L 5 KR 148/14 B ER

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Kiel (SHS)
Aktenzeichen
S 10 KR 22/14 ER
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 148/14 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Zum Anspruch auf Krankengeld und hier das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit bei unterschiedlichen medizinischen Einschätzungen im Rahmen des Einstweiligen Rechtsschutzes.
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Kiel vom 2. Juli 2014 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes Zahlung von Krankengeld über den 1. Juni 2014 hinaus.

Die 1961 geborene Antragstellerin ist bei der Antragsgegnerin krankenversichert. Sie ist mit 20,26 Stunden pro Woche als Empfangsdame im K , einer Begegnungsstätte der Stadt N , seit 1996 beschäftigt. Seit 2. September 2013 bescheinigt ihr ihre Hausärztin, die Assistenzärztin für Allgemeinmedizin Dr. S , Arbeitsunfähigkeit wegen akuter Belastungsreaktion und Depressionen. Seit Ende Oktober 2013 erhielt sie von der Antragsgegnerin Krankengeld in Höhe von 32,94 EUR kalendertäglich brutto. Seit Oktober 2013 steht sie in psychotherapeutischer Behandlung bei der Dipl. Psychologin H. Dr. R vom MDK Nord bestätigte in seinen Stellungnahmen zuletzt am 11. Februar 2014 das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit. Der beratende Arzt vom MDK Nord N kam am 25. April 2014 zu der Einschätzung, dass eine Wiedereingliederung eingeleitet werden könne. Nachdem diese nicht erfolgte, kam der beratende Arzt N am 13. Mai 2014 zu der Einschätzung, dass Arbeitsfähigkeit ab 2. Juni 2014 bei der Antragstellerin vorliege. Mit Bescheid vom 14. Mai 2014 stellte die Antragsgegnerin die Krankengeld¬zahlung unter Hinweis auf diese Stellungnahme ab 2. Juni 2014 ein. Hiergegen legte die Antragstellerin Widerspruch ein.

Am 10. Juni 2014 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Kiel die vorläufige Fortzahlung des Krankengeldes längstens bis 31. Dezember 2014 im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes beantragt und zur Begründung ausgeführt, sie sei Mutter einer schwerbehinderten 23jährigen Tochter, Pflegestufe I, mit ganztägigem Pflegebedarf, den sie im Wesentlichen übernehme. Wegen der belastenden Arbeit in Kombination mit der Familienbelastung sei es bei ihr zu einer mittelschweren depressiven Symptomatik mit Schlafstörungen, Grübeln und Erschöpfung, einer Phobie sowie einer Angstsymptomatik gekommen. Erschwerend erlebe sie Mobbing am Arbeitsplatz. Die Praxis Dres. S /Ha habe wegen dieser Erkrankung die voraussichtliche Arbeitsunfähigkeit bis zum 31. Dezember 2014 bestätigt. Auch ihre Psychologin H halte sie für arbeitsunfähig. In mehreren Generationen seien in ihrer Familie depressive Krankheitsbilder aufgetreten mit teilweisem Suizid. Die Wiedereingliederung sei versucht worden, jedoch ohne Erfolg. Ihr Ehemann erziele ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von 2.500,00 EUR, wovon 1.909,93 EUR an festen Ausgaben ohne Berücksichtigung der übrigen Lebenshaltungskosten abzuziehen seien.

Die Antragsgegnerin hat erwidert, die Einschätzung des Hausarztes hinsichtlich des Vorliegens der Arbeitsunfähigkeit sei nicht bindend, sondern widerlegbar. Das sei durch die Stellungnahmen des MDK geschehen. Die von dem MDK als sinnvoll angesehene fachpsychiatrische Mitbehandlung sei nicht erfolgt. Ferner seien keine gesteigerten Bemühungen erkennbar, dass die als eine Mitursache der Arbeitsunfähigkeit anzusehende Versorgungssituation der behinderten Tochter grundlegend verändert worden sei.

Das Sozialgericht hat mit gerichtlicher Verfügung vom 23. Juni 2014 die Antragstellerin um die Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes, insbesondere um Darlegung der Einkommens- und Vermögenssituation gebeten. Daraufhin hat die Antragstellerin Besoldungsbescheide des Ehemannes der Antragstellerin vorgelegt und darauf hingewiesen, dass dieser in den letzten drei Monaten durchschnittlich 2.868,31 EUR netto verdient habe. Bei den mitgeteilten Ausgaben verbleibe lediglich ein Betrag von 958,38 EUR.

Mit Beschluss vom 2. Juli 2014 hat das Sozialgericht den Antrag mangels Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes abgelehnt. Die Antragstellerin habe nicht glaubhaft gemacht, dass der Einnahmeausfall gravierende Auswirkungen auf die Deckung des elementaren Lebensunterhalts habe und nicht durch andere Mittel ausgeglichen werden könne. Unter Berücksichtigung der Angaben stünden der dreiköpfigen Familie der Antragstellerin noch 950,00 EUR für den Lebensunterhalt zur Verfügung, also ein Betrag in etwa in Höhe des Grundsicherungsniveaus. Trotz entsprechender Anfrage durch das Gericht habe die Antragstellerin ihre Vermögensverhältnisse nicht dargelegt.

Gegen den ihr am 7. Juli 2014 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin, eingegangen beim Sozialgericht Kiel am 1. August 2014. Ergänzend trägt sie vor, das Sozialgericht hätte sich wegen des zwingend zu beachtenden beweglichen Systems zwischen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht allein auf Letzteren beschränken dürfen. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass Arbeitsunfähigkeit sowohl von Seiten der Hausärzte, als auch von Seiten der Psychologin fortlaufend bestätigt worden sei. Demgegenüber sei der ärztlichen Beurteilung durch den MDK nach Aktenlage und ohne persönliche Begutachtung nicht das gleiche Gewicht beizumessen. Im Übrigen belaufe sich das verfügbare Einkommen auf einen Betrag unterhalb des Grundsicherungsniveaus wegen des Mehrbedarfs aufgrund der Betreuungssituation der Tochter. Die jetzt vorgelegten Kontoauszüge belegten, dass eine erhebliche finanzielle Belastung bestehe, erkennbar an der Ausschöpfung des Dispositionskredits in Höhe von 6.500,00 EUR.

Die Antragsgegnerin weist darauf hin, sie beabsichtige, am 8. September 2014 über den Widerspruch zu entscheiden. Zur Vorbereitung habe sie den MDK Nord mit einer erneuten Begutachtung beauftragt. Der Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. K sei auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung der Antragstellerin am 24. Juli 2014 zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Stabilität und Belastbarkeit für die letzte berufliche Tätigkeit gegeben sei, mithin keine Arbeitsunfähigkeit vorliege. Zur weiteren Begründung verweist die Antragsgegnerin auf das von ihr vorgelegte sozialmedizinische Gutachten. Außerdem sei die von dem Hausarzt angegebene langfristige Prognose der Arbeitsunfähigkeit bis 31. De¬zember 2014 nicht plausibel. Aufgrund der Darlegungen in der Beschwerdeschrift sei nicht ersichtlich, wie die Antragstellerin ein eventuell vorläufig gewährtes Krankengeld gegebenenfalls zurückzahlen könne. Mithin liege faktisch eine Vorwegnahme der Hauptsache vor.

Die Antragsgegnerin erwidert, dass an der Aussagekraft des MDK-Gutachtens erhebliche Zweifel bestünden. Die gesamte Begutachtung habe nicht einmal 20 Minuten gedauert und sei oberflächlich gewesen. So sei die Medikation mit dem Präparat Imap nur kurz erwähnt worden. Die Bewertung stehe zudem im krassen Gegensatz zu der durch die Behandler. Auf den jetzt vorgelegten Bericht der Psychiaterin T werde verwiesen. Die Frage, ob und wie die Antragsgegnerin ein ggf. zurückzuzahlendes Krankengeld erhalte, spiele keine ausschlaggebende Rolle.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig aber unbegründet.

Maßgebend für die gerichtliche Eilentscheidung im vorläufigen Rechtsschutz sind die §§ 86a und b Sozialgerichtsgesetz (SGG). Zutreffend hat das Sozialgericht die Voraussetzungen des hier maßgebenden § 86b Abs. 2 SGG benannt, nämlich das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d. h. die Notwendigkeit einer Eilentscheidung, und eines Anordnungsanspruchs, also des rechtlichen Anspruchs auf die begehrte Maßnahme. Diese sind glaubhaft zu machen. Zwar trifft der Hinweis der Antragstellerin in der Beschwerdeschrift zu, dass Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund in einem Wechselsystem dergestalt zueinander stehen, dass die Anforderungen an Anordnungsgrund bzw. Anordnungsanspruch abnehmen, je deutlicher die Voraussetzungen des jeweils anderen vorliegen. Verzichtet werden kann jedoch weder auf das Vorliegen des Anordnungsanspruchs noch des Anordnungsgrundes, so dass das Sozialgericht durchaus allein wegen des Fehlens des Anordnungsgrundes (Gleiches gilt für das Fehlen des Anordnungsanspruchs) die beantragte Anordnung ablehnen konnte. Ob das allerdings der Fall ist, kann der Senat offenlassen, da es jedenfalls nach der zwischenzeitlich erfolgten Begutachtung der Antragstellerin durch den MDK an der Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs fehlt.

Während sich die Beschwerdebegründung besonders in der Vergleichbarkeit von hausärztlicher Einschätzung der Arbeitsunfähigkeit und der durch den MDK zunächst darauf stützt, dass letztere nach Aktenlage ohne persönliche Begutachtung erfolgte, ist dem nunmehr durch den MDK Rechnung getragen worden. Die Begutachtung durch persönliche Untersuchung mit dem Ergebnis, dass bei der Antragstellerin eine depressive Episode in Rückbildung begriffen mit depressiv-ängstlichen Restsymptomen vorliege, die eine weitere Arbeitsunfähigkeit nicht mehr verursache, war bereits zum Zeitpunkt der Beschwerdeeinlegung am 24. Juli 2014 erfolgt - und zwar durch den Facharzt der Psychiatrie und Psychotherapie, Dipl. Psychologen Dr. K. Damit ist auch dem Vorbehalt der Hausärztin der Antragstellerin Rechnung getragen worden, die in ihrem Bericht vom 2. Juni 2014 es als unabdingbar eingesehen hat, dass eine ärztliche Beurteilung durch den MDK erfolgen sollte.

Auch wenn der Senat in Hauptsacheverfahren im Rahmen der Amtsermittlung bei einer streitigen medizinischen Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich ein gerichtliches Gutachten zur Überprüfung der Einschätzung des MDK Gutachtens einholt, was im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wegen der gebotenen Eilbedürftigkeit regelmäßig nicht geschieht, so führt das jetzt vorgelegte Gutachten jedenfalls dazu, dass von der Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs nicht ausgegangen werden kann. Dabei berücksichtigt der Senat, dass die Begutachtung seitens des MDK durch einen Facharzt für das hier maßgebende ärztliche Fachgebiet erfolgte und zudem nach einer persönlichen Untersuchung des Gutachters. Das Gutachten und hier insbesondere die Wiedergabe der allgemein somatischen und psychopathologischen Untersuchungsbefunde lassen keinen Anhalt für eine Erkrankung in dem Ausmaß erkennen, dass eine Arbeitsunfähigkeit der Antragstellerin bei der im einstweiligen Rechtsschutz grundsätzlich gebotenen summarischen Einschätzung (noch) vorliegt. Die von der Antragstellerin vorgetragene Mobbing-Situation, die auch nach Auffassung der Psychologin H wesentlicher Faktor der Arbeitsunfähigkeit ist, führt für sich nicht zu einer Arbeitsunfähigkeit im Sinne des § 44 SGB V, da eine Krankheit die Arbeitsunfähigkeit verursacht haben muss (vgl. Beschluss des Senats vom 7. April 2014 – L 5 KR 41/14 B ER).

An dieser Einschätzung ändert auch nichts die ergänzende Stellungnahme der Antragsgegnerin. Hinsichtlich der Arbeitsunfähigkeit der Antragstellerin liegen unterschiedliche Äußerungen von Medizinern bzw. Gutachtern vor. Weder für noch gegen das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit sprechen eindeutige Gründe und sind den Befunden auch nicht zu entnehmen. Auf den Vorbehalt in der Einschätzung der Hausärztin wurde oben hingewiesen. Auch die Fachärztin für Psychiatrie T sieht für die Abklärung des Leistungsvermögens die Einleitung einer medizinischen Rehabilitation als notwendig an. Befunde, die ihre Diagnose einer mittelschweren bis schweren Episode stütze, enthält der Bericht nicht. Die Antragstellerin hat den Anordnungsanspruch und damit das Vorliegen der Arbeitsunfähigkeit glaubhaft zu machen. Das ist bisher nicht geschehen.

Aus diesen Gründen ist die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts, mit dem der Eilantrag für dieses Verfahren abgelehnt wurde, zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG analog.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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