103/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 10. Dezember 2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Die 1961 geborene Klägerin durchlief nach einer Tätigkeit als gelernte Erzieherin von 1989 bis 1994 eine Ausbildung zur Diplom-Sozialpädagogin (FH) und war anschließend in diesem Beruf tätig. Ab 28.10.1996 bestand Arbeitsunfähigkeit wegen einer in der Symptomatik seit 1993 bekannten Fibromyalgie, ab 21.04. 1998 bezog die Klägerin Arbeitslosengeld.

Nach einem Heilverfahren in Bad F. im Zeitraum vom 20.01.1998 bis 17.02.1998 (Entlassungsdiagnosen: Fibromyalgie, fehlstatisches Wirbelsäulensyndrom bei doppelkurviger thorakaler Krümmung, allgemeine Gelenklaxizität bei konstitutioneller Bindegewebsschwäche, HWS-Syndrom bei monosegmentärer Instabilität C4/5; sozialmedizinische Leistungsbeurteilung: Tätigkeit als Diplom-Sozialpädagogin vollschichtig, ebenso wie leichte körperliche Arbeiten ohne schweres Heben und Tragen, ohne häufiges Bücken und ohne längere einseitige Zwangshaltungen vollschichtig) stellte die Klägerin am 05.06.1998 wegen Fibromyalgie Rentenantrag. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 28.10.1998 ab mit der Begründung, es bestehe ein Hypermobilitätssyndrom, das einer gezielten und konsequenten muskelkräftigenden Übungsbehandlung zugänglich und besserungsfähig sei, sowie Verdacht auf Fibromyalgie ohne nennenswerte funktionelle Beeinträchtigung im Erwerbsleben; die Klägerin sei trotz dieser Befunde noch in der Lage, in ihrem bisherigen Berufsbereich sowie auf dem allgemeinen Arbeitsfeld vollschichtig tätig zu sein. Grundlage hierfür war ein orthopädisches Gutachten des Dr. R. , der die Diagnosen "Verdacht auf generalisierte Fibro-myalgie, systemische Hypermobilität bei konstitutioneller Bindegewebsschwäche" erhoben und die Klägerin in ihrer Tätigkeit als Erzieherin bzw. für leichte bis mittelschwere Arbeiten abwechselnd im Gehen, Stehen und Sitzen für vollschichtig arbeitsfähig gehalten hatte (Gutachten vom 01.10.1998).

Mit ihrem Widerspruch rügte die Klägerin mangelnde Kenntnisse des Gutachters über das Krankheitsbild der Fibromyalgie und gab an, einer vollschichtigen Arbeit wegen Schmerzen in allen Körperbereichen nicht mehr nachgehen zu können. Die Beklagte zog die medizinischen Unterlagen des MDK in Bayern bei (sozialmedizinisches Gutachten vom 14.08.1997, Diagnose: Fibromyalgie, mit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit in absehbarer Zeit sei nicht zu rechnen; Liste der bei der DAK gemeldeten Arbeitsunfähigkeitszeiten und Diagnosen 1996/97; ärztliches Attest des behandelnden Arztes Dr.W. vom 04.12.1997 im Rahmen eines Antrags auf medizinische Rehabilitation, in dem von einer erheblichen, das Krankheitsbild mittragenden psychosomatischen Komponente die Rede war). Nach Prüfung der Unterlagen durch den ärztlichen Dienst wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 07.04.1999 zurück.

Mit ihrer Klage vor dem Sozialgericht (SG) verfolgte die Klägerin ihr Begehren weiter und legte eine Anzahl ärztlicher Unterlagen über Behandlungen in den Jahren 1993 bis 1996 vor.

Das SG zog Befundberichte der behandelnden Ärzte Dr.N. , Dr.B. , ärztliche Unterlagen des behandelnden Arztes Dr.W. sowie des Arbeitsamts Ingolstadt, ferner eine Auskunft des letzten Arbeitgebers (Tätigkeit bei der Inneren Mission im Stadtteilbüro M.: 80 % im Sitzen, ständiger Geräuschpegel durch Kommen und Gehen von Besuchern, Wochenend- und Abendveranstaltungen bis 20.00 Uhr) bei. Es ließ die Klägerin sodann durch den Neurologen Dr.M. , den Orthopäden Dr.B. und anschließend auf ihren Antrag gem. § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch den Orthopäden Dr.L. untersuchen und begutachten.

Dr.M. erhob auf neurologischem Gebiet einen durchwegs regelrechten Neurostatus und unauffällige Befunde im Rahmen elektrophysiologischer Zusatzdiagnostik, konnte eine mögliche reaktive depressive Symptomatik jedoch nicht ausschließen. Er diagnostizierte ein Fibromyalgie-Syndrom sowie eine leichte schmerzreaktive depressive Verstimmung und ging in der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung unter Berücksichtigung eines kranheitstypisch schwankenden Beschwerdebildes aus neurologischer Sicht von einem vollschichtigen Leistungsvermögen für leichte Arbeiten in häufig wechselnder Arbeitsposition, vorwiegend in geschlossenen Räumen, ohne besonderen Zeitdruck und ohne wirbelsäulenbelastendes Heben und Tragen von Lasten sowie ohne klimatische Schwankungen aus. Lediglich Ausdauer, Leistungsmotivation und nervliche Belastbarkeit der Klägerin hielt er schmerzbedingt für (etwas) eingeschränkt und empfahl - angesichts früherer gewisser Therapieerfolge von naturheilkundlich orientierten Behandlungskonzepten und nicht ausgeschöpfter gängiger spezieller Schmerztherapien - ein Heilverfahren in einer auf Fibromyalgie spezialisierten Fachklinik sowie eine ergänzende Begutachtung auf rheumatologisch-internistischem Fachgebiet zur Klarheit, da er lediglich aus neurologischer Sicht das chronische Schmerzsyndrom und dessen sozialmedizinische Auswirkungen bewertet habe. Der Gutachter verwies in diesem Zusammenhang auch darauf, dass auch psychosomatische und verhaltenstherapeutische Ansätze bislang keine Anwendung gefunden hätten (Gutachten vom 06.11.2000).

Der Orthopäde Dr.B. stellte in seinem Gutachten vom 10.01.2001 das Vorliegen einer Fibromyalgie, eines zeitweilig fehlstatischen Wirbelsäulensyndroms bei Skoliose mit mehr muskulärem Cervikal-Thorakal-Lumbalsyndrom sowie eine Bindegewebsschwäche fest. Die Klägerin hatte bei der Untersuchung über starke ständige Kopfschmerzen, Schmerzen in Rücken, Bauch, Beinen, Armen, Händen, Knien, Oberschenkeln und bei längerem Gehen in den Fußgelenken geklagt, ferner über Herzschmerzen, häufige Durchfälle, Nahrungsmittelallergie, Schlafstörungen und Schwierigkeiten bei der Versorgung ihres Haushaltes. Nach den Ausführungen des Gutachters konnte ein echter Gelenkrheumatismus oder eine chronische rheumatische Polyarthritis angesichts des Fehlens jeglicher Entzündungszeichen und negativer Rheumatests etc. ausgeschlossen werden. Nennenswerte Funktionsbehinderungen aufgrund der erhobenen Diagnosen fand er nicht, auch fehlten nach seinen Darlegungen u.a. Auswirkungen eines übergeordneten Krankheitsbildes der HWS. Leichte körperliche Tätigkeiten im üblichen Tagesablauf waren nach seiner Auffassung sowohl von Seiten der oberen und unteren Gliedmaßen wie von Seiten der Wirbelsäule möglich, wobei er dies weniger aus objektiven Befunden als aus dem Beschwerdebild ableitete. Für nicht mehr zumutbar hielt der Gutachter schwere und mittelschwere Arbeiten im dauernden Gehen und Stehen, mit Zwangshaltungen, unter Zeitdruck, mit Heben von Lasten und im Bücken. Anmarschwege zur Arbeit sah er nicht in rentenrechtlich relevantem Umfang eingeschränkt, die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel ebenso wie eines privaten Pkw hielt er für möglich. Heilmaßnahmen hielt er nicht für erfolgversprechend.

Zu einem anderen Ergebnis kam der von der Klägerin benannte Gutachter Dr.L. in seinem Gutachten vom 21.05.2001, der nach ausführlicher Erhebung des Beschwerdebildes, eines klinischen Untersuchungsbefundes, insbesondere der Druckschmerzhaftigkeit bei Palpation der Wirbelsäulen- und Gelenkabschnitte sowie der Weichteile und nach allgemeiner, ausführlicher Erörterung des Krankheitsbildes der Fibromyalgie ein generalisiertes Fibromyalgie-Syndrom diagnostizierte, das zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin in ihrer Tätigkeit als Sozialpädagogin sowie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt führe. Nach den Ausführungen des Gutachters dazu waren die Angaben der Klägerin über erhebliche körperliche und geistige Leistungseinschränkungen und fehlende Spannkraft wegen mangelhaftem Nachtschlaf trotz freier Beweglichkeit aller Gelenke und ausreichender Kraftentfaltung bei der körperlichen Untersuchung glaubhaft. Er hielt nurmehr leichte Tätigkeiten etwa zwei Stunden bis unterhalbschichtig für möglich, ohne ausschließliches Gehen, Stehen oder Sitzen, ohne Zwangshaltungen, Zeitdruck, Akkord, Fließbandarbeiten, Wechsel- und Nachtschicht, ohne Heben und Tragen von Lasten, Bücken, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten und an laufenden Maschinen, schließlich ohne Einwirkungen von extremer Kälte, Zugluft, Nässe und Lärm. Um der Muskulatur eine Erholungspause zu gönnen, seien zusätzliche Arbeitspausen von 15 Minuten etwa alle 15 bis 30 Minuten angezeigt. Die Anforderungen an das Verantwortungsbewußtsein, die Ausdauer, die nervliche Belastbarkeit, das Konzentrations- und Reaktionsvermögen seien deutlich herabgesetzt, längere Fahrzeiten mit dem eigenen Pkw seien nicht mehr zumutbar. Die Aussicht auf Besserung in absehbarer Zeit bei entsprechenden Heilmaßnahmen wurde bejaht, weitere fachärztliche Gutachten nicht für erforderlich gehalten.

Auf Anregung der Beklagten holte das SG eine ergänzende Stellungnahme des Gutachters Dr.M. zu den Ausführungen des Dr.L. ein. Der Sachverständige blieb auch in Kenntnis des Gutachtens Dr.L. bei seiner Einschätzung eines vollschichtigen Leistungsvermögens für leichte Arbeiten aus neurologischer Sicht, die er auf orthopädischem Gebiet durch Dr.B. bestätigt sah. Er verwies darauf, dass Dr.L. eine stichhaltige Begründung für die getroffenen Leistungseinschränkungen schuldig bleibe und seine gegenüber den früheren Gutachten weitergehenden Einschränkungen im wesentlichen mit der Glaubhaftigkeit der Beschwerdeschilderung und dem typischen Krankheitsbild begründe. (Stellungnahme vom 12.09.2001)

Das SG wies die Klage mit Urteil vom 10.12.2001 ab. Es stützte sich im wesentlichen auf die Gutachten Dr.B. und Dr.M. nebst dessen Zusatzstellungnahme vom 12.09.2001 und stellte fest, die Klägerin könne noch vollschichtige Tätigkeiten mit gewissen qualitativen Leistungseinschränkungen, auch die zuletzt ausgeübte Tätigkeit einer Sozialpädagogin, verrichten. Die Ausführungen des Dr. L. in seiner sozialmedizinischen Beurteilung überzeugten dagegen nicht. Im Übrigen führten Phasen mit verstärkten Beschwerden zu vorübergehenden Arbeitsunfähigkeitszeiten; nur in seltenen Ausnahmefällen würde nach der Rechtsprechung des BSG bei häufigen Zeiten der Arbeitsunfähigkeit eine Erwerbsunfähigkeit angenommen (BSG SozR 3 - 2200 § 1247 Nr.14: vorhersehbar ein bis zwei Tage Arbeitsunfähigkeit pro Woche).

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit der Berufung. Sie verweist auf die Feststellungen im Gutachten des Dr.L. und gibt an, ihre Arbeitskraft nicht mehr in wirtschaftlich relevanter Weise einsetzen zu können. Sie sei immer wieder längeren Krankheitsschüben von mehr als den vom Erstgericht genannten ein bis zwei Tagen pro Woche ausgesetzt.

Der Senat holte aktuelle Befundberichte der behandelnden Ärzte Dr.W. (05.09.2002), Dr.L. (22.10.2002), Dr.W. (28.10.2002), Dr.S. (05.11.2002) und Dr. von K. (05.12.2002) ein. Letzterer bestätigte weiterhin unauffällige körperliche Untersuchungsbefunde mit Ausnahme der Fibromyalgiepunkte an den typischen Stellen.

Der Senat ließ die Klägerin auf neurologisch-psychatrischem Fachgebiet durch Dr.M. untersuchen und begutachten. Dieser erhob in seinem Gutachten vom 30.04.2003 aufgrund seiner Untersuchung (wie die Vorgutachter) einen regelrechten neurologischen Status sowie einen regelrechten psychischen Befund, allerdings aufgrund der anamnestischen Angaben mit Hinweisen für traumatische Erlebnisse in der Kindheit und auch während der Betreuung der Mutter in den letzten Tagen vor deren Ableben 1986 nach einem Krebsleiden. Er diagnostizierte eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung und ordnete die auch bei seiner Untersuchung allein im Vordergrund stehende fluktuierende Schmerzsymptomatik bei fehlenden Hinweisen für ein depressives Erleben von Krankheitswert dieser Schmerzstörung zu. Der Gutachter, der hinsichtlich der Ausführungen des Dr.L. der dazu erfolgten ergänzenden Stellungnahme des Dr.M. zustimmte, verwies darauf, dass in derartigen Fällen häufig auch die Kriterien für ein Fibromyalgie-Syndrom erfüllt seien, insbesondere dann, wenn die Untersuchung federführend von internistischer oder orthopädischer Seite durchgeführt werde. Unabhängig von der Diagnosestellung einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung bzw. eines Fibromyalgie-Syndroms, beides seit Antragsstellung im Juni 1998 in unveränderter Form bestehend, hielt Dr.M. aufgrund der Ausprägung der Schmerzsymptomatik mit einem insgesamt fluktuierenden Verlauf noch leichte Arbeiten in wechselnder Ausgangsposition vollschichtig (8 Stunden täglich) für zumutbar, auch die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Diplom-Sozialpädagogin. Lediglich gefahrgeneigte Tätigkeiten, Arbeiten in Akkord- oder Wechselschicht und unter Kälte-, Nässe- oder Staubeinflüssen seien zu vermeiden. Es sei der Klägerin zumutbar, aus eigener willentlicher Anstrengung den bestehenden Zustand zu überwinden.

Der Gutachter, der die Umstellungsfähigkeit der Klägerin auf andere Erwerbstätigkeiten und die Aussicht auf Besserung des Gesundheitszustandes bei Öffnung gegenüber den bekannten schmerztherapeutischen Maßnahmen bejahte, hielt die Hinzuziehung weiterer Gutachten nicht für erforderlich.

Die Klägerin hat sich zu diesem Gutachten nicht mehr geäußert.

Sie beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 10.12.2001 sowie des Bescheides vom 28.10.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.04.1999 zu verurteilen, der Klägerin entsprechend ihrem Antrag Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfweise Berufsunfähigkeit, zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie auf die beigezogenen Rentenakten der Beklagten und die Heilverfahrensakten der Klägerin Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), erweist sich aber nicht als begründet.

Zu Recht hat das Erstgericht die Klage abgewiesen. Die Klägerin ist nicht erwerbs- oder hilfweise berufsunfähig im Sinne der §§ 43, 44 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der hier noch anzuwendenden Fassung vor dem 01.01.2001. Danach sind berufsunfähig Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs.2 Sätze 1, 2 und 4 SGB VI in der vor dem 01.01.2001 gültigen Fassung).

Erwerbsunfähig sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das monatlich 630,00 DM übersteigt (§ 44 Abs.2 Satz 1 SGB VI in der vor dem 01.01.2001 geltenden Fassung).

Diese Voraussetzungen liegen bei der Klägerin nicht vor. Ebenso liegen die Voraussetzungen des § 43 Abs.1 und 2 in der seit 01.01.2001 gültigen Fassung (Rente wegen teilweiser oder wegen voller Erwerbsminderung) noch nicht vor.

Danach sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Behindungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs.1 Satz 2 SGB VI n.F.). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Behindungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs.2 Satz 2 SGB VI n.F.).

Die Klägerin kann auch nach der Überzeugung des Senats, die sich auf die erstinstanzlichen Ermittlungen sowie auch auf die erneute Beweisaufnahme in zweiter Instanz stützt, weiterhin in ihrem bisherigen Berufsbereich wie auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig tätig sein. Ihre Erwerbsfähigkeit ist zwar ohne Zweifel beeinträchtigt, doch nicht in einem für sie rentenrechtlich relevanten Umfang.

Nach den Feststellungen des vom Senat beauftragten Gutachters Dr.M. liegt bei ihr eine auch die Kriterien einer Fibromyalgie erfüllende anhaltende somatoforme Schmerzstörung mit erheblichen körperlichen und psychosozialen Beeinträchtigungen vor, die ihre berufliche Leistungsfähigkeit zwar einschränkt, aber doch noch leichte körperliche Arbeiten mit gewissen qualitativen Einschränkungen zulässt. Es handelt sich bei dieser somatoformen Störung um eine den neurotischen Störungen entsprechend der internationalen Klassifikation von Erkrankungen zuzuordnendes Störungsbild (ICD 10), das durch das Auftreten verschiedener körperlicher Symptome in Form von diffusen, einem raschen Wandel unterliegenden, nach kurzer Belastung auftretenden anhaltenden Schmerzen in bestimmten Körperteilen gekennzeichnet ist. Nach den Ausführungen des Gutachters finden sich in der Entwicklungsgeschichte vieler Patienten - wie auch bei der Klägerin - gehäuft traumatische Erlebnisse oder schwierige Lebensbedingungen; es wird vermutet, dass Veränderungen der eigenen Körperwahrnehmung und Akzeptanz, aber auch persönliche Einstellungen zu den Körperfunktionen und der eigenen Leistungsfähigkeit wichtige Verbindungsstücke zwischen den traumatischen und belastenden Ereignissen einerseits und der Entstehung der somatoformen Symptomatik andererseits darstellen.

Die Ausführungen des Sachverständigen zum Hintergrund der somatoformen Schmerzstörung bei der Klägerin erscheinen vollständig nachvollziehbar und überzeugend, auch wenn sich die Klägerin selbst aufgrund ihrer Fixierung auf ein rein somatisches Krankheitskonzept bisher einer psychodynamischen Genese ihrer Schmerzsymptomatik verschließt. Der Senat schließt sich daher der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung des Dr.M. an. Diese steht letztlich auch in Einklang mit den schlüssigen Darlegungen der in erster Instanz gehörten Gutachter Dr. M. und Dr.B. , die entsprechend der durch eine Vielzahl von ärztlichen Behandlungsberichten dokumentierten Befundlage vom Vorliegen eines Fibromyalgiesyndroms ausgingen und die Auswirkungen der damit verbundenen chronischen Schmerzen dahin beurteilten, dass die Klägerin jedenfalls noch leichte körperliche Arbeiten in wechselnder Körperposition - so auch ihre letzte Tätigkeit - unter gewissen weiteren Bedingungen verrichten könne. Auch Dr.M. stellt das Vorliegen der Kriterien einer Fibromyalgie nicht in Frage. Dabei handelt es sich um ein noch ungeklärtes Krankheitsbild, das infolge der damit verbundenen Beschwerden das internistisch-rheumatologische, das orthopädische und das neurologisch-psychiatrische Fachgebiet berührt und bei dem ein primär somatisches Krankheitsbild noch umstritten ist. Ein Minimalskonsens besteht nach heutiger medizinischer Auffassung insofern, als es für die Diagnosestellung objektivierbare Befunde nicht gibt. (Labormäßige Parameter wie Erhöhung der Substanz P und eine Veränderung des Serotonin-Spiegels finden sich laut Dr.L. auch bei anderen Erkrankungen mit chronischen Schmerzen). Für die sozialmedizinisches Beurteilung der Leistungsfähigkeit ist nach objektivierbaren und nachvollziehbaren somatischen und psychischen Symptomen zu suchen, welche die Leistungsfähigkeit vermindern; keinesfalls darf sich die Beurteilung allein auf die Beschwerdeschilderung des Betroffenen stützen.

Aus diesen Erwägungen schließt sich der Senat - ebenso wie das Erstgericht - nicht den Ausführungen des Gutachters Dr.L. in seinem Gutachten vom 21.05.2001 an. Nach der Feststellung eines regelrechten orthopädischen Befundes und fehlender sonstiger "harter" Untersuchungsbefunde (u.a. gute Gelenkbeweglichkeit, keinerlei auf rheumatische Erkrankungen hinweisende Entzündungszeichen oder Laborparameter), ordnet er die bei der Untersuchung der Klägerin gefundenen typischen Schmerzpunkte und den Verlauf der Schmerzerkrankungen einem generalisierten Fibromyalgie-Syndrom zu und schließt ohne genaue Darlegung von Funktionseinschränkungen aufgrund der "glaubhaften" erheblichen Schmerzsymptomatik und der Beschwerden der Klägerin auf deutliche zeitliche und qualitative Leistungseinschränkungen auch für leichte körperliche Arbeiten, einschließlich der Notwendigkeit regelmäßiger Pausen bereits nach 15 - 30 Minuten Muskeltätigkeit. Dies erscheint auch dem Senat so nicht nachvollziehbar.

Es erschließt sich nicht, warum auch bei leichteren körperlichen Arbeiten mit der Möglichkeit zum Wechsel der Körperposition bei zumutbarer Willensanspannung nur eine Tätigkeit von zwei bis vier Stunden täglich möglich sein sollte. Eine stichhaltige Begründung für die betroffene Einschränkung im gesamten streitigen Zeitraum seit Antragsstellung bleibt Dr.L. - wie Dr.M. in seiner Stellungnahme vom 19.09.2001 feststellte, der sich auch Dr.M. im Berufungsverfahren anschloss - schuldig.

Da nach alledem noch von einer vollschichtigen Leistungsfähigkeit der Klägerin für leichtere körperliche Arbeiten auszugehen ist, konnte die Berufung keinen Erfolg haben. Sie war mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.

Der Senat konnte gem. § 124 Abs.2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem beide Beteiligten ihr Einverständnis dazu erklärt haben.
Rechtskraft
Aus
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