S 49 AS 617/10

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
49
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 49 AS 617/10
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 29.05.2009 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 02.09.2009, 07.10.2013 und 29.11.2013 sowie in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.02.2010 verurteilt, an den Kläger für die Monate April bis Juni 2009 weitere Leistungen in Höhe von monatlich 289,90 Euro und für die Monat Juli bis September 2009 weitere Leistungen in Höhe von monatlich 297,90 Euro zu zahlen.
Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt im vorliegenden Verfahren höhere Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum April bis September 2009 unter Abzug der Verluste aus einem Teil seiner Selbständigkeit von den Gewinnen aus dem anderen Teil der Selbständigkeit.

Der Kläger ist 1963 geboren und beantragte im März 2009 die Weitergewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für die Zeit ab dem 01.04.2009. Im streitigen Zeitraum hatte er für die von ihm bewohnte Wohnung in Duisburg Unterkunftskosten in Höhe von insgesamt 339,70 Euro zu zahlen (236,33 Euro Kaltmiete zuzüglich 29,87 Euro Heizkosten- und 73,50 Euro Betriebskostenvorauszahlungen). Der Kläger war im streitigen Zeitraum privat kranken- und pflegeversichert; hierfür fielen Beiträge in Höhe von monatlich 323,19 Euro für die Monate April bis Juni 2009 (281,61 Euro für die Kranken- zuzüglich 41,58 Euro für die Pflegeversicherung) und in Höhe von monatlich 311,85 Euro für die Monate Juli bis September 2009 (270,27 Euro zuzüglich 41,58 Euro) an. Der Kläger betrieb seit Anfang des Jahres 2008 eine Saftbar in Krefeld, mit welcher er seitdem keine Gewinne erzielen konnte. Im Frühjahr 2008 nahm der Kläger eine selbständige Tätigkeit als Kurierfahrer auf. Für die Kurierfahrten bekam der Kläger den Lieferwagen von den Kunden gestellt, weshalb weder entsprechende Betriebskosten, noch Haftpflichtversicherungsbeiträge oder Benzinkosten anfielen. Der Kläger rechnete aus diesen Tätigkeiten mit einem Gewinn in Höhe von insgesamt 3.119,00 Euro für den Zeitraum März bis September 2009.

Am 15.04.2009 schlossen der Kläger und der Beklagte eine Eingliederungsvereinbarung. Als Ziel vereinbarten die Beteiligten darin, eine Fortführung der Selbständigkeit (1), die Steigerung der Umsätze/Erlöse durch Erweiterung des Angebots und Errichtung der Außenanlagen/Tische und Stühle (2), die Integration in den allgemeinen Arbeitsmarkt (3) und (4) den Abbau der Hilfebedürftigkeit. Die Bemühungen des Klägers sind u.a. wie folgt festgehalten: Verbesserung der Einnahmesituation und Steigerung der Erlöse/Gewinne und die gewissenhafte, engagierte und gesetzeskonforme Führung des Existenzgründungsvorhabens mit dem Ziel, die Hilfebedürftigkeit abzubauen.

Mit Schreiben vom 16.05.2009 teilte der Kläger dem Beklagten mit, dass er sein Gewerbe als Einzelhandel für Salate und Säfte sowie Transportdienste angemeldet und im März 2008 begonnen habe. Er befinde sich damit gerade am Beginn der Selbständigkeit; gerade im Einzelhandel müsse mit einer längeren Anlaufphase gerechnet werden. Der im persönlichen Gespräch am 05.05.2009 erklärten Forderung der Beklagten, eine separate Anlage EKS (Erklärung zum Einkommen aus selbständiger Tätigkeit, Gewerbebetrieb oder Land- und Forstwirtschaft) für den Transportbereich zu erstellen, könne und wolle er nicht nachkommen, da hierzu kein Anlass bestehe. Die in § 5 der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung (Alg II-V) erwähnte differenzierte Betrachtung verschiedener Einkunftsarten beziehe sich unmissverständlich auf die steuerrechtlichen Einkunftsarten. Er habe aber nur Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit. Es sei auch sehr schwierig, die Gemeinkosten auf beide Geschäftsbereiche aufzuteilen. Mit diesem Schriftsatz übersandte der Kläger zahlreiche Belege zu seiner selbständigen Tätigkeit.

Mit Bescheid vom 29.05.2009 lehnte der Beklagte die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit ab April 2009 ab. Der Kläger sei nicht hilfebedürftig im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II; er könne seinen Lebensunterhalt aus dem ihm zur Verfügung stehenden Einkommen als Kurierfahrer decken. Die betrieblichen Verluste des Einzelhandelsbetriebes könnten nicht berücksichtigt werden. Hier habe eine Trennung zwischen privater Hilfebedürftigkeit und fehlendem betrieblichen Kapital zu erfolgen. Es sei nicht Sinn und Zweck des SGB II fehlendes betriebliches Kapital zu ersetzen.

Mit Schriftsatz vom 10.06.2009 legte der Kläger gegen den Ablehnungsbescheid vom 29.05.2009 Widerspruch ein. Die Kurierdiensttätigkeit habe er eigentlich nur übernommen, da anfängliche Investitionen in der Saftbar hätten finanziert werden müssen. Das relativ hohe Einkommen aus den Kurierfahrten resultiere daraus, dass ein Fahrer ausgeschieden sei und er die Tour habe übernehmen können. Dieses Einkommen sei aber nicht gesichert. Das Unternehmen habe nun zwei neue Aushilfsfahrer eingestellt, so dass die aktuellen Umsätze weitaus geringer seien. Aus der EKS-Erklärung, die auf einer Schätzung beruhe, ergebe sich ein anrechenbares Einkommen in Höhe von 337,06 Euro. Er weise darauf hin, dass er sich erst im 2. Jahr seiner Existenzgründung befinde und doch erkennbar sei, dass er sich voll engagiere. Nur vorerst bestehe noch die Notwendigkeit einer Unterstützung.

Mit Bescheid vom 02.09.2009 bewilligte der Beklagte dem Kläger für die Monate April bis September 2009 monatliche Leistungen in Höhe von 127,60 Euro (109,81 Euro für die private Kranken- und 17,79 Euro für die private Pflegeversicherung). Es sei ein überschießendes Einkommen in Höhe von 14,51 Euro auf den Gesamtbedarf für die private Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 142,11 Euro anzurechnen.

Nach mehrfachen Aufforderungen, nach Ende des Bewilligungsabschnitts für beide Tätigkeiten getrennte Anlagen EKS einzureichen, übersandte der Kläger Ende November 2009 zwei EKS-Anlagen. Der Kläger erzielte folgende Gewinne/Verluste aus den Tätigkeiten: Aus der Tätigkeit als Kurierfahrer einen Gewinn in Höhe von insgesamt 6.026,00 Euro und aus der Saftbar einen Verlust in Höhe von 2.021,00 Euro. Dabei trennte er die Gemeinkosten nach einer Schätzung wie folgt auf: Büromaterial je ½, Telefonkosten 30 % für die Saftbar und 70 % für die Kuriertätigkeit, Beratungskoten je ½, und sonstige Betriebsausgaben 80 % für die Saftbar und 20 % für die Kuriertätigkeit; Vorsteuer/Umsatzsteuer anteilig.

Zum 30.11.2009 schloss der Kläger die Saftbar; das Gewerbe als solches führte er als mobile Saftbar fort.

Den Widerspruch wies der Beklagte mit dem Widerspruchsbescheid vom 02.02.2010 als unbegründet zurück. Nach der Alg II-V seien unterschiedliche Einkommensarten getrennt voneinander zu betrachten. Dies seien Einkommen aus selbständiger Tätigkeit/Gewerbebetrieb/Land- und Forstwirtschaft, Einkommen aus nichtselbständiger Arbeit und weitere Einnahmen. Ein Verlustausgleich zwischen den einzelnen Einkommensarten sei nach § 5 Alg II-V nicht zulässig. Der Kläger habe Einkommen aus Kurierdienstleistungen in Höhe von 1.004,33 Euro sowie Verluste aus einer weiteren selbständigen Tätigkeit (Saftbar). Diese Verluste könnten nach § 3 Abs. 2 Alg II-V nicht als notwendige Ausgaben berücksichtigt werden. Es ergebe sich folgende Einkommensberechnung: Gewinn in Höhe von 1.004,33 Euro abzüglich des Grundfreibetrags in Höhe von 100,00 EUR sowie des Freibetrages nach § 30 Nr. 1 und Nr. 2 SGB II a.F. in Höhe von 160,43 Euro; mithin ergäbe sich ein anzurechnendes Einkommen in Höhe von 743,90 Euro. Dieses Einkommen übersteige den Bedarf in Höhe von 690,70 Euro, daher bestehe kein Anspruch. Soweit mit Bescheid vom 02.09.2009 für die Zeit von April bis September ein Zuschuss zu den Beiträgen zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 127,60 Euro monatlich bewilligt worden sei, habe es damit sein Bewenden.

Die vorliegende Klage ist am 18.02.2010 bei Gericht eingegangen.

Den Verhandlungstermin vom 13.02.2013 hat die Kammer im Hinblick auf weitere Ermittlungen zur Höhe der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge vertagt. Nach Abschluss dieser Ermittlungen hat der Beklagte unter Berücksichtigung der tatsächlichen Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung zunächst mit dem Änderungsbescheid vom 07.10.2013 monatliche Leistungen in Höhe von 127,60 Euro für April und Mai 2009, in Höhe von 269,99 Euro für Juni sowie in Höhe von monatlich 258,65 Euro für Juli bis September 2009 bewilligt. Mit einem weiteren Änderungsbescheid vom 29.11.2013 hat der Beklagte auch die Bewilligung für April und Mai 2009 geändert und für diese Monate ebenfalls einen Betrag in Höhe von 269,99 Euro monatlich gewährt.

Zur Klagebegründung wird ausgeführt, dass streitig sei, welches Einkommen im streitbefangenen Zeitraum anzurechnen sei. Der Kläger sei selbständig tätig, bisher in zwei Teilbereichen: Zum einen als Kurier und zum anderen mit einer Saftbar. Beide Tätigkeiten habe er zusammen als Gewerbe angemeldet. Aus der Kuriertätigkeit erziele er Gewinne, die Saftbar habe von Anfang an nur Verluste gemacht, weshalb sie inzwischen aufgegeben worden sei. Die zusätzliche Tätigkeit als Kurierfahrer habe dazu dienen sollen, weiteres Einkommen zu erzielen, um die Verluste möglichst gering zu halten. Schon vom Ansatz her habe dieses Einkommen dazu dienen sollen, die Verluste auszugleichen. So habe auch der Beklagte dies gesehen. So habe der Beklagte noch in der Eingliederungsvereinbarung vom 15.04.2009 mit dem Kläger ausdrücklich vereinbart, dass die Bemühungen des Klägers zur Verbesserung der Einnahmesituation Gegenstand der Vereinbarung sei und der Beklagte dem Kläger Unterstützung zur Förderung der Existenzgründung bewillige. Wenn mit Zustimmung des Beklagten eine zusätzliche Tätigkeit aufgenommen werde, um die Verluste möglichst gering zu halten, könne hinterher nicht eine Trennung beider Einkommen vorgenommen werden. Der Beklagte berufe sich zu Unrecht auf die Alg II-V. Es gehe nämlich vorliegend nicht um den Verlust zwischen einzelnen Einkommensarten, sondern es handele sich bei den beiden Tätigkeiten um eine Einkommensart; hierbei müsse der Verlust mit dem Gewinn verrechnet werden. Gemäß § 5 Satz 2 Alg II-V dürfe Einkommen nicht um Ausgaben einer anderen Einkommensart vermindert werden. Die Einkommensarten ergäben sich aus dem Einkommensteuergesetz (EStG): Einkommen aus selbständiger Arbeit nach § 18 EStG sei eine Einkommensart. Eine vergleichbare Regelung finde sich in § 21 Abs. 1 Satz 2 des Berufsausbildungsförderungsgesetzes (BAföG); auch dort könne ein ausgleichender Verlust aus anderen Einkunftsarten nicht vorgenommen werden, auch dort sei unstrittig, dass es um eine Einkunftsart gehe, nicht aber um verschiedene Tätigkeiten innerhalb einer Einkunftsart. Die Frage, ob es gegebenenfalls zumutbar sei, die verlustreiche Tätigkeit zu beenden, stelle sich gar nicht. Im Übrigen habe der Kläger bereits entsprechend reagiert. Der sich im Widerspruchsbescheid ergebende Gewinn aus der Tätigkeit als Kurierfahrer sei rechnerisch richtig. Darüber hinaus habe der Kläger aber auch einen Verlust in Höhe von 2.021,00 Euro hinnehmen müssen; auch dieser Wert dürfte feststehen und sei vom Beklagten nicht angegriffen worden. Die Aufgabe der Saftbar sei im Übrigen auch nicht früher als zum 30.11.2009 zumutbar gewesen: Im Frühjahr 2009 hätten sich die Umsätze noch positiv entwickelt. Der Kläger sei daher davon ausgegangen, dass Gewinn erzielt werden könne. Ab dem Sommer – etwa August – seien die Umsätze eingebrochen, so dass der Kläger zum Vermieter Kontakt aufgenommen habe, um über die Aufgabe der Saftbar zu verhandeln. Der Kläger sei noch ca. 1 ½ Jahre vertraglich an die Miete des Raumes gebunden gewesen. Er habe jedoch einen Nachmieter finden können, der zum 01.12.2009 die Geschäftsräume übernommen habe. Nur dadurch sei es dem Kläger möglich gewesen, bereits zu Ende November 2009 die Tätigkeit einzustellen, so dass noch höhere Verluste vermieden worden seien. Eine vorherige Aufgabe der Saftbar sei schlechthin nicht möglich gewesen. Es sei folgende Rechnung anzustellen: Gewinn in Höhe von 6.026,00 Euro abzüglich des Verlustes in Höhe von 2.021,00 Euro ergebe einen Gewinn in Höhe von insgesamt 4.005,00 Euro, mithin durchschnittlich 667,50 Euro pro Monat; abzüglich der Freibeträge ergebe sich ein anrechenbares Einkommen in Höhe von 444,00 Euro. Der Kläger habe daher einen Anspruch in Höhe von 264,70 Euro monatlich. Zu den im Laufe des Verfahrens eingereichten Einnahme-Überschuss-Rechnungen sei darauf hinzuweisen, dass die unterschiedlichen Beträge zu der im November 2009 eingereichten Anlagen EKS daraus resultieren, dass er bei der Einnahme-Überschuss-Rechnung für das Finanzamt Fahrtkosten in Höhe von 0,30 Euro/km angesetzt habe, während er für die EKS nur von 0,10 Euro/km ausgegangen sei. Ansonsten seien die Berechnungen bis auf kleine Abweichungen identisch.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger unter Abänderung des Bescheides vom 29.05.2009 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 02.09.2009, 07.10.2013 und 29.11.2013 sowie in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.02.2010 weitere Leistungen nach dem SBG II für die Monate April bis September 2009 zu bewilligen.

Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Klage abzuweisen.

Er verbleibt bei seiner Ansicht im Widerspruchsbescheid mit Ausnahme der Berücksichtigung der tatsächlichen Bedarfe für die private Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 323,19 Euro bzw. 311,85 Euro. Bei einem überschießenden Einkommen von 53,20 Euro und den bereits gezahlten Leistungen von 12,60 Euro ergebe sich ein Nachzahlungsanspruch von 142,39 Euro monatlich für April bis Juni bzw. 131,05 Euro monatlich für Juli bis September (vgl. Änderungsbescheide vom 07.10. und 29.11.2013). Die Verluste aus der Saftbar seien nicht als notwendige Ausgaben im Sinne von § 3 Abs. 2 Alg II-V zu berücksichtigen. Hinzuweisen sei auf die fachlichen Hinweise der Bundesagentur für Arbeit zu § 11 SGB II. Danach seien Verluste aus einer zweiten selbständigen Tätigkeit nicht als notwendige Betriebsausgaben im Sinne von § 3 Abs. 2 Alg II-V zu berücksichtigen, wenn in der ersten selbständigen Tätigkeit Gewinne erzielt werden. Dieser Hinweis sei aufgenommen worden, nachdem zu dem vorliegenden Fall eine Fachanfrage an die Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit gestellt worden war. Dies entspreche der Systematik des § 3 Alg II-V. Der Begriff des "Gesamteinkommens" richte sich auch hier nicht nach den steuerrechtlichen Berechnungsmethoden mit dem Ergebnis des hier begehrten Verlustausgleichs, sondern bezeichne das Endergebnis aus der Berechnung, die in § 3 Abs. 1 bis 3 Alg II-V erläutert werde. Darunter könne gerade keine Saldierung verstanden werden; die Saldierungsmöglichkeiten ergäben sich hier doch bereits abschließend aus den vorangegangenen Absätzen. Aus der Eingliederungsvereinbarung vom 15.04.2009 ergebe sich keine andere Beurteilung der Sach- und Rechtslage. Ziel dieser Vereinbarung sei die Steigerung des Gewinnes gewesen und damit die Verringerung der Hilfebedürftigkeit. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte davon ausgegangen sei, dass Gewinne und Verluste miteinander verrechnet werden sollten. Die im Widerspruchsbescheid zugrunde gelegten Zahlen seien unstreitig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Leistungsakte des Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der Entscheidung waren.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

Streitgegenstand des Klageverfahrens ist die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 01.04.2009 bis 30.09.2009, die der Beklagte zunächst mit dem angefochtenen Bescheid vom 29.05.2009 ablehnte. Mit dem Bewilligungsbescheid vom 02.09.2009 gewährte der Beklagte rückwirkend ab April 2009 bis einschließlich September 2009 Leistungen. Dieser Bescheid ist gemäß § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden. Die Änderungsbescheide vom 07.10. und 29.11.2013 sind nach § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Soweit im Rahmen von Ablehnungsbescheiden sich der streitgegenständliche Zeitraum auf die Zeit bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erstreckt, ist vorliegend zu berücksichtigen, dass der Beklagte dem Kläger für die Zeit ab dem 01.10.2009 aufgrund eines Weiterbewilligungsantrages gesondert Leistungen gewährte, weshalb sich der streitgegenständliche Zeitraum auf die Monate April bis September 2009 beschränkt. Gegen die angefochtenen Bescheide wendet sich der Kläger richtigerweise mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage.

Der Kläger ist durch den Ablehnungsbescheid in der Fassung des Bewilligungsbescheides vom 02.09.2009 und der Änderungsbescheide vom 07.10. und 29.11.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.02.2010 im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert, da diese rechtswidrig sind. Der Kläger hat einen Anspruch auf weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II in Höhe von 289,90 Euro monatlich für die Monate April bis Juni 2009 und für die Monate Juli bis September 2009 in Höhe von 297,90 Euro monatlich.

Der Kläger ist in dem hier streitigen Zeitraum von April bis September 2009 dem Grunde nach anspruchsberechtigt nach dem SGB II gewesen. Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erfüllt der Kläger; er hat das 15. Lebensjahr vollendet und die Rentenaltersgrenze des § 7a SGB II noch nicht erreicht (Nr. 1), er ist erwerbsfähig im Sinne des § 8 SGB II (Nr. 2) und hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Duisburg und damit in der Bundesrepublik Deutschland (Nr. 4). Der Kläger ist auch hilfebedürftig (Nr. 3) im Sinne des § 9 SGB II, da er seinen Lebensunterhalt jedenfalls nicht ausreichend aus dem ihm zur Verfügung stehenden Einkommen oder Vermögen sichern kann. Damit hat der Kläger Anspruch auf die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach den §§ 19 ff. SGB II.

Im Rahmen der Bedarfsberechnung ist zunächst der gesetzliche Regelsatz zugrunde zu legen; dieser beträgt für April bis Juni 2009 351,00 Euro und ab Juli 2009 359,00 Euro (§ 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II i.V.m. den Bekanntmachungen über die Höhe der Regelleistung nach § 20 Absatz 2 Satz 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch für die Zeit ab 1. Juli 2008 vom 26. Juni 2008, BGBl. I S. 1102, und für die Zeit ab 1. Juli 2009 vom 17.06.2009, BGBl. I S. 1342). Daneben sind die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 339,70 Euro zu berücksichtigen, § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Da der Kläger privat kranken- und pflegeversichert ist, weil er weder in der gesetzlichen Kranken-/Pflegeversicherung versicherungspflichtig noch familienversichert ist, sind gemäß § 26 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 SGB II i.d.F. vom 17.07.2009 auch die Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung zu übernehmen. Die vom BSG in seinem Urteil vom 18.01.2011, Az. B 4 AS 108/10 R, (bestätigt durch den 14. Senat des BSG: Urteil vom 16.10.2012, Az. B 14 AS 11/12 R) vorgenommene Begrenzung der Höhe der Beiträge zur privaten Krankenversicherung auf den hälftigen Basistarif spielt vorliegend keine Rolle, da die tatsächlichen Beiträge unterhalb der Höhe des hälftigen Basistarifs (284,81 Euro bis Juni 2009, siehe ebenfalls BSG, Urteil vom 18.01.2011, Az. B 4 AS 108/10 R, und 273,79 Euro ab Juli 2009: Beitragsbemessungsgrenze in der Krankenversicherung in Höhe von 3.675,00 Euro monatlich x allgemeiner Beitragssatz in der Krankenversicherung in Höhe von 14,9 %) lagen. Mithin sind die tatsächlichen Aufwendungen in Höhe von 281,61 Euro bis Juni und 270,27 Euro ab Juli 2009 zu berücksichtigen.

Der Beitrag zur privaten Pflegeversicherung in Höhe von monatlich 41,58 Euro ist dagegen nicht in tatsächlicher Höhe zu berücksichtigen; insofern wird auf das Urteil des BSG vom 16.10.2012, Az. B 14 AS 11/12 R, verwiesen. Danach hat ein privat pflegeversicherter Bezieher von Arbeitslosengeld II (Alg II) gegen den SGB II-Träger Anspruch auf Übernahme seines Beitrags zur privaten Pflegeversicherung bis zur Hälfte des Höchstbeitrags in der sozialen Pflegeversicherung. Gemäß § 26 Abs. 3 Satz 1 SGB II a.F. werden für die Bezieher von Alg II, die in der sozialen Pflegeversicherung nicht versicherungspflichtig und nicht familienversichert sind, die Aufwendungen für eine angemessene private Pflegeversicherung im notwendigen Umfang übernommen. Diese Voraussetzungen werden vom Kläger, wie bereits dargestellt, dem Grunde nach erfüllt. Was eine "angemessene private Pflegeversicherung im notwendigen Umfang" ist, wird weder im SGB II noch im Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) ausdrücklich geregelt. Auszugehen ist – wie das BSG, a.a.o., ausführt und dessen Ausführungen sich die Kammer anschließt – von § 110 SGB XI, nach dessen Abs. 1 i.V.m. § 23 die Leistungen der privaten Pflegeversicherung den Leistungen der sozialen Pflegeversicherung nach Art und Umfang gleichwertig sein müssen. Dementsprechend erfüllt eine private Pflegeversicherung im Sinne dieser Vorschrift die aufgezeigte Voraussetzung. Die Höhe der Beiträge regelt § 110 Abs. 2 Satz 3, 4 SGB XI i.d.F. vom 28.5.2008 wie folgt: "Für Personen, die im Basistarif nach § 12 des Versicherungsaufsichtsgesetzes versichert sind und deren Beitrag zur Krankenversicherung sich nach § 12 Abs. 1c Satz 4 oder 6 des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) vermindert, darf der Beitrag 50 % des sich nach Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e ergebenden Beitrags nicht übersteigen; die Beitragsbegrenzung für Ehegatten oder Lebenspartner nach Absatz 1 Nr. 2 Buchstabe g gilt für diese Versicherten nicht. Für die Aufbringung der nach Satz 3 verminderten Beiträge gilt § 12 Abs. 1c Satz 5 oder 6 VAG entsprechend; dabei gilt Satz 6 mit der Maßgabe, dass der zuständige Träger den Beitrag zahlt, der auch für einen Bezieher von Arbeitslosengeld II in der sozialen Pflegeversicherung zu tragen ist." Danach darf der Beitrag in der privaten Pflegeversicherung für Personen im verminderten Basistarif zur privaten Krankenversicherung im Jahr 2009 bei dem erhöhten Beitragssatz von 2,2 % (§ 55 Abs. 3 SGB XI i.d.F. vom 28.05.2008) und einer Beitragsbemessungsgrenze von 3.675 Euro maximal 40,43 Euro betragen.

Der in § 110 Abs. 2 Satz 4 SGB XI für die Bezieher von Alg II enthaltene Verweis auf § 12 Abs. 1c Satz 5, 6 VAG mit der ausdrücklichen Maßgabe, dass der zuständige Leistungsträger nach dem SGB II (nur) den Beitrag zu übernehmen hat, der für einen Bezieher von Alg II in der sozialen Pflegeversicherung zu zahlen ist, lässt auf eine Deckungslücke schließen. Der Beklagte kann sich auf die Begrenzung der Leistungspflicht auf die Höhe der in der sozialen Pflegeversicherung versicherten Leistungsbezieher nicht berufen, soweit dies der Grundentscheidung des Gesetzgebers in § 26 Abs. 3 SGB II a.F. für eine Absicherung der privat pflegeversicherten Alg II-Empfänger durch eine "angemessene private Pflegeversicherung im notwendigen Umfang" widerspricht. Mit der Verpflichtung der privaten Pflegeversicherungsunternehmen auf eine Beitragsabsenkung zugunsten ihrer Versicherten im Basistarif, die auch für die Bezieher von Alg II maßgebend ist, hat der Gesetzgeber für diesen Personenkreis zugleich festgelegt, welche Beitragshöhe "angemessen" und "notwendig" ist, nämlich der Beitrag, den private Versicherungsunternehmen von derart beitragsprivilegierten Personen höchstens fordern können. Eine weitere Reduzierung des Beitrags für Bezieher von Alg II ist nicht vorgesehen. Das Regelungsgefüge der § 110 Abs. 2 Satz 4 SGB XI, § 12 Abs. 1c VAG, § 57 Abs. 1 Satz 2 SGB XI eröffnet insbesondere nicht die Möglichkeit, die Beitragsforderung des privaten Pflegeversicherungsunternehmens auf den Beitragssatz für Alg II-Bezieher in der sozialen Pflegeversicherung, zu reduzieren. Daher muss ein Beitrag bis zu maximal 40,43 Euro monatlich als notwendig im Sinne des § 26 Abs. 3 SGB II a.F. angesehen werden.

Es ergibt sich mithin für die Monate April bis Juni ein monatlicher Gesamtbedarf von 1.012,74 Euro und für die Zeit ab Juli 2009 ein monatlicher Gesamtbedarf von 1.009,40 Euro.

Dem Bedarf des Klägers stand Einkommen in Form von Gewinnen aus der selbständigen Tätigkeit aus der Saftbar und als Kurierfahrer gegenüber. Als Einkommen zu berücksichtigen sind gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach diesem Buch, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen und der Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit erbracht werden, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz.

Bei der Ermittlung des Einkommens aus selbstständiger Tätigkeit sind sowohl die Gewinne des Klägers aus der Kuriertätigkeit als auch die Verluste aus der Saftbar zu berücksichtigen. Es handelt sich hierbei nach Auffassung der Kammer um ein einheitliches Einkommen aus Gewerbebetrieb im Sinne des § 3 ALG II-V (so auch SG Dresden, Urteil vom 14.02.2014, Az. S 21 AS 6348/10). Erzielt ein Leistungsberechtigter mit verschiedenen Tätigkeiten (z.B. verschiedenen Gewerben) oder mit verschiedenen Vermögensgegenständen (z.B. verschiedenen verpachteten oder vermieteten Grundstücken) Einkommen aus derselben Einkommensart, ist das Einkommen aus dieser Einkommensart auf Grundlage der Berücksichtigung der gesamten Einnahmen und Ausgaben für diese Einkommensart zu ermitteln. Gewinne und Verluste innerhalb derselben Einkommensart dürfen dabei miteinander verrechnet werden (sog. horizontaler Verlustausgleich). § 5 ALG II-V steht dem nicht entgegen, denn die Vorschrift untersagt nach ihrem Wortlaut nur einen Verlustausgleich zwischen verschiedenen Einkommensarten (sog. vertikaler Verlustausgleich).

§ 5 ALG II-V, der mit Wirkung zum 01.01.2008 in die ALG II-Verordnung eingefügt wurde, lautet: "Ausgaben sind höchstens bis zur Höhe der Einnahmen aus derselben Einkunftsart abzuziehen. Einkommen darf nicht um Ausgaben einer anderen Einkommensart vermindert werden." Darf gemäß § 5 Satz 2 ALG II-V Einkommen nicht um Ausgaben einer anderen Einkommensart vermindert werden, bedeutet dies nach Auffassung der Kammer im Umkehrschluss, dass Einkommen um Ausgaben aus derselben Einkommensart vermindert werden darf.

Was unter dem Begriff der Einkommensart zu verstehen ist, ergibt sich aus der Systematik der ALG II-Verordnung: Diese unterscheidet in ihren Regelungen zur Anrechenbarkeit von Einkommen zwischen den Einkommensarten des Einkommens aus nichtselbstständiger Arbeit (§ 2 ALG II-V), aus selbstständiger Arbeit, aus Gewerbebetrieb, aus Land- und Fortwirtschaft (§ 3 ALG II-V) sowie aus Sozialleistungen, Vermietung und Verpachtung sowie Kapitalvermögen (§ 4 ALG II-V). Nach der aktuell geltenden Fassung des § 4 ALG II-V kommt noch Einkommen aus Wehr-, Ersatz- und Freiwilligendienstverhältnissen hinzu. Der Kläger erzielt Einkommen nur aus Gewerbebetrieb. Ein horizontaler Verlustausgleich innerhalb dieser Einkommensart ist nach dem Wortlaut des § 5 ALG II-V zulässig.

Dem steht nicht entgegen, dass die Begründung des Verordnungsgebers ein anderes Verständnis des § 5 ALG II-V indiziert. In der Verordnungsbegründung wird zu § 5 ALG II-V Folgendes ausgeführt: "Mit der Vorschrift wird der Ausgleich von Verlusten zwischen einzelnen Einkommensarten für die Berechnung des in der Grundsicherung für Arbeitsuchende zu berücksichtigenden Einkommens ausgeschlossen. Ausgaben werden damit nur bei der jeweiligen Einkunftsart abgesetzt. Leistungen zum Lebensunterhalt dürfen nur erbracht werden, soweit Hilfebedürftigkeit vorliegt. Daher sind alle zur Verfügung stehenden Einnahmen vorrangig für den Lebensunterhalt einzusetzen. Daraus ergibt sich bereits, dass diese Einnahmen dann nicht mehr für den Verlustausgleich zur Verfügung stehen können. Insoweit hat die Regelung auch klarstellenden Charakter. Die Regelung gilt daher auch für den Ausgleich von Verlusten in einer Einkommensart, wenn zum Beispiel zwei selbständige Tätigkeiten betrieben werden." (Entwurf für eine Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld, November 2007, S. 17). Nach Auffassung des Verordnungsgebers soll ein Verlustausgleich auch innerhalb einer Einkommensart – "wenn zum Beispiel zwei selbstständige Tätigkeiten betrieben werden" – ausgeschlossen sein. In dem Wortlaut der Regelung findet diese Intention jedoch keine Stütze. § 5 ALG II-V regelt ausdrücklich, dass Einkommen nicht um Ausgaben einer anderen Einkommensart vermindert werden darf. Eine Regelung, etwa dergestalt, dass außerdem Einkommen aus einer abgrenzbaren Tätigkeit nicht um Ausgaben einer zweiten abgrenzbaren Tätigkeit derselben Einkommensart vermindert werden darf, wurde nicht aufgenommen. Auch kann der Begriff "Einkommensart" nicht so verstanden werden, dass bei mehreren Gewerbebetrieben das Einkommen aus dem einen Gewerbebetrieb eine andere Einkommensart als das Einkommen aus dem anderen Gewerbebetrieb bildet. Auch der Verordnungsgeber geht davon aus, dass zwei selbstständige Tätigkeiten "in einer Einkommensart" betrieben werden.

Widersprechen Gesetzeswortlaut und Gesetzesbegründung einander, genießt bei einer Auslegung der Wortlaut einer Norm den Vorrang. Dies entspricht dem Gebot der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit. Es ist dem Beklagten zuzugeben, dass der Sinn und Zweck, der einen (vertikalen) Verlustausgleich zwischen verschiedenen Einkommensarten ausschließt, auch den Ausschluss eines horizontalen Verlustausgleichs rechtfertigen könnte. Durch den Ausschluss des vertikalen Verlustausgleichs soll verhindert werden, dass Hilfeempfänger auf Kosten der Allgemeinheit verlustreichen Tätigkeiten nachgehen (BSG, Urteil vom 12.06.1992, Az. 11 RAr 75/91). Auch und gerade im Hinblick auf den Bedarfsdeckungsgrundsatz des SGB II begegnet der Ausschluss eines Verlustausgleichs dann keinen Bedenken, wenn Einnahmen tatsächlich zur Bestreitung des Lebensunterhalts zur Verfügung stehen (SG Mainz, Urteil vom 10.07.2012, Az. S 16 AS 325/10). Dass Einnahmen gegebenenfalls zur Begleichung von Schulden aus einer verlustreichen Einkommensart genutzt werden, beruht dann auf einer freiwilligen Entscheidung des Leistungsempfängers. Zahlungen zur Tilgung von Schulden können im Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende grundsätzlich nicht vom Einkommen abgesetzt werden (BSG, Urteil vom 19.09.2008, B 14/7b AS 10/07 R).

Die genannten Bedenken gegen einen vertikalen Verlustausgleich lassen sich auch auf den vorliegenden Fall übertragen, führen jedoch zu keiner anderen Auslegung des § 5 ALG II-V. Dem Kläger wäre es zwar möglich gewesen, die Gewinne aus der Kuriertätigkeit zur Bestreitung seines Lebensunterhalts einzusetzen und damit nicht die Verluste aus der Saftbar auszugleichen. Auch wäre es dem Kläger möglich gewesen, die verlustreiche Saftbar (früher) aufzugeben. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass sich der Kläger zu Beginn des Bewilligungsabschnitts noch im ersten Jahr der Existenzgründung befand und er hoffte, auch mit Unterstützung des Beklagten (vgl. insofern auch die Eingliederungsvereinbarung vom 15.04.2009), mit diesem Gewerbe zukünftig ebenfalls Gewinne zu erwirtschaften. Weiter zu berücksichtigen ist, dass die Buchführung des Klägers für beide Tätigkeiten im Rahmen einer Einnahme-Überschuss-Rechnung erfolgte. Im Rahmen der dann von dem Beklagten angeforderten getrennten EKS-Erklärungen musste der Kläger die Gemeinkosten nach einer Schätzung trennen; eine tatsächliche Trennung lag gar nicht vor.

Die Probleme im Zusammenhang mit der Frage, wann im Einzelfall zwei voneinander abgrenzbare Tätigkeiten innerhalb derselben Einkommensart tatsächlich vorliegen, sind vom Gesetzgeber zu lösen. Es ist nicht Aufgabe der Gerichte, eine Norm aufgrund einer sich im Wortlaut nicht widerspiegelnden Intention des Verordnungsgebers in ihr Gegenteil auszulegen und die konkreten Voraussetzungen für die vom Verordnungsgeber nur kursorisch umschriebene beabsichtigte Regelung auszugestalten. Der Verordnungsgeber hat das Problem des Verlustausgleichs zwischen Tätigkeiten aus derselben Einkommensart bereits im Jahr 2007 erkannt, aber seitdem keine Schritte zur gesetzlichen Ausgestaltung dieser Problematik unternommen. Maßgeblich bleibt daher weiterhin der Wortlaut des § 5 ALG II-V. Bis zu einer etwaigen Änderung des § 5 Alg II-V ist das Problem, dass Hilfeempfänger auf Kosten der Allgemeinheit verlustreichen Tätigkeiten nachgehen können, vielmehr im Rahmen des § 3 Alg II-V zu lösen bei der Prüfung, ob es sich bei den Verlusten aus der einen selbständigen Tätigkeit um "vermeidbare Betriebsausgaben" handelt (§ 3 Abs. 3 Alg II-V).

Schließlich entspricht die Zulässigkeit eines (horizontalen) Verlustausgleichs innerhalb einer Einkommensart auch den Regelungen bzw. der Rechtsprechung zum Einkommensbegriff in anderen Bereichen des Sozial- und Verwaltungsrechts (zum Begriff "positives Einkommen" in § 2 BEEG führte das BSG aus, dass ein vertikaler Verlustausgleich ausgeschlossen, ein horizontaler Verlustausgleich innerhalb einer Einkommensart aber zulässig ist: BSG, Urteil vom 27.06.2013, Az. B 10 EG 2/12 R; zur Zulässigkeit eines horizontalen Verlustausgleichs im Rahmen der Beitragsbemessung nach § 240 SGB V im Krankenversicherungsrecht: LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 02.11.2011, L 4 KR 39/08, m.w.N.; zur Zulässigkeit des horizontalen Verlustausgleichs nach § 21 Abs. 1 Satz 2 BAföG: OVG NRW, Beschluss vom 17.06.2010, Az. 12 A 1312/08).

Soweit für das Recht der Grundsicherung eine grundlegend andere Regelung getroffen werden sollte, hätte sich dies ausdrücklich im Gesetzeswortlaut widerspiegeln müssen. Insoweit kann auch der Entscheidung des Hessischen LSG vom 24.04.2007 (L 9 AS 284/06 ER) nicht gefolgt werden. Soweit das Hessische LSG auf die Rechtsprechung des BSG zum damaligen Arbeitsförderungsgesetz (AFG) und Bundessozialhilfegesetz (BSHG) verwiesen hat, ist festzustellen, dass das BSG in den zitierten Entscheidungen lediglich den Ausschluss des Verlustausgleiches zwischen verschiedenen Einkommensarten für zulässig erachtete (BSG, Urteil vom 12.06.1992, Az. 11 RAr 75/91; BSG, Urteil vom 27.07.1989, 11/7 RAr 99/87).

Der Kläger erzielte im vorliegenden Bewilligungsabschnitt ein monatlich zu berücksichtigendes Einkommen aus der selbständigen Tätigkeit als Kurierfahrer und mit der Saftbar in Höhe von 667,50 Euro. Dieser Betrag ergibt sich aus folgender Berechnung:

Bei der Berechnung des Einkommens aus selbständiger Arbeit, Gewerbebetrieb oder Land- und Forstwirtschaft ist gemäß § 3 Abs. 1 der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung (Alg II-V) i.d.F. vom 18.12.2008 von den Betriebseinnahmen auszugehen. Betriebseinnahmen sind alle aus selbständiger Arbeit, Gewerbebetrieb oder Land- und Forstwirtschaft erzielten Einnahmen, die im Bewilligungszeitraum (§ 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II) tatsächlich zufließen. Gemäß § 3 Abs. 3 Satz 2 Alg II-V a.F. können nachgewiesene Einnahmen bei der Berechnung angemessen erhöht werden, wenn anzunehmen ist, dass die nachgewiesene Höhe der Einnahmen offensichtlich nicht den tatsächlichen Einnahmen entspricht. Der Kläger konnte im vorliegenden Bewilligungszeitraum April bis September 2009 an Einnahmen insgesamt 13.302,00 Euro erzielen. Von den Betriebseinnahmen sind Betriebsausgaben in Höhe von insgesamt 9.297,00 Euro abzusetzen: Gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 Alg II-V a.F. sind zur Berechnung des Einkommens von den Betriebseinnahmen die im Bewilligungszeitraum tatsächlich geleisteten notwendigen Ausgaben mit Ausnahme der nach § 11 Abs. 2 SGB II abzusetzenden Beträge ohne Rücksicht auf steuerrechtliche Vorschriften abzusetzen.

Tatsächliche Ausgaben sollen nach § 3 Abs. 3 Alg II-V nicht abgesetzt werden, soweit diese ganz oder teilweise vermeidbar sind oder offensichtlich nicht den Lebensumständen während des Bezuges der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende entsprechen. Hier ist zu prüfen, wie bereits dargelegt, ob dem Kläger die Aufgabe der Saftbar nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt oder bereits bei Beginn des Bewilligungsabschnitts zumutbar gewesen wäre mit der Folge, dass die daraus entstandenen Verluste ganz oder teilweise vermeidbar gewesen wären. Hier ist die Kammer jedoch zu der Auffassung gelangt, dass die entsprechenden Betriebsausgaben zu berücksichtigen sind. Dies folgt zum Einen daraus, dass eine sichere Trennung der Ausgaben zwischen den beiden verschiedenen Tätigkeiten nur durch eine Schätzung möglich gewesen wäre. Zum anderen folgt dies daraus, dass Leistungsempfängern eine Existenzgründungsphase mit Verlusten zuzugestehen ist. Viele Betriebe können in der ersten Zeit ihrer Gründung keine Gewinne erzielen; das Unternehmen muss bekannt werden und sich etablieren, die Anfangsinvestitionen sind zu berücksichtigen etc. Der Kläger eröffnete die Saftbar nach einer Start- und Renovierungsphase erst im Frühjahr 2008. Die Saftbar hatte mithin erst ein Jahr geöffnet. Die Kammer ist zu der Auffassung gelangt, dass der Kläger sich im hier streitigen Zeitraum noch in der Existenzgründungsphase befand und damit nicht verpflichtet war, zu Beginn oder während des Bewilligungsabschnitts das Lokal zu schließen. Die Kammer hat dabei auch berücksichtigt, dass die Bundesagentur für Arbeit für arbeitslose Existenzgründer für die Dauer von 15 Monaten Gründungszuschüsse gewähren kann, vgl. §§ 93, 94 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) n.F. Daraus wird bereits ersichtlich, dass für mehr als ein Jahr von einer Existenzgründungsphase ausgegangen werden kann. Zu berücksichtigen ist dabei ferner, dass der Beklagte sich im Rahmen der Eingliederungsvereinbarung noch ausdrücklich für den Fortbestand des Lokals ausgesprochen und Unterstützung zugesagt hatte.

Bei Abzug der gesamten Betriebsausgaben von den Betriebseinnahmen ergibt sich ein Gesamtgewinn in Höhe von 4.005,00 Euro. Im Rahmen der Berechnung des Einkommens aus selbständiger Tätigkeit ist gemäß § 3 Abs. 4 Satz 1 Alg II-V a.F. für jeden Monat der Teil des Einkommens zu berücksichtigen, der sich bei der Teilung des Gesamteinkommens im Bewilligungszeitraum durch die Anzahl der Monate im Bewilligungszeitraum ergibt, wobei der Bewilligungszeitraum nach § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II sechs Monate umfasst; einer Verlängerung auf 12 Monate, die insbesondere bei Saisonbetrieben nach § 41 Abs. 1 Satz 5 SGB II erwogen wird, bedarf es vorliegend nicht. Aufgrund dieser Durchschnittsberechnung ergibt sich ein monatliches Einkommen aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von 667,50 Euro.

Von dem Einkommen sind die Beträge nach § 11 Abs. 2 SGB II i.d.F. vom 05.12.2006 abzusetzen. Gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 SGB II a.F. ist bei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die erwerbstätig sind, an Stelle der Beträge nach Satz 1 Nr. 3 bis 5 ein Betrag von insgesamt 100,00 Euro monatlich abzusetzen. Darüber hinaus ist bei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die erwerbstätig sind, gemäß § 30 SGB II i.d.F. vom 14.08.2005 von dem monatlichen Einkommen aus Erwerbstätigkeit ein weiterer Betrag abzusetzen. Dieser beläuft sich für den Teil des monatlichen Einkommens, das 100,00 Euro übersteigt und nicht mehr als 800,00 Euro beträgt, auf 20 % (hier 113,50 Euro). Von dem Einkommen sind somit monatliche Absetzungen in Höhe von 213,50 Euro vorzunehmen. Es verbleibt ein monatlich anrechenbares Einkommen in Höhe von 454,00 Euro.

Bei Abzug dieses Einkommens von dem Gesamtbedarf (für die Monate April bis Juni in Höhe von 1.012,74 Euro und für die Zeit ab Juli 2009 in Höhe von 1.009,40 Euro) ergibt sich folgender monatlicher Anspruch des Klägers: April bis Juni in Höhe von 559,89 Euro und Juli bis September 2009 in Höhe von 556,55 Euro. Der Beklagte hat für die ersten drei Monate zwischenzeitlich Leistungen in Höhe von 269,99 Euro bewilligt; es verbleibt ein noch zu zahlender Restanspruch in Höhe von monatlich 289,90 Euro. Für die Monate Juli bis September 2009 hat der Beklagte Leistungen in Höhe von 258,65 Euro bereits gezahlt, weshalb sich ein weitergehender Zahlungsanspruch von monatlich 297,90 Euro ergibt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens selbst.

Die Berufung ist zulässig, der Wert des Beschwerdegegenstandes erreicht 750,00 Euro (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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