S 36 U 294/97

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Dortmund (NRW)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
36
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 36 U 294/97
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die 1937 geborene Klägerin begehrt die Gewährung von Ent¬ schädigungsleistungen unter Anerkennung eines Unfalls vom 02.01996 als Arbeitsunfall. Am 05.09.1996 erstattete die Klägerin, die bei der Beklagten gesetzlich unfallversichert ist, eine Unfallanzeige. In dieser Unfallanzeige führte die Klägerin aus, sie sei übermüdet von einer Sitzgelegenheit gefallen, dabei mit dem Kopf auf eine Fußstütze aufgetroffen. In dem Durchgangsarztbericht vom 07.08.1996 wurde angegeben, daß die Klägerin während der täglichen Abrechnung wahrscheinlich auf einer Bank eingeschlafen und dabei mit dem Gesicht auf die Thekenstange geprallt sei. In einer weiteren Unfallschilderung der Klägerin unter dem 31.11996 gab sie an, einen Schwindelanfall bekommen und das Gleichgewicht verloren zu haben, dabei sei sie gefallen. Mit Bescheid vom 26.11.1996 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Entschädigung ab. Sie führte aus, ein Zusammenhang.zwischen dem Unfall und der versicherten Tätigkeit sei nicht gegeben, wenn der Unfall auf körpereigener Ursache beruhe. Hierzu zähle ein Sturz aus innerer Ursache, wie z.B. epileptischer Anfall, Schwäche- oder Schwindelanfälle. Der Klägerin stünden aufgrund des Schwindelanfalls, den diese bei der Abrechnung in der Gaststätte erlitten habe, keine Entschädi gungsleistungen zu. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 12.02.1997 Widerspruch ein. Die Klägerin führte aus, sie sei seit 11.00 Uhr morgens im Dienst gewesen. Sie sei durch Übermüdung gegen 1.30 Uhr eingeschlafen, von der Theke gerutscht und mit dem Kopf auf die Fußstütze der Theke geprallt. Erst danach seien Schwindelanfälle aufgetreten. Die vorherigen Angaben beruhten auf ein Mißverständnis.Mit Widerspruchsbescheid vom 16.09.1997 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Es sei nicht erkennbar, daß die angegebene Müdigkeit ihre Ursache in der betrieblichen Tätigkeit gehabt habe. Gegen diesen Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 10.10. 1997 Klage erhoben. Sie habe am 02.08.1996 ca. 10.00 Uhr bis 10.30 Uhr mit der Arbeit begonnen. Grundsätzlich habe sie eine Putzhilfe, die aber an diesem Tag nicht gekommen sei, so daß sie die Arbeit der Putzhilfe habe mitmachen müssen. Gegen 13.00 Uhr habe sie dann die Gaststätte geöffnet. Wenn Ruhezeiten gewesen seien, habe sie Pausen eingelegt. Sie habe sich dann auf einen Hocker gesetzt und z-.B. eine Tasse Kaffee getrunken oder ein Schnittchen gegessen. Der letzte Gast sei gegen 0.30 Uhr gegangen. S ie habe dann die Gläser gespült und die Theke gesäubert. Sie habe alle Lampen mit Ausnahme eines Lichtes gelöscht. Anschließend habe sie sich in eine Ecke gesetzt, um die Abrechnung vorzunehmen. Sie müsse darüber wohl eingeschlafen sein, denn sie habe sich nach einiger Zeit auf dem Fußboden liegend wiedergefunden. Sie müsse dabei wohl auf die Eisenstange für die Füße gefallen sein. Es sei ein sehr warmer Tag gewesen. Insgesamt sei der Tag ruhig gewesen. Üblicherweise hätte sie ansonsten eine Hilfe ab 20.00 Uhr gehabt. Diese Hilfe habe sie aber nur dann, wenn viel Betrieb sei. Sie habe sonst auch ca. zwei- bis dreimal pro Woche so früh mit der Arbeit begonnen. Auch die Endzeit sei völlig normal gewesen. Im August 1996 habe sie die Gastwirtschaft drei Jahre gehabt Sie habe sich nicht erklären können, warum sie an diesem Abend so müde gewesen und eingeschlafen sei.

Sie hätte nette, ruhige Gäste gehabt, mit denen sie vorher noch geknobelt habe. Sie sei sich ihrer Müdigkeit auch nicht bewußt gewesen. Erst als sie die Abrechnung gemacht habe, habe sie die Müdigkeit bemerkt.- An den Tagen vorher habe sie normal zu tun gehabt, da eine Verlobungsfeier stattfinden sollte. Morgens habe sie die Vitrine gesäubert, ferner die Kühlung abgetaut, wofür die Gläser aus der Kühlung genommen werden mußten. Die Gläser habe sie dann gespült. Ferner habe sie die Schaumstoffpuffer in der Thekenkühlung mit einem Dampfstrahler ausgeputzt. Zudem habe sie sämtliche Flaschen über der Theke - es handele sich um ca. 50 Flaschen - heruntergeholt und gesäubert. Sie habe nach wie vor erhebliche Beschwerden wegen des Unfalls. Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des Bescheides vom 26.11.1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16.09.1997 die Beklagte zu verurteilen, unter Anerkennung des Unfalls vom 02.08.1996 als Arbeitsunfall Entschädigungsleistungen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, die von der Klägerin angegebene Müdigkeit habe nicht ihre Ursache in der betrieblichen Tätigkeit. Vielmehr habe es sich am Unfalltag insgesamt um einen ruhigen Arbeitstag gehandelt. Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die die Klägerin betreffende Akte der Beklagten lag dem Gericht vor und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid vom 26.11.1996 in der Fassung des Widerspruchs¬ bescheides vom 16.09.1997 ist nicht rechtswidrig und beschwert die Klägerin nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), denn die Beklagte hat zutreffend die Gewährung von Entschädigungsleistungen und die Anerkennung eines Arbeitsunfalls abgelehnt. Gemäß § 548 Abs. 1 Satz 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) - die hier gemäß §§ 212 ff. des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches noch Anwendung findet - ist ein Arbeitsunfall ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet. Die Voraussetzungen dieser Norm sind nicht erweislich erfüllt. Erforderlich ist, daß sich der Unfall bei einer versicherten Tätigkeit ereignet hat. Das Verhalten, bei dem sich der Unfall ereignet, muß zur versicherten Tätigkeit zu rechnen sein. Es muß eine sachliche Verbindung mit der Betriebstätigkeit und dem Beschäftigungsverhältnis bestehen, die es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen (vgl. SozR 2200" § 548 RVO Nr. 95, S. 264 ff. m.w.N.). Ob die zum Unfall führende Tätigkeit in einem rechtlich wesentlichen inneren Zusammenhang mit der Betriebstätigkeit steht, ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Un¬ fallversicherung reicht. Für die tatsächlichen Grundlagen dieser Wertentscheidung ist der volle Nachweis zu erbringen; d.h. es muß bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens der volle Beweis für das Vorliegen versicherter Tätigkeit als erbracht angesehen werden können; das Vorhandensein versicherter Tätigkeit muß sicher feststehen (vgl. BSG SozR 2200 § 548 RVO Nr. 94, S. 233 ff. m.w.N.). Grundsätzlich fallen neben Essen und Trinken auch das Schlafen und ähnliche der Befriedigung eines persönlichen Bedürfnisses dienende Tätigkeiten in den Bereich der Eigenwirtschaftlichkeit. Während solcher Tätigkeiten ist im allgemeinen die Beziehung zum Betrieb gelöst, auch wenn sich der Unfall - wie hier - auf der Betriebsstätte ereignet. Ausnahmsweise kann das Schlafen auf der Arbeitsstätte dann in Verbindung mit der versicherten Tätigkeit zu sehen sein, wenn der Arbeitnehmer infolge betrieblicher Überarbeit vom Schlaf übermannt wird. D.h., ein Arbeitsunfall kann ausnahmsweise vorliegen, wenn der Verletzte infolge außerordentlicher Anstrengung übermüdet auf der Arbeitsstätte eingeschlafen ist oder wenn der Schlaf auf andere betriebliche Gründe zurückzufOhren ist (vgl.Podzun, Der Unfallsachbearbeiter, Kennzahl 119, S ...1).

Zur Überzeugung der Kammer ist. nicht bewiesen, daß die Klägerin infolge der betrieblichen Tätigkeit eingeschlafen und gefallen ist. Zum einen bestehen bereits Bedenken,- ob die Klägerin überhaupt eingeschlafen ist oder ob vielmehr tatsächlich ein Schwindelanfall dazu geführt hat, daß die Klägerin gefallen ist. Insofern hat die Klägerin zwar immer wieder behauptet, sie sei bei der Abrechnung eingeschlafen. Jedoch hat sie zumindest einmal der Beklagten gegenüber angegeben, sie sei infolge eines Schwindelanfalls gefallen. Im Übrigen konnte sich die Klägerin auch im Erörterungstermin der Kammer nicht genau erinnern was passiert ist. Vielmehr nimmt sie an, sie sei eingeschlafen und dann gefallen. Selbst wenn die Kammer davon ausgeht, daß die Klägerin eingeschlafen ist-, hat die Klägerin nicht nachgewiesen, daß sie infolge der betrieblichen Umstände an diesem Tag von dem Schlaf übermannt wurde. Die Klägerin selber hatte zwar einen sehr langen Arbeitstag. Jedoch war dieser lange Arbeitstag für sie nicht ungewöhnlich. So hat sie selber angegeben, ca. zwei- bis dreimal pro Woche derartige Arbeitszeiten gehabt zu haben. Auch verrichtete sie die Tätigkeit zum Zeitpunkt des Unfalls bereits drei Jahre, so daß diese Tätigkeit an sich auch für sie nichts Ungewöhnliches war. Zudem hat die Klägerin selber ausgeführt, daß sie einen ruhigen Tag gehabt habe. Sie habe zwischendurch Pausen einlegen können. Auch habe sie mit den Gästen geknobelt. Zwar hat sie morgens, bevor sie die Gaststätte eröffnet hat, Reinigungsarbeiten verrichtet. Insofern geht die Kammer auch davon aus, daß es sich hierbei um eine anstrengende Tätigkeit handelt. Jedoch hat die Klägerin anschließend einen ruhigen Nachmittag und Abend verlebt. Auch war sich die Klägerin - nach ihrer eigenen Einlassung - ihrer Müdigkeit.nicht bewußt. Da die Klägerin aus innerer Ursache gestürzt ist und somit keinen Arbeitsunfall erlitten hat, hat die Beklagte auch zutreffend die Gewährung von Entschädigungsleistungen abgelehnt.
Rechtskraft
Aus
Saved