L 8 KR 370/11

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
S 4 KR 75/10
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 370/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 41/14 R
Datum
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 20. September 2011 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits aus beiden Instanzen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Höhe einer Vergütungsforderung wegen einer stationären Krankenhausbehandlung.
Der bei der Beklagten Versicherte D., geboren 1924 (im Folgenden: Versicherter), wurde vom 12. bis 24. November 2008 in der von der Klägerin betriebenen AX. Klinik, einem nach § 108 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) zugelassenen Krankenhaus, stationär wegen einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit links mittels Gefäßoperation behandelt. Der Versicherte war bis zur Krankenhausbehandlung mit Marcumar zur Antikoagulation behandelt worden. Nach der Krankenhausaufnahme war die Marcumarverabreichung ausgesetzt worden. Am 5. November 2008 hatte die Klinik in Vorbereitung auf die Leistenarterienoperation eine Bestimmung der Blutgruppe des Versicherten vorgenommen und diesen im Rahmen der Patientenaufklärung auf die Möglichkeit einer Nachblutung sowie die ggf. notwendige Gabe von Fremdblut hingewiesen. Am 13. November 2008 wurde im Leistenbereich des Versicherten eine langstreckige Thrombendarteriektomie und Dacron-Patch-Erweiterungsplastik unter Bildung eines sogenannten Common ostiums bei Abgangsstenose der A. profunda femoris links durchgeführt. Intraoperativ wurden 3000 I.E. Heparin vor Durchführung der Längsarteriotomie zur Blutgerinnungshemmung verabreicht. Postoperativ kam es zu einer Nachblutung mit einem Hämoglobinabfall, so dass am Operationstag eine Hämatomausräumung mit Umstechung einer venösen Blutung im Bereich der linken Leiste durchgeführt wurde. Im Hinblick auf den möglichen Blutverlust und die eventuelle Notwendigkeit der Durchführung einer Fremdblutransfusion wurden für beide Eingriffe vorsorglich zwei Blutkonserven bereitgestellt und eine sog. "Blutkreuzung" veranlasst. Dabei wird eine Blutprobe des Patienten mit einer Blutprobe des vorgesehenen Spenderbluts vermischt, um zu testen, ob es zu Verklumpungen in den gemischten Proben kommt. Den Blutkonserven ist ein Pilotröhrchen mit dem Spenderblut beigefügt, dessen Inhalt für den Blutkreuzungstest eingesetzt wird. Dadurch muss die eigentliche Blutkonserve nicht angetastet werden und kann im Falle der Nichtdurchführung einer Bluttransfusion für andere Patienten weiterverwendet werden.

Intraoperativ erfolgte im Rahmen der Revisionsoperation die Gabe von 1000 I.E. Protamin, einem Mittel zur schnellen Aufhebung der Heparinwirkung und damit zur Blutstillung (Antagonisierung von unfraktioniertem Heparin). Weiter wurden während des Revisionseingriffes 1000 ml NaCl (Natriumchlorid) zum Volumenausgleich bei Blutverlust intravenös verabreicht. Bei dem ersten Eingriff war eine Substitution mit 3000 ml NaCl erfolgt. Aus dem im Berufungsverfahren vorgelegten Narkoseprotokoll geht zum ersten operativen Eingriff hervor, dass der Versicherte an die Station mit der Anweisung, Sauerstoffgabe über 4 Stunden, übergeben worden war. Eine Bluttransfusion fand weder bei dem Erst- noch bei dem Revisionseingriff statt. Der postoperative Verlauf nach dem zweiten Eingriff wird in den Krankenblattunterlagen, abgesehen von der Entwicklung einer Lymphzyste im Bereich der linken Leiste, als komplikationslos geschildert. Am 24. November 2008 wurde der Versicherte in die Anschlussheilbehandlung verlegt.

Mit Rechnung vom 24. November 2008 stellte die Klägerin der Beklagten Behandlungskosten in Höhe von 5.612,34 EUR in Rechnung. Die Abrechnung erfolgte auf der Grundlage der Kodierung der Hauptdiagnose I70.21 li (periphere arterielle Verschlußkrankheit –PAVK- , Stadium IIb) nach der DRG F59A (Komplexe Gefäßeingriffe ohne komplizierende Prozeduren, ohne Revision, ohne komplexe Diagnose, Alter größer 2 Jahre, mit äußerst schweren CC oder mäßig komplexe Gefäßeingriffe mit äußerst schweren CC oder Rotationsthrombektomie). Da nach Auffassung der Beklagten nur die DRG F54Z (komplexe oder mehrfache Gefäßeingriffe ohne komplizierende Prozeduren, ohne Revision, ohne komplexe Diagnose, Alter größer 2 Jahre oder mäßig komplexe Gefäßeingriffe mit komplizierender Diagnose, ohne äußerst schwere CC, ohne Rotationsthrombektomie) abrechnungsfähig war, zahlte sie lediglich 4.208,43 EUR. Die Zahlung der restlichen Vergütung lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, dass die abrechnungswirksam von der Klägerin kodierte Nebendiagnosen N18.82 (Niereninsuffizienz) und D62 (akute Blutungsanämie) vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung in Hessen (MDK) in einem von der Beklagten in Auftrag gegebenen Gutachten nach Aktenlage vom 6. August 2009 nicht anerkannt worden seien. Gegen die von dem Krankenhaus weiter für die Rechnungsstellung codierte Nebendiagnose T81.0 (Blutung und Hämatom als Komplikation eines Engriffes, andernorts nicht klassifiziert, ICD-10-GM Version 2008) wurden und werden von der Beklagten keine Einwände erhoben.

Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 10. Februar 2010, der am Folgetag bei dem Sozialgericht Gießen einging, erhob die Klägerin Klage und machte die restliche Vergütungsforderung geltend. Zur Begründung führte sie aus, dass beide von ihr verschlüsselten Nebendiagnosen einen erhöhten Aufwand für das Pflegemanagement darstellten, da Bereitstellung sowie Kreuzung der Blutkonserven und die Hämotherapie als ein Aufwand für die Kodierrichtlinien anzusehen seien. Die Beklagte trat dem entgegen und verwies auf die Einschätzung des MDK, dass die Definition einer Nebendiagnose bezüglich der Diagnose D62 ICD-10 (akute Blutungsanämie) nicht erfüllt sei. Die gekreuzte Blutkonserve sei letztlich nicht verabreicht worden; die bloße Bereitstellung von Blutkonserven auch bei vorgenommener Kreuzung sei Teil der allgemeinen Krankenhausleistungen und rechtfertige die Kodierung einer Diagnose nicht.

Am 23. April 2010 wurde die Nebendiagnose N18.81 ICD-10 (Niereninsuffizienz) seitens des MDK und der Beklagten als kodierfähig anerkannt. Insoweit sei ein Ressourcenaufwand entstanden. Hingegen seien die Voraussetzungen der Nebendiagnosekodierung D62 ICD-10 nicht erfüllt. Das Sozialgericht erhob im Termin zur mündlichen Verhandlung Beweis durch die mündliche Anhörung der zur Sachverständigen bestellten Privatdozentin (PD) Dr. E., Direktorin des Instituts für Laboratoriumsmedizin des Klinikums E-Stadt.

Das Sozialgericht verurteilte die Beklagte mit Urteil vom 20. September 2011 zur Zahlung von 1.503,17 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27. Dezember 2008. Die Klägerin habe Anspruch auf vollständige Vergütung gemäß ihrer Rechnung vom 24. November 2008. Rechtsgrundlage des geltend gemachten Vergütungsanspruchs der Klägerin sei § 109 Abs. 4 S.3 SGB V i. V. m. § 7 S. 1 Nr. 1 KHEntgG sowie dem Vertrag über die Bedingungen der Krankenhausbehandlung nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V für das Land Hessen. Nach der Rechtsprechung des BSG entstehe die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit der Inanspruchnahme einer Leistung durch den Versicherten (BSGE 86, 166, 168 = SozR 3-2500 § 112 Nr. 1; BSGE 90, 1, 2 = SozR 3-2500 § 112 Nr. 3). Der Behandlungspflicht der zugelassenen Krankenhäuser i. S. des § 109 Abs. 4 S. 2 SGB V stehe ein Vergütungsanspruch gegenüber, der nach Maßgabe des Krankenhausfinanzierungsgesetzes, des KHEntgG und der Bundespflegesatzverordnung in der zwischen den Krankenkassen und dem Krankenhausträger abzuschließenden Pflegesatzvereinbarung festgelegt werde. Die Höhe der einem Krankenhaus zustehenden Vergütung werde durch die abzurechnende DRG bestimmt, die wiederum von den zu kodierenden Diagnosen abhängig sei (Hinweis auf BSG, SozR 4-2500 § 109 Nr. 11, sowie Urteil v. 25.11.2010 - B 3 KR 4/10 R - juris Rn. 13).

Zwischen den Beteiligten sei lediglich streitig, ob die Klägerin ihre Vergütungsforderung für die streitgegenständliche Behandlung auf der Basis der DRG F59A abrechnen dürfe. Dies wiederum sei, nachdem die Nebendiagnose N18.81 ICD-10 nicht mehr in Streit stehe, der Fall, wenn die Nebendiagnose D62 ICD-10 (akute Blutungsanämie) kodiert werden dürfe. Nach den für das Jahr 2008 geltenden Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) D003d gelte für die Kodierung einer Nebendiagnose Folgendes:
"Die Nebendiagnose ist definiert als:
Eine Krankheit oder Beschwerde, die entweder gleichzeitig mit der Hauptdiagnose besteht oder sich während des Krankenhausaufenthaltes entwickelt. Für Kodierungszwecke müssen Nebendiagnosen als Krankheiten interpretiert werden, die das Patientenmanagement in der Weise beeinflussen, dass irgendeiner der folgenden Faktoren erforderlich ist:
• therapeutische Maßnahmen
• diagnostische Maßnahmen
• erhöhter Betreuungs-, Pflege- und/oder Überwachungsaufwand.

Krankheiten, die z.B. durch den Anästhesisten während der präoperativen Beurteilung dokumentiert wurden, werden nur kodiert, wenn sie den oben genannten Kriterien entsprechen. Sofern eine Begleiterkrankung das Standardvorgehen für eine spezielle Prozedur beeinflusst, wird diese Krankheit als Nebendiagnose kodiert."

Entscheidend für die Beurteilung sei somit, ob die Kreuzung des Blutes des Versicherten mit den zwei bereitgestellten Blutkonserven das Patientenmanagement im Sinne der Kodierrichtlinien beeinflusst habe. Dies sei etwa der Fall, wenn die der Nebendiagnose zugrunde liegenden Erkrankung als solche zu diagnostischem Aufwand geführt habe. Auf der Basis der ausführlichen Darstellungen durch die Sachverständige PD Dr. E. im Rahmen der mündlichen Verhandlung sei dies nach Überzeugung der Kammer zu bejahen. Um Blutkonserven zur Verfügung stellen zu können, müsse im Vorfeld bei dem Patienten eine Verträglichkeitsprüfung hinsichtlich der Blutgruppe im ABO-System, Rhesus-System und Kell-System erfolgen, was auch die Durchführung eines Antikörpersuchtests beinhalte. Die Identität des Patienten müsse im Labor zum wiederholten Male überprüft werden; erst dann könne die Blutprobe gekreuzt werden. Den Vorgang der Blutkreuzung habe die Sachverständige in der mündlichen Verhandlung wie folgt beschrieben:
"Dies geschieht so, dass nämlich, wie hier in Hessen üblich, ( ...) die eigentliche Blutprobe nicht angerührt werden muss, sondern man das Spenderblut aus dem Pilotröhrchen mit der Blutprobe des jeweiligen konkreten Patienten kreuzt. Dies wiederum geschieht dadurch, dass man die beiden Blutproben mischt. Dabei handelt es sich aber nicht nur um einen einfachen Mischungsprozess, sondern es müssen bestimmte Bedingungen dafür hergestellt werden, etwa eine ausreichende Erythrozytenkonzentration, die, sofern sie nicht von selbst vorhanden ist, zunächst hergestellt werden muss. Die Mischung der jeweiligen Blutprobe kann auf unterschiedliche Weise erfolgen, je nachdem, welches Verfahren man wählt. Es kann in einem Röhrchen ( ...) in einer Zentrifugierung durchgeführt werden und man überprüft dann im Anschluss, ob es zu Verklumpungen in den gemischten Proben kommt. Wenn dies nämlich in vivo geschehen würde, käme es zu einer Transfusionsreaktion, die eben durch die vorherige Kreuzung der Blutproben ausgeschlossen werden soll."

Nach den weiteren Ausführungen der Sachverständigen müsse jede Blutkonserve von etwa 250 ml in dieser Form separat gekreuzt werden; die Dokumentation erfolge durch zwei Personen, um ein Fehlerrisiko gering zu halten. Die reine Arbeitsdauer im Hinblick auf eine Blutkonserve belaufe sich auf ca. 15 Minuten. Gleichzeitig sei technischer Aufwand einschließlich der Bereithaltung und Wartung von Instrumenten und Geräten erforderlich. Folglich erfordere die Kreuzung von Blutkonserven einen apparativen Aufwand, vor allem aber einen erheblichen personellen Einsatz im Rahmen der Diagnostik und Überwachung. Dieser Aufwand entstehe völlig unabhängig davon, ob die Blutkonserve letztlich einem Patienten verabreicht werde. Gesteigert werde der Aufwand pro Patient zusätzlich dann, wenn gekreuzte Blutkonserven aufgrund mehrtägiger Vorhaltedauer erneut gekreuzt werden müssten, um sicherzugehen, dass sich bei einem Patienten zwischenzeitlich keine neuen Antikörper gebildet haben.

Somit gehe der Einwand der Beklagten fehl, die Kodierung der Anämie als Nebendiagnose setze die Transfusion der Blutkonserve voraus. Diese Argumentation wäre allein dann durchgreifend, wenn in DKR D003d eine Maßnahme verlangt würde, die stets auch materiellen Ressourcenverbrauch nach sich zöge, unabhängig vom personellen Ressourcenverbrauch. Dies sei aber nicht der Fall. Für die Kodierfähigkeit werde nämlich ausdrücklich schon ein (erhöhter) Pflege- und Überwachungsaufwand als ausreichend definiert. Pflege und Überwachung seien ihrer Natur nach regelmäßig nicht mit materiellem Verbrauch verbunden, da insbesondere eine Überwachung durch personellen Einsatz (ggf. unter Hinzuziehung von technischen Apparaturen) gekennzeichnet sei. Gleiches gelte im Übrigen für Diagnostik, die dem Begriff nach ebenfalls zunächst auf die Gewinnung von Erkenntnissen über den Zustand eines Patienten ausgerichtet sei und keinesfalls notwendig einen Verbrauch von materiellen Ressourcen verlange. Hier kämen höchstens typische Verbrauchsmaterialien wie Kanülen oder Testflüssigkeiten in Betracht, die aber auch im Rahmen der Blutkreuzung verbraucht würden. Aufgrund des dargestellten personellen und überwachungstechnischen Aufwands unterscheide sich die Bereitstellung von Blutkonserven nach erfolgter Blutkreuzung auch deutlich von der Anforderung oder Bevorratung von Fertigmedikamenten, die als solche lediglich im Bestand gehalten werden, ohne dass hierzu ein Aufwand im beschriebenen Umfang erforderlich wäre. Vor allem aber erfolgten solche personellen Ressourcenaufwendungen im Falle von Fertigarzneimitteln nicht konkret anlassbezogenen und individuell auf einen bestimmten Patienten abgestimmt, was hingegen im Falle einer Kreuzung von Blutproben der Fall sei. Die Ausführungen in dem "Handbuch zur Kalkulation von Fallkosten" (Version 3.0 aus dem Jahr 2007) rechtfertigten kein anderes Ergebnis. Zwar werde hier (S. 114 f.) zur Bestimmung der "fallbezogenen Verbrauchsmenge" auf die tatsächliche Verabreichung eines Blutprodukts Bezug genommen und nicht verabreichte nur insofern als berücksichtigungsfähig beschrieben, soweit sie nicht auch für einen anderen Patienten verwendet werden könnten. Doch beziehe sich diese Regel auf die Kodierung eines Operations- und Prozedurenschlüssels (OPS) und bestimme gegebenenfalls dadurch die Höhe einer Vergütung aufgrund konkreten Verbrauchs. Jedoch habe diese Kodierregel keinen Einfluss auf die Kodierbarkeit einer Nebendiagnose, die sich allein nach den DKR richte. Die Argumentation der Beklagten erweise sich im Übrigen - ohne dass es hierauf für die Entscheidung ankäme - auch insofern als nicht überzeugend, als die Sachverständige erläutert habe, dass im Klinikum E-Stadt, einem Krankenhaus der Maximalversorgung, lediglich ca. 36 % aller gekreuzten Blutproben tatsächlich transfundiert würden. Wollte man daher nur diesen Anteil als kodier- und damit abrechnungsrelevant ansehen, müsste die Bereithaltung der materiellen, apparativen und personellen Ressourcen für die Durchführung der Blutkreuzung zu fast zwei Dritteln durch das übrige Drittel oder die allgemeine Vergütungssumme "mitfinanziert" werden. Für eine solche Kalkulation bestünden keine Anhaltspunkte, so dass von einer regelhaften, mit der allgemeinen Vergütung von Krankenhausleistungen abgegoltenen Leistung im Falle von Blutkreuzungen nicht ausgegangen werden könne.

Nach alledem habe die Anämie des Versicherten wegen der Kreuzung von Blutkonserven auch ohne deren Transfusion zusätzliche diagnostische Maßnahmen verursacht und damit das Patientenmanagement entsprechend der DKR D003d beeinflusst. Sie sei somit mit einem erhöhten, von der Hauptdiagnose völlig unabhängigen zusätzlichen Ressourcenverbrauch verbunden gewesen (Hinweis auf BSG, Urteil v. 25.11.2010 - B 3 KR 4/10 R - juris). Folglich sei die Beklagte berechtigt gewesen, die Diagnose D62 ICD-10 als Nebendiagnose zur Bestimmung der abzurechnenden DRG erlöswirksam zu kodieren. Dies führe zur Vergütung gemäß DRG F59A entsprechend der geltend gemachten Vergütungsforderung laut Rechnung vom 24. November 2008.

Der Zinsanspruch folge aus § 10 Abs. 5 des Vertrages über die Bedingungen der Krankenhausbehandlung nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V für das Land Hessen. Anspruchsbegründender Verzug sei jedoch, da die Rechnung vom 24. November 2011 mangels anderweitigem Vortrag der Klägerin erst am 27. November 2008 als sicher der Beklagten zugegangen angesehen werden könne, erst am Montag, den 29. Dezember 2008, eingetreten.

Gegen das ihr am 14. November 2011 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 12. Dezember 2011 unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vorbringens aus der ersten Instanz Berufung eingelegt. Das Berufungsgericht hat zunächst ein Sachverständigengutachten nach Aktenlage von dem Facharzt für Chirurgie und Herzchirurgie, Zusatzbezeichnung Sozialmedizin, Krankenhausmanagement Dr. C. eingeholt. Der Sachverständige führt in seinem schriftlichen Gutachten vom 17. Dezember 2012 aus, die stationäre Behandlung des Versicherten sei nach der G DRG F54Z und nicht nach der von der Klägerin geltend gemachten G-DRG F59A abzurechnen, weil die von der Klägerin codierte Nebendiagnose D62 nicht zu berücksichtigen sei. Die Definition der Nebendiagnosen in den Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) 2008 mache unter D003d deutlich, dass zum Zwecke der Kodierung einer Nebendiagnose entweder therapeutische-, diagnostische Maßnahmen und/oder ein erhöhter Betreuungs-, Pflege- und/oder Überwachungsaufwand vorliegen müssten. Aus den Krankenblattunterlagen ergäbe sich, dass hier eine Anämie nicht gleichzeitig mit der Hauptdiagnose bestanden habe. Die Anämie habe sich erst während des Krankenhausaufenthaltes entwickelt. Therapeutische Maßnahmen im Hinblick auf die Anämie seien nicht vorgenommen worden. Diagnostische Maßnahmen seien lediglich in Form der Kontrolle der Werte des roten Blutfarbstoffes durchgeführt worden. Diese seien nach den DKR 2008 nicht zu kodieren, weil ihnen keine klinische Bedeutung im Sinne einer therapeutischen Konsequenz oder einer weiterführenden Diagnostik zugekommen sei. Eine weiterführende Diagnostik liege z.B. in der Suche nach der Blutungsquelle oder ein engmaschigen Kontrolle des Hb-Wertes. Ein erhöhter Betreuungs-, Pflege- und/oder Überwachungsaufwand sei aus den vorliegenden Unterlagen nicht ersichtlich. Die Kreuzprobe zur Herstellung der (sofortigen) Verfügbarkeit einer Blutkonserve zum Zwecke der Bluttransfusion sei eine vorbereitende Maßnahme ohne Beeinflussung des Managements am Patienten im Sinne der DKR. Die Bereitstellung von Blutkonserven diene auch nicht der Vermeidung einer drohenden oder sich anbahnenden Anämie. Eine Maßnahme zur Vermeidung hätte hier in einer "prophylaktischen" Bluttransfusion, die einem postoperativen Hb-Abfall entgegenwirke, bestehen können. Eine solche sei aber nicht vorgenommen worden. Diese Beurteilung werde auch durch die DRG Kodierempfehlung des MDK (KDE Nr. 129 der SEG 4) bestätigt. Danach sei eine geplante Operation als solche nicht kodierbar, wenn diese aus irgendwelchen Gründen nicht durchgeführt werden könne, obwohl alles im OP bereits gerichtet war. Im vorliegenden Fall seien die Maßnahmen "Kreuzprobe" und "Bereitstellung" bereits ausreichend über den ICD T81.O "Blutung und Hämatom als Komplikation eines Eingriffes, andernorts nicht klassifiziert" erfasst und abgebildet. Die von der Klägerin für angemessen erachtete G-DRG F59A sei im Übrigen definitionsgemäß nur einem "äußerst" schweren Behandlungsfall vorbehalten. Das Vorliegen einer nicht transfusionsbedingenden Anämie könne nicht als "äußerst schwere" Begleiterkrankung oder Komplikation deklariert werden. An dieser Beurteilung hat der Sachverständige auf Einwände der Klägerin hin, die von ihrem Leitenden Arzt der Abteilung Innere Medizin-Angiologie-Intensivmedizin Dr. F. formuliert worden waren (Stellungnahme vom 5. Februar 2013), in seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme (Eingang bei Gericht 7. Mai 2013) festgehalten. Die Kreuzprobe und die Bereitstellung von Blutkonserven seien weder diagnostische noch therapeutische Maßnahmen, welche die Krankheit Anämie als solche erforderlich mache.

Das Berufungsgericht hat am 25. Juli 2013 durch die Berichterstatterin einen Erörterungstermin durchgeführt in dem die Beteiligten darlegten, die Abrechnungen von ca. 80 gleichgelagerten Fällen stünden zwischen ihnen noch im Streit. Bezüglich dieser Abrechnungsfälle habe die kalkulatorische Abwertung der D62 Akute Blutungsanämie keine Auswirkung. Weiter haben die Beteiligten übereinstimmend erklärt, dass nur im Streit stehe, ob die Anämie (D62) als Nebendiagnose kodiert werden könne. Der sich je nach Entscheidung dieses Punktes ergebende Algorithmus und Grouper werde akzeptiert. Der ebenfalls im Termin anwesende Leitende Arzt Dr. F. hat ausgeführt, eine gekreuzte Blutkonserve könne, sofern sie nicht für den konkreten Patienten benötigt werde, auch anderweitig verwandt werden. Bei dem im Labor zu dem Versicherten festgestellten abgefallenen Hämoglobin-Wert handele es sich zunächst um einen abnormen Befund. Eine weitere Diagnostik sei nicht notwendig gewesen. Die stationäre Aufnahme des Versicherten ohne eine Anämie und der erhebliche Blutverlust während der Operation hätten allein den Schluss zugelassen, dass es sich um eine Blutungsanämie handele. Differenzialdiagnosen wären nicht in Betracht gekommen. Nach Auftreten des Blutverlusts während der Nachoperation sei zunächst eine erhöhte Flüssigkeitszufuhr in Form der Volumengabe durch NaCI erfolgt. Dies sei ausweislich der Krankenakte im Anästhesieprotokoll festgehalten. Außerdem sei dem Versicherten noch Sauerstoff gegeben worden; dies ergebe sich aus dem Protokoll des Aufwachraumes (AWR), das ebenfalls Bestandteil der Patientenakte sei. Hintergrund der Sauerstoffgabe sei die Optimierung der Absättigung der noch vorhandenen Blutkörperchen gewesen. Die Gabe von Volumen bei einem Patienten, der wie der Versicherte im vorliegenden Fall herzkrank und Marcumar-Patient sei, würde nicht in diesem Umfang erfolgen bei einer vergleichbaren Operation ohne Blutverlust. Entsprechendes gelte für die Sauerstoffgabe.

Die Berichterstatterin hat sodann der Klägerseite aufgegeben, das Krankenblatt vollständig einschließlich des Anästhesie-Protokolls sowie dem "AWR-Protokoll", aus dem die Angaben zur Volumeneingabe und zur Sauerstoffgabe hervorgehen, vorzulegen. Die Klägerin ist dem nachgekommen. Sodann hat die Berichterstatterin die Beklagte zur ergänzenden Stellungnahme gebeten, warum die während der Nachoperation erfolgte Behandlung der Blutung mittels
- Sauerstoffgabe (AWR-Protokoll, Nr. 1)
- NaCl-Volumen-Gabe (Anästhesie-Protokoll, Nr. 2)
- Gabe von 1.000 I.E. Protamin (OP-Bericht - OP 2, Nr. 3), das u.a. bei Blutungen als Antagonist zu Heparin eingesetzt werde, eine Kodierung der Nebendiagnose D62 ausschließe.

Die Beklagte hat hierauf durch den MDK in einer schriftlichen sozialmedizinischen Stellungnahme des Facharztes für Chirurgie/Viszeralchirurgie Dr. G. vom 15.11.2013, welcher die vervollständigten Krankenunterlagen erneut auswertete, Folgendes vorgetragen:
"Der oben genannte Patient hat nach einer Gefäßoperation mit Leistenfreilegung links eine Nachblutung am Operationstag entwickelt, die der erneuten operativen Therapie, hier einer Hämatomausräumung mit operativer Blutstillung, bedurfte. Bereits der am 12.11.2008 bestimmte Hämoglobinwert lag bei 13,4 g/dl. Die für das Labor hinterlegten Normalwerte betrugen 14,0 bis 18,0 g/dl. Somit bestand bereits präoperativ ein erniedrigter Hämoglobinwert. Eine erneute Hämoglobinwertbestimmung vor Durchführung der Hämatomausräumung am 13.11.2008 um 12.44 Uhr betrug 11,4 g/dl. Zusätzlich wurde postoperativ um 17.00 Uhr eine weitere Bestimmung vorgenommen, die 10,0 g/dl ergab. Es handelte sich somit formal bereits präoperativ um eine Anämie, die postoperativ nach der Hämatomausräumung aufgrund der Hämatomentwicklung einer Blutungsanämie entsprach. In den Behandlungsunterlagen wird am 13.11.2008 um ca. 11.07 Uhr im Narkoseprotokoll die Gabe von 1000 Einheiten Protamin dokumentiert. Auch der Operateur beschreibt im Operationsbericht vom 13.11.2008 die Gabe von 1000 I.E. Protamin. Protamin ist für die Antagonisierung von unfraktioniertem Heparin bei der extrakorporalen Zirkulation, der interventionellen und operativen gefäßchirurgischen Maßnahmen, der heparininduzierten Blutungen im Rahmen der Nierenersatztherapie oder der extrakorporalen Membranoxigenierung (ECMO) zugelassen. Im vorliegenden Behandlungsfall wurden 3000 I.E. Heparin im Rahmen des ersten gefäßchirurgischen Eingriffes am 13.11.2008 vor Durchführung der Längsarteriotomie verabreicht. Die Gabe von Protamin als Antagonist des unfraktionierten Heparines im Rahmen der zweiten Operation wurde im Sinne der Antagonisierung von Heparin zur Blutstillung eingesetzt. Der Einsatz erfolgte somit zur Behandlung einer Nachblutung und rechtfertigt die vom Krankenhaus durchgeführte Kodierung der Nebendiagnose T82.0. Entsprechend der Zulassung des Medikamentes ist der Einsatz nicht zur Behandlung einer Anämie vorgesehen. Im Narkoseprotokoll wird weiter die Substitution von insgesamt 3000 ml Natriumchloridlösung (NaCI) während des ersten operativen Eingriffes am 13.11.2008 beschrieben. Während des Revisionseingriffes wurden 1000 ml NaCI verabreicht. Kristalloide Lösungen sind geeignet in gewissem Maße Volumen, sprich auch Blutvolumenverluste zu kompensieren. Eine Behandlung einer blutungsbedingten Anämie kann durch den Volumenersatz nicht erfolgen. Es wird weiter im Narkoseprotokoll zum ersten operativen Eingriff vom 13.11.2008 erkennbar, dass an die Station übergeben wurde: "02-Gabe über 4 Stunden!". Aus der Behandlungsakte werden keine auffälligen Blutgasanalysen erkennbar, auch finden sich keine Informationen zu auffälligen Sauerstoffsättigungswerten des Blutes. Möglicherweise erfolgte die Sauerstoff-Substitution prophylaktisch nach durchgeführter Spinalanästhesie mit teilweiser Schwächung der Atemhilfsmuskulatur. Eine Behandlung einer Anämie, hier der Blutungsanämie, ist ebenfalls nicht erkennbar. Sowohl die Sauerstoff-, als auch die Gabe von NaCI und Protamin sind aus gutachterlicher Sicht nicht geeignet, die Kodierung der Nebendiagnose D62, akute Blutungsanämie, zu begründen. In der Kodierempfehlung der SEG 4, Nr. 332 wird die orale Eisensubstitution zur Behandlung einer akuten Blutungsanämie, D62, als behandlungsbegründender Aufwand akzeptiert. Hierzu ist festzustellen, dass beispielsweise das Medikamentes "ferro-sanol duodenal", das häufig im Rahmen der postoperativen Blutungsanämien zur Substitution eingesetzt wird. Hinsichtlich des Anwendungsgebietes, sprich der Zulassung in der Fachinformation werden die Anwendung bei latentem oder manifestem Eisenmangel, mit oder ohne Ausbildung einer Anämie, die Eisenmangelanämie, insbesondere während Gravidität und Stillzeit, im Kindesalter bei eisenarmer Diät, akuten und chronischen Blutverlusten angegeben. Somit kann die Anwendung eines Eisenpräparates zur spezifischen Behandlung von auch durch Blutverlust verursachten Eisenmangelanämien als Behandlungsaufwand hinsichtlich des begründenden Aufwandes für die Nebendiagnose D62 nachvollzogen werden. Die hier abgefragten Medikamente Protamin, NaCI und Sauerstoff haben in ihrem Anwendungsgebiet keine Zulassung spezifisch für die Therapie von akuten und chronischen Anämien. Somit unterscheidet sich die orale Eisensubstitution, wie in Frage 2 angefragt, von der Gabe von Sauerstoff, NaCI und Protamin ".

Hierauf hat die Klägerin durch Dr. F. erwidert, der MDK bestätige die Richtigkeit der von der Klinik gestellten Diagnose Blutungsanämie. Ihm sei darin zuzustimmen, dass die Gabe von Protamin zur Behebung der Heparinwirkung diene und somit zur Behandlung einer Nachblutung. Dem gleichen Zweck diene die Gabe von kristalloiden Infusionslösungen zur Volumentherapie. Für die Annahme des MDK, die postoperative Sauerstoffgabe sei wegen einer sogenannten "hohen Spinalanästhesie" erfolgt, gäbe es in den Krankendokumentation keinen Anhalt. Die Ausführungen über die orale Eisensubstitution seien grundsätzlich richtig, berührten aber nicht den Kern der Auseinandersetzung. Dieser liege in der Beantwortung der Frage, ob die Bereitstellung einer für einen bestimmten Patienten gekreuzten Blutkonserve eine ressourcenverbrauchende Maßnahme im Sinne der Nebendiagnosendefinition der DKR darstelle. Hierauf gehe der MDK in seiner letzten Stellungnahme nicht ein.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Fulda 20. September 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der Beratung war, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere übersteigt der Streitwert den für die Berufung maßgeblichen Betrag von 750 EUR (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Die Klage ist unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts abzuweisen.

Die Klage ist als (echte) Leistungsklage zulässig (vgl. BSG SozR 4-2500 § 301 Nr. 2) aber in der Sache unbegründet. Die Beklagte ist auf der Grundlage von § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i.V.m. dem Vertrag über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung gemäß § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V zwischen der Hessischen Krankenhausgesellschaft und den Krankenkassen(-verbänden) nicht verpflichtet, die stationäre Krankenhausbehandlung ihres Versicherten im Krankenhaus der Klägerin in der Zeit vom 12. November bis 24. November 2008 zu vergüten.

Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Behandlung – wie hier – in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt und i.S.v. § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich ist (stRsprg., u.a. BSG vom 8.11.2011, B 1 KR 8/11 R, juris Rdnr. 13). Die Höhe des Vergütungsanspruchs ergibt sich gemäß § 17b Abs. 1 Satz 1 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) i.V.m. §§ 7 Abs. 1 Satz 1, 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntGG) aus einem diagnosebezogenen, pauschalierenden Vergütungssystem, bestehend aus einer Fallpauschalenvereinbarung (FPV) und einem Fallpauschalenkatalog (G-DRG), hier in der im Jahr 2008 geltenden Fassung. Dem liegt ein System zugrunde, bei dem in einem als "Groupierung" bezeichneten Prozess aus den ermittelten Diagnosen, Operationen und Prozeduren mithilfe eines zertifizierten Software-Programms unter Einbeziehung von weiteren Variablen (Alter des Patienten, Verweildauer usw.) eine DRG-Pauschale und die dafür zu zahlende Vergütung ermittelt werden (vgl. hierzu im einzelnen BSG, Urteil vom 08.11.2011, B 1 KR 8/11 R, juris). Die vertraglichen Fallpauschalen ergeben sich daraus, dass die hierzu berufenen Vertragspartner eine Fallpauschalenvereinbarung (FPV) mit einem Fallpauschalen-Katalog als Teil derselben und Allgemeine und Spezielle Kodierrichtlinien für die Verschlüsselung von Krankheiten und Prozeduren (Deutsche Kodierrichtlinien (DKR)) vereinbart haben. DKR und FPV bilden den konkreten vertragsrechtlichen Rahmen, aus dem die für eine Behandlung maßgebliche DRG-Position folgt. Nach den gesetzlichen Vorgaben und der FPV greifen das in der FPV in Bezug genommene DRG-Ermittlungsprogramm (Grouper), der Fallpauschalen-Katalog und die Kodierrichtlinien als vereinbarte Abrechnungsbestimmungen ineinander. Sie sind bei der Anwendung des Katalogs zugrunde zu legen. In Erfüllung ihres gesetzlichen Auftrages haben nämlich die Parteien gemäß § 17b Abs. 2 KHG in Abschnitt 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 FPV 2006 zur Abrechnung von Fallpauschalen vereinbart: "Die Fallpauschalen werden jeweils von dem die Leistung erbringenden Krankenhaus nach dem am Tag der Aufnahme geltenden Fallpauschalen-Katalog und den dazu gehörenden Abrechnungsregeln abgerechnet." Die Regelung verweist nicht nur auf das Zusammenspiel von Fallpauschalen-Katalog und den dazu gehörenden Abrechnungsregeln, sondern legt zugleich den zeitlichen Anwendungsbereich von DKR und FPV fest. Dementsprechend sind im vorliegenden Fall die für das Jahr 2008 getroffenen Vereinbarungen zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser und die Deutschen Kodierrichtlinien in der 2008 geltenden Fassung maßgebend.

Die maßgeblichen Vergütungsregelungen, insbesondere die Deutschen Kodierrichtlinien (DKR), sind eng nach ihrem Wortlaut und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen; Bewertungen und Bewertungsrelationen habe außer Betracht zu bleiben. Denn eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, kann ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt wird und keinen Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen belässt (stRsprg., vgl. BSG v. 08.11.2011 - B 1 KR 8/11 R - juris Rn. 27; BSG v. 25.11.2010 - B 3 KR 4/10 R - juris Rn. 18). Da das DRG-basierte Vergütungssystem vom Gesetzgeber als jährlich weiter zu entwickelndes (§ 17b Abs. 2 Satz 1 KHG) und damit "lernendes" System angelegt ist, sind bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen, diese mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (vgl. zum Ganzen BSG a.a.O.).

Die Klägerin hat zu Unrecht die Nebendiagnose D62 (akute Blutungsanämie) kodiert, was sodann zur unrichtigen Abrechnung über die DRG F59A führte. Bei der gebotenen Nichtansetzung dieser Nebendiagnose kommt nur eine Abrechnung nach der DRG F54Z in Betracht, was nur die niedrigere von der Beklagten gewährte Krankenhausvergütung rechtfertigt. Das Sozialgericht ist zwar zutreffend von den maßgeblichen Vorgaben für die Kodierung einer Nebendiagnose ausgegangen und hat auf den Wortlaut der für das Jahr 2008 geltenden D003d der DKR abgestellt. Darin heißt es:
"Die Nebendiagnose ist definiert als:
Eine Krankheit oder Beschwerde, die entweder gleichzeitig mit der Hauptdiagnose besteht oder sich während des Krankenhausaufenthaltes entwickelt. Für Kodierungszwecke müssen Nebendiagnosen als Krankheiten interpretiert werden, die das Patientenmanagement in der Weise beeinflussen, dass irgendeiner der folgenden Faktoren erforderlich ist:
• therapeutische Maßnahmen
• diagnostische Maßnahmen
• erhöhter Betreuungs-, Pflege- und/oder Überwachungsaufwand.
Krankheiten, die z.B. durch den Anästhesisten während der präoperativen Beurteilung dokumentiert wurden, werden nur kodiert, wenn sie den oben genannten Kriterien entsprechen. Sofern eine Begleiterkrankung das Standardvorgehen für eine spezielle Prozedur beeinflusst, wird diese Krankheit als Nebendiagnose kodiert."

Das Sozialgericht hat aber nicht weiter geprüft, ob im konkreten Krankenhausbehandlungsfall der Krankheitsverlauf und die vorgenommenen Behandlungsmaßnahmen die Zuordnung der Nebendiagnose D 62 (akute Blutungsanämie) ausgehend vom Wortlaut der konkreten Nebendiagnosenformulierung erlaubt. Es hat vielmehr unterstellt, dass die Durchführung der Blutkreuzungsreaktion und der Bereitstellung der Blutkonserven zur Behandlung einer akuten Blutungsanämie erfolgt sei und dann geprüft, welcher diagnostische, apparative und personelle Aufwand dadurch entstanden ist. Dies ist mit den Kodiergrundsätzen nicht vereinbar.

Auszugehen ist dabei von dem in der Kodierziffer D62 angeführten Begriff der akuten Blutungsanämie. Damit wird eine durch schnellen, massiven Blutverlust bedingte Anämie beschrieben. Anämien sind gekennzeichnet durch eine Verminderung der Hämoglobinkonzentration im Blut unter den altersentsprechenden und geschlechtsspezifischen Referenzwert. Zumeist geht eine Anämie mit einer Verminderung der Erythrozytenzahl und/oder des Hämatokritwerts einher (vgl. Psychrembel, 266 Aufl. 2014, Anämie). Hämoglobin ist ein Sauerstoff tragendes Protein, das sich ganz überwiegend in den roten Blutkörperchen befindet, weshalb eine Anämie daher in der Regel mit einem Mangel an Erythrozyten einhergeht. Der Begriff Anämie bezeichnet einen Komplex von klinischen Zeichen und Symptomen. Deshalb gilt bei der Behandlung von Anämien, dass die Therapie spezifisch sein muss (vgl. MSD Manual, Abschnitt 11, Kapitel 127, Anämien). Eine Anämie kann durch jede massive Blutung hervorgerufen werden, die durch spontane oder traumatische Ruptur oder durch Inzision eines großen Blutgefäßes, durch Arrosion einer großen Arterie (z.B. durch ein peptisches Ulkus oder einen neoplastischen Prozeß) oder eine Gerinnungsstörung entstanden ist. Die unmittelbaren Folgen einer Blutung hängen von der Dauer und dem Volumen des Blutverlusts ab. Die Symptome sind zum einen durch die plötzliche Abnahme des Blutvolumens, zum anderen durch die darauffolgende Blutverdünnung und Verminderung der Sauerstofftransportkapazität des Blutes bedingt (vgl. MSD Manual a.a.O.). Therapeutische Sofortmaßnahmen sind Blutstillung, Ersatz des Blutvolumens und Schockbehandlung.

Bei einer akuten Blutungsanämie gilt es, wie bei jeder anderen anhaltenden schweren Blutung, die Blutungsquelle zu orten und dort die Blutung zu stillen. Wenn dies gelingt, bedarf es nicht zwingend einer weiteren spezifischen Therapie zur Steigerung der Hämöglobulinkonzentration, da sich diese im Laufe der Zeit wieder normalisieren kann. Bis zu einem vollständig normalen Blutbild können sechs bis acht Wochen vergehen, abhängig von der Menge des verlorenen Blutes und der Menge des im Körper gespeicherten Eisens (vgl. Wikipedia, Artikel Anämie, Stand 29.10.2014). Klassische spezifische medizinische Maßnahmen zur Behandlung einer akuten Blutungsanämie bestehen nach erfolgter Blutstillung in der Gabe von Erythrozytenkonzentraten durch Eigen- oder Fremdbluttransfusion, einer Eisensubstitution wobei das benötigte Eisen zumeist oral, in seltenen Fällen auch parenteral als Injektion verabreicht wird. Weiterhin stehen zur Anregung der Blutbildung Antianämika, die eine ähnliche Wirkung wie Erythropoetin aufweisen, zur Verfügung.

Nach den nachvollziehbaren und durch die Krankenblattunterlagen belegten Ausführungen des Sachverständigen Dr. C. und des Chirurgen Dr. G. in seiner für den MDK erstellten Stellungnahme vom 15. November 2013 sind nach Feststellung der Nachblutung bei dem Versicherten im Rahmen der Revisionsoperation sowie in der davor und danach liegenden Zeitphase keine solchen Maßnahmen durchgeführt worden. Insbesondere kam es zu keiner Bluttransfusion und keiner Gabe eines Eisenpräparates. Die Infundierung von NaCl diente der Kompensation der Blutvolumenverluste und der Stabilisierung des Kreislaufes. Sie stellte keine primär auf die Beseitigung einer akuten Anämie und ihrer Folgen ausgerichtete und damit spezifische Behandlungsform dar, wenngleich sie bei einem weniger stark ausgeprägten Abfall der Blutwerte mit zur Besserung der Blutwerte beitragen kann. Nachvollziehbar und überzeugend hat des weiteren Dr. G. in seiner für den MDK erstellten sozialmedizinischen Stellungnahme dargelegt, dass das in beiden Operationen dem Versicherten verabreichte Medikament Protamin, welches zur Antagonisierung des vorher verabreichten Heparins eingesetzt wurde, der Blutstillung diente. Für dieses besteht ebenso wie für NaCl und die Sauerstoffgabe keine Zulassung für die spezifische Therapie von akuten und chronischen Anämien. Die Klägerin hat dies in ihrer durch Dr. F. erstellten Äußerung vom 30. Januar 2014 nicht in Abrede gestellt. Soweit Dr. F. ausführt, dies sei nicht maßgeblich, weil die ergriffenen Behandlungsmaßnahmen letztlich der Behandlung einer akuten Nachblutung gedient hätten, verkennt er die rechtlichen Vorgaben. Wie oben dargelegt müssen, um die Nebendiagnose D62 kodieren zu können, Therapien eingesetzt werden, die über eine spezifische Indikation zur Behandlung einer akuten Anämie verfügen und nicht nur allgemein für den Einsatz zur Unterbindung einer akuten Blutung geeignet sind.

Spezieller diagnostischer Maßnahmen zur Auffindung der Blutungsquelle bedurfte es nach dem gefäßbezogenen Ersteingriff nicht. Dies hat auch Dr. F. für die Klägerin dargelegt und ausgeführt, es habe auf der Hand gelegen, dass die Blutung ihren Sitz in dem Operationsgebiet haben müsse. Dementsprechend führt die vom Sozialgericht vorgenommene Klassifizierung der Vorgehensweise der Ärzte als diagnostische Maßnahme im Sinne der Kodierrichtlinie D003d unter Abstellen auf die durchgeführte Blutkreuzung zur Bereitstellung von Blutkonserven für den Versicherten nicht weiter. Es handelte sich lediglich um eine vorbereitende Maßnahme, um im Bedarfsfalle einsetzbare Erythrozytenpräparate zur Verfügung zu haben. Es kam aber zu keiner Bluttransfusion. Dieser Sachverhalt ist nicht anders zu beurteilen, als die Vorbereitung eines Operationsraumes für einen geplanten Eingriff, der sich dann als nicht mehr notwendig erweist und deshalb nicht stattfindet.

Das Behandlungsgeschehen bei dem Revisionseingriff und dessen Ursache wird hier am präzisesten von der auch von der Klägerin codierten Nebendiagnose T81.0 Blutung und Hämatom als Komplikation eines Eingriffes, andernorts nicht klassifiziert, erfasst. Aus dem Wortlaut dieser Kodierziffer ergibt sich, dass diese immer zu verwenden ist, wenn die Blutung und das Hämatom im Vordergrund stehen bzw. behandeln werden müssen. Klassische Behandlungsmaßnahmen stellen in einem solchen Fall die Blutstillung und die Hämatomevakuation dar. Beides ist hier erfolgt. Wollte man auch in einem solchen Behandlungsfall automatisch als weitere Nebendiagnose D62 akute Blutungsanämie ansetzen, so ließen sich echte operative oder postoperative massive Blutverluste, bei denen es der Therapie eines Hb-Abfalls durch Erythrocyten-Substitution und/oder Eisengabe bedarf, nicht mehr abgrenzen. Die D62 verlöre ihre eigenständige Bedeutung.

Der sich somit ergebende Wegfall der Nebendiagnose D62 führt, was zwischen den Beteiligten mittlerweile unstreitig ist, zur Vergütung auf der Grundlage der DRG F54Z. Diese hat die Beklagte geleistet, so dass die Klage abzuweisen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.

Die Revision war nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
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