L 7 AS 757/14 B ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 7 AS 439/14 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 757/14 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Zum Krankenversicherungsschutz nach Einstellung von Arbeitslosengeld II
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Landshut vom 12. September 2014 wird zurückgewiesen.

II. Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller und Beschwerdeführer begehrt im Eilverfahren Arbeitslosengeld II vom Antragsgegner. Strittig ist insbesondere, ob Einkommen und Vermögen von Frau R. infolge einer Bedarfsgemeinschaft auf den Bedarf des Antragstellers anzurechnen ist.

Der 1970 geborene Antragsteller ist der Vater des am 2002 geborenen E. Frau W., geboren 1973 ist die Mutter von E. Ende 2004 zogen die drei Personen in das der Mutter von Frau W. gehörende Haus "A-Straße" in A-Stadt. Der Antragsteller und Frau W. bewohnen dort gemeinsam mietfrei eine Zweizimmerwohnung. Die Verpflegung des Antragstellers und seines Sohnes wird durch Frau W. und deren Mutter sichergestellt. Bis zum Jahr 2011 bestand unstrittig eine eheähnliche Gemeinschaft.

Der Kläger stellte erstmals Anfang April 2012 einen Antrag auf Arbeitslosengeld II beim Beklagten. Unterkunftskosten wurden nicht geltend gemacht. Für April bis Juli 2012 wurde der Regelbedarf mit monatlich 374,- Euro bewilligt. Anschließend macht der Antragsgegner geltend, dass eine eheähnliche Gemeinschaft bestehe.

In der Folge kam es zu mehreren Klageverfahren wegen Ablehnungsbescheiden infolge nicht nachgewiesener Hilfebedürftigkeit. Frau W. hatte ihr Einkommen und Vermögen trotz mehrerer Anfragen und eines Bußgeldbescheides nicht mitgeteilt. Für die Zeit vom 01.08.2012 bis 31.10.2013 hat das Sozialgericht Landshut einen Leistungsanspruch mit Gerichtsbescheid vom 14.04.2014 (S 7 AS 395/13) verneint. Dagegen ist beim Beschwerdegericht die Berufung L 7 AS 356/14 anhängig. In einer mündlichen Verhandlung vom 03.07.2014 am LSG hat der Antragsteller mitgeteilt, dass Frau W. wohl monatlich netto 1.400,- Euro verdient habe. In der Zwischenzeit hat Frau W. einen beruflichen Aufstieg zu Restaurantleiterin zu verzeichnen.

Es kam beim Sozialgericht Landshut zu einem ersten Eilverfahren (S 11 AS 149/13 ER), in dem am 19.04.2013 Frau W. als Zeugin vernommen wurde. Mit Beschluss vom 22.04.2013 ordnete das Gericht im Eilverfahren an, dem Kläger von März bis August 2013 monatlich 280,- Euro zu gewähren. Nach der Beweisaufnahme sei aber von einer Bedarfsgemeinschaft auszugehen.

Ein weiteres Eilverfahren (S 7 AS 647/13 ER) für die Zeit ab 01.11.2013 wurde vom Antragsteller am 03.02.2014 für erledigt erklärt.

Im nächsten Eilverfahren (S 7 AS 264/14 ER) sprach das Sozialgericht Landshut dem Antragsteller vorläufig für die Zeit von 29.04.2014 bis 31.07.2014 monatlich 200,- Euro zu. Das Sozialgericht gehe unverändert davon aus, dass eine eheähnlicher Gemeinschaft bestehe, jedoch sei nicht völlig auszuschließen, dass trotz des Einkommens und Vermögens von Frau W. ein Leistungsanspruch bestehe.

Am 24.07.2014 stellte der Antragsteller einen Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld II für die Zeit ab 01.08.2014. Mit Bescheid vom 01.09.2014 wurde der Antrag für die Zeit von 01.08.2014 bis 31.01.2015 abgelehnt, weil Hilfebedürftigkeit nicht nachgewiesen sei. Der dagegen erst am 07.10.2014 erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 24.10.2014 als unzulässig zurückgewiesen. Soweit ersichtlich, wurde hiergegen keine Klage erhoben.

Der Widerspruch vom 07.10.2014 wurde von Amts wegen als Überprüfungsantrag gewertet, der mit Überprüfungsbescheid vom 03.11.2014 zurückgewiesen wurde. Im Widerspruch vom 19.11.2014 führte der Antragsteller lediglich aus, dass der ursprüngliche Bescheid sehr wohl unrichtig sei und der Antragsgegner den Gerichtsbescheid vom 14.04.2014 falsch verstehe. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 26.11.2014 zurückgewiesen. Soweit ersichtlich, wurde hiergegen noch keine Klage erhoben.

Bereits am 13.08.2014 stellte der Antragsteller beim Sozialgericht Landshut den streitgegenständlichen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Er verfüge über kein Einkommen. Er benötige ärztliche Behandlung, sei aber nicht mehr krankenversichert. Mit Beschluss vom 12.09.2014 lehnte das Sozialgericht Landshut den Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Es gehe - wie bisher - davon aus, dass eine Bedarfsgemeinschaft mit Frau W. bestehe. Am 03.07.2014 habe der Antragsteller beim LSG Angaben zum Einkommen von Frau W. gemacht (etwa netto 1.400,- Euro pro Monat), so dass kein Leistungsanspruch bestehe. Der Beschluss wurde dem Antragsteller am 25.09.2014 zugestellt.

Der Antragsteller hat am Montag, den 27.10.2014, Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts eingelegt und mit Schreiben vom 25.11.2014 begründet. Er habe kein eigenes Einkommen oder Vermögen. Er lebe trotz der gemeinsam bewohnten Dachgeschosswohnung nicht in Bedarfsgemeinschaft mit der Mutter seines Sohnes. Der Antragsteller verfüge nicht einmal über ein Taschengeld und habe keine Krankenversicherung. Das Beschwerdegericht verwies darauf, dass nach den Vorschriften des SGB V Krankenversicherungsschutz für die Behandlung akuter Erkrankungen oder von Schmerzzuständen bestehen müsste. Dazu hat der Antragsteller sich nicht mehr geäußert.

Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Landshut vom 12.09.2014 aufzuheben und den Antragsgegner vorläufig zu verpflichten, ihm ab 01.08.2014 Arbeitslosengeld II ohne Anrechnung von Einkommen und Vermögen von Frau W. zu gewähren.

Der Beschwerdegegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf die Akten des Antragsgegners, die Akten des Sozialgerichts und die Akten des Beschwerdegerichts verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§ 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Die Beschwerdefrist wurde knapp eingehalten. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.

Für die vom Antragsteller begehrte Begründung einer Rechtsposition im einstweiligen Rechtsschutz ist ein Antrag auf eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG statthaft. Der Antrag muss zulässig sein und die Anordnung muss zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheinen. Es muss glaubhaft sein, dass ein materielles Recht besteht, für das einstweiliger Rechtsschutz geltend gemacht wird (Anordnungsanspruch), und es muss glaubhaft sein, dass eine vorläufige Regelung notwendig ist, weil ein Abwarten auf die Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht zumutbar ist (Anordnungsgrund).

Mit Bescheid vom 01.09.2014 wurden die Leistungen für die Zeit von 01.08.2014 bis 31.01.2015 abgelehnt. Der Bescheid wurde mangels rechtzeitigen Widerspruchs bestandskräftig. Der Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 24.10.2014 zu Recht als unzulässig zurückgewiesen. Über den Leistungsanspruch für die Zeit von 01.08.2014 bis 31.01.2015 wurde demnach bestandskräftig entschieden.

Sinn und Zweck des einstweiligen Rechtsschutzes ist es, eine vorläufige Regelung zu schaffen, bis in der Hauptsache entschieden wird. Es geht darum, ob eine gerichtliche Übergangsregelung für diesen Zeitraum notwendig ist. Bei einer bestandskräftigen Entscheidung in der Hauptsache gibt es keinen derartigen Zwischenzeitraum. Ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ist dann unzulässig (Meyer-Ladewig, SGG, 11 Auflage 2014, § 86b Rn. 7 und 26d; BayLSG, Beschluss vom 12.04.2010, L 7 AS 144/10 B ER).

Ein Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X ist grundsätzlich in der Lage, die Bestandskraft eines Bescheides zu durchbrechen. Damit kann durch ein Überprüfungsverfahren auch ein auf existenzsichernde Leistungen gerichteter Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz wieder zulässig werden. Einigkeit besteht aber, dass in derartigen Fällen ein besonders strenger Maßstab an den Anordnungsgrund zu stellen ist oder eine massive Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Existenz drohen muss (vgl. BayLSG, Beschluss vom 26.03.2014, L 7 AS 220/14 B ER; Meyer-Ladewig, a.a.O., § 86b Rn. 29c; LSG Thüringen, Beschluss vom 14.09.2011, L 10 AL 434/10 B ER; LSG NRW, Beschluss vom 19.06.2013, L 12 AS 753/13 B ER und Beschluss vom 31.01.2014, L 2 AS 2139/13 B ER).

Nach diesen Maßstäben stehen dem Antragsteller im Eilverfahren keine Leistungen zu.

Der Antragsteller hat nicht nur gegen den Ablehnungsbescheid keinen rechtzeitigen Widerspruch eingelegt, er hat auch selbst keinen Überprüfungsantrag gestellt. Im Widerspruch gegen den ablehnenden Überprüfungsbescheid hat er keinerlei Dinglichkeit geltend gemacht, sondern lediglich auf eine angebliche Fehlinterpretation des Gerichtsbescheids vom 14.04.2014 verwiesen. Hinzu kommt, dass der Antragsteller auch im Eilverfahren kein dringendes Interesse an existenzsichernden Leistungen zeigt. Die Beschwerdefrist wurde bis zu letzten Tag - einschließlich Sonntagsregelung § 64 Abs. 3 SGG - ausgeschöpft. Die Beschwerdebegründung wurde erst einen weiteren Monat später vorgelegt.

Auch materiell droht keine massive Beeinträchtigung des Antragstellers. Die Wohnung ist nicht gefährdet. Die Verpflegung ist durch die Mitbewohner des Hauses sichergestellt.

Die Krankenversorgung ist, entgegen dem Vortrag des Antragstellers nicht gefährdet. Die ärztliche Behandlung für ein vormaliges Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung ist gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V sichergestellt. § 5 Abs. 8a SGB V ist nicht einschlägig, weil vom dortigen Ausschluss Bezieher von laufenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach SGB II nicht erfasst sind. Zwar ist der Versicherungspflichtige gemäß § 250 Abs. 3 SGB V beitragspflichtig. Von einem Ruhen des Anspruchs auf Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung wegen Beitragsrückständen sind aber gemäß § 16 Abs. 3a Satz 2 SGB V Früherkennungsuntersuchungen, Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände ausgenommen. Dies kann gemäß § 291 Abs. 2a S. 3 SGB V auch auf der Gesundheitskarte gespeichert werden.

Offen bleibt, auch unter Berücksichtigung der Beschwerdebegründung, nur ein Taschengeld zur freien Verfügung. Dies begründet nach Auffassung des erkennenden Senats keine besonders dringende Notsituation oder eine Gefahr der massiven Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Existenz.

Auch der besondere verfassungsrechtliche Prüfungsmaßstab (insb. Beschluss des BVerfG vom 12.05.2005, 1 BvR 569/05) führt zu keinem anderen Ergebnis, weil danach dem Betroffenen eine schwere Rechtsverletzung drohen muss, die einstweiliger Rechtsschutz zu verhindern hätte. Daran fehlt es hier aber.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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