S 81 KR 280/12

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
81
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 81 KR 280/12
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Entscheidung über die Versicherungspflicht nach § 7a SGB IV muss das zutreffende Rechtsverhältnis benennen, welches die Versicherungspflicht begründet. Bei illegaler Arbeitnehmerüberlassung kommt ein Arbeitsvertrag zwischen dem Entleiher und dem Leiharbeitnehmer zustande.
Der Bescheid der Beklagten vom 22. November 2010 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 17. Januar 2012 wird aufgehoben. Es wird festgestellt, dass die Klägerin in der Zeit vom 1. April 2007 bis 31. Dezember 2010 nicht Arbeitgeberin des Beigeladenen zu 1) im Zusammenhang mit dessen Tätigkeit im ARD-Hauptstadtstudio war. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob der Beigeladenen zu 1) im Rahmen seiner Tätigkeit für die Klägerin von April 2007 bis Dezember 2010 der Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung unterlag.

Die Klägerin ist eine inhabergeführte Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die Dienstleistungen im Bereich des Rundfunk und Fernsehens anbietet. Der alleinige Gesellschafter und Geschäftsführer der Klägerin ist von Beruf Toningenieur und war im Jahr 2007 für den Beigeladene zu 5), einer Landesrundfunkanstalt, im Hauptstadtstudio der ARD als Toningenieur tätig. Sie beschäftigt keine weiteren Angestellten, bildete aber aus.

Die Beigeladene zu 5) ist eine Rundfunkanstalt, die das ARD-Hauptstadtstudio für die Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten betreibt. Der Produktionsleiter des Beigeladenen zu 5) und die Klägerin vereinbarten im Jahr 2007, dass die Klägerin bei Personalbedarf des Studios einen Tonassistenten stellen und abrechnen sollte. Hierfür stellte die Klägerin dem Produktionsleiter den Beigeladenen zu 1) als gelernten Tonassistenten vor. Sie vereinbarten seine Mitarbeit als freier Mitarbeiter der Klägerin im ARD-Hauptstadtstudio des Beigeladenen zu 5). Schriftliche Verträge über die Leistungserbringung der Klägerin und des Beigeladenen zu 1) existieren nicht. Mündlich war zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) vereinbart, dass er für seine Tätigkeit im ARD-Hauptstadtstudio je Produktionstag ein Honorar von 125,00 EUR erhalten solle. Hierfür stellte er gegenüber der Klägerin Rechnungen, Umsatzsteuer wies er nicht aus. Die Klägerin rechnete die Leistungen des Beigeladenen zu 1) als Tonassistent vereinbarungsgemäß gegenüber dem Beigeladenen zu 5) mit einem Aufschlag von 10,00 EUR ab. Die Klägerin verfügte nicht über eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung.

Der Beigeladene zu 1) war für die Klägerin nicht bei anderen Aufträgen tätig, Einsätze erfolgten ausschließlich im ARD-Hauptstadtstudio des Beigeladenen zu 5).

Auf dieser Grundlage war der Beigeladenen zu 1) von April 2007 bis Juli 2010 im ARD-Hauptstadtstudio als Tonassistent tätig. Seine Aufgabe war, nach Vorgaben der Regie, des Aufnahmeleiters und/oder des zuständigen Toningenieurs die Gäste des ARD-Hauptstadtstudios mit Mikrofonen und Empfängern zu versorgen, den Betrieb der Tonanlagen sicherzustellen und tontechnische Hilfestellungen zu leisten. Hierzu gab es im ARD-Hauptstadtstudio vor Beginn der Produktion eine Regiebesprechung, in welcher der Regisseur den Ablauf der Sendung erklärte. Der Beigeladene zu 1) erfuhr in der Besprechung, welche Gäste er während der Sendung zu mikrofonieren hatte und erhielt von der Regie die Ablaufpläne. Er arbeitete ausschließlich mit Equipment des ARD-Hauptstadtstudios. Der Geschäftsführer der Klägerin war nicht stets an denselben Tagen im Studio des Beigeladenen zu 5) tätig, wie der Beigeladene zu 1).

Die Beigeladene zu 1) erzielte aus seiner Tätigkeit im ARD-Hauptstadtstudio Einnahmen von monatlich 125,00 bis 375,00 EUR. Lediglich in einem Monat im Jahr 2008 und zwei Monaten in den Jahren 2009 und 2010 erzielte er 500,00 EUR.

Über den Einsatz des Beigeladenen zu 1) entschied die Dispositionsabteilung des Beigeladenen zu 5). Nach Erstellung erster Besetzungspläne fragte der Beigeladenen zu 5) bei der Klägerin oder direkt beim Beigeladenen zu 1) an, ob der Beigeladene zu 1) an bestimmten Tagen im ARD-Hauptstadtstudio arbeiten könne. Sofern er Bereitschaft signalisierte, wurde er persönlich in den Dienstplan des Beigeladenen zu 5) aufgenommen, mit welchem der Einsatz der fest angestellten und der vielen freien Mitarbeiter koordiniert wurde.

Während der Produktionen im ARD-Hauptstadtstudio – somit auch während der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) ¬–, achtete der Produktionsleiter des Beigeladenen zu 5), der Zeuge Melzer, darauf, dass die angestellten und freien Mitarbeiter ein gepflegtes Erscheinungsbild aufweisen, teamfähig sind und sich in den Studiobetrieb eingliederten. Hierzu befragte die fest angestellten Toningenieure, wie ihr Eindruck der Mitarbeiter war. Eine harmonische und leistungsstarke Zusammenarbeit war ihm wichtig. Er unterwies alle neuen Mitarbeitern in Arbeitsschutz- und Brandschutzbestimmungen. Sämtliche Mitarbeiter mussten Hausausweise tragen, die von der Verwaltung des Beigeladenen zu 5) erstellt wurden. Dabei waren die Hausausweise optisch gleich gestaltet, der Beigeladene zu 5) trennte nicht zwischen den Mitarbeitern des Hauses, freien Mitarbeitern und Subunternehmern.

Am 31. März 2010 beantragte der Beigeladene zu 1) bei der Clearingstelle der beklagten Rentenversicherung die Feststellung seines sozialversicherungsrechtlichen Status´. Er gab an, im Rahmen einer selbstständigen Tätigkeit für die Klägerin tontechnische Betreuungsleistungen anzubieten, dass die Kontrolle seiner Arbeit prinzipiell durch den zuständigen Toningenieur erfolge und Regisseur sowie Aufnahmeleiter ein Entscheidungsrecht, z.B. zur Verwendung einzelner Mikrofone, haben. Er arbeitete ausschließlich mit Equipment des Studios, eine gestalterische Betätigung sei bei seiner Betreuungsleistung weder erwünscht noch möglich.

Der Beigeladene zu 1) war von Juli 2007 bis August 2010 als Tonassistent im Nachbarstudio eines andern öffentlich-rechtlichen Senders (rechtlich ebenfalls mittels Abrechnung über ein Subunternehmen) tätig und erzielte Einnahmen von monatlich durchschnittlich 615,00 EUR.

In Zusammenhang mit dem Statusantrag des Beigeladenen zu 1) bei der Beklagten vereinbarten die Beteiligten eine Beendigung der Vertragsverhältnisse. Nachfolgend wurde der Beigelade zu 1) als Tonassistent im ARD-Hauptstadtstudio im Rahmen eines freien Mitarbeiterverhältnisses beschäftigt und erhält seit dem ein Tageshonorar in Höhe von 200,00 EUR brutto = 135,00 EUR netto. Sozialabgaben werden abgeführt.

Nach Anhörung der Klägerin und des Beigeladenen zu 1) stellte die Beklagte mit Bescheid vom 22. November 2010 fest, dass der Beigeladene zu 1) im Rahmen einer Tätigkeit für die Klägerin der Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung unterliege, da er abhängig beschäftigt sei. Zur Begründung führte sie aus, dass nach Gesamtwürdigung aller zur Beurteilung der tätigkeitsrelevanten Tatsachen die Merkmale eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses überwiegen.

Hiergegen erhob die Klägerin am 9. Dezember 2010 Widerspruch. Zur Begründung trug sie vor, dass der Beigeladene zu 1) nicht weisungsgebunden und selbstständig tätig sei, verschiedene Auftraggeber habe, angefragte Aufträge frei ablehnen können und jedenfalls in den Betrieb der Klägerin nicht eingegliedert sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Januar 2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie führte aus, dass die vom Beigeladenen zu 1) benutzten Arbeitsmittel vor Ort gestellt würden, in der Regel eine persönliche Leistungserbringung geschuldet und der Beigeladene zu 1) weisungsgebunden tätig sei. Der Beigeladene zu 1) sei als Tonassistent zudem nicht programmgestaltend tätig.

Mit der am 17. Februar 2012 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie verweist darauf, dass der Beigeladene zu 1) eine Weisung nur hinsichtlich Ort und Zeit der Auftragsausführung erhalte, was aber in der Natur der Sache liegen. Im Übrigen sei er in der Entscheidung frei, den Auftrag anzunehmen.

In einer ersten mündlichen Verhandlung vom 6. Dezember 2013 trug die Klägerin ergänzend vor, dass sie lediglich Zahl- und Buchungsstelle des Beigeladenen zu 5) gewesen sei. Der Geschäftsführer der Klägerin sei vom Zeugen M. mit der Bitte angesprochen worden, einen Tonassistenten zu vermitteln und abzurechnen. Hierzu sei vereinbart worden, dass ein Tagessatz von 125,00 an den Tonassistenten gezahlt werde und die Klägerin für den Buchungsaufwand weitere 10,00 EUR erhalte. Der Zeuge M. habe dies mit Buchhaltungsaufwand des Studios begründet, der vermieden werden sollte. Darauf habe sich die Klägerin eingelassen, um ihr Beziehung zum ARD-Hauptstadtstudio nicht zu gefährden. Die Buchung des Beigeladenen zu 1) für Einsätze sei fast ausschließlich durch direkten Kontakt zwischen der Dispositionsabteilung des Beigeladenen zu 5) und dem Tonassistenten erfolgt. Sie sei somit lediglich Vermittlerin gewesen.

Das Gericht hat sodann die Entscheidung vertagt und den Beigeladenen zu 5) zum Verfahren beigeladen. Dieser trägt vor, dass die Klägerin alleiniger Vertragspartner des Beigeladenen zu 1) in Bezug auf seine Tätigkeit im ARD-Hauptstadtstudio gewesen sei. Eine konkrete Bestellung des Beigeladenen zu 1) durch das ARD-Hauptstadtstudio habe es nicht gegeben, vielmehr sei bei der Klägerin die Leistung "Tonassistenz" abgerufen worden. Lediglich in Ausnahmefällen habe die Dispositionsabteilung direkt mit dem Beigeladenen zu 1) Kontakt aufgenommen, um für die Erstellung der Dienstpläne eine Zusage von diesem zu erhalten.

Die Klägerin beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 22. November 2010 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 17. Januar 2012 aufzuheben und festzustellen, dass die Klägerin nicht Arbeitgeberin des Beigeladenen zu 1) im Zusammenhang mit dessen Tätigkeit im ARD-Hauptstadtstudio war.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist sie zunächst auf die angegriffenen Verwaltungsentscheidungen. Ergänzend trägt sie vor, dass allein auf die vertragliche Beziehung abzustellen sei, die hier zwischen dem Beigeladenen zu 1) und der Klägerin bestanden habe. Der Beigeladene zu 1) habe die Klägerin als Auftraggeber im Statusfeststellungsantrag angegeben. Auch wenn der Beigeladene zu 1) lediglich im Hauptstadtstudio tätig gewesen sei, sei er insoweit jedoch in den Betrieb der Klägerin eingegliedert und weisungsgebunden tätig gewesen.

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 28. August 2014 Beweis erhoben über die Vertragsbeziehungen und die Einzelheiten der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) im ARD-Hauptstadtstudio des Beigeladenen zu 5) durch Befragung von Prozessbeteiligten und Vernehmung des Produktionsleiters des Beigeladenen zu 5), des Zeugen M. Wegen der Einzelheiten der gemachten Aussagen wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung waren.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte ohne Anwesenheit der Beigeladenen zu 2) bis 4) – der Kranken- und Pflegekasse sowie der Bundesagentur – in der mündlichen Verhandlung entscheiden, da diese hierauf in der Terminsmitteilung hingewiesen worden waren (vgl. § 126 SGG).

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage zulässig, §§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1, 56 SGG, und auch begründet. Die Beklagte hat im Bescheid vom 22. November 2010 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 17. Januar 2012 zu Unrecht festgestellt, dass der Beigeladene zu 1) im Rahmen einer Tätigkeit für die Klägerin der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag. Der Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.

Zwar hat die Beklagte zutreffend festgestellt, dass der Beigeladene zu 1) im Rahmen seiner Tätigkeit im ARD-Hauptstadtstudio abhängig beschäftigt war (dazu nachfolgend 1). Jedoch hat sie zu Unrecht eine versicherungspflichtige Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) durch die Klägerin bejaht (dazu nachfolgend 2).

1. Zutreffend hat die Beklagte entschieden, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) als abhängige Beschäftigung der Versicherungspflicht dem Grunde nach unterliegt. Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungspflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 V; § 20 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB XI; § 1 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI; § 25 Abs. 1 SGB III). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (Satz 1). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung (BSG, Urteil vom 28.05.2008 – B 12 KR 13/07 R, juris).

Von diesen Grundsätzen ist auch bei Beurteilung einer Tätigkeit im Bereich Funk und Fernsehen auszugehen. In Anlehnung an eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes, in der ein verfassungsrechtlich durch Artikel 5 Abs. 1 S. 2 Grundgesetz geschütztes Recht der Rundfunkanstalten anerkannt worden ist, frei von fremder Einflussnahme über Auswahl, Einstellung und Beschäftigung solcher Rundfunkmitarbeiter zu bestimmen, die programmgestaltend tätig sind (vergleiche Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 13.01.1982, 1 BvR 848/77NJW 1982, 1447 ff.), stellt die höchstrichterliche Rechtsprechung in besonderer Weise auf die Art der ausgeübten Tätigkeit ab und unterscheidet zwischen programmgestaltender Tätigkeit einerseits und rundfunk- bzw. fernsehtypischer Mitarbeit an Sendungen andererseits (vergleiche BSG, Urteil vom 03.12.1998 - B 7 AL 108/97 R; BAG, Urteil vom 11.03.1998 - 5 AZR 522/96 = NZA 1998, 705 ff.; BAG, Urteil vom 22.04.1998 - 5 AZR 342/97 = NZA 1998, 1336 ff.). Insoweit ist jedoch anerkannt, dass den Gerichten durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes kein modifizierter Prüfungsmaßstab für die Frage, ob ein Mitarbeiter als Arbeitnehmer oder freier Mitarbeiter zu beurteilen sei, auferlegt worden ist (vergleiche BAG, Urteil vom 30.11.1994 - 5 AZR 704/93 = NZA 1995, 622 ff. m.w.N.). Vielmehr wird dabei an den Grundsatz angeknüpft, dass der Grad der persönlichen Abhängigkeit auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit abhängt. Danach gibt es eine Reihe von Tätigkeiten, die sowohl im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses als auch im Rahmen eines freien Mitarbeiterverhältnisses erbracht werden können, während es umgekehrt Tätigkeiten gibt, die nach ihrer Art oder Organisation nur im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses ausgeübt werden können (vergleiche BAG, Urteil vom 30.11.1994, a.a.O.).
Bezogen auf den Rundfunk- und Fernsehbereich geht die höchstrichterliche Rechtsprechung davon aus, dass programmgestaltende Mitarbeit abhängig von den Einzelfallumständen sowohl im Rahmen von Arbeitsverhältnissen als auch im Rahmen von freien Mitarbeiterverhältnissen erbracht werden können, während sich rundfunk- und fernsehtypische Mitarbeit an Sendungen in der Regel nur im Rahmen von Arbeitsverhältnissen durchführen lässt (vergleiche BAG, Urteil vom 11.03.1998 m.w.N.). Dagegen wird der Gesichtspunkt, dass Mitarbeiter im Bereich Funk und Fernsehen ihre Dienste häufig nur mit Hilfe des technischen Apparates der Rundfunkanstalt und eines Mitarbeiterteams leisten können, nicht mehr als entscheidendes Kriterium für die persönliche Abhängigkeit des Mitarbeiters und die Fremdnützigkeit seiner Arbeitsleistung angesehen (vergleiche vom BAG, Urteil vom 30.11.1994, a.a.O., unter ausdrücklicher Aufgabe der früheren Rechtsprechung; BSG, Urteil vom 28.01.1999 - B 3 KR 2/98 R - SozR 3 - 5425 § 1 Nr. 5).

Diese Rechtsprechung hat Eingang gefunden in den Abgrenzungskatalog der Spitzenorganisationen der Sozialversicherungsträger für im Bereich Theater, Orchester, Rundfunk- und Fernsehanbieter, Film- und Fernsehproduktionen tätige Personen (abrufbar im Internet), der zwar keine Bindungswirkung entfaltet, aber nach Anhörung der maßgebenden Interessenverbände aus dem künstlerischen Bereich entwickelt worden ist und daher ergänzend als Auslegungshilfe herangezogen werden kann (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22.07.2008 – L 2 U 211/07, juris Rdnr. 24). Nach diesen Kriterien sind Tonassistenten – wie der Beigeladene zu 1) – als fernsehtypisch (nur) mitarbeitende Personen und damit als abhängig Beschäftigte anzusehen.

Die Umstände des Einzelfalls gebieten keine andere Beurteilung. Der Beigeladene zu 1) war – unabhängig davon, in welchem Betrieb er rechtlich tätig war – sowohl vollständig eingegliedert wie auch weisungsgebunden tätig. Er konnte weder Ort, Zeit, noch Art und Weise seiner Tätigkeit selbst bestimmen und war ausschließlich in den Räumen des Hauptstadtstudios in arbeitsteiligem Zusammenwirken mit den anderen Beschäftigten tätig. Er nahm an den Teambesprechungen teil und arbeitet nach den Vorgaben des zuständigen Toningenieurs, der Regie und des Aufnahmeleiters, erhielt sogar Einzelweisungen. Entscheidend gegen eine selbstständige Tätigkeit spricht ferner, dass die Beigeladene zu 1) keinerlei unternehmerisches Risiko übernommen hatte. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG ist maßgebliches Kriterium für ein solches Risiko, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Er erhielt er eine feste Entlohnung nach Tagessatz und konnte Beginn und Ende der Tätigkeit nicht selbst bestimmen. Ferner trat er nicht unternehmerisch am Markt auf.
Der Beigeladene zu 1) war daher aufgrund abhängiger Beschäftigung versicherungspflichtig. Wegen des regelmäßig 400,00 EUR nicht übersteigenden Arbeitsentgelts lag eine geringfügige Beschäftigung im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV a.F. vor, der Beigeladene war versicherungsfrei. Seine Tätigkeit für das andere Unternehmen im Nachbarstudio war nicht entgeltgeringfügig und nicht kurzfristig und daher nach § 8 Abs. 2 SGB IV nicht mit der hier streitigen Beschäftigung zusammenzurechnen.

Jedoch fielen Pauschalbeiträge an, die vom Arbeitgeber zu tragen sind.

2. Zu Unrecht stellte die Beklagte in den angegriffenen Bescheiden fest, dass die Klägerin Arbeitgeberin des Beigeladenen zu 1) gewesen sei, wonach sie Schuldnerin der Sozialabgaben wäre.

Auch wenn geringfügig Beschäftigte versicherungsfrei sind, bleibt der Arbeitnehmer/Arbeitgeberstatus der Beteiligten bestehen. Im Falle einer geringfügigen Beschäftigung fallen z.B. in der gesetzlichen Krankenversicherung für den Arbeitgeber Beiträge nach § 249b SGB V, in der gesetzliche Rentenversicherung Beiträge nach § 172 Abs. 3 SGB VI an. Zudem sind durch den Arbeitgeber auch die Umlage U1 und U2 nach § 1 Aufwendungsausgleichgesetz für Beschäftigte zu zahlen. Daraus kann die Klägerin ihr Feststellungsinteresse für den Antrag zu 2) ableiten. Sie hat – neben der Befugnis zur Anfechtung des Bescheides im Antrag zu 1) – zur Verhinderung des Erlasses weiterer Beschiede ein Interesse an der Feststellung, nicht Arbeitgeberin des Beigeladenen zu 1) gewesen zu sein.

Nach Überzeugung der Kammer ist nicht die Klägerin, sondern der Beigeladene zu 5) Arbeitgeber des Beigeladenen zu 1) gewesen. Die Kammer hält die vom ARD-Hauptstadtstudio initiierte Vertragskonstruktion für illegal. Diese war darauf gerichtet, ein scheinselbständiges Beschäftigungsverhältnis eines Tonassistenten zu begründen und die damit verbundenen sozialversicherungs- und arbeitsrechtlichen Risiken in (wirtschaftlich möglicherweise sogar abhängige) Subunternehmen zu verlagern. Motiv dieser Vorgehensweise scheint der vom Zeugen M. geschilderte Kostendruck in der auch von ihm verantworteten Budgetplanung für das ARD-Hauptstadtstudio zu sein.

Zunächst ist festzustellen, dass nur die Klägerin Vertragspartnerin des Beigeladenen zu 1) geworden ist. Da zwischen den drei möglichen Vertragsparteien keine schriftlichen Verträge vorliegen, konnte die Kammer ihre Überzeugung nur aus den Aussagen der Beteiligten und des Zeugen M. gewinnen und hat diese daher besonders sorgfältig geprüft. Nach übereinstimmenden Aussagen wurde auch mündlich kein Vertragsverhältnis zwischen den Beigeladenen zu 1) und zu 5) vereinbart. Die Annahme eines vereinbarten Arbeitsverhältnisses zwischen Tonassistent und Beigeladenem zu 5) scheidet somit aus. Auch in den Fällen, in denen die Dispositionsabteilung des Beigeladenen zu 5) die Einsatztermin direkt mit dem Beigeladenen zu 1) absprach, wurde kein Arbeitsverhältnis vereinbart, da die Vertragsparteien formell keine Rechtsbeziehung zwischen Tonassistent und Hauptstadtstudio begründen wollten. Denn nach dem Willen der Geschäftspartner sollten nur Vertragsbeziehungen auf Basis eines Dienstvertrages zwischen Unternehmern zum einen zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) und zum anderen zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 5) begründet werden. Vereinbart war, dass der Beigeladene zu 5) nach Bedarf die Leistungen der Klägerin und/oder die Leistungserbringung des Beigeladenen zu 1) bei der Klägerin abruft. Auch die Abrechnungen sollten von der Klägerin erstellt werden.

Diese Vertragskonstruktion widersprach jedoch dem geltenden Recht.

Wie vorstehend ausgeführt, wurde und konnte der Beigeladene zu 1) im Rahmen seiner Tätigkeit als Tonassistent im ARD-Hauptstadtstudio nicht als selbständiger (Sub-Sub-) Unternehmer, sondern (nur) als abhängig Beschäftigter eingesetzt werden, da er in seiner untergeordneten Tätigkeit betrieblich eingegliedert und weisungsgebunden tätig war.

Nach dem vom Gericht ermittelten Umständen der Beschäftigung wurde der Beigelade zu 1) ausschließlich – was auch dem Willen der Vertragspartner entsprach – im Studio des Beigeladenen zu 5) eingesetzt. Er war in dessen Studiobetrieb eingebunden, wurde vom Produktionsleiter und den anderen Mitarbeitern des Studios angeleitet und überwacht. Er erhielt einen Hausausweis, der sich nicht von denen anderer Mitarbeiter unterschied. Er war in die Dienstplanung des Studios eingebunden. Die Funktion der Klägerin erschöpfte sich in der Vermittlung und Abrechnung der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1).

Der Beigeladene zu 1) war nicht bloß Erfüllungsgehilfe der Klägerin in Ausführung eigener Aufträge bzw. Angelegenheiten. Die Kammer folgt dem Beigeladenen zu 5) nicht in der Behauptung, sie habe lediglich die Leistung "Tonassistenz" bei der Klägerin abgerufen. Denn nach der glaubhaften Darstellung des Zeugen M. war es der Produktionsleitung wichtig, welcher Mitarbeiter eingesetzt wurde und unternahm das Team Bemühungen, den Beigeladenen zu 1) einzugliedern. Nach Überzeugung der Kammer hat nicht die Klägerin den Beigeladenen zu 1) in Erfüllung ihrer Aufträge eingesetzt, sondern hat der Beigeladene zu 5) den Tonassistenten zur Erfüllung eigener Aufgaben abgerufen und beschäftigt. Dies zeigt sich daran, dass der Beigeladene zu 5) häufig den Beigeladenen zu 1) und nicht zugleich auch den Geschäftsführer der Klägerin einsetzte, dass Abrufe direkt von der Dispositionsabteilung gegenüber dem Beigeladenen zu 1) erfolgten und daran, dass die Dispositionsabteilung nicht (irgend) einen Mitarbeiter eines Fremdunternehmens in die Produktionsplanung aufnahm, sondern den Beigeladenen zu 1) persönlich. Bemerkenswert ist schließlich, dass der Beigeladene zu 1) seit 2011 in direkter Vertragsbeziehung zum Beigeladenen zu 5) tätig ist und identische Aufgaben ausführt. Ferner gab es kein nennenswertes wirtschaftliches Interesse der Klägerin unter Inkaufnahme der arbeitsrechtlichen und sozialrechtlichen Risiken eigene Leistungen der Tonassistenz anzubieten und zu übernehmen. Ferner gab es keinerlei Vereinbarungen der Klägerin mit dem ARD-Hauptstadtstudio, wie die behauptete Auftragserbringung "Tonassistenz" an (den vielen) Tagen, an denen der Beigeladene zu 1) ohne den Geschäftsführer der Klägerin im Hauptstadtstudio tätig war, für die Klägerin überwacht und abgenommen werden sollte. Anschaulich und glaubhaft erklärte deren Geschäftsführer, dass der Aufschlag von 10,00 EUR auf das Tageshonorar vereinbarungsgemäß lediglich den Buchhaltungsaufwand für die Vermittlungstätigkeit ausgleichen sollte.

In der vom ARD-Hauptstadtstudio initiierten Gestaltung der Rechtsbeziehungen durch formelle Ausgliederung des Beigeladenen zu 1) in den Betrieb der Klägerin liegt eine illegale Arbeitnehmerüberlassung.

Nach § 1 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes zur Regelung der Arbeitnehmerüberlassung (AÜG) bedürfen Arbeitgeber, die als Verleiher Dritten (Entleihern) Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit zur Arbeitsleistung überlassen wollen, der Erlaubnis. Hier hat die Klägerin als Vertragspartnerin des Tonassistenten als Verleiher dem ARD-Hauptstadtstudio als Dritten bzw. Entleiher den Beigeladenen zu 1) als Arbeitnehmer überlassen. Über die erforderliche Erlaubnis verfügte die Klägerin nicht.

Nach § 9 Nr. 1 AÜG sind Verträge zwischen Verleihern und Entleihern sowie zwischen Verleihern und Leiharbeitnehmern unwirksam, wenn der Verleiher nicht die nach § 1 erforderliche Erlaubnis hat. Nach § 10 Abs. 1 S. 1 AÜG gilt: Ist der Vertrag zwischen einem Verleiher und einem Leiharbeitnehmer nach § 9 Nr. 1 unwirksam, so gilt ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer zu dem zwischen dem Entleiher und dem Verleiher für den Beginn der Tätigkeit vorgesehenen Zeitpunkt als zustande gekommen.

Nach geltendem Recht ist Folge der illegalen Vertragskonstruktion des ARD-Hauptstadtstudios, dass der Beigeladene zu 5) Arbeitgeber des Beigeladenen zu 1) ist.

3. Der Bescheid vom 22. November 2010 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 17. Januar 2012 war aufzuheben, da er mit der Feststellung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) für die Klägerin zu Unrecht ein Beschäftigungsverhältnis zwischen Klägerin zum Beigeladenen zu 1) erkennt. Ein Beschäftigungsverhältnis des Beigeladenen zu 1) zum Beigeladenen zu 5) konnte nicht zugleich ausgeurteilt werden, da sich das Feststellungsinteresse der Klägerin auf die Abwehr der Feststellung einer eigenen Betroffenheit beschränkt.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 197a Abs. 1 S. 1, 154 ff. VwGO und berücksichtigt das Unterliegen der Beklagten. Gemäß § 162 Abs. 3 VwGO sind die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt. Davon hat die Kammer abgesehen.

Die Streitwertfestsetzung erfolgt mit gesondertem Beschluss.

Die Zulässigkeit der Berufung folgt aus § 143 SGG. Ein Fall der zulassungsbedürftigen Berufung nach § 144 Abs. 1 SGG liegt nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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