S 29 R 575/10

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
29
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 29 R 575/10
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

In Streit steht die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung des Klägers als Bevollmächtigter im Statusfeststellungsverfahren.

Der Kläger ist Steuerberater. Er trat im Statusfeststellungsverfahren gemäß § 7a Sozialgesetzbuch Viertes Buch – SGB IV – als Vertreter eines Dentaltechniklabors auf. Das Statusfeststellungsverfahren wurde mit Widerspruchsbescheid vom 12.01.2010 beendet. Ein sich daran anschließender Rechtsstreit vor dem Sozialgericht Düsseldorf ist zwischenzeitlich ebenfalls beendet.

Mit Bescheid vom 20.08.2009 wies die Beklagte den Kläger als Bevollmächtigten gemäß § 13 Abs. 5 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – SGB X – zurück. Bei seiner Tätigkeit in der versicherungsrechtlichen Angelegenheit seines Mandanten handele es sich um die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten. Hierzu sei er nicht befugt, weil die geschäftsmäßige Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten eine Erlaubnis gemäß § 10 Abs. 1 des Rechtsdienstleistungsgesetzes – RDG – voraussetze. Die Besorgung der sozialversicherungsrechtlichen Angelegenheiten des Mandanten im Rahmen des Statusfeststellungsverfahrens sei auch keine Nebenleistung gemäß § 5 Abs. 1 RDG, die zum Berufsbild oder Tätigkeitsbild des Steuerberaters gehöre.

Hiergegen legte der Kläger am 14.09.2009 Widerspruch ein. Die Durchführung eines Statusfeststellungsverfahrens nach § 7a SGB IV durch einen Steuerberater als Vertreter sei keine erlaubnispflichtige Rechtsdienstleistung. Die Durchführung eines etwaigen Widerspruchsverfahrens gegen den Statusfeststellungsbescheid sei grundsätzlich als Nebenleistung nach § 5 Abs. 1 RDG anzusehen und damit zulässig.

Das Mandatsverhältnis wurde nach der Zurückweisung durch die Beklagte für das weitere Verfahren beendet.

Am 21.12.2009 erhob der Kläger Untätigkeitsklage. Sodann wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12.01.2010 zurück.

Der Kläger stellte die Untätigkeitsklage zunächst in eine Anfechtungsklage und in der mündlichen Verhandlung in eine Fortsetzungsfeststellungsklage um. Die zu Beginn stattfindende Antragstellung und das Anhörungsverfahren seien keine Rechtsdienstleistungen. Eine Rechtsdienstleistung sei erst bei dem sich dem Statusfeststellungsverfahren unter Umständen anschließenden Widerspruchsverfahren gegeben. Nur dann müsse ein sachlicher Zusammenhang zwischen Haupt- und Nebenleistung vorliegen. Dies sei vorliegend der Fall.

Der Kläger beantragt,

festzustellen, dass der Bescheid vom 20.08.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.01.2010 rechtswidrig ist und der Kläger als Bevollmächtigter der Firma XXX und XXX GmbH gemäß § 13 Abs. 5 SGB X für das Anfrageverfahren nach § 7a SGB IV tätig werden durfte.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und die den Kläger betreffende Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig.

Richtige Klageart ist die Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 131 Abs. 1 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz – SGG – , denn der Verwaltungsakt, mit welchem der Kläger als Bevollmächtigter zurückgewiesen wurde, hat sich zwischenzeitlich aufgrund der Beendigung des Mandatsverhältnisses zur PH XXXX und XXXX GmbH gemäß § 39 Abs. 2 SGB X erledigt. Der Kläger ist seit seiner Zurückweisung als Bevollmächtiger durch die Beklagte nicht mehr im Statusfeststellungsverfahren für die PH XXXX und XXXX GmbH tätig geworden. Dass der Kläger die ursprünglich erhobene Untätigkeitsklage zunächst in eine Anfechtungsklage umgedeutet hat, begegnet keinen Bedenken, da er jedenfalls in der mündlichen Verhandlung den richtigen Antrag auf Feststellung gestellt hat und die Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine Anfechtungsklage und damit auch für eine Fortsetzungsfeststellungsklage vorgelegen haben (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 9. Auflage 2008, § 131 Rn. 7b ff.).

Der Kläger hat auch ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides, da eine Wiederholungsgefahr besteht. Denn die Frage, ob er als Bevollmächtigter in Statusfeststellungsverfahren gemäß § 7a SGB IV tätig werden darf, stellt sich bei jedem weiteren Statusfeststellungsverfahren potentieller Mandanten des Klägers erneut.

Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Bescheid vom 20.08.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.01.2010 ist rechtmäßig. Der Kläger durfte nicht als Bevollmächtigter der Firma PH XXXX und XXXX GmbH gemäß § 13 Abs. 5 SGB X für das Anfrageverfahren nach § 7a SGB IV tätig werden.

Gemäß § 13 Abs. 5 SGB X sind Bevollmächtigte und Beistände zurückzuweisen, wenn sie entgegen § 3 des Rechtsdienstleistungsgesetzes Rechtsdienstleistungen erbringen.

Gemäß § 3 RDG ist die selbständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen nur in dem Umfang zulässig, in dem sie durch das Rechtsdienstleistungsgesetz oder durch oder aufgrund anderer Gesetze erlaubt wird. Entgegen der Ansicht des Klägers handelt es sich bei der Durchführung eines Statusfeststellungsverfahrens nach § 7a SGB IV durch einen Steuerberater als Vertreter um eine Rechtsdienstleistung im Sinne des Rechtsdienstleistungsgesetzes, so dass dieses anwendbar ist. Eine Rechtsdienstleistung liegt gemäß § 2 Abs. 1 RDG bei jeder Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten vor, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert. Eine solche rechtliche Einzelfallprüfung hat nach Ansicht der Kammer bereits bei der Frage, ob überhaupt ein Statusfeststellungsverfahren eingeleitet werden soll, zu erfolgen. Eine rechtliche Prüfung der Verhältnisse ist nicht erst im Widerspruchsverfahren, sondern bereits vorher unabdingbar. Der Bevollmächtigte muss die rechtlichen Zusammenhänge durchschauen und darauf hinwirken, dass die Anträge richtig ausgefüllt und die für die Entscheidung über den Antrag erforderlichen Unterlagen vollständig eingereicht werden. Er muss vorab die Konsequenzen aus der jeweiligen Beurteilung erfassen und richtig bewerten und sodann bei einer Anhörung vor Erlass des entsprechenden Bescheides nachprüfen können, ob die von der Beklagten beabsichtigte Statusentscheidung der materiellen Rechtslage entspricht (vgl. hierzu auch SG Aachen, Urteil vom 27.11.2009, Az.: S 6 R 217/08; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23.02.2011, Az.: L 8 R 319/10).

Da mithin der Anwendungsbereich des Rechtsdienstleistungsgesetzes eröffnet ist und sich der Kläger nicht auf eine entsprechende Erlaubnis zur Erbringung von Rechtsdienstleistungen im Sinne des Rechtsdienstleistungsgesetzes berufen kann, war zu prüfen, ob dessen Tätigkeit gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 RDG erlaubt ist. Hiernach sind Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit nur dann erlaubt, wenn sie als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehören. Das Tätigwerden im Statusfeststellungsverfahren gehört nach Überzeugung der Kammer indes nicht zum Berufs- oder Tätigkeitsbild eines Steuerberaters.

Die Reichweite der im Rahmen einer anderen beruflichen Tätigkeit zulässigen Rechtsdienstleistung wird ausweislich der Begründung zu § 5 Abs. 1 RDG im Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsgesetzes durch das prägende Tatbestandsmerkmal "Nebenleistung" ganz maßgeblich begrenzt: Im Vordergrund der beruflichen Tätigkeit muss die allgemeine, nicht rechtliche (bei Steuerberatern: spezifisch steuerrechtliche) Dienstleistung stehen. Entscheidend ist, ob die Rechtsdienstleistung innerhalb der Gesamtleistung ein solches Gewicht hat, dass für sie die volle Kompetenz eines Rechtsanwalts oder die besondere Sachkunde einer registrierten Person erforderlich ist (vgl. BT-Drs. 16/3655, S. 52). Die Statusfrage setzt vertiefte Kenntnisse des materiellen Sozialrechts voraus, da sich aus der Beurteilung des Status weitreichende Konsequenzen auf sämtlichen Gebieten der Sozialversicherung ergeben. So führt beispielsweise die Feststellung einer selbständigen Tätigkeit nicht zwangsläufig zu einem Wegfall der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht. Es gibt vielmehr im Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – SGB VI – weitere Regelungen, aufgrund derer auch beim Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit Versicherungspflicht besteht. Um diese Konsequenzen überblicken zu können und gegebenenfalls die richtigen Schritte einzuleiten, bedarf es vertiefter sozialrechtlicher Kenntnisse. Diese wiederum sind in der Person eines Steuerberaters nach Auffassung der Kammer nicht vorhanden. Insbesondere teilt die Kammer nicht die Auffassung des Klägers, dass er vertiefte Kenntnisse im Sozialrecht hat, weil dieses auch Gegenstand der Steuerberaterprüfung sei. Diese Kenntnisse beziehen sich ausweislich der eigenen Ausführungen des Klägers insbesondere auf Lohnabrechnungen und Betriebsprüfungen, weshalb der Gesetzgeber in § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 SGG auch ausdrücklich geregelt hat, dass Steuerberater in Betriebsprüfungsfällen vertretungsberechtigt sind.

Auch systematische Erwägungen sowie Sinn und Zweck der Norm sprechen für einen Ausschluss von Steuerberatern als Vertreter in Statusfeststellungsverfahren. Die Kammer schließt sich vollumfänglich den überzeugenden Ausführungen der 6. Kammer des Sozialgerichts Aachen im Urteil vom 27.11.2009 (aaO.) an.

Auch die hiesige Kammer kann in Übereinstimmung mit dem Sozialgericht Aachen und dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (Urteile aaO.) eine planwidrige Regelungslücke nicht erkennen, die die Möglichkeit einer Analogie zu § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 SGG eröffnen würde.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm. § 154 Abs. Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO –.

Da die Berufungssumme in Höhe von 750,00 Euro bei einem Streitwert in Höhe 489,45 Euro nicht erreicht ist, ist über die Zulassung der Berufung gemäß § 144 SGG zu entscheiden. Gründe für die Zulassung der Berufung liegen jedoch nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Streitsache wirft keine bisher nicht geklärte Rechtsfrage auf, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Vielmehr liegt hier ein Individualinteresse des Klägers, in seiner Eigenschaft als Steuerberater auch in Statusfeststellungsverfahren als Bevollmächtigter auftreten zu dürfen, vor. Ein Individualinteresse genügt indes für die grundsätzliche Bedeutung nicht (vgl. Leitherer Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 9. Auflage 2008, § 144 Rn. 28).
Rechtskraft
Aus
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