S 23 AS 1471/12

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
23
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 23 AS 1471/12
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung höherer Kosten der Unterkunft für den Zeitraum vom 01.09.2011 bis zum 30.04.2012.

Die am 00.00.1955 geborene Klägerin zu 1) und ihr Ehemann, der am 00.00.1954 geborene Kläger zu 2), beziehen seit dem Jahr 2005 mit Unterbrechungen Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) von der Beklagten. Sie bewohnen ein Eigenheim in der dem Kreis Minden-Lübbecke angehörenden Stadt N. Das Haus verfügt über eine Wohnfläche von mindestens 78,97 qm (die Angaben divergieren zwischen 78,97 qm und 89 qm). Der Beklagte berücksichtigte nach im Jahr 2006 und im Jahr 2008 durchgeführten Kostensenkungsverfahren anstelle der tatsächlichen Unterkunftskosten lediglich solche in Höhe von 350,00 Euro. Zusätzlich bewilligte der Beklagte je nach Anfall die tatsächlichen Kosten für die Anschaffung von Brennstoffen (Braunkohlebriketts) für die Ofenheizung der Kläger.

Auf ihren am 03.06.2011 gestellten Antrag für die Zeit ab dem 01.09.2011 bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 21.10.2011 Leistungen für die Zeit vom 01.09.2011 bis zum 30.04.2012. Zuvor hatten die Kläger seit 2009 keine Leistungen mehr bezogen. Dabei berücksichtigte die Beklagte anstelle der tatsächlichen Unterkunftskosten i. H. v. 535,16 Euro (zuzüglich der von den Klägern zu leistenden Darlehenstilgungsraten) Kosten der Unterkunft in Höhe des nunmehr für die Stadt Minden geltenden Mietrichtwerts für zwei Personen in Höhe von 375,00 Euro. Mit Bescheid vom 14.11.2011 bewilligte die Beklagte den Klägern zudem eine Heizungsbeihilfe für die Zeit vom 01.11.2011 bis zum 31.10.2012 im Umfang von 2.830 kg Braunkohle.

Unter dem 02.11.2011 beantragte der Kläger die Übernahme der Zinsen bei der Bausparkasse sowie der Grundbesitzabgaben. Die Beklagte wertete den Antrag als Antrag auf Überprüfung des Bescheides vom 21.10.2011 gemäß § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) und lehnte diesen mit Bescheid vom 22.11.2011 ab. Der Ausgangsbescheid sei rechtmäßig gewesen; die Voraussetzungen für eine erneute Sachentscheidung im Sinne von § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X seien nicht erfüllt. Kosten der Unterkunft und Heizung seien nicht in unbegrenzter Höhe, sondern lediglich in angemessenem Umfang bei der Berechnung der Leistungen nach dem SGB II zu berücksichtigen. Für den Wohnraum der Kläger würden Unterkunftskosten fällig, die den durch den Kreis Minden-Lübbecke festgesetzten Richtwert für zwei Personen in Höhe von 375,00 Euro überstiegen. Die Richtwerte seien anhand der marktüblichen qm-Kaltmieten im mittleren und unteren Preissegment und unter Zugrundelegung der zulässigen Höchstflächen nach den Vorschriften des sozialen Wohnungsbaus ermittelt worden. Die Kosten der eigenen Unterkunft betrügen 535,16 Euro und überschritten somit den Mietrichtwert. Es seien daher ab Bewilligung der Leistungen zum 01.09.2011 zwar die von den Klägern beantragten Grundbesitzabgaben und Zinsen berücksichtigt worden. Aufgrund der Überschreitung des Mietrichtwertes seien aber nur die angemessenen Unterkunftskosten in Höhe von 375,00 Euro pro Monat übernommen worden. Die Geltendmachung zusätzlicher Kosten sei daher nicht möglich. Eine Privilegierung von Eigentümern gegenüber Mietern dürfe im Rahmen der Angemessenheitsprüfung nicht stattfinden.

Den hiergegen am 22.12.2011 eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12.07.2012 als unbegründet zurück. Der Bescheid vom 21.10.2011 sei im Hinblick auf die Rechtsauslegung und Rechtsanwendung rechtmäßig ergangen und sei weder formell noch materiell zu beanstanden.

Mit der am 13.08.2012 erhobenen Klage begehren die Kläger die Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten einschließlich Leistungen zur Darlehenstilgung. Die tatsächlichen Kosten der Unterkunft überstiegen den von der Beklagten ermittelten Mietrichtwert bei weitem. Dies liege unter anderem auch daran, dass sie jährliche Schuldzinsen in Höhe von rund 5.366,00 Euro zu tilgen hätten. Sie seien aufgrund ihrer jetzigen Einnahmen nicht in der Lage, diese Tilgungszahlungen weiterhin zu übernehmen. Das Grundstück sei aufgrund seiner Überschuldung praktisch wertlos. Ein Verkauf oder eine Zwangsversteigerung würde nicht zum Erfolg führen. Ihnen sei aus eigener Kraft eine weitere Finanzierung des Hausgrundstücks nicht möglich. Der Aspekt der Vermögensbildung habe keinesfalls im Vordergrund gestanden. Sie hätten die Immobilie geerbt, seien dann in diese umgezogen und hätten dort Umbaumaßnahmen vorgenommen. Zu diesem Zeitpunkt habe noch keine Hilfebedürftigkeit bestanden. Erst ab Juni 2005 hätten sie Leistungen von der Beklagten erhalten. Grund hierfür sei ein Verkehrsunfall des Klägers zu 2) gewesen. Es sei zwar richtig, dass bei einer Übernahme von Tilgungsleistungen und Finanzierungsleistungen der Grundsatz "keine Vermögensbildung zu Lasten der Allgemeinheit" gelte. Dieser Grundsatz müsse aber dann durchbrochen werden, wenn eine Selbsthilfe, wie in diesem Fall, nicht mehr möglich sei und ohne Übernahme der vollständigen Zinsen und Raten ein Verlust der Immobilie drohe. Es bestehe eine konkrete Gefahr des Wohnungsverlustes. Zudem sei daran zu zweifeln, dass sie auch zukünftig die monatlichen Raten an die entsprechenden Darlehensgeber noch leisten könnten. Eine Verwertung des Grundstücks würde eine unzumutbare Härte bedeuten und nicht zum Erfolg führen. Zudem erlaube § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II nunmehr, dass der SGB II-Träger unangemessene Kosten weiter übernehme, wenn das wirtschaftlicher als ein Wohnungswechsel sei. Auch insoweit sei zu beachten, dass eine Verwertung des Grundstücks nicht durchzuführen sei.

Die Kläger beantragen schriftsätzlich sinngemäß,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22.11.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.07.2012 zu verpflichten, den Bescheid vom 21.10.2011 in der Gestalt des Bescheides vom 01.02.2013 abzuändern und ihnen für die Zeit vom 01.09.2011 bis zum 30.04.2012 weitere Kosten der Unterkunft in Höhe von monatlich 146,16 Euro nebst Leistungen zur Darlehenstilgung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezieht sie sich auf den im Auftrag des Kreises Minden-Lübbecke von der Firma "Analyse und Konzepte" erstellten Endbericht "Regionalisierung des Kreises Minden-Lübbecke zur Ermittlung der KdU-Kosten" (im Folgenden: Konzept, abrufbar unter http://www.minden-luebbecke.de/Service/Jobcenter-proArbeit-/Leistungsberechtigte/index.php?La=1&NavID=1891.160&object=tx 1891.1775.1&kat=&kuo=2&sub=0). Sie führt aus, der Kreis Minden-Lübbecke verfüge über ein schlüssiges Konzept zur Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft, das den Anforderungen des Bundessozialgerichts (BSG) Rechnung trage. Das Gebiet des Kreises Minden-Lübbecke sei in drei sogenannte Cluster (Wohnungsmärkte) unterteilt. Für den Wohnungsmarkt 1, zu dem auch N gehöre, betrage der Mietrichtwert für zwei Personen für den Zeitraum Januar 2011 bis Dezember 2012 389,00 Euro. Dieser setze sich aus der Netto-Kaltmiete und den kalten Betriebskosten zusammen. Insoweit könne der vorgenannte Betrag für den hier streitigen Zeitraum als angemessen anerkannt werden. Darüber hinausgehende Kosten der Unterkunft könnten nicht anerkannt werden. Tilgungen für Darlehen seien hier nicht als Kosten der Unterkunft zu übernehmen. Die vom Bundessozialgericht insoweit aufgestellte Voraussetzung, dass die Finanzierung des Objekts bereits weitgehend abgeschlossen sein müsse, sei hier nicht erfüllt. Zudem könnten die Finanzierungskosten einschließlich der Tilgungsleistungen insgesamt vom Grundsicherungsträger nur bis zu der Höhe übernommen werden, die er auch bei einer angemessenen Mietwohnung als Kosten der Unterkunft zu tragen hätte. Da aber der Mietrichtwert mit dem Betrag in Höhe von 389,00 Euro bereits ausgeschöpft sei, käme eine zuschussweise Übernahme von Tilgungsanteilen auch aus diesem Grunde nicht in Betracht.

Mit Bescheid vom 01.02.2013 änderte die Beklagte unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur angemessenen Wohnfläche in Nordrhein-Westfalen (vgl. Urteil vom 16.05.2012, Az. B 4 AS 109/11 R) und die im Hinblick darauf erfolgte Überarbeitung des Konzepts (abrufbar unter oben angegebener Internetadresse) und Neufestsetzung der Mietrichtwerte im Kreis Minden-Lübbecke ab dem 01.01.2011 die Bewilligungsbescheide für die Zeit ab dem 01.01.2011 ab und erkannte u. a. für den Zeitraum vom 01.09.2011 bis zum 30.04.2012 höhere Unterkunftskosten in Höhe von 389,00 Euro monatlich an.

Die Beteiligten haben sich im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 10.04.2014 mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen und auf das Konzept des Kreises Minden-Lübbecke sowie die Überarbeitung desselben Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte gemäß § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, da die Beteiligten sich zuvor mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Kläger sind nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, da der angefochtene Bescheid vom 22.11.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.07.2012 rechtmäßig ist. Denn die Kläger haben keinen Anspruch auf Rücknahme des Bescheides vom 21.10.2011 in der Gestalt des Bescheides vom 01.02.2013 und Gewährung weiterer Kosten der Unterkunft für den streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.09.2011 bis zum 30.04.2012 aus § 44 SGB X i. V. m. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Bei Erlass des Bescheides vom 21.10.2011 in der Gestalt des Bescheides vom 01.02.2013 ist weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem Sachverhalt ausgegangen worden, der sich als unrichtig erweist.

Streitgegenständlich ist nach § 96 Abs. 1 SGG neben dem mit dem Widerspruch vom 22.12.2011 ausdrücklich angefochtenen Bescheid vom 22.11.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.07.2012 auch der Bescheid vom 01.02.2013, da er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den ursprünglich angefochtenen, eine Rücknahme des Bescheides vom 21.10.2011 sowie die Gewährung weiterer Kosten der Unterkunft für den streitgegenständlichen Zeitraum ablehnenden Bescheid vom 22.11.2011 sowie den im Rahmen des § 44 SGB X zu überprüfenden Bescheid vom 21.10.2011 abgeändert hat.

Streitgegenstand sind weiterhin allein Ansprüche der Kläger auf höhere Leistungen für die Unterkunft. Die Kläger haben den Streitgegenstand auf die Kosten der Unterkunft beschränkt (vgl. zur Zulässigkeit einer solchen Beschränkung BSG, Urteil vom 07.11.2006, Az. B 7b AS 8/06 R). Soweit es die Heizkosten betrifft, hat die Beklagte diese jeweils nach Anfall mit gesonderten Bescheiden in Form der Bewilligung der Beschaffung von Braunkohlebriketts bewilligt. Für den streitigen Zeitraum maßgeblich ist dabei der - nicht streitgegenständliche - Bescheid vom 14.11.2011, mit welchem die Beklagte die den Klägern angefallenen Heizkosten in Form der Anschaffungskosten für Braunkohlebriketts für die Zeit vom 01.11.2011 bis zum 31.10.2012 übernommen hat.

Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind.

Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte die monatlich übernommenen Bedarfe für die Unterkunft im streitgegenständlichen Zeitraum auf 389,00 Euro beschränkt hat, da die tatsächlichen Aufwendungen der Kläger für die Unterkunft, soweit sie die von der Beklagten festgesetzten Grenzen übersteigen, unangemessen sind.

Die Angemessenheit der Aufwendungen für eine Wohnung bzw. ein Eigenheim ist nach der Rechtsprechung des BSG im Rahmen einer mehrstufigen Einzelfallprüfung zu beurteilen. Der unbestimmte Rechtsbegriff der "Angemessenheit" beinhaltet keinen der gerichtlichen Kontrolle entzogenen Beurteilungsspielraum der Verwaltung, sondern unterliegt der uneingeschränkten gerichtlichten Überprüfung (BSG, Urteil vom 19.10.2010, Az. B 14 AS 50/10 R; Luik in: Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 22, Rn. 72 m.w.N.). Die Einzelfallprüfung hat sich an der sogenannten Produkttheorie zu orientieren. Das "Produkt Mietpreis" setzt sich zusammen aus angemessener Wohnfläche und Wohnstandard und muss angemessen sein. Zu prüfen ist, ob die tatsächlich anfallende Miete die abstrakt angemessene Mietobergrenze in dem räumlichen Bezirk, der den Vergleichsmaßstab bildet, überschreitet. Nicht alle berücksichtigungsfähigen Faktoren müssen je für sich angemessen sein. Entscheidend ist allein das Produkt aus angemessener Wohnfläche und Standard, dass sich im Mietzins niederschlägt (vgl. BSG, Urteile vom 07.11.2006, Az. B 7b AS 10/06 R, Az. B 7b AS 18/06 R, Urteil vom 18.06.2008, Az. B 14/7b AS 44/06 R; Luik, a.a.O., Rn. 72). Dieselben Grundsätze gelten auch für Eigentümer. Aus Gründen der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz - GG -) müssen Eigentümer und Mieter bei der Berechnung der zu leistenden Kosten der Unterkunft im Wesentlichen nach den gleichen Grundsätzen behandelt werden (vgl. BSG, Urteil vom 15.04.2008, Az. B 14/7b AS 34/06 R; Luik, a.a.O., § 22 Rn. 56 m.w.N.). Zur Konkretisierung der Angemessenheitsgrenze werden nach der Rechtsprechung des BSG in einem ersten Schritt die abstrakt angemessene Wohnungsgröße und der Wohnungsstandard bestimmt, sowie in einem zweiten Schritt festgelegt, auf welchen räumlichen Vergleichsmaßstab (Vergleichsraum) für die weiteren Prüfungsschritte abzustellen ist. In einem dritten Schritt ist zu ermitteln, wie viel auf diesem Wohnungsmarkt für eine Wohnung einfachen Standards aufzuwenden ist (Referenzmiete), indem eine Datenerhebung und Datenauswertung durch den kommunalen Träger bzw. das Jobcenter erfolgt (sog. "schlüssiges Konzept"). Diese ersten drei Schritte bezeichnet das BSG als abstrakte Angemessenheitsprüfung. In einem vierten und letzten Schritt ist zu prüfen, ob für den Leistungsberechtigten eine andere bedarfsgerechte und kostengünstigere Wohnung verfügbar und zugänglich ist, sog. konkrete Angemessenheitsprüfung (vgl. Luik, a.a.O., Rn. 74).

Die Größe des von den Klägern bewohnten Eigenheims mit einer Wohnfläche von mindestens 78,97 qm ist als unangemessen zu beurteilen. Zur Festlegung der angemessenen Wohnfläche ist aus Gründen der Praktikabilität und Rechtssicherheit auf die Wohnraumgrößen für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau abzustellen (vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2005, Az. B 7b AS 18/06 R, Urteil vom 16.05.2012, Az. B 4 AS 109/11 R; Luik, a.a.O., Rn. 77 m.w.N.). Maßgeblich sind dabei in Nordrhein-Westfalen die Werte der Nr. 8.2 der Wohnraumnutzungsbestimmungen (vgl. BSG, Urteil vom 16.05.2012, Az. B 4 AS 109/11 R). Danach beträgt die Wohnflächengrenze für Ein-Personen-Haushalte 50 qm, für jede weitere Person sind 15 qm hinzuzurechnen. Die Wohnfläche von mindestens 78,97 qm übersteigt die für den Zwei-Personen-Haushalt der Kläger angemessene Wohnflächengrenze von 65 qm um rund 20%. Diese Überschreitung der angemessenen Wohnungsgröße wäre nach den oben dargestellten Grundsätzen allerdings grundsicherungs-rechtlich unbeachtlich, wenn das Produkt aus den Unterkunftskosten je qm und der tatsächlichen Wohnfläche gleichwohl angemessen im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II wäre. Dies ist hier jedoch nicht der Fall, da die tatsächlichen Aufwendungen der Kläger in Höhe von 535,16 Euro (zuzüglich der von den Klägern zu leistenden Darlehenstilgungsraten) die Angemessenheitsobergrenze i. H. v. 389,00 Euro für den maßgeblichen Vergleichsraum deutlich übersteigen.

Bei der Bestimmung des maßgeblichen örtlichen Vergleichsraums zur Ermittlung einer angemessenen Referenzmiete am Wohnort oder im weiteren Wohnumfeld des Leistungsberechtigten sind ausreichend große Räume (nicht bloße Orts- oder Stadtteile) der Wohnbebauung zu definieren, die aufgrund ihrer räumlichen Nähe zueinander, ihrer Infrastruktur und insbesondere ihrer verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bilden. Es kann also nicht schematisch auf das Gebiet des zuständigen kommunalen Trägers oder auf den kommunalverfassungsrechtlichen Gemeindebegriff abgestellt werden. Bei der Bildung des räumlichen Vergleichsmaßstabs kann es - insbesondere im ländlichen Raum - geboten sein, größere Gebiete als Vergleichsgebiete zusammenzufassen, während in größeren Städten andererseits eine Unterteilung in mehrere kleinere Vergleichsgebiete, die kommunalverfassungsrechtlich keine selbständigen Einheiten darstellen, geboten sein kann. (vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2006, Az. B 7b AS 18/06 R, Urteil vom 19.10.2010, Az. B 14 AS 50/10 R; Luik, a.a.O., Rn. 81 m.w.N.).

Als räumlicher Vergleichsmaßstab kann hier nicht auf das gesamte Kreisgebiet des Kreises Minden-Lübbecke abgestellt werden, da die Städte und Gemeinden des Kreisgebietes insgesamt nicht nach Lage, Größe und Struktur vergleichbar sind. Dementsprechend hat die mit der Erstellung des vom Kreis Minden-Lübbecke seiner Bestimmung der Mietobergrenzen zugrunde gelegten Konzepts beauftragte Firma innerhalb des Kreises Minden-Lübbecke unterschiedliche Wohnungsmarkttypen identifiziert und voneinander abgegrenzt, um den regionalen Besonderheiten des Kreisgebietes bzgl. der Mietpreisbildung gerecht zu werden. In dem Konzept wurde der Wohnungsmarkt im Kreis Minden-Lübbecke dementsprechend in drei Raumeinheiten mit strukturell vergleichbaren Wohnungsmärkten unterteilt, für diese Wohnungsmärkte wurden Vergleichsmieten ermittelt. Dies geschah mithilfe des statistischen Verfahrens der sog. Clusteranalyse, eines Analyseverfahrens, das es ermöglicht, Objekte innerhalb einer Grundgesamtheit zu identifizieren und zusammenzufassen, deren Eigenschaften oder Eigenschaftsausprägungen bestimmte Ähnlichkeiten aufweisen (vgl. hierzu weiter Seite 3 und 4 des Konzepts). Die Stadt N ist dabei dem Wohnungsmarkttyp 1 zugeordnet, der mit Ausnahme der Einkommenshöhe bei allen maßgeblichen Indikatoren die höchsten Werte aufweist und durch hohe Bodenpreise, einen hohen Anteil an Mehrfamilienhäusern, einen hohen Bevölkerungszuwachs sowie eine überdurchschnittliche Bevölkerungsdichte charakterisiert ist. Diese Verfahrensweise sowie die vorgenommene Einteilung in Wohnungsmarkttypen ist nach Auffassung der Kammer im Hinblick auf die Rechtsprechung des BSG zur Ermittlung des maßgeblichen örtlichen Vergleichsraums nicht zu beanstanden. Hierdurch wird gewährleistet, dass zum einen Wohnungsmärkte mit größtmöglicher Ähnlichkeit zusammengefasst und von den sich erheblich unterscheidenden Wohnungsmarkttypen abgegrenzt werden und zum anderen repräsentative Fallzahlen ausgewertet werden können. Dies führt zur Schaffung ausreichend großer Räume der Wohnbebauung, die - wenn auch nicht unmittelbar aneinander angrenzend - räumliche Nähe aufweisen und von ihrer Infrastruktur her einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bilden. Soweit es die vom BSG geforderte verkehrstechnische Verbundenheit betrifft, ist zu berücksichtigen, dass eine enge Auslegung dieser Voraussetzung in ländlichen Gebieten gerade zur - vom BSG nach den obigen Ausführungen nicht für sinnvoll erachteten - Notwendigkeit der Einzelbetrachtung vieler Gemeinden führt, was die Ermittlung repräsentativer Zahlen deutlich erschweren würde.

Die Beklagte konnte der Bestimmung einer angemessenen Vergleichsmiete auch das im Auftrag des Kreises Minden-Lübbecke erstellte Konzept zu Grunde legen, da es den Anforderungen des BSG an ein sog. "schlüssiges Konzept" entspricht.

Der Leistungsträger hat insoweit die konkreten örtlichen Gegebenheiten auf seinem Wohnungsmarkt zu ermitteln und zu berücksichtigen, so wie das etwa bei der Erstellung qualifizierter Mietspiegel der Fall ist. Um ein gleichmäßiges Verwaltungshandeln innerhalb eines Vergleichsraums zu gewährleisten, darf die Ermittlung der regionalen Angemessenheitsgrenze nicht punktuell von Fall zu Fall, sondern muss durch ein planmäßiges Vorgehen des kommunalen Trägers bzw. des Jobcenters im Sinne einer systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenngleich ort- und zeitbedingter Tatsachen im maßgeblichen Vergleichsraum sowie für sämtliche Anwendungsfälle erfolgen (BSG, Urteil vom 17.12.2009, Az. B 4 AS 50/09 R m. w. N.; Luik, a.a.O., Rn. 84 f., m.w.N.). Das BSG ver-langt vom kommunalen Träger, die Wirklichkeit zu erfassen und sich Kenntnis über seinen Wohnungsmarkt zu verschaffen. Das Konzept muss transparent und nachvollziehbar sein und soll hinreichende Gewähr dafür bieten, dass die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes wiedergegeben werden und die Begrenzung der Kosten der Unterkunft auf ein angemessenen Maß von den Gerichten hinreichend nachvollzogen werden kann (BSG, Urteil vom 18.06.2008, Az. B 14/7b AS 44/06 R; Luik, a.a.O., Rn. 85 m.w.N.). Das BSG (vgl. nur Urteil vom 22.09.2009, Az. B 4 AS 18/09 R) hat für die Schlüssigkeit eines Konzepts folgende Mindestvoraussetzungen aufgestellt:

- Die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen (keine "Ghettobildung"),

- es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung (z. B. welche Art von Wohnungen, gegebenenfalls Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- oder Netto-Kaltmiete, Differenzierung nach Wohnungsgröße),

- Angaben über den Beobachtungszeitraum,

- Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, z.B. Mietspiegel),

- Repräsentativität des Umfangs der eingezogenen Daten,

- Validität der Datenerhebung,

- Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung und

- Angaben über die gezogenen Schlüsse (z.B. Spannoberwert oder Kappungsgrenze).

Das Konzept des Kreises Minden-Lübbecke genügt diesen Anforderungen und stellt nach Auffassung der Kammer ein schlüssiges Konzept im Sinne der ständigen Rechtsprechung des BSG dar. Es folgt im Wesentlichen der Methodik, die auch für die Erstellung eines qualifizierten Mietspiegels im Sinne von § 558 d des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) angewandt wird, passt diese aber in nachvollziehbarer Weise den Erfordernissen der Ermittlung von Obergrenzen für die Kosten der Unterkunft im Grundsicherungsrecht an.

Die vom Kreis Minden-Lübbecke beauftragte Firma hat eine umfangreiche und repräsentative Befragung von Vermietern und Mietern im gesamten Kreisgebiet durchgeführt. Berücksichtigt wurden dabei sämtliche Mietwohnungen, also sowohl solche, die öffentlichen Mietpreisbindungen unterliegen, als auch frei finanzierte Mietwohnungen. Darüber hinaus wurden in ländlichen Bereichen auch Wohnungen in Zwei-Familien-Häusern berücksichtigt, da dort ein entsprechender Geschoss-Wohnungsbau und damit ein entsprechendes Wohnungsangebot fehlt bzw. nur in sehr geringem Umfang vorhanden ist. Nicht berücksichtigt wurden Wohnungen in Wohn- und Pflegeheimen, gewerblich oder teilgewerblich genutzte Wohnungen, mietpreisreduzierte Werkswohnungen und Wohnungen mit Freundschaftsmieten ebenso wie Apartments (möblierte Wohnungen), da bei letzteren eine Unterscheidung zwischen Netto-Kaltmiete und den Zahlungen für die Möblierung nicht möglich ist. Im Rahmen der Erhebung bzw. der Auswertung wurden weiterhin in nachvollziehbarer Weise unter Einbeziehung des im Rahmen der Produkttheorie maßgeblichen Merkmals des Wohnstandards nur diejenigen Wohnungen berücksichtigt, die zumindest über die Merkmale "Bad" und "Sammelheizung" verfügten. Substandardwohnungen, die diesem Niveau nicht genügten, blieben unberücksichtigt. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass eine Wohnung nach der Rechtsprechung (vgl. z. B. BSG, Urteil vom 20.12.2011, Az. B 4 AS 19/11 R) zwar dann angemessen ist, wenn sie nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist, hierbei allerdings das untere und ausdrücklich nicht das unterste Marktsegment als angemessen angesehen wird. Von der Erhebung ausgeschlossen wurden auch Wohnungen des Luxussegmentes, die explizit als solche vermarktet oder erkennbar waren. Nach Vornahme der genannten und von der Kammer für nachvollziehbar und naheliegend gehaltenen Einschränkungen verbleiben für den Mietwohnungsmarkt im gesamten Kreis Minden-Lübbecke rund 60.000 Wohnungen. Im Hinblick auf diese wurde eine umfangreiche Mieter- und Vermieter-Befragung durchgeführt. Dabei wurden Daten jeweils zum Stichtag 01.12.2009 zur Wohnungsgröße, zur Netto-Kaltmiete, zu den kalten Betriebskosten (Vorauszahlungsbetrag), zu der Frage, ob die kalten Betriebskosten auch Wasserkosten enthalten, und zu den Heiz- und Warmwasserkosten (Vorauszahlungsbetrag) erhoben. Die Datenerhebung fand in der Zeit von Mitte November 2009 bis Mitte März 2010 statt. Erhoben wurden insgesamt 9.263 Wohnungsmieten, die jedoch aufgrund unplausibler Werte etc. nicht vollständig für die Auswertung verwendet werden konnten. Tabellenrelevant waren daher insgesamt 8.747 Mieten. Die so ermittelten tabellenrelevanten Mieten wurden auf den einheitlichen Begriff der Netto-Kaltmiete pro qm umgerechnet und den jeweiligen Wohnungsmarkttypen und Wohnungsgrößenklassen zugeordnet. Vor der weiteren Auswertung der qm-Mieten wurde für jedes Tabellenfeld eine Extremwertkappung auf Basis eines 95 %-Konfidenzintervalls vorgenommen. Nicht berücksichtigt wurden danach Mietwerte, die sich signifikant von anderen Werten eines Tabellenfeldes unterschieden und deshalb nicht in die Auswertung einbezogen werden sollten. Diese Extremwertkappung anhand eines anerkannten statistischen Verfahrens begegnet nach Auffassung der Kammer ebenfalls keinerlei Bedenken. Nach Durchführung der Extremwertkappung standen für die Auswertung insgesamt 8.337 Mieten zur Verfügung. Sämtliche Tabellenfelder für die drei Wohnungsmarkttypen, differenziert nach Wohnungsgrößen, weisen dann mit Werten zwischen 28 und 1.860 Mieten Fallzahlen auf, die ausreichend sind, um den Anforderungen an die Fallzahlen für qualifizierte Mietspiegel zu genügen, sind also ausreichend repräsentativ. Da nicht nur Wohnungen aus dem unteren Wohnungsmarktsegment ausgewertet wurden, sondern Wohnungen des einfachen bis gehobenen Wohnungsmarktes, musste aus den erhobenen Mieten noch das untere Wohnungsmarktsegment abgeleitet werden. Für den Wohnungsmarkttyp 1, einen städtisch geprägten Wohnungsmarkttyp, wurde daher das 40 %-Perzentil, für die Wohnungsmarkt-typen 2 und 3, eher ländliche Wohnungsmarkttypen, das 45 %-Perzentil ausgewiesen. Diese Werte geben an, dass 40 bis 45 % aller Mieten unterhalb dieser Grenze liegen. Das untere Wohnungsmarktsegment ist hiermit nach Auffassung der Kammer in nachvollziehbarer und schlüssiger Weise umfassend erfasst.

Schließlich wurden die Wohnungsgrößenklassen in einer Überarbeitung des Konzepts an die neuen, sich aus der zitierten Entscheidung des BSG (Az. B 4 AS 109/11 R) ergebenden Wohnflächenstufen angepasst. Dabei wurde die Einteilung der Wohnungsgrößenklassen neu vorgenommen. Dies ist nicht zu bemängeln.

Den Klägern wäre es schließlich auch konkret möglich gewesen, eine bedarfsgerechte und angemessene Wohnung anzumieten.

Für den Fall, dass die tatsächlichen Kosten der Wohnung - wie hier - die abstrakt ermittelte angemessene Referenzmiete übersteigen, ist zu prüfen, ob der Leistungsberechtigte tatsächlich die konkrete Möglichkeit hat, eine abstrakt als angemessen eingestufte (bedarfsgerechte und kostengünstigere) Wohnung auf dem Wohnungsmarkt des konkreten Vergleichsraums anmieten zu können. Besteht eine konkrete Unterkunftsalternative nicht, sind die Aufwendungen für die tatsächlich gemietete Unterkunft als konkret angemessen anzusehen und daher zu übernehmen (vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2006, Az. B 7 b AS 18/06 R; Luik, a.a.O., Rn. 98 m.w.N.).

In dem - schlüssigen - Konzept des Kreises Minden-Lübbecke wird durch die Erhebung aktueller Angebotsmieten und deren Gegenüberstellung mit den erhobenen Bestandsmieten sichergestellt, dass die ermittelten Mietpreise es Grundsicherungsempfängern erlauben, zu den angegebenen Preisen Wohnraum anmieten zu können. Die auf der Basis konkreter Bestandsmieten vorläufig definierte (abstrakte) Angemessenheit wurde auf die Verfügbarkeit eines konkreten Wohnungsangebotes im Kreis überprüft. Die Recherchen der Angebotsmieten wurden im Zeitraum Oktober 2009 bis März 2010 durchgeführt, dabei wurden verschiedene Internet-Immobilien-Suchportale sowie örtliche Tagespresse und Internetseiten der großen Wohnungsanbieter im Kreisgebiet ausgewertet. Die erfassten Mietangebote wurden auf ihre Relevanz geprüft, zusätzlich wurde bei unklaren bzw. nicht ausreichenden Informationen eine Nachfrage bei den Vermietern durchgeführt. Die erhobenen Angebotsmieten wurden den jeweiligen Wohnungsmarkttypen zugeordnet und auf den einheitlichen Begriff der Netto-Kaltmiete pro qm umgerechnet. Auch hier blieben Apartments unberücksichtigt (siehe oben). Während des Erhebungszeitraums konnten so insgesamt 1.065 Angebote ermittelt werden. Dabei ist ausweislich des Konzepts zu berücksichtigen, dass diese Zahl unter dem tatsächlichen Angebotsvolumen liegt, da nicht alle Wohnungen über diese Medien vermarktet werden. In einem weiteren Schritt wurden die Angebotsmieten mit den Neuvertragsmieten unter den Bestandsmieten (Mietvertragsabschlüsse bis neun Monate vor dem Erhebungsstichtag) abgeglichen. Dabei ergab sich, dass die Neuvertragsmieten in der überwiegenden Zahl unterhalb der Angebotsmieten liegen. Hieraus lässt sich ableiten, dass tatsächlich ein wesentlich größeres Wohnungsangebot unterhalb der Obergrenzen zur Verfügung steht, als dieses in den ermittelten Angebotsmieten zum Ausdruck kommt. Auch hier wurde eine tabellenfeldbezogene Extremwertkappung auf Basis des 95 %-Konfidenzintervalls vorgenommen. Danach standen für die eigentliche Auswertung insgesamt 1.020 Mieten zur Verfügung. Während des Untersuchungszeitraums konnte zwar nicht für alle Tabellenfelder ein entsprechendes Wohnungsmarktangebot identifiziert werden. Da die Fallzahlen zu klein waren, um entsprechende Mietwerte zu berechnen, wurden für diese Felder keine Werte ausgewiesen. Dementsprechend wird in dem Konzept empfohlen, die Angemessenheit in entsprechenden Fällen im Rahmen einer Einzelfallprüfung zu entscheiden. Dieser mögliche Mangel des Konzepts kann hier aber nicht zu einer anderen Entscheidung führen, da dies nicht den streitgegenständlichen Fall betrifft. Die Datenerhebung und die Auswertung der ermittelten Werte sind für die jeweiligen Wohnungsmarkttypen getrennt erfolgt. Es ist nicht ersichtlich, dass Mängel oder einzelne Fehler des Gutachtens, die einen Wohnungsmarkttyp betreffen, sich ohne Weiteres auf die Richtigkeit der Ermittlungen eines anderen Wohnungsmarktes auswirken (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, a. a. O.). So existierten für den Wohnungsmarkttyp 1 im Hinblick auf die maßgebliche Wohnungsgrößenklasse (größer als 50 qm bis 65 qm) insgesamt 134 Angebotsmieten zu einem durchschnittlichen qm-Preis (Netto-Kaltmiete) von 4,81 Euro und 242 Neuvertragsmieten zu einem durchschnittlichen qm-Preis (Netto-Kaltmiete) von 4,70 Euro. Zwar weist das Konzept als durchschnittlichen Netto-Kaltmietpreis einen Betrag i. H. v. 4,50 EUR/qm aus. Unter Berücksichtigung dessen, dass es sich eben um Durchschnittswerte handelt und mit 134 Angebots- und 242 Neuvertragsmieten eine relativ große Zahl an Wohnungen zur Verfügung stand, ist davon auszugehen, dass ausreichend angemessene Wohnungen für die Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum zur Verfügung standen. So betrug der Anteil der Angebotsmieten bis zum Perzentil der Bestandsmieten 22 %, der Anteil der Neuvertragsmieten bis zum Perzentil der Bestandsmieten sogar 27 %. Da die Kläger entsprechende Bemühungen, eine angemessene Wohnung anzumieten bzw. ihre unangemessenen Unterkunftskosten in anderer Weise (z. B. durch Untervermietung) zu senken, weder vorgetragen haben noch solche sonst ersichtlich sind, ist diese Annahme im vorliegenden Verfahren nicht widerlegt worden. Besondere Umstände, aus denen es den Klägern nicht möglich gewesen wäre, eine der angebotenen Unterkünfte anzumieten, sind nicht ersichtlich. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass ein Wechsel der Unterkunft bei unangemessenen Unterkunftskosten auch dann zumutbar ist, wenn der Leistungsberechtigte in einem nach § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II geschützten Eigenheim wohnt. Ein Eigentümer ist ebenso wenig wie ein Mieter davor geschützt, dass sich die Notwendigkeit eines Wohnungswechsels ergeben kann (BSG, Urteil vom 07.07.2011, Az. B 14 AS 79/10 R, m.w.N.).

Die Kläger können einen Anspruch auf Gewährung weiterer Kosten der Unterkunft im streitgegenständlichen Zeitraum schließlich auch nicht auf § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II stützen, da der dort regelhaft genannte Zeitraum von sechs Monaten für die Übernahme unangemessener Kosten der Unterkunft im streitgegenständlichen Zeitraum bereits abgelaufen war.

Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie gemäß § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II als Bedarf solange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigtem oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.

Die Beklagte hat die Kläger bereits in den Jahren 2006 und 2008 zur Senkung ihrer Unterkunftskosten auf ein angemessenes Maß aufgefordert und im Anschluss daran lediglich noch die aus ihrer Sicht angemessen Kosten der Unterkunft bis zum Jahr 2009 gewährt. Den Klägern war dementsprechend bei erneuter Beantragung von Leistungen am 03.06.2011 bekannt, dass die anfallenden Unterkunftskosten unangemessen waren und daher von der Beklagten auf den Mietrichtwert abgesenkt würden. Einer erneuten Kostensenkungsaufforderung bedurfte es insoweit nicht. Sind dem Leistungsempfänger die maßgeblichen Gesichtspunkte bekannt, bedarf es keiner Aufklärung mehr, sondern es genügt die Angabe des aus Sicht der Verwaltung angemessenen Betrages für die Aufwendung für die Kosten der Unterkunft (vgl. Luik, a.a.O., § 22, Rn. 120 m. w. N.). Abgesehen davon war es den Klägern möglich und zumutbar, ihre Unterkunftskosten durch einen Woh-nungswechsel oder ggf. auf andere Weise (vgl. hierzu die obigen Ausführungen) zu senken.

Ein Anspruch auf die Gewährung weiterer Kosten der Unterkunft lässt sich weiterhin nicht aus § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II ableiten.

Eine Absenkung der nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II unangemessenen Aufwendungen muss nach § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

Abgesehen davon, dass die Vorschrift keinen Anspruch der Leistungsempfänger begründet, sondern lediglich den Jobcentern die Möglichkeit eröffnen bzw. verdeutlichen will, die Kostensenkungsaufforderung nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II flexibel zu handhaben, wenn im Ergebnis durch den erzwungenen Wohnungswechsel die Kostenlast des Jobcenters erhöht und der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit verletzt würde (vgl. Luik, a. a. O., § 22, Rn. 132), liegen ihre Voraussetzungen hier auch nicht vor. Denn im Hinblick darauf, dass die tatsächlichen Kosten der Unterkunft die angemessenen Kosten um 146,16 Euro übersteigen und nicht absehbar ist, dass die Kläger in naher Zukunft aus dem Leistungsbezug ausscheiden werden, kann von der Unwirtschaftlichkeit eines Wohnungswechsels unter Berücksichtigung der ggf. zu erbringenden Wohnungsbeschaffungs- und Umzugskosten keine Rede sein.

Die Kläger haben schließlich auch keinen Anspruch auf die Übernahme der von ihnen zu erbringenden Darlehenstilgungsraten aus § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II.

So können Tilgungsraten im Rahmen von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II grundsätzlich nicht übernommen werden, da insoweit der Grundsatz, dass SGB II-Leistungen nicht der Vermögensbildung dienen, gilt. Eine Übernahme ist nur in eng begrenzten Ausnahmefällen, nur, wenn lediglich noch eine Restschuld abzutragen ist ("langjährig bewohntes und bereits fast abbezahltes Wohneigentum") und nur bis zur Höhe der angemessenen Kosten einer Mietwohnung möglich. In Betracht kommt dementsprechend auch die Aufgabe des Eigenheims, wenn die Tilgungssumme noch erheblich ist und dem Verlust einer angemessenen Unterkunft dadurch begegnet werden kann, dass eine andere (Miet-)Wohnung bezogen wird. Ein Eigentümer ist - wie oben bereits ausgeführt - ebenso wenig wie ein Mieter davor geschützt, dass sich die Notwendigkeit eines Wohnungswechsels ergeben kann (vgl. Luik, a. a. O., § 22, Rn. 61, 62 m. w. N.).

Im Hinblick darauf, dass hier schon die übrigen Kosten der Unterkunft die Angemessenheitsgrenze überschreiten (s. o.), kommt die begehrte Übernahme von Tilgungsraten nicht in Betracht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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