S 5 KR 518/12

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 5 KR 518/12
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 KR 765/14
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Fortgewährung von Krankengeld über den 08.06.2012 hinaus.

Der am 1959 geborene Kläger ist bei der Beklagten gegen Krankheit versichert. Die Versicherungspflicht bestand aufgrund des Bezugs von Arbeitslosengeld I. Seit dem 08.03.2012 war der Kläger wegen einer psychischen Erkrankung arbeitsunfähig. Kran-kengeld wurde ab dem 18.04.2012 gewährt.

Zu Beginn der Krankengeldbewilligung erhielt der Kläger mit Schreiben vom 30.04.2012 eine Information zum Krankengeld. Darin heißt es:

"Sie erhalten von uns einen ersten Krankengeld-Auszahlschein, den Ihr behan-delnder Arzt ausfüllt. Weitere Auszahlscheine hat Ihre B-Kasse vorrätig. Schicken Sie den vom Arzt ausgefüllten Krankengeld-Auszahlschein zur B-Kasse oder geben ihn dort ab. Wir überweisen Ihnen Ihr Krankengeld dann rückwirkend aufs Konto. Bitte beachten Sie, dass die Auszahlung immer nur bis zu dem Tag erfolgen kann, an dem Ihr Arzt den Krankengeld Auszahlschein ausgestellt hat. Reichen Sie die Auszahlscheine bitte grundsätzlich alle zwei Wochen bei uns ein. Wichtig für Sie: Der Gesetzgeber hat festgelegt, dass der Anspruch auf Krankengeld grundsätzlich ab dem auf den Tag der ärztlichen Feststellung folgenden Tag ent-steht. Die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit hat der Arzt jeweils ab-schnittsweise lückenlos auf der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung oder dem Auszahlschein für Krankengeld zu bestätigen. Das bedeutet, dass Sie bitte spätestens am letzten Tag der bisher vorläufig bescheinigten Arbeitsunfähigkeit Ihren Arzt aufsuchen, um sich das Ende Ihrer Arbeitsunfähigkeit oder der Verlängerung ab diesem Datum auf dem nächsten Krankengeld-Auszahlschein vermerken lassen. ( ). Endet das versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis während des Anspruchs auf Krankengeld, so bleibt die Mitgliedschaft für die Dauer des Bezugs von Krankengeld aufrechterhalten. Wird die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit nicht - wie vorstehend beschrieben - lückenlos ärztlich festgestellt, endet die mit dem Krankengeldanspruch ausgestattete Mitgliedschaft."

Auf den Auszahlscheinen der Beklagten befindet sich gleichfalls ein Hinweis für den behandelnden Arzt, dass der Termin zur Wiedervorstellung spätestens am letzten Tag der voraussichtlich bescheinigten Arbeitsunfähigkeit vereinbart werden muss.

Die Gemeinschaftspraxis für Allgemeinmedizin D u.a. bescheinigte für den Kläger am 08.03.2012 bis zum 30.03.2012 wegen einer Gastritis Arbeitsunfähigkeit. In der Zeit vom 01.04.2012 bis 02.05.2012 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung im Krankenhaus M. Am 02.05.2012 bescheinigte nochmals der Allgemeinmediziner bis zum 16.05.2012 Arbeitsunfähigkeit. Als Diagnose wurde nunmehr eine schwere depressive Episode angegeben. Am 15.05.2012 wurde die weitere Arbeitsunfähigkeit von der Fach-ärztin für Psychiatrie M1 F bis zum bis zum 08.06.2012 auf der dem Kläger ausgehändigten Bescheinigung festgestellt. Die Ärztin hatte als Wiedervorstellungstermin den 08.06.2012 notiert. Allerdings war die Praxis der Ärztin F am 08.06.2012 (Freitag nach Fronleichnam) geschlossen. Der Kläger stellte am 08.06.2012, als er die Praxis aufsuchte, fest, dass er seine Ärztin nicht erreichen kann und begab sich dann erst am 11.06.2012 wieder in die Praxis, wo weitere Arbeitsunfähigkeit bis zum 09.07.2012 bescheinigt wurde. Danach wurde bis zum 23.11.2012 durchgehend Arbeitsunfähigkeit bescheinigt. Das Krankengeld ist für die Zeit vom 18.04.2012 bis 02.05.2012 am 07.05.2012 ausgezahlt worden. Danach wurde Krankengeld am 18.05.2012 für die Zeit vom 03.05. bis zum 15.05.2012 gezahlt und am 12.06.2012 kam das Krankengeld für die Zeit vom 16.05. bis 08.06.2012 zur Auszahlung.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 12.06.2012 wurde die Krankengeldzahlung mit Ablauf des 08.06.2012 eingestellt. Zur Begründung führte die Beklagte aus, die Arbeitsunfähigkeit sei nicht lückenlos nachgewiesen. Spätestens am 08.06.2012 sei erneut Arbeitsunfähigkeit zu bescheinigen gewesen. Eine ununterbrochene Arbeitsunfähigkeit habe daher nicht vorgelegen.

Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch und führte aus, er habe seine Ärztin am 08.06.2012 nicht aufsuchen können, da die Praxis geschlossen war. Ihn treffe daher kein Verschulden an der fehlenden Bescheinigung von Arbeitsunfähigkeit.

Der Widerspuch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 13.09.2012 (zugestellt am 17.09.2012) zurückgewiesen. Der Anspruch auf Krankengeld entstehe an dem Tag, der auf die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt. Da das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen für jeden Bewilligungsabschnitt erneut zu prüfen sei, müsse für die Fortgewährung von Krankengeld eine Versicherung mit entsprechendem Anspruch vorliegen. Dies sei bei dem Kläger nicht der Fall, da er ab dem 09.06.2012 nicht mehr mit Anspruch auf Krankengeld versichert sei. Auf die hierzu ergangene Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) wurde Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich die am 17.10.2012 erhobene Klage, mit der der Kläger die Fortge-währung von Krankengeld bis zum 31.05.2013 begehrt. Er sei ohne eigenes Verschulden gehindert gewesen, die Arbeitsunfähigkeit rechtzeitig nachzuweisen. Er sei der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtig, um den Inhalt des Schreibens vom 30.04.2012 exakt zu verstehen. Außerdem leide er an einer psychischen Erkrankung, die mit Depressionen verbunden sei. Dies habe bereits zur Folge gehabt, dass für den Kläger eine Betreuung eingerichtet wurde. Aufgrund der Tatsache, dass die Praxis am 08.06.2012 geschlossen gewesen sei, müsse man von einer Ausnahme zu der Rechtsprechung des BSG ausgehen. Es liege schließlich nicht im Verantwortungsbereich des Klägers, wenn die Praxis wider Erwarten geschlossen sei. Außerdem würde von einigen gesetzlichen Krankenkassen über Lücken hinweggesehen werden. Dies führe zu einer nicht hinnehmbaren Ungleichbehandlung.

Seit dem 01.07.2012 erhielt der Kläger Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch, 2. Buch (SGB II) der Stadt Minden. Mit Schreiben vom 29.08.2012 hat der Leistungsträger ge-genüber der Beklagten einen Erstattungsanspruch geltend gemacht.

Bereits am 08.03.2012 hatte der Kläger einen Antrag auf Gewährung einer Rente bei der Deutschen Rentenversicherung Westfalen gestellt. Auf der Grundlage des Bescheides vom 19.04.2013 erhält der Kläger seit dem 01.06.2013 eine bis zum 30.11.2015 befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 12.06.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.09.2012 zu verurteilen, Krankengeld entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen für die Zeit vom 09.06.2012 bis

zum 31.05.2013 unter Anrechnung der Leistungen des Jobcenters Minden zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

die Berufung zuzulassen.

Sie ist demgegenüber der Auffassung, der angefochtene Bescheid entspreche der Sach- und Rechtlsage. Die fehlende Meldung der Arbeitsunfähigkeit könne dem Versicherten nur dann nicht zugerechnet werden, wenn er weder handlungs- noch steuerungsfähig gewesen sei. Hierfür ergäben sich jedoch keine Anhaltspunkte. Allein das Vorliegen einer psychischen Erkrankung lasse nicht auf Handlungsunfähigkeit schließen. Im Übrigen sei § 46 Sozialgesetzbuch, 5. Buch (SGB V) nicht als bloße Zahlungsvorschrift anzusehen, sondern begründe materiell-rechtliche Voraussetzungen eines Anspruchs auf Krankengeld. Ferner weist die Beklagte auf eine weitere Nachweislücke in der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit hin. Am 05.04.2013 wurde Arbeitsunfähigkeit bis zum 14.04.2013 bescheinigt. Danach wurde erst wieder am 15.04.2013 von der Praxis F Arbeitsunfähigkeit bescheinigt.

Wegen der weiteren Einzelheiten im Sach- und Streitstand nimmt die Kammer Bezug auf den Inhalt der Gerichtsakte und dem beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten. Dieser war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Kläger ist durch den Bescheid der Beklagten vom 12.06.2012 in der Gestalt des Wi-derspruchsbescheides vom 13.09.2012 nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), denn der Bescheid ist nicht rechtswidrig.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Krankengeld über den 08.06.2012 hinaus.

Nach § 44 Abs 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn eine Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist für den geltend gemachten Krankengeldanspruch an den jeweils in Betracht kommenden Entstehenstag anzuknüpfen. Denn das bei Entstehen eines Krankengeldanspruchs bestehende Versicherungsverhältnis bestimmt, wer in welchem Umfang als Versicherter Anspruch auf Krankengeld hat (BSG, Urteil vom 26.06.2007, B 1 KR 2/07 R; Urteil vom 10.05.2012, B 1 KR 19/11 R, Urteil vom 04.03.2014, B 1 KR 17/13 R, www.juris.de).

Der Kläger war bis zum Beginn der Arbeitsunfähigkeit nach § 5 Abs 1 Nr 2 SGB V versi-chert. Mit Beginn der Arbeitsunfähigkeit am 08.03.2012 erhielt er für die Dauer von 6 Wo-chen Arbeitslosengeld auf der Basis des § 126 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch, 3. Buch in der bis zum 31.03.2012 geltenden Fassung (Leistungsfortzahlung, seit 01.04.2012 § 146 SGB III). Mit dem 18.04.2012 war der Leistungsfortzahlungszeitraum abgelaufen, so dass die zuständige Agentur für Arbeit den Kläger abmeldete.

Die Mitgliedschaft des Klägers endete nicht mit Beendigung der Leistungsfortzahlung, sondern blieb nach Maßgabe des § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V erhalten. § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V fordert für den Erhalt der Mitgliedschaft, dass ein Krankengeldansprsuch besteht oder Krankengeld tatsächlich bezogen wird. Der Kläger bezog über den 18.04.2012 hinaus Krankengeld. Den Auszahlungen durch die Beklagte lagen jeweils Krankengeldauszah-lungsscheine zugrunde, in denen die Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des jeweiligen Zahlungsabschnitts von der behandelnden Ärztin für Psychiatrie F bestätigt wurde.

Diese nach § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V fortgesetzte Mitgliedschaft erfordert für ihr Bestehen die nahtlose Bescheinigung von Arbeitsunfähigkeit. Dies ergibt sich aus dem in § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V enthaltenen Verweis auf die Vorschriften über den Krankengeldanspruch. Um den Voraussetzungen zu genügen, reicht es aus, dass Versicherte am letzten Tag des Versicherungsverhältnisses mit Anspruch auf Krankengeld alle Voraussetzungen erfüllen, um spätestens mit Beendigung dieses Tages und damit zugleich mit Beginn des nächsten Tages einen Krankengeldanspruch entstehen zu lassen (BSG, Urteil vom 04.03.2014, B 1 KR 17/13 R).

Der Kläger war nach § 5 Abs 1 Nr 2 SGB V in der Krankenversicherung der Arbeitslosen versichert. Seine Mitgliedschaft bleibt nach § 47 b Abs 1 Satz 2 SGB V erhalten, wenn Arbeitsunfähigkeit spätestens am letzten Tag des Bestehens der Versicherung bescheinigt wird. Damit wurde im Falle des Klägers die Mitgliedschaft bis zum 08.06.2012 fortgesetzt.

Als der Kläger sich am 11.06.2012 erneut beim Arzt vorstellte, um Arbeitsunfähigkeit zu bescheinigen, bestand keine Versicherung mehr mit Anspruch auf Krankengeld.

Hiergegen spricht nach Auffassung der Kammer nicht, dass der Kläger durchgehend arbeitsunfähig gewesen ist und die behandelnde Ärztin am 11.06.2012 eine Folgebescheinigung von Arbeitsunfähigkeit ausgestellt hat.

Die Kammer geht zunächst davon aus, dass Grundlage des Krankengeldanspruchs der Versicherungsfall und damit die am 08.03.2012 eingetretene Arbeitsunfähigkeit ist. An diesen Versicherungsfall knüpfen die Regelungen zum Krankengeld - insbesondere zur Dauer und zum Fortbestand an. Das tatsächliche Fortbestehen des Versicherungsfalles ist daher erforderlich, um den Krankengeldanspruch nach den §§ 44 ff. SGB V überhaupt bejahen zu können. Demzufolge ist unbestritten, dass die fehlerhafte Feststellung von Arbeitsfähigkeit eines Arztes der Gewährung von Krankengeld nicht entgegen stehen muss (BSG, Urteil vom 08.11.2005, B 1 KR 30/04 R).

Auch die Regelung des § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V ist von diesem Grundgedanken getragen. Die Vorschrift enthält zwei Tatbestandsalternativen, bei deren Vorliegen vom Fortbestand der ursprünglichen Versicherung auszugehen ist. Es heißt darin, dass die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger erhalten bleibt, solange Anspruch auf Krankengeld ( ) besteht oder eine dieser Leistungen bezogen wird. Der Gesetzgeber geht also vom Fortbestehen der Versicherung aus, wenn ein Anspruch auf Krankengeld selbst besteht und die Vo-raussetzungen des § 44 SGB V vorliegen. Alternativ wird die Versicherung fortgeführt, wenn Krankengeld bezogen wird und der Versicherte im laufenden Krankengeldbezug steht. Diese Alternative setzt eine vorausgehende Bewilligung der Krankenkasse voraus; spätestens die tatsächliche Auszahlung des Krankengeldes ist dabei als die den Anspruch bestätigende Verwaltungsentscheidung anzusehen.

Für den Fall des Vorliegens der zweiten Alternative des § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V muss Arbeitsunfähigkeit vor dem Ende des zuletzt bescheinigten Arbeitsunfähigkeitszeitraums erneut festgestellt werden (vgl. BSG, Urteil vom 04.03.2014, B 1 KR 17/13 R). Das Fort-bestehen der Arbeitsunfähigkeit des Klägers über den 08.06.2012 hinaus ist dabei nicht maßgeblich.

Grundsätzlich ist allerdings der Krankengeld bewilligende Bescheid kein Dauerverwal-tungsakt. Die Krankenkasse kann jederzeit prüfen, ob weiter Arbeitsunfähigkeit besteht und auf diese Weise eine Begrenzung des Anspruchs in zeitlicher Hinsicht herbeiführen. Weiterhin hat die Krankenkasse zu jedem Zeitpunkt während des Bestehens von Arbeitsunfähigkeit die sonstigen Voraussetzungen des Anspruchs zu prüfen. Ausschlusstatbestände und die Voraussetzungen eines Ruhens sind ggf. in die Prüfung einzubeziehen.

Vor diesem Hintergrund wird das Krankengeld abschnittsweise bewilligt, denn es steht im Vorhinein noch nicht fest, für welchen Zeitraum voraussichtlich weiterhin Arbeitsunfähigkeit besteht.

Dies entspricht den Vorgaben des SGB V, denn die Bestimmungen knüpfen grundsätzlich an den Versicherungsfall der erstmalig festgestellten Arbeitsunfähigkeit an. Beim Fortbestehen dieser Arbeitsunfähigkeit wird Krankengeld bis zur Anspruchserschöpfung gezahlt, solange keine anderen Ausschlusstatbestände oder Ruhensvorschriften zum Tragen kommen.

Dass dann das Krankengeld abschnittsweise bewilligt wird und zur Auszahlung kommt, entspricht nicht nur den gesetzlichen Vorgaben, sondern auch dem Bedürfnis nach einer praktikablen Lösung, da einerseits ohne eine Prognose zur Dauer der Arbeitsunfähigkeit der Anspruch auf Krankengeld nicht sinnvoll geprüft werden kann und andererseits mit der Zahlung des Krankengeldes nicht gewartet werden kann, bis entweder eine Genesung eingetreten oder der Anspruch erschöpft ist.

Nach Auffassung der Kammer sind vor diesem Hintergrund auch die Zahlungen der Krankenkasse zu sehen. Wie bei fast allen Kassen üblich, folgt die Auszahlung des Krankengeldes auf der Grundlage von Auszahlscheinen jeweils im Nachhinein bis zum Endzeitpunkt der zuletzt bescheinigten Arbeitsunfähigkeit. So wurde das Krankengeld bis zum 02.05.2012 am 07.05.2012 gezahlt. Für die im Anschluss daran bescheinigte Arbeitsunfähigkeit vom 03.05.2012 bis 15.05.2012 wurde Krankengeld am 18.05.2012 gezahlt und das Krankengeld für den weiteren Zeitraum vom 16.05.2012 bis 08.06.2012 kam am 12.06.2012 zur Auszahlung. Dass die Beklagte der ärztlichen Bescheinigung im Grundsatz folgt und Arbeitsunfähigkeit annimmt und auch die sonstigen Voraussetzungen des § 44 SGB V bejaht, hat sie mit ihrem Bescheid vom 20.04.2012 schriftlich zum Ausdruck gebracht. Hierin - und gleichzeitig auch mit der tatsächlichen Auszahlung des ersten Zahlbetrages am 07.05.2012 - hat sie eine leistungsrechtliche Entscheidung zugunsten des Klägers getroffen. Diese Entscheidung steht unter der Bedingung der fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit im Sinne des ursprünglichen Versicherungsfalls einerseits und der erneuten ärztlichen Feststellung anderseits, was die Beklagte durch den Hinweis im Schreiben vom 20.04.2012 deutlich zum Ausdruck gebracht hat.

Einer erneuten rechtzeitigen ärztlichen Feststellung bedarf es daher nur dann nicht, wenn der Arzt im Rahmen seiner Prognoseentscheidung davon ausgeht, dass Krankengeld auf Dauer gegeben ist und dies entsprechend bescheinigt. In diesem Fall kann die Krankenkasse in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Regelungen Krankengeld gewissermaßen als Dauerleistung bis zur Anspruchserschöpfung zahlen (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urt. v. 21.01.2014, L11 KR 4147/12 m.w.N., www.juris.de). Der Grundsatz der abschnittweisen Krankengeldbewilligung schließt es nämlich nicht aus, eine ärztliche Feststellung aus vorangegangener Zeit, die den weiteren Bewilligungsabschnitt mit umfasst, als für § 46 S 1 Nr 2 SGB V ausreichend anzusehen (BSG, Urteil vom 10.05.2012, B 1 KR 20/11 R, Rdnr. 16, www.juris.de).

Unter Berücksichtigung des bei fast allen Krankenkassen bestehenden Verfahrens der Krankengeldgewährung durch Vorlage von Auszahlscheinen ist dieser Fall allerdings auch bei chronischen Erkrankungen, bei denen eine über mehrere Monate andauernde Arbeitsunfähigkeit wahrscheinlich ist, eher selten. Vielmehr wird der Krankengeldbezugszeitraum durch die ärztliche Entscheidung - festgehalten im Auszahlschein - befristet.

Lässt sich daher den Verwaltungsakten keine dahingehende ärztliche Feststellung entnehmen, dass Arbeitsunfähigkeit dauerhaft und unbefristet vorliegt, muss für den neuen Krankengeldabschnitt rechtzeitig Arbeitsunfähigkeit festgestellt werden.

Die Kammer folgt dabei der Rechtsprechung des BSG, wonach es sich bei § 46 S 1 Nr 2 SGB V nicht um eine bloße Zahlungsvorschrift handelt. Vor jeder neuen Bewilligung und Auszahlung von Krankengeld ist nicht nur das Bestehen von Arbeitsunfähigkeit im Sinne des Fortbestehens des ursprünglichen Versicherungsfalls zu prüfen. Vielmehr ist vor jedem weiteren Zahlungs- oder Bewilligungsabschnitt auch die rechtzeitige Feststellung der Arbeitsunfähigkeit zu prüfen. Diese Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen, denn hiervon hängt der Fortbestand der Versicherung ab.

Der Kläger hat allerdings erst zwei Tage nach dem Ende der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit erneut von seiner Ärztin Arbeitsunfähigkeit feststellen lassen.

An diesem Tag, dem 11.06.2012 bestand keine Versicherung mehr mit Anspruch auf Krankengeld.

Die fehlende erneute Bescheinigung von Arbeitsunfähigkeit kann nur dann nicht zulasten des Klägers gehen, wenn sie entweder auf einem der Krankenkasse zuzurechnenden Organisationsmangel (BSG, Urt. v. 08.11.2005, B 1 KR 30/04, BSGE 95, 219) beruht oder im Zeitpunkt der erforderlichen Feststellung der Kläger aufgrund einer Handlungs- oder Geschäftsunfähigkeit nicht in der Lage war, seinen Pflichten aus dem Versicherungsverhältnis nachzukommen (BSG Urt. v. 22.06.1966, 3 RK 14/64, BSGE 25, 76).

Ein solcher Sachverhalt lag nicht vor.

Dabei ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Beklagte ausführlich auf die Pflichten des Versicherten zum Fortbestehen des Versicherungsverhältnisses hingewiesen hat. In dem Schreiben vom 20.04.2012 hat sie auf die gesetzlichen Bestimmungen und auf das Erfordernis einer erneuten rechtzeitigen Feststellung von Arbeitsunfähigkeit Bezug genommen und dargelegt, welche Konsequenzen es haben kann, wenn diesen Pflichten nicht nachgekommen wird. Ein Organisationsverschulden ist ihr auch nicht deshalb zuzurechnen, weil unvorhergesehener Weise die Praxis der Ärztin des Klägers am 08.06.2012 geschlossen hatte. Der Kläger, der nach eigenem Bekunden die Praxis an diesem Tag aufgesucht hat, wird eine entsprechende Nachricht und einen Hinweis darauf vorgefunden haben, an wen er sich in dringenden Fällen wenden kann.

Ferner sind auch keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass bei dem Kläger bereits am 08.06.2012 Geschäftsunfähigkeit vorlag. Auch wenn zu einem späteren Zeitpunkt eine Betreuung eingerichtet worden ist, müssen konkrete Hinweise dafür vorliegen, dass am 08.06.2012 die Wahrnehmung bereits so stark getrübt war, dass der Kläger nicht in der Lage war, die ihm obliegenden Pflichten zu erkennen und sich entsprechend zu verhalten. Hiergegen spricht bereits, dass er aus eigenem Antrieb heraus in der Praxis seiner Psychotherapeutin vorstellig geworden ist, um den ursprünglich vereinbarten Termin wahrzunehmen. Der Umstand, dass er an einer psychischen Erkrankung leidet, führt nicht automatisch zur Annahme von Geschäftsunfähigkeit. Vielmehr müssen hierfür weitere Gesichtspunkte vorliegen, die auf einen solchen Zustand hinweisen könnten. Ebensowenig kann in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen, dass der Kläger möglicherweise der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig ist. Wenn dies der Fall gewesen wäre, hätte er nach Erhalt des Schreibens vom 20.04.2012 entsprechenden Rat suchen müssen, um in Erfahrung zu bringen, welche Pflichten mit der Krankengeldbewilligung verbunden sind.

Dass sich die aus den gesetzlichen Bestimmungen ergebenden Konsequenzen für den Kläger als unbillig darstellen und daher einer Korrektur bedürfen, ergibt sich für die Kammer nicht. Der Versicherte, der sich im laufenden Krankengeldbezug befindet, weiß, dass die ärztliche Bescheinigung vor Ablauf des zuletzt bescheinigten Zeitraums erfolgen muss. Im Falle des Klägers ergibt sich dies eindeutig aus dem Bescheid vom 20.04.2012 wie auch aus jedem der ihm ausgehändigten Auszahlscheine. Die fortgesetzte Mitgliedschaft durch Krankengeldbezug nach § 192 Abs 1 Nr 2, 2. Alternative SGB V ist eine im Vergleich zur Mitgliedschaft auf der Grundlage einer Beschäftigung "schwache" Versicherung. Sie besteht allein durch die Fortgewährung von Leistungen. An das Fortbestehen der hiermit verbundenen Rechte erhöhte Anforderungen an Versicherte zu stellen, ist für die Kammer nachvollziehbar. Dass dann im Zweifel auch die Mitgliedschaft enden und die zuvor durch Beitragszahlung entstandenen Krankengeldansprüche vollständig entfallen können, hat der Gesetzgeber durch die Konzeption der §§ 192 Abs 1 Nr 2 und § 46 Satz 1 Nr 2 SGB V so vorgesehen. Wäre der Wegfall der Versicherung nicht gewollt gewesen und hätte die verspätete Meldung von Arbeitsunfähigkeit in solchen Fällen zu einem Ruhen des Krankengeldanspruches geführt, so hätte es hierzu einer konkreten gesetzlichen Regelung bedurft.

Allein auf das objektive Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit bei Versicherten, die im laufenden Krankengeldbezug stehen, abzustellen (so Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14.07.2014, L 16 KR 116/13, www.juris.de), widerspricht daher nach Auffassung der Kammer der Regelung des § 46 Satz 1 Nr 2 SGB V und lässt zudem Möglichkeiten des Missbrauchs zu. Die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit dient schließlich der regelmäßigen Kontrolle der Voraussetzungen des Krankengeldanspruches. Hier allein auf das Bestehen von Arbeitsunfähigkeit anzuknüpfen, würde bedeuten, das Risiko des Nachweises allein in die Sphäre der Krankenkasse zu verlagern. Diese hat jedoch im Nachhinein kaum Möglichkeiten, das tatsächliche Bestehen von Arbeitsunfähigkeit zu bestreiten. Wenn es also zum Streit über das Fortbestehen von Arbeitsunfähigkeit in einem Fall geht, in dem der Versicherte zuvor Krankengeld erhalten hat, die weitere Bescheinigung von Arbeitsunfähigkeit aber unterlässt, muss der Versicherte zum Fortbestehen seiner Ansprüche nichts weiter tun, als später (ggf. in Absprache mit seinem Arzt) das Bestehen von Arbeitsunfähigkeit zu behaupten. Seine Obliegenheiten zum Erhalt des Versicherungsschutzes werden auf ein nach Auffassung der Kammer nicht zu rechtfertigendes Maß verkürzt, während die Krankenkasse gleichzeitig ohne einen konkreten Nachweis von Arbeitsunfähigkeit Kran-kengeld auf der Grundlage möglicherweise erst Wochen später ausgestellter Bescheinigungen zu gewähren hat. Hierdurch könnte sich nach Auffassung der Kammer auch eine Besserstellung der Versicherten, deren Mitgliedschaft über § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V als fortbestehend gilt, gegenüber denjenigen, ergeben, die noch in einem Beschäftigungs-verhältnis stehen, da deren Krankengeldanspruch bei verspäteter Vorlage der Bescheinigung zum Ruhen kommen kann.

Nach Auffassung der Kammer kommt damit auch der Bescheinigung des Arztes keine zu weitreichende Bedeutung zu. Richtig ist zwar, dass es sich insoweit nur um eine die Kasse nicht bindende ärztlich-gutachterliche Stellungnahme handelt (BSGE 111, 18; KassKomm- Brandts § 46 Nr 14). Im Falle der erneuten Feststellung von Arbeitsunfähigkeit geht es jedoch nicht (nur) um den Inhalt der ärztlichen Bescheinigung, sondern vielmehr um die dem Versicherten obliegende Verpflichtung, für diese Feststellung rechtzeitig zu sorgen. Im übrigen kann wie bereits ausgeführt der behandelnde Arzt Arbeitsunfähigkeit auch für mehrere Bewilligungszeiträume feststellen, sofern der medizinische Sachverhalt seiner Auffassung nach dafür spricht.

Der Kläger ist diesen Obliegenheiten nicht fristgerecht nachgekommen. Er stand im Krankengeldbezug, kannte seine Pflichten und wusste, dass er spätestens am 08.06.2012 zum Arzt musste. Wenn er dort vor verschlossener Tür steht, muss er sich entweder zu dem ärztlichen Vertreter oder zu einem anderen Arzt begeben, um die Arbeitsunfähigkeit zumindest für die nächsten drei Tage bescheinigen zu lassen.

Der Kläger hat auch keinen nachgehenden Leistungsanspruch nach § 19 Abs 2 SGB V. Für die Zeit ab dem 09.06.2012 bestand Versicherungspflicht auf der Grundlage des § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V. Diese Versicherung geht einem nachwirkenden Anspruch nach § 19 Abs 2 SGB V vor (BSG, Urteil vom 10.05.2012, B 1 KR 19/11, BSGE 111, 9). Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn bei prognostischer Betrachtung davon auszugehen ist, dass der betroffene Versicherte spätestens nach Ablauf eines Monats nach dem Ende der bisherigen Mitgliedschaft eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfalle erlangen werde (§ 5 Abs 8a Halbs 2 SGB V). Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger nicht. Insbesondere war nicht absehbar, dass der Kläger bis dahin wieder arbeitsfähig und nach § 5 Abs 1 Nr 2 SGB V versicherungspflichtig sein würde.

Die Klage war daher abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
Saved