L 9 AL 278/13

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 57 AL 703/11
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 AL 278/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 AL 1/15 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1.
Rückständige Gesamtsozialversicherungsbeiträge müssen auf den nach § 183 Abs. 1 S. 1 SGB III a.F. (jetzt § 165 Abs. 1 SGB III) maßgeblichen Insolvenzgeldzeitraum entfallen. Der Anspruch bezieht sich auf Beiträge für solche Arbeitsentgelte, die im Fall eines Rückstandes einen Insolvenzgeldanspruch des betreffenden Arbeitnehmers auslösen.
2.
In einem weiteren Insolvenzverfahren über nach § 35 Abs. 2 InsO freigegebenes Vermögen können keine Gesamtsozialversicherungsbeiträge von der Einzugsstelle geltend gemacht werden, wenn die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, auf der die Eröffnung des ersten Insolvenzverfahrens beruht, ununterbrochen fortgedauert hat.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 11.09.2013 abgeändert und die Klage abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die ihre Kosten selbst tragen. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt als zuständige Einzugsstelle die Zahlung von Pflichtversicherungsbeiträgen bei Insolvenzereignis gem. § 208 Sozialgesetzbuch Drittes Buch in der bis zum 31.03.2012 gültigen Fassung (SGB III a. F.). Dabei ist zwischen den Beteiligten streitig, ob in einem Insolvenzverfahren über nach § 35 Abs. 2 Insolvenzordnung (InsO) freigegebenes Vermögen Gesamtsozialversicherungsbeiträge geltend gemacht werden können, oder ob dies aufgrund einer Sperrwirkung des vorangegangenen Insolvenzereignisses ausgeschlossen ist.

Der Beigeladene zu 2) betrieb unter der Firma L.-Q. ein Frühstückscafé in der O.straße 00 in T. Die Beigeladene zu 1) war dort seit dem 16.03.2005 geringfügig beschäftigt mit einem monatlichen Gehalt von 400,- Euro und wurde bei der Klägerin als Minijob-Zentrale angemeldet. Auf die Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Rentenversicherung bei der Beigeladenen zu 3) hatte die Beigeladene zu 1) verzichtet. Für die Zeit vom 01.07.2008 bis zum 20.08.2008 erhielt die Beigeladene zu 1) kein Arbeitsentgelt.

Auf einen Eigenantrag des Beigeladenen zu 2) hin, der u.a. seinen Pflichten zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen nicht nachgekommen war, eröffnete das Amtsgericht C (Az.: 47 IN 00/00) am 21.08.2008 über das Vermögen des Beigeladenen zu 2) das Insolvenzverfahren und bestellte Herrn Rechtsanwalt C. aus N. zum Insolvenzverwalter. Am 25.08.2008 erklärte der Insolvenzverwalter gegenüber dem Beigeladenen zu 2) gemäß § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO die Freigabe des Geschäftsbetriebes und zeigte dies gegenüber dem Amtsgericht C an. Der Beigeladene zu 2) betrieb daraufhin sein Unternehmen weiter. Das Beschäftigungsverhältnis der Beigeladenen zu 1) wurde ohne Unterbrechung fortgesetzt.

Auf Antrag der Beigeladenen zu 1) gewährte die Beklagte dieser für die Zeit vom 01.07.2008 bis zum 20.08.2008 Insolvenzgeld. Darüber hinaus zahlte die Beklagte die im Zeitraum vom 21.05.2008 bis zum 20.08.2008 für die Beschäftigung der Beigeladenen zu 1) angefallenen und rückständig gebliebenen Beiträge in Höhe von 394,45 Euro an die Klägerin (Bescheid vom 19.08.2009).

In der Folgezeit kam der Beigeladene zu 2) weiterhin seinen Zahlungsverpflichtungen u.a. gegenüber Klägerin nicht nach. Zum 31.12.2010 stellte er seinen Geschäftsbetrieb endgültig ein und beendete das Beschäftigungsverhältnis mit der Beigeladenen zu 1). Den daraufhin von der Klägerin gestellten weiteren Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Beigeladenen zu 2) aus der freigegebenen Tätigkeit wies das Amtsgericht C mit Beschluss vom 05.05.2011 (Az.: 47 IN xx/xx) mangels Masse ab.

In dem ersten Insolvenzverfahren (Az.: 47 IN 00/00) ordnete das Amtsgericht C mit Beschluss vom 10.5.2011 an, dass dem Beigeladenen zu 2) Restschuldbefreiung erteilt wird, wenn er während der sog. Wohlverhaltensperiode die insolvenzrechtlichen Obliegenheiten erfüllt und die Restschuldbefreiung nicht zuvor versagt wird. Mit Beschluss vom 11.07.2011 hob es das Insolvenzverfahren gemäß § 200 InsO auf, da die Schlussverteilung vollzogen sei. Bei der Schlussverteilung hatte sich Insolvenzvermögen von 0,- Euro ergeben.

Am 17.05.2011 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Zahlung von rückständigen Sozialversicherungsbeiträgen nach § 208 SGB III a. F. für die Beigeladene zu 1) für den Zeitraum vom 01.10.2008 bis zum 31.12.2008 in Höhe von 394,80 Euro.

Mit Bescheid vom 01.06.2011, der der Klägerin am 08.06.2011 bekanntgegeben wurde, lehnte die Beklagte die Zahlung der geltend gemachten Pflichtbeiträge mit der Begründung ab, bereits aufgrund der Insolvenzeröffnung am 21.08.2008 seien rückständige Pflichtbeiträge für die Beigeladene zu 1) entrichtet worden. Dieses Insolvenzverfahren sei noch nicht beendet. Von einer Weiterarbeit/Arbeitsaufnahme der Beigeladenen zu 1) in Unkenntnis des Insolvenzereignisses könne nicht ausgegangen werden. Der 05.05.2011 komme nicht als erneutes Insolvenzereignis in Betracht. Der Bescheid enthielt die Belehrung, dass gegen ihn binnen eines Monats ab Bekanntgabe Klage beim Sozialgericht Hannover erhoben werden kann.

Am 22.08.2011 hat die in C1. ansässige Klägerin Klage beim Sozialgericht (SG) Dortmund erhoben. Sie hat die Auffassung vertreten, die Klage sei wegen der unzutreffenden Rechtsbehelfsbelehrung noch fristgemäß. In der Sache hat sie gemeint, bei den Insolvenzereignissen aus dem Jahre 2008 einerseits und dem Jahr 2011 andererseits handele es sich um zwei voneinander unabhängige Insolvenzereignisse. Nur für das zweite Insolvenzereignis werde die Zahlung rückständiger Pflichtbeiträge begehrt. Das in dem früheren Insolvenzverfahren freigegebene Vermögen sei streng von dem Vermögen zu trennen, über welches das erste Insolvenzverfahren eröffnet worden sei. Mit der Freigabe nach § 35 Abs. 2 InsO erkläre der Insolvenzverwalter, dass er hinsichtlich des freigegebenen Vermögens endgültig und unbedingt auf seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis verzichte. Dieser strengen Trennung entspreche es, dass das freigegebene Vermögen seinerseits wiederum insolvenzfähig sei. Die Sichtweise der Beklagten widerspreche zudem dem Schutzzweck der §§ 183, 208 SGB III a. F. Durch die Zahlung des rückständigen Gesamtsozialversicherungsbeitrages solle in einem Insolvenzfall weder die Versichertengemeinschaft noch der betroffene Sozialversicherungsträger einen Nachteil erleiden. Dieser Schutz würde nach Ansicht der Beklagten bei Beschäftigungsverhältnissen im Rahmen der freigegebenen selbständigen Tätigkeit niemals eingreifen. Ansprüche auf Insolvenzgeld und Gesamtsozialversicherungsbeiträge nach §§ 183,208 SGB III a. F. wären durch das frühere Insolvenzverfahren immer gesperrt. Dieses Ergebnis könne nicht gewollt sein, denn der Gesetzgeber habe mit der Regelung des § 35 Abs. 2 InsO dem Schuldner durch die Freigabe der selbständigen Tätigkeit einen "Neustart" ermöglichen wollen.

Die Klägerin hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,

den Bescheid vom 01.06.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin auf ihren Antrag vom 17.05.2011 Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von 394,80 Euro zu zahlen.

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat auf ihre Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid Bezug genommen.

Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.

Mit im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung erlassenem Urteil vom 11.09.2013 hat das SG der Klage stattgegeben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 01.06.2011 verurteilt, der Klägerin auf ihren Antrag vom 17.05.2011 Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von 394,80 Euro zu zahlen; die Berufung hat das SG zugelassen. Zur Begründung hat es sich im Wesentlichen der Argumentation der Klägerin angeschlossen sowie auf die Entscheidung des SG Dortmund vom 31.10.2012, Az.: S 55 AL 686/10, verwiesen.

Gegen dieses ihr am 17.09.2013 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 11.10.2013 Berufung eingelegt. Sie meint, das SG habe die einschlägigen Regelungen der Insolvenzgeldsicherung allein aus insolvenzrechtlicher Sicht betrachtet und die höchstrichterliche Rechtsprechung nicht beachtet. Zunächst habe das SG auch nicht berücksichtigt, dass der wesentliche Zweck des § 35 Abs. 2 InsO darin bestehe, die Insolvenzgläubiger vor masseschädigendem Verhalten zu schützen. Denn wegen Art. 12 Abs. 1 GG könne dem Schuldner die Fortführung einer selbstständigen Tätigkeit ohnehin nicht untersagt werden, so dass § 35 Abs. 2 InsO geschaffen worden sei, damit Verbindlichkeiten, die durch die weitere Tätigkeit des Schuldners entstünden, nicht mehr zu Lasten der Insolvenzmasse gingen. Vor allem verfolge der Gesetzgeber mit den §§ 183 ff. SGB III a.F. nicht die Ziele der InsO, sondern bezwecke die Absicherung bestimmter Lohnforderungen in der Insolvenz des Arbeitgebers. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG trete nach einem Insolvenzereignis ein neues Insolvenzereignis im Sinne von § 183 SGB III a.F. nicht ein, solange die auf einem bestimmten Insolvenzereignis beruhende Zahlungsunfähigkeit fortdauere. Diese Rechtsprechung, die das BSG auch für den Fall eines erneuten Insolvenzereignisses nach Durchführung eines Insolvenzplanes fortgeführt habe, sei auf den hier vorliegenden Fall der Freigabe nach § 35 Abs. 2 InsO zu übertragen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie meint, Zielsetzungen und Wirkungen einer Freigabe nach § 35 Abs. 2 InsO unterschieden sich maßgeblich von denen eines bestätigten Insolvenzplanes. Bei einer Freigabe nach § 35 Abs. 2 InsO sei nach der Rechtsprechung des BGH die Vermögensmasse aus der freigegebenen Tätigkeit streng von der Vermögensmasse zu trennen, über die das Insolvenzverfahren eröffnet sei. Werde nach einem gescheiterten Insolvenzplan ein neues Insolvenzverfahren eröffnet, erfasse der erneute Insolvenzbeschlag demgegenüber weitgehend die Vermögenswerte und Dauerschuldverhältnisse, die bereits zuvor der gescheiterten Planinsolvenz unterworfen gewesen sei. Eine Sperrwirkung des "ersten" Insolvenzverfahrens sei auch mit dem Schutzzweck der §§ 183, 208 SGB III a.F. nicht vereinbar, da insbesondere Arbeitnehmer auf die Freigabeerklärung des Insolvenzverwalters vertrauen dürften.

Auf Nachfrage des Senats hat die Beigeladene zu 1) mitgeteilt, dass ihr der Beigeladene zu 2) am oder um den 21.08.2008 herum mitgeteilt habe, dass ein Insolvenzverfahren eröffnet worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streit- und die beigezogenen Verwaltungsakten der Klägerin und der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die kraft Zulassung zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das SG hat der Klage zu Unrecht stattgegeben, weil diese zwar zulässig, aber unbegründet ist.

1. Die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß §§ 54 Abs. 1 Satz 1 1. Alt., Abs. 4, 56 SGG gegen den Bescheid vom 01.06.2011 ist zulässig.

Eines Vorverfahrens bedurfte es nach § 78 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGG nicht, weil die Klägerin ein Versicherungsträger ist.

Die Klage ist auch fristgerecht erhoben worden, obwohl die Monatsfrist des § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG nicht eingehalten wurde. Vielmehr galt gemäß § 66 Abs. 2 SGG für die Erhebung der Klage eine Frist von einem Jahr, weil die Rechtsbehelfsbelehrung im Bescheid vom 01.06.2011 den Anforderungen des § 66 Abs. 1 SGG nicht genügte und deshalb unrichtig war. Zu einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung gehört u.a. die zutreffende Angabe des Sitzes der Stelle, bei der der statthafte Rechtsbehelf anzubringen ist. Dementsprechend wäre hier das SG Dortmund zu nennen gewesen, weil die Beklagte keine Privatperson oder juristische Person des Privatrechts ist (vgl. § 57 Abs. 1 Satz 2 SGG) und die Klägerin ihren Sitz im Gerichtsbezirk des SG Dortmund hat (§ 57 Abs. 1 Satz 1 SGG). Die Beklagte hat jedoch in ihrer Rechtsbehelfsbelehrung unzutreffenderweise angegeben, dass die Klage beim SG Hannover zu erheben sei.

2. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Die Klägerin ist durch den Bescheid vom 01.06.2011 nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert, denn der Bescheid ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung der im Zeitraum vom 01.10.2010 bis zum 31.12.2010 aufgrund der Insolvenz des Beigeladenen zu 2) rückständig gebliebenen Sozialversicherungsbeiträge für die Beigeladene zu 1) gegen die Beklagte aus der hier allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage des § 208 Abs. 1 Satz 1 SGB III a.F. (§ 175 Abs. 1 Satz 1 SGB III in der ab dem 01.04.2012 geltenden Fassung).

Nach § 208 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz SGB III a.F. zahlt die Agentur für Arbeit auf Antrag der zuständigen Einzugsstelle den Gesamtsozialversicherungsbeitrag nach § 28d des Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV), der auf Arbeitsentgelte für die letzten dem Insolvenzereignis vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses entfällt und bei Eintritt des Insolvenzereignisses noch nicht gezahlt worden ist. Über diesen Anspruch der Einzugsstelle aus einem gesetzlichen Schuldbeitritt (vgl. BSG, Urt. v. 14.08.1984 - 10 RAr 18/83 -, juris Rn. 12) hat die Agentur für Arbeit durch Verwaltungsakt zu entscheiden, wobei sie nicht an Feststellungen der Einzugsstelle über Versicherungspflicht, Beitragshöhe und Zahlungspflicht gebunden ist (vgl. BSG, Urt. v. 12.12.1984 - 10 RAr 7/83 -, juris Rn. 9). Der Anspruch der Einzugsstelle steht im Zusammenhang mit dem Anspruch des betreffenden Arbeitnehmers auf Insolvenzgeld gemäß § 183 Abs. 1 SGB III a.F. (§ 165 Abs. 1 SGB III n.F.). Es gilt damit nicht nur die Legaldefinition des Insolvenzereignisses im Sinne von § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III a.F. Vielmehr müssen die rückständigen Gesamtsozialversicherungsbeiträge auch auf den nach § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III a.F. maßgeblichen Insolvenzgeldzeitraum entfallen (vgl. BSG, Urt. v. 09.12.1986 - 10 RAr 7/86 -, juris Rn. 12). Der Anspruch bezieht sich mithin auf die Beiträge für solche Arbeitsentgelte, die im Falle eines Rückstandes einen Insolvenzgeldanspruch des betreffenden Arbeitnehmers auslösen können (vgl. Kühl, in: Brand, SGB III, 6. Aufl. 2012, § 175 Rn. 4).

Nach diesen Grundsätzen liegen die Voraussetzung des § 208 Abs. 1 Satz 1 SGB III a.F. für die von der Klägerin geltend gemachten Beitragsrückstände aus dem Zeitraum vom 01.10.2010 bis zum 31.12.2010 nicht vor. Die Klägerin ist zwar bei der geringfügig beschäftigt gewesenen Beigeladenen zu 1) gemäß § 28i Satz 5 SGB IV die zuständige Einzugsstelle. Bei den geltend gemachten Beitragsrückständen in Höhe von 394,80 Euro, d.h. 131,60 Euro monatlich, die sich aus dem Pauschalbeitrag in Höhe von 13% des Arbeitsentgelts (400,- Euro) für die Krankenversicherung (= 52,- Euro, vgl. § 249b Abs. 1 Satz 1 SGB V) und dem vollen Arbeitgeberbeitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung (19,9% des Arbeitsentgelts) für die nach Maßgabe von § 5 Abs. 2 Satz 2 SGB VI in der bis zum 31.12.2012 geltenden Fassung nicht versicherungsfreie Beigeladene zu 1) (= 79,60 Euro) zusammensetzen, handelt es sich auch um Gesamtsozialversicherungsbeiträge im Sinne von § 28d SGB IV, weil die entsprechenden, für geringfügig Beschäftigte geltenden Vorschriften der §§ 249b Satz 3 SGB V, 172 Abs. 4 SGB VI u.a. auf § 28d SGB IV verweisen. Die geltend gemachten Beitragsrückstände fallen jedoch nicht in den nach § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III a.F. maßgeblichen Insolvenzgeldzeitraum. Ebenso wenig wie die Beigeladene zu 1) für den streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.10.2010 bis zum 31.12.2010 Insolvenzgeld beanspruchen könnte, kann die Klägerin für diesen Zeitraum die Zahlung der rückständigen Beiträge für die Beigeladene zu 1) von der Beklagten aus § 208 Abs. 1 Satz 1 SGB III a.F. verlangen.

Nach § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III a.F. haben Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei

1. Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihres Arbeitgebers,
2. Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder
3. vollständiger Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt,

(Insolvenzereignis) für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Hat ein Arbeitnehmer in Unkenntnis eines Insolvenzereignisses weitergearbeitet oder die Arbeit aufgenommen, besteht der Anspruch nach § 183 Abs. 2 SGB III a.F. für die dem Tag der Kenntnisnahme vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses.

Nach diesen Vorschriften könnte die Beigeladene zu 1) für den Zeitraum vom 01.10.2010 bis zum 31.12.2010 kein Insolvenzgeld beanspruchen.

a) Die mit Beschluss des Amtsgerichts C vom 05.05.2011 - 47 IN xx/xx - erfolgte Abweisung des Antrags der Klägerin auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das aus der seit dem 25.08.2008 fortgeführten Tätigkeit resultierende Vermögen des Beigeladenen zu 2) mangels Masse stellt zwar für sich genommen ein Insolvenzereignis im Sinne von § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB III a.F. dar. Aufgrund dieses Insolvenzereignisses erwachsen jedoch keine Ansprüche aus der Insolvenzversicherung gemäß §§ 183, 208 SGB III a.F., weil in Gestalt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Beigeladenen zu 2) durch Beschluss des Amtsgerichts C vom 21.08.2008 - 47 IN 00/00 - ein erstes Insolvenzereignis gemäß § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III a.F. eingetreten ist, das in Bezug auf Ansprüche aufgrund des zweiten Insolvenzereignisses vom 05.05.2011 Sperrwirkung entfaltet.

aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG, der der Senat folgt, tritt ein neues Insolvenzereignis nicht ein und kann folglich auch Ansprüche auf Insolvenzgeld nicht auslösen, solange die auf einem bestimmten Insolvenzereignis beruhende Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers andauert. Von andauernder Zahlungsunfähigkeit ist so lange auszugehen, wie der Schuldner wegen eines nicht nur vorübergehenden Mangels an Zahlungsmitteln nicht in der Lage ist, seine fälligen Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen. Die Zahlungsunfähigkeit endet nicht schon dann, wenn der Schuldner wieder einzelnen Zahlungsverpflichtungen nachkommt (zuletzt BSG, Urt. v. 06.12.2012 - B 11 AL 10/11 R -, juris Rn. 14 m.w.N.).

Nach diesen Grundsätzen vermag des Insolvenzereignis vom 05.05.2011 Ansprüche aus §§ 183, 208 SGB III a.F. nicht zu begründen, weil die Zahlungsunfähigkeit des Beigeladenen zu 2), auf der die Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Verfahren des Amtsgerichts C - 47 IN 00/00 - beruht, bis zur Abweisung des Antrags im Verfahren - 47 IN xx/xx - mangels Masse am 05.05.2011 ununterbrochen fortgedauert hat. Der Beigeladene zu 2) war seit dem 21.08.2008 durchgehend nicht in der Lage, seine fälligen Verbindlichkeiten im Allgemeinen zu erfüllen. Auf die im Verfahren 47 IN 00/00 angemeldeten Insolvenzforderungen von über 1,8 Million Euro hat der Beigeladene zu 2) keinerlei Zahlungen leisten können. Er ist darüber hinaus bereits im Jahre 2010 wiederum Sozialversicherungsbeiträge schuldig geblieben. Schließlich waren zuletzt noch nicht einmal ausreichende Mittel vorhanden, um die Kosten des zweiten Insolvenzverfahrens zu decken, so dass dessen Eröffnung mangels Masse abgelehnt wurde.

bb) Ein anderes Ergebnis folgt entgegen der Auffassung des SG und der Klägerin auch nicht daraus, dass sich das Insolvenzverfahren 47 IN xx/xx auf eine andere Masse bezog, nämlich auf das nach Eröffnung des vom Insolvenzverwalter gemäß § 35 Abs. 2 InsO quasi freigegebene Vermögen des Beigeladenen zu 2) aus seiner selbstständigen Tätigkeit. Zwar bewirkt die Erklärung des Insolvenzverwalters nach § 35 Abs. 2 InsO, dass die Einkünfte, die der Insolvenzschuldner von der Erklärung des Verwalters an im Rahmen dieser Tätigkeit erzielt, als Haftungsmasse außerhalb des Insolvenzverfahrens zur Verfügung stehen. In Bezug auf diese Haftungsmasse, an die sich auch Gläubiger aus vor der Insolvenzeröffnung begründeten Dauerschuldverhältnissen wegen der nach Insolvenzeröffnung entstandenen Forderungen halten müssen, ist auch ein gesondertes zweites Insolvenzverfahren zulässig (zum Ganzen BGH, Beschl. v. 09.06.2011 - IX ZB 175/10 -, juris Rn. 7; Urt. v. 09.02.2012 - IX ZR 75/11 -, juris Rn. 14 ff.), was hier auch praktiziert wurde. Hieraus folgt jedoch auch für die hier streitigen, aus der Fortführung der selbstständigen Tätigkeit resultierenden Ansprüche auf Arbeitsentgelt und Beiträge nicht, dass die Entscheidung in diesem zweiten Insolvenzverfahren unabhängig von der zwischenzeitlichen Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit des Schuldners ein Insolvenzereignis im Sinne von § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 SGB III a.F. (§ 165 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 SGB III n.F.), das einen Anspruch auf Insolvenzgeld und Beitragszahlung gemäß § 208 Abs. 1 Satz1 SGB III a.F. begründen kann, darstellt. Der insoweit vom SG Dortmund vertretenen Auffassung (Urt. v. 31.10.2012 - S 55 AL 686/10 -, juris Rn. 16 ff.) folgt der Senat nicht (wie hier SG Braunschweig, Urt. v. 27.08.2013 - S 9 AL 35/12 -, juris Rn. 33).

Das Gesetz geht, wie sich insbesondere aus § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III a.F. ergibt, davon aus, dass es für einen Anspruch auf Insolvenzgeld grundsätzlich nur ein Insolvenzereignis gibt. Weitere Insolvenzereignisse können grundsätzlich keine weiteren Ansprüche auf Insolvenzgeld begründen. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn sich der Sachverhalt nach Eintritt des Insolvenzereignisses grundlegend geändert hat, wenn also quasi ein neuer Leistungsfall eintritt. Beruht das erste Insolvenzereignis auf der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, kommt ein neuer Insolvenzgeldfall konsequenterweise nur in Betracht, wenn der Eröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit zwischenzeitlich entfallen ist. Anderenfalls verwirklicht sich lediglich der gleiche Leistungsfall ein weiteres Mal. Der Gesetzgeber hat sich aber lediglich für einen sachlich und zeitlich beschränkten Anspruch gegen die Versichertengemeinschaft aufgrund der Insolvenz des Arbeitgebers entschieden. Die Übernahme des an sich vom Arbeitnehmer zu tragenden Risikos der Insolvenz seines Arbeitgebers durch die Versichertengemeinschaft entspricht bei ununterbrochen fortbestehender Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers nicht dem Willen des Gesetzgebers und ist deshalb nicht gerechtfertigt (vgl. insoweit auch Schmidt, in: GK-SGB III, 5. Aufl. 2013, § 165 Rn. 28).

Dies ist auch der Hintergrund der unter aa) wiedergegebenen höchstrichterlichen Rechtsprechung. Insoweit hat das BSG bereits zu den entsprechenden Regelungen des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) Folgendes ausgeführt (Urt. v. 17.12.1975 - 7 RAr 17/75 -, juris Rn. 29 ff.):

"Kommt ein Unternehmer derart in geldliche Schwierigkeiten, daß er nicht mehr ausreichend flüssig ist, und muß er daher zum vereinbarten Zeitpunkt der Lohnzahlung (gewöhnlich am Monats- oder Wochenende) den Arbeitslohn schuldig bleiben, so entsteht eine Interessenlage, bei der der Arbeitgeber und die Arbeitnehmer gemeinsam eine möglichst lange Sicherung der Lohnforderungen durch die Bundesanstalt wünschen müssen, während das Gesetz diesen Zeitraum begrenzen muß, um die die Konkursausfallversicherung tragenden Unternehmer nicht übermäßig zu belasten. Der in Zahlungsschwierigkeiten geratene Arbeitgeber wird nämlich in aller Regel noch versuchen, seinen Betrieb aufrecht zu erhalten und zu diesem Zweck neue Mittel zu erlangen. Je länger seine Arbeitnehmer auch ohne Lohnzahlung ihm die Treue halten, umso länger hat er diese Chance und umso höher ist der Kredit, den er von ihnen erhält, und zwar zu einem Zeitpunkt, zu dem er gewöhnlich von einer Bank keinen Kredit mehr erhalten wird. Die Arbeitnehmer sind einerseits darauf angewiesen, ihren Lohn umgehend zu beziehen, werden aber auch den Verlust ihres Arbeitsplatzes fürchten und daher geneigt sein, eine gewisse Zeit stillzuhalten in der Hoffnung, daß der Unternehmer seine Liquidität wiedergewinnen würde.

Das Gesetz über das KauG schützt die Arbeitnehmer vor den Nachteilen, die ihnen aus diesem Verhalten erwachsen, indem es eine Garantie der BA für die Lohnzahlung begründet. Im Interesse der diese Lohngarantie gebenden Versicherung und der sie tragenden Unternehmer kann die Sicherung durch das KauG jedoch nicht zu weit ausgedehnt werden. Aus den §§ 141 a und 141 b AFG ist zu entnehmen, daß die Arbeitnehmer von dem Zeitpunkt an nicht mehr gesichert sein sollen, zu dem durch das Hervortreten der Tatbestände des § 141 b AFG offenbar ist, daß weiteres Zuwarten zwecklos geworden ist. Ist durch das Konkursgericht die Eröffnung des Konkurses abgelehnt worden, so können die Arbeitnehmer grundsätzlich nicht mehr erwarten, für einen weiterhin dem Arbeitgeber gestundeten Lohn durch die Bundesanstalt Ersatz zu erhalten. Wollte man aber entgegen dem Wortlaut der §§ 141 a und 141 b AFG annehmen, daß die verschiedenen Alternativen des § 141 b AFG zueinander in einem Rangverhältnis stehen, so würde der Zeitpunkt ungewiß, bis zu dem die Arbeitnehmer versicherungsrechtlich geschützt vorleisten dürfen. Es würde zudem die Möglichkeit eröffnet, daß der zahlungsunfähige Arbeitgeber seine Arbeitnehmer zum Schaden der Versicherung zu einem längeren Zuwarten veranlassen könnte, als es nach dem Gesetzeszweck erlaubt sein soll. Wäre z.B. schon der Konkurs mangels Masse abgelehnt (etwa nach Antrag eines Gläubigers), und schuldete der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern erst zwei Monatsgehälter, so könnte er sie noch zu weiterem Bleiben veranlassen mit dem Versprechen, er werde schlimmstenfalls noch genügend Masse zusammenbringen, um einen auf seinen Antrag eröffneten Konkurs zu ermöglichen.

Der Gesetzgeber hat diesen Widerstreit der Interessen bereits gesehen und ihn in der Weise lösen wollen, daß nach dem erstmaligen offenbaren Hervortreten der Zahlungsunfähigkeit durch einen der Tatbestände des § 141 b AFG eine Sicherung durch das KauG nicht mehr erfolgen soll. So hat schon die Begründung der Bundesregierung zum Gesetzesentwurf darauf hingewiesen, daß es dem zahlungsunfähigen Arbeitgeber nicht ermöglicht werden solle, mit den Arbeitnehmern "weitgehende Stundungsvereinbarungen zu treffen und damit seinen Kreditrahmen zu Lasten der Konkursversicherung zu erweitern" (BR-Drucks. 9/74 S. 10)."

Ausgehend von diesen Ausführungen besteht kein Zweifel, dass bei fortbestehender Zahlungsunfähigkeit des Insolvenzschuldners ein Insolvenzereignis in Bezug auf das nach § 35 Abs. 2 InsO freigegebene Vermögen Ansprüche nach §§ 183, 208 SGB III a.F. nicht begründen kann. Insoweit kommt es nicht darauf an, welchen Zweck § 35 Abs. 2 InsO verfolgt. Entscheidend ist, dass der Gesetzgeber bei der Regelung der Insolvenzversicherung im Arbeitsförderungsrecht von Anfang an vor Augen hatte, dass u.a. durch Aufrechterhaltung des Betriebs nach einem Insolvenzereignis weitere Arbeitsentgelt- und Beitragsrückstände entstehen können. Er hat sich dennoch bewusst für eine nur beschränkte Sicherung der Ansprüche der Arbeitnehmer und Sozialversicherungsträger aus der Insolvenzversicherung entschieden. Hat sich die Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers einmal realisiert, soll die Insolvenzversicherung das Risiko weiterer Entgelt- und Beitragsrückstände nach Fortsetzung des Betriebs gerade nicht mehr abdecken. Dementsprechend hat das BSG Ansprüche aus der Insolvenzversicherung wegen solcher Entgelt- und Beitragsrückstände verneint, die durch die Fortführung des Betriebs durch den Insolvenzverwalter entstanden sind (vgl. BSG, Urt. v. 17.05.1989 - 10 RAr 10/88 -, juris Rn. 13). Für die Fortführung des Betriebes durch den Insolvenzschuldner selbst gemäß § 35 Abs. 2 InsO kann nichts anderes gelten.

Entgegen der Auffassung des SG Dortmund (a.a.O., Rn. 17 a.E.) und der Klägerin kommt es nach dem Gesetz und der Rechtsprechung des BSG auch nicht darauf an, ob sich das zweite Insolvenzverfahren, wie im Falle einer "Freigabe" nach § 35 Abs. 2 InsO, auf eine andere Haftungsmasse bezieht. Entscheidend ist allein der Leistungsfall der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers. Das BSG hat für einen Anspruch auf Insolvenzgeld aufgrund eines weiteren Insolvenzereignisses stets auch dann eine zwischenzeitliche Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit verlangt, wenn das Insolvenzverfahren zunächst aufgehoben und nach einiger Zeit ein weiterer Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt worden ist (vgl. auch hierzu zuletzt BSG, Urt. v. 06.12.2012 - B 11 AL 10/11 R -, juris Rn. 16 f. m.w.N.). Auch in diesen Fällen betreffen die Insolvenzverfahren notwendigerweise unterschiedliche Vermögensmassen und ggf. auch unterschiedliche Gläubiger. Nach § 259 Abs. 1 Satz 2 InsO erlangt der Schuldner mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens das Recht zurück, über die (gesamte) Insolvenzmasse frei zu verfügen. Er kann also beispielsweise sein Unternehmen fortführen und neue Verbindlichkeiten eingehen. An dem anschließend beantragten (zweiten) Insolvenzverfahren sind gerade auch die Neugläubiger beteiligt, die infolge der Fortführung der Geschäftstätigkeit nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens Ansprüche gegen den Schuldner erworben haben. Die Insolvenzmasse erstreckt sich auch auf das nach Aufhebung des ersten Insolvenzverfahrens hinzuerworbene Schuldnervermögen. Wenn es in diesen Fällen nach der ständigen Rechtsprechung des BSG für einen Anspruch auf Insolvenzgeld aufgrund des zweiten Insolvenzverfahrens darauf ankommt, ob der Arbeitgeber zwischenzeitlich, d.h. insbesondere während der Ausübung der Tätigkeit nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens, seine Zahlungsfähigkeit wiedererlangt hat, kann für den hier vorliegenden Fall eines zweiten Insolvenzverfahrens nach einer Fortführung der Tätigkeit des Arbeitgebers aufgrund einer Erklärung des Insolvenzverwalters nach § 35 Abs. 2 InsO nichts anderes gelten. Warum Arbeitnehmer und Sozialversicherungsträger bei der Fortführung des Geschäfts während eines laufenden Insolvenzverfahrens gemäß § 35 Abs. 2 InsO besser gestellt werden sollen als bei Fortführung des Geschäfts nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens nach § 259 Abs. 1 InsO erschließt sich nicht.

Nichts anderes folgt aus dem Wortlaut des § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III a.F., aus dem unzweifelhaft hervor geht, dass sich die Eröffnung des Insolvenzverfahrens gerade auf das Vermögen des Arbeitgebers und damit auf sein geschäftliches Vermögen erstrecken muss. Dies ist bei der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer natürlichen Person stets der Fall und wird gerade auch von § 35 Abs. 2 InsO vorausgesetzt. Die Erklärung des Insolvenzverwalters, ob Vermögen aus der selbstständigen Tätigkeit zur Insolvenzmasse gehört und ob Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können, gemäß § 35 Abs. 2 InsO wirkt ex nunc und ermöglicht das Entstehen einer neuen Haftungsmasse durch solche Einkünfte, die der Schuldner nach der Erklärung des Insolvenzverwalters erzielt, zugunsten derjenigen Neugläubiger, deren Forderungen erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehen (dazu BGH, Beschl. v. 09.06.2011 - IX ZB 175/10 -, juris Rn. 7; Urt. v. 09.02.2012 - IX ZR 75/11 -, juris Rn. 14 ff.). An der erfolgten Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das zu diesem Zeitpunkt vorhandene, private und geschäftliche Vermögen des Schuldners ändert sich durch § 35 Abs. 2 InsO nichts. Im Übrigen bleibt nach allgemeiner Ansicht im Rahmen von § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III a.F. ein einmal eingetretenes Insolvenzereignis auch bei nachträglicher Änderung der Verhältnisse (z.B. Aufhebung des Eröffnungsbeschlusses) für die Gewährung von Insolvenzgeld maßgeblich (vgl. Schmidt, in: GK-SGB III, 5. Aufl. 2013, § 165 Rn. 32 m.w.N.).

Auch der Schutz gutgläubiger Arbeitnehmer gebietet keine andere Auslegung (a.A. SG Dortmund, a.a.O., Rn. 20). Das Gesetz regelt nämlich den Schutz von Arbeitnehmern, die trotz eines eingetretenen Insolvenzereignisses, z.B. im Rahmen der Fortführung des Betriebes nach § 35 Abs. 2 InsO, weiterarbeiten, abschließend in § 183 Abs. 2 SGB III a.F. bzw. § 165 Abs. 3 SGB III n.F. (dazu sogleich).

b) Der streitgegenständliche Zeitraum vom 01.10.2010 bis zum 31.12.2010 ist auch nicht gemäß § 183 Abs. 2 SGB III a.F. als maßgeblicher Insolvenzgeldzeitraum anzusehen, so dass auch dahinstehen kann, ob § 183 Abs. 2 SGB III a.F. bzw. § 165 Abs. 3 SGB III n.F. im Rahmen von § 208 Abs. 1 SGB III a.F. bzw. § 175 Abs. 1 Satz 1 SGB III n.F. überhaupt anwendbar ist (bejahend z.B. Kühl, in: Brand, SGB III, 6. Aufl. 2012, § 175 Rn. 4; verneinend z.B. E. Schneider, in: jurisPK-SGB III, § 175 Rn. 22). Nach ihren eigenen Einlassungen im Berufungsverfahren, an denen zu zweifeln der Senat keinen Anlass sieht, war der Beigeladenen zu 1) die Eröffnung des Insolvenzverfahren im August 2008 bekannt, als sie ihr Arbeitsverhältnis bei dem Beigeladenen zu 2) fortsetzte. Für eine Verschiebung des Insolvenzgeldzeitraumes nach § 183 Abs. 2 SGB III a.F. ist daher kein Raum.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 und 2, 162 Abs. 3 VwGO. Es ist billig, dass die Beigeladenen ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen, weil sie keine Anträge gestellt haben.

4. Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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