L 9 AS 828/14

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 25 AS 241/12
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AS 828/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Auch nach der zum 1. April 2011 vorgenommenen Neuregelung des Sanktionsrechts bedarf es zur Umsetzung der Sanktion in leistungsrechtlicher Hinsicht einer auf § 48 SGB X gestützten Aufhebungsentscheidung, wenn und soweit für den betroffenen Zeitraum zuvor durch bestandskräftigen Bescheid Arbeitslosengeld II bewilligt worden ist.

2. § 31b Abs. 1 Satz 1 SGB II führt weder zum "Selbstvollzug" der Sanktion in leistungsrechtlicher Hinsicht, noch handelt es sich um eine den § 48 SGB X verdrängende Spezialregelung.

3. Auch eine Veränderung des Auszahlungsanspruchs bedarf der Umsetzung nach § 48 SGB X.

4. Einem Sanktionsbescheid kann weder ipso iure die Bedeutung eines Aufhebungsbescheides nach § 48 SGB X beigemessen werden, noch kann er in einen solchen gemäß § 43 SGB X umgedeutet werden.
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 5. November 2014 aufgehoben und der Beklagte zur Zahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von weiteren 224,40 Euro für den Zeitraum vom 1. März 2012 bis 30. April 2012 verurteilt.

II. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die verminderte Auszahlung der ihm für den Zeitraum vom 1. März 2012 bis zum 30. April 2012 bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).

Der 1959 geborene Kläger war im streitgegenständlichen Zeitraum erwerbslos und bezog vom Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Ihm wurden mit Bescheid vom 5. Oktober 2011 Leistungen für die Zeit vom 1. November 2011 bis 30. April 2012 in Höhe von monatlich 614,00 Euro bewilligt. Mit Bescheid vom 26. November 2011 änderte der Beklagte die Leistungsbewilligung für die Zeit vom 1. Januar 2012 bis 30. April 2012 wegen einer gesetzlichen Anhebung der Regelbedarfe ab und bewilligte nunmehr Leistungen in Höhe von 624,00 Euro monatlich.

Am 29. November 2011 schlossen die Beteiligten eine Eingliederungsvereinbarung in deren Punkt 2 unter anderem die Pflicht des Klägers festgelegt wurde, sich zeitnah, spätestens am dritten Tage nach Erhalt des Stellenangebotes, auf Vermittlungsvorschläge der Agentur für Arbeit bzw. der Träger der Grundsicherung zu bewerben. Die Eingliederungsvereinbarung enthielt eine Belehrung über die bei einem Verstoß gegen die vereinbarten Pflichten eintretenden Rechtsfolgen.

Mit Schreiben ebenfalls vom 29. November 2011 unterbreitete der Beklagte dem Kläger einen Vermittlungsvorschlag über eine Tätigkeit als "Helfer - Landwirtschaft, Transport" bei der D. GmbH in A-Stadt mit 40 Wochenstunden und einer Bezahlung nach Tarif. Der Vermittlungsvorschlag enthielt ebenfalls eine Rechtsfolgenbelehrung, in welcher u. a. darauf hingewiesen wurde, dass das dem Kläger zustehende Arbeitslosengeld II um einen Betrag in Höhe von 30 % des für den Kläger maßgebenden Regelbedarfs gemindert werde, wenn sich der Kläger weigere, die mit dem Vermittlungsvorschlag angebotene Arbeit anzunehmen oder die Annahme der angebotenen Arbeit durch ein negatives Bewerbungsverhalten vereitele.

Der Kläger bewarb sich nicht auf die angebotene Stelle als Helfer im Bereich Landwirtschaft und Transport.

Im Rahmen des Anhörungsverfahrens zu der vom Beklagten beabsichtigten Sanktionierung des wegen der fehlenden Bewerbung auf den Vermittlungsvorschlag vom 29. November 2011 anzunehmenden Pflichtverstoßes teilte der Kläger am 5. Februar 2012 mit, er habe sich auf das ihm unterbreitete Stellenangebot bei der Firma D. GmbH nicht beworben, weil ihm im Rahmen der zuvor absolvierten "F.I.B.-Maßnahme" (Fortlaufende Integrationsberatung) eine Beschäftigung als Grabungshelfer beim E. in Aussicht gestellt worden sei und die Entscheidung über diese vorrangige Stelle seinerzeit noch ausgestanden habe. Zudem stehe er Leiharbeitsfirmen grundsätzlich kritisch gegenüber. Er sei allerdings zur Abwendung einer Kürzung bereit, sich künftig sofort zu bewerben.

Mit Bescheid vom 16. Februar 2012 stellte der Beklagte eine Minderung des dem Kläger zustehenden Arbeitslosengeldes II um 30 % des für ihn maßgebenden Regelbedarfs für die Zeit vom 1. März 2012 bis 31. Mai 2012 fest und errechnete einen Minderungsbetrag von monatlich 112,20 Euro. Zur Begründung der Absenkungsentscheidung führte der Beklagte aus, der Kläger habe trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen ein ihm unterbreitetes zumutbares Beschäftigungsangebot als Helfer im Bereich Lagerwirtschaft/Transport bei der Firma D. GmbH in A-Stadt nicht angenommen. Die vom Kläger zur Rechtfertigung dieses pflichtwidrigen Verhaltens vorgetragenen Gründe - insbesondere seine kritische Haltung zu Leiharbeitsfirmen - seien in Abwägung mit den Interessen der Allgemeinheit nicht als wichtiger Grund im Sinne der Vorschriften des SGB II anzuerkennen.

Der Kläger erhob am 28. Februar 2012 Widerspruch gegen den Sanktionsbescheid vom 16. Februar 2012 und nahm zur Begründung im Wesentlichen auf sein Vorbringen im Anhörungsverfahren Bezug. Ergänzend führte er aus, dass dem Vermittlungsvorschlag vom 29. November 2011 keine ordnungsgemäße Rechtsfolgenbelehrung beigefügt gewesen sei. Unter anderem sei in der Rechtsfolgenbelehrung nicht darauf hingewiesen worden, dass und in welchem Umfang eine Minderung neben dem Regelbedarf auch andere Teile des Arbeitslosengeldes II (Kosten für Unterkunft und Heizung, Mehrbedarfe) betreffen könne, wenn der Kürzungsbetrag - z. B. wegen einer Anrechnung von erzieltem Einkommen - den Regelbedarf überschreite. Zudem enthalte die Rechtsfolgenbelehrung keinen Hinweis auf die mögliche Absenkung der Leistungen um 60 % bzw. 100 % bei wiederholten Pflichtverstößen.
Bereits vor bzw. während der Durchführung des Widerspruchsverfahren hatte der Kläger im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes beim Sozialgericht Gießen die Aufhebung des Sanktionsbescheides vom 16. Februar 2012 und die Zahlung ungekürzter Leistungen im Zeitraum vom 1. März 2012 bis 31. Mai 2012 begehrt (Az.: S 25 AS 150/12 ER), den Antrag aber nach einem gerichtlichen Hinweis zu den Erfolgsaussichten in einem am 22. März 2012 durchgeführten Erörterungstermin zurückgenommen.
Nach Abschluss des gerichtlichen Eilverfahrens wies der Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 16. Februar 2012 durch Widerspruchsbescheid vom 22. März 2012 als unbegründet zurück. Die im Bescheid vom 16. Februar 2012 festgestellte Absenkung des dem Kläger zustehenden Arbeitslosengeldes II sei auf der Grundlage von § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu Recht erfolgt, weil der Kläger durch seine fehlende Bewerbung auf ein ihm unterbreitetes zumutbares Stellenangebot eine Pflichtverletzung im Sinne der genannten Vorschrift begangen habe, die nicht durch einen wichtigen Grund gerechtfertigt sei. Die dem Vermittlungsvorschlag vom 29. November 2011 beigefügte Rechtsfolgenbelehrung sei vollständig, richtig und verständlich.

Am 26. März 2012 hat der Kläger beim Sozialgericht Gießen Klage gegen den Sanktionsbescheid vom 16. Februar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. März 2012 erhoben und unter Bezugnahme auf sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren sowie im gerichtlichen Eilverfahren mit dem Aktenzeichen S 25 AS 150/12 ER ausgeführt, dass sich die Rechtswidrigkeit des angegriffenen Sanktionsbescheides bereits aus der fehlenden ordnungsgemäßen Rechtsfolgenbelehrung ergebe.

In einem am 15. Januar 2014 beim Sozialgericht Gießen durchgeführten Erörterungstermin hat der Kläger die vor dem Erlass des Bescheides vom 16. Februar 2012 erfolgte Anhörung auf Nachfrage bestätigt. Nach einer Erörterung der Sach- und Rechtslage - insbesondere der Frage der Notwendigkeit einer Aufhebungsentscheidung zur Umsetzung der Sanktion in leistungsrechtlicher Hinsicht - hat der Kläger die auf Aufhebung der Sanktion und Auszahlung ungekürzter Leistungen für den Monat Mai 2012 gerichtete Klage zurückgenommen und unter Aufrechterhaltung der Klage im Übrigen nunmehr beantragt, den Beklagten zur Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von weiteren 224,40 Euro für die Zeit vom 1. März 2012 bis 30. April 2012 zu verpflichten.

Das Sozialgericht hat die Klage durch im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung ergangenes Urteil vom 5. November 2014 abgewiesen und die Berufung zugelassen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Sozialgericht ausgeführt, der nach teilweiser Rücknahme bzw. Beschränkung der Klage noch streitgegenständliche Anspruch auf Auszahlung weiterer 224,40 Euro für den Zeitraum vom 1. März 2012 bis zum 30. April 2012 bestehe nicht, weil der Anspruch auf Gewährung voller Leistungen aus dem Bewilligungsbescheid vom 5. Oktober 2011 durch den Sanktionsbescheid vom 16. Februar 2012 kraft Gesetzes für den genannten Zeitraum um monatlich 112,20 Euro gemindert werde. Einer gesonderten Aufhebungsentscheidung nach § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) habe es nach der ab dem 1. April 2011 geltenden Rechtslage nicht bedurft. Die vom Bundessozialgericht (BSG) vertretene Rechtsauffassung zu § 31 Abs. 6 SGB II in der bis zum 31. März 2011 geltenden Fassung, nach der ein Sanktionsbescheid keinen abtrennbaren Streitgegenstand bilde, der isoliert von den übrigen Anspruchsvoraussetzungen für das Arbeitslosengeld II überprüft werden könne und nach der daher die Bestandskraft einer vorherigen Dauerbewilligung durch einen Aufhebungsbescheid durchbrochen werden müsse, überzeuge nach der Neufassung der Sanktionsvorschriften nicht mehr. Insbesondere die ab dem 1. April 2011 geltende Fassung des § 31b Abs. 1 Satz 1 SGB II belege, dass der Gesetzgeber bewusst zwischen dem Auszahlungsanspruch, der durch die Feststellung der Sanktion gemindert werde und dem Leistungsanspruch selbst, der durch die Sanktion unberührt bleibe, differenziere. Dies werde durch die in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommenden Motive des Gesetzgebers und die terminologische Anpassung des § 39 Nr. 1 SGB II bestätigt.

Mit der am 2. Dezember 2014 eingegangenen Berufung gegen das ihm am selben Tag zugestellte Urteil des Sozialgerichts verfolgt der Kläger sein Begehren auf Zahlung von Leistungen nach dem SGB II in Höhe von weiteren 224,40 Euro für die Zeit vom 1. März 2012 bis 30. April 2012 weiter. Er vertritt die Auffassung, der geltend gemachte Zahlungsanspruch sei gegeben, weil der Beklagte die für die Monate März und April 2012 erfolgte Bewilligung von Leistungen in voller Höhe von monatlich 624,00 Euro nicht gemäß § 48 SGB X (teilweise) aufgehoben habe. Entgegen der vom Beklagten vertretenen Rechtsauffassung werde der Auszahlungsanspruch nicht ohne weiteres durch den Sanktionsbescheid gemindert.

Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Gießen vom 5. November 2014 zur Zahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von weiteren 112,20 Euro monatlich für den Zeitraum 1. März 2012 bis 30. April 2012 - insgesamt 224,40 Euro - zu verurteilen.

Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Er vertritt die Auffassung, dass es einer gesonderten Aufhebung der für die Zeit vom 1. März 2012 bis 30. April 2012 erfolgten ungeminderten Leistungsbewilligung nach § 48 SGB X nicht bedurft habe und fühlt sich insoweit durch die erstinstanzliche Entscheidung bestätigt.

Die Beteiligten haben sich schriftsätzlich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten, die Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der beigezogenen abgeschlossenen Verfahrensakte mit dem Aktenzeichen S 25 AS 150/12 ER Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte gemäß § 153 Abs. 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem die Beteiligten sich mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben

Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 bis 3 SGG kraft Zulassung durch das Sozialgericht statthafte Berufung ist form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden und somit zulässig.

Die Berufung ist auch begründet. Das klageabweisende Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 5. November 2014 kann keinen Bestand haben. Denn der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung weiterer Leistungen nach dem SGB II in Höhe von insgesamt 224,40 Euro für den Zeitraum 1. März 2012 bis 30. April 2012.

Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der vom Kläger im Wege der Leistungsklage geltend gemachte Anspruch auf Zahlung weiterer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von insgesamt 224,40 Euro für den Zeitraum 1. März 2012 bis 30. April 2012. Der Sanktionsbescheid vom 16. Februar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. März 2012 ist hingegen nicht (mehr) streitgegenständlich, da der Kläger die ursprünglich auf Aufhebung dieses Bescheides gerichtete Anfechtungsklage bereits in dem am 15. Januar 2014 in erster Instanz durchgeführten Erörterungstermin nicht mehr weiterverfolgt hat bzw. von dem ursprünglichen Anfechtungsantrag zu einem Leistungsantrag übergegangen ist. Dieser Übergang von der isolierten Anfechtungsklage zur Leistungsklage ist rechtlich nicht zu beanstanden. Es handelt sich insbesondere nicht um eine nur unter den Voraussetzungen des § 99 Abs. 1 SGG zulässige Klageänderung. Der Übergang von einer Anfechtungsklage zu einer Leistungsklage stellt bei unverändertem Klagegrund keine Klageänderung dar, sondern ist als zulässige Erweiterung des Klageantrags im Sinne des § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG anzusehen (vgl. BSG vom 17. Mai 1983 - 7 RAr 13/82 - SozR 4100 § 63 Nr. 2; BSG vom 20. September 1989 - 7 RAr 110/87 - SozR 4100 § 78 Nr. 8; BSG vom 15. Februar 1990 - 7 RAr 22/89). Eine Änderung des Klagegrundes ist vorliegend mit dem Übergang zur Leistungsklage nicht verbunden. Der Kläger will mit der Leistungsklage nunmehr unmittelbar das Ziel erreichen, dass er zuvor bereits mittelbar im Wege der Anfechtungsklage gegen den Sanktionsbescheid vom 16. Februar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. März 2012 verfolgt hat (ebenso: BSG vom 17. Mai 1983 - 7 RAr 13/82 - SozR 4100 § 63 Nr. 2; BSG vom 20. September 1989 – 7 RAr 110/87 - SozR 4100 § 78 Nr. 8; BSG vom 15. Februar 1990 - 7 RAr 22/89 zu einer vgl. Konstellation im Rahmen des Kurzarbeitergeldbezuges). Denn die ursprünglich begehrte Aufhebung des Sanktionsbescheides vom 16. Februar 2012 war primär von der Zielsetzung getragen, eine Kürzung der bewilligten Leistungen im Sanktionszeitraum (1. März 2012 bis 31. Mai 2012) zu vermeiden bzw. rückgängig zu machen. Das klägerische Begehren war somit von Anfang an auf die Zahlung ungekürzter Leistungen gerichtet. Die anfängliche Erhebung einer Anfechtungsklage war allein dem Umstand geschuldet, dass der Kläger seinerzeit in rechtlicher Hinsicht davon ausgegangen war, dass bereits durch den Sanktionsbescheid eine Minderung des Auszahlungs- und Leistungsanspruchs im Sanktionszeitraum eingetreten ist, die durch die Anfechtung des Sanktionsbescheides beseitigt werden kann. Nach einem in erster Instanz erteilten rechtlichen Hinweis ist der Kläger zur Leistungsklage übergegangen, ohne dass sich der zugrundeliegende Lebenssachverhalt (Klagegrund), das primäre Klagebegehren oder die Anspruchsgrundlage geändert haben. Selbst bei Annahme einer Klageänderung, wäre diese zulässig, da sowohl die Beteiligten (konkludent) der Änderung zugestimmt haben als auch das Gericht mit der Verhandlung und Entscheidung über den geänderten Antrag von deren Sachdienlichkeit ausgegangen ist.

Die Zahlung von Leistungen für Mai 2012 ist nicht (mehr) streitgegenständlich, nachdem der Kläger bei dem in erster Instanz vorgenommenen Übergang vom Anfechtungs- zum Leistungsantrag die Klage ausdrücklich auf die Gewährung ungekürzter Leistungen für die Monate März 2012 und April 2012 beschränkt und die Klage in Bezug auf die Zahlung ungekürzter Leistungen für den Monat Mai 2012 zurückgenommen hat.
Soweit das Sozialgericht in seinen Ausführungen zum Streitgegenstand davon ausgegangen ist, der Kläger verfolge "den Anspruch auf Zahlung von zweimal 224,40 Euro", beruht diese Annahme auf einem Missverständnis. Wie sich aus der Niederschrift über den am 15. Januar 2014 in erster Instanz durchgeführten Erörterungstermin ergibt, bestand bei den Beteiligten und dem Gericht Einvernehmen darüber, dass der Kläger für den Zeitraum 1. März 2012 bis 30. April 2012 insgesamt einen Betrag von 224,40 Euro begehrt, da vom Beklagten pro Monat 112,20 Euro gekürzt worden sind.

Die statthafte und zulässige Leistungsklage ist auch begründet. Der Kläger hat für die Monate März und April 2012 einen Anspruch auf Zahlung der mit Bescheid vom 5. Oktober 2011 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 26. November 2011 bewilligten Leistungen in voller Höhe von 624,00 Euro monatlich. Da der Beklagte dem Kläger in den streitgegenständlichen Monaten März und April 2012 vor dem Hintergrund der durch Bescheid vom 16. Februar 2012 festgestellten Sanktion in Höhe von 30 % des Regelbedarfs nur einen um monatlich 112,20 Euro geminderten Leistungsbetrag gezahlt hat, kann der Kläger die Zahlung des Differenzbetrages - insgesamt 224,40 Euro - weiterhin beanspruchen.

Dem Anspruch des Klägers auf (Aus-)Zahlung von Leistungen in (ungekürzter) Höhe von monatlich 624,00 Euro im streitgegenständlichen Zeitraum steht der Sanktionsbescheid vom 16. Februar 2012 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. März 2012) nicht entgegen. Entgegen der vom Beklagten vertretenen Auffassung bildet der Sanktionsbescheid vom 16. Februar 2012 alleine keine Grundlage für die um 30 % des Regelbedarfs abgesenkte Auszahlung von Leistungen nach dem SGB II im Zeitraum vom 1. März 2012 bis zum 30. April 2012. Vielmehr hätte es insoweit einer teilweisen Aufhebung des bestandskräftig gewordenen Bewilligungsbescheides vom 5. Oktober 2011 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 26. November 2011, mit dem für den streitigen Zeitraum Leistungen in ungemindertem Umfang bewilligt wurden, bedurft. Diese bestandskräftige und nicht aufgehobene Leistungsbewilligung hat zur Folge, dass der Kläger vom Beklagten weiterhin die (Aus-)Zahlung von Leistungen in der bewilligten (ungekürzten) Höhe im streitgegenständlichen Zeitraum (März 2012 bis April 2012) im Wege der Leistungsklage verlangen kann.

Die vom Beklagten im Bescheid vom 16. Februar 2012 auf der Grundlage von § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. § 31a SGB II festgestellte Minderung der dem Kläger zustehenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II um 30 % des für ihn maßgebenden Regelbedarfs bringt den durch Bewilligungsbescheid vom 5. Oktober 2011 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 26. November 2011 begründeten Anspruch auf (Aus-)Zahlung von Leistungen in der bewilligten Höhe nicht automatisch zum Erlöschen. Hierzu bedarf es vielmehr einer auf § 48 Abs. 1 SGB X gestützten Aufhebungsentscheidung, die im vorliegenden Fall weder gesondert, noch als Teil des Sanktionsbescheides ergangen ist und die dem Absenkungsbescheid vom 16. Februar 2012 auch nicht im Wege der Auslegung entnommen werden kann.

Ob es zur Umsetzung einer Sanktion nach erfolgter und bestandskräftig gewordener Leistungsbewilligung einer Aufhebungsentscheidung nach § 48 SGB X bedarf, ist umstritten (zum Meinungsstand: Treichel, SGb 2014, S. 664 ff.). Während die überwiegende Rechtsprechung und Teile der Literatur in Fallkonstellationen dieser Art den Erlass eines auf § 48 SGB X gestützten Aufhebungsbescheides für erforderlich halten (Beschluss des erkennenden Senats vom 3. Dezember 2013 - L 9 AS 614/13 B ER; LSG Niedersachsen-Bremen vom 12. Januar 2012 - L 7 AS 242/10 B, vom 17. Juni 2013 - L 7 AS 332/13 B ER, vom 10. Februar 2014 - L 7 AS 1058/13 B und vom 28. November 2014 - L 15 AS 338/14 B ER; SG Kassel vom 28. August 2013 - S 7 AS 439/13 und vom 27. Juni 2013 - S 7 AS 121/13 ER; SG Potsdam vom 26. November 2013 - S 40 AS 1588/12; Knickrehm/Hahn in: Eicher, SGB II, 3. Aufl. 2013, § 31b Rdnr. 7; Loose in: Gemeinschaftskommentar SGB II, Stand Oktober 2014, § 31b Rdnr. 21; Valgolio in: Hauck/Noftz, Stand November 2011, § 31b Rdnr. 13; Harich, Handbuch der Grundsicherung für Arbeitsuchende, 2014, Kapitel 173 Rdnr. 25; Sonnhoff in: juris-Praxiskommentar SGB II, Stand März 2015, § 31b Rdnr. 14), wird von anderer Seite davon ausgegangen, dass es keiner gesonderten Aufhebung vorangegangener Bewilligungsbescheide bedarf, weil der für den Zeitraum der Minderung erlassene (bestandskräftige) Bewilligungsbescheid seine Wirkung im Umfang der Minderung bereits durch den Sanktionsbescheid kraft Gesetzes verliere (so: SG Detmold vom 4. September 2014 - S 18 AS 433/13; SG Trier vom 14. Dezember 2011 - S 4 AS 449/11 ER; Lauterbach in: Gagel, SGB II/SGB III, Stand September 2013, § 31b Rdnr. 2; Berlit in: LPK, 5. Aufl. 2013, § 31b Rdnr. 2; Burkiczak in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck-Online-Kommentar SGB II, Stand Dezember 2014, § 31b Rdnr. 11a) bzw. weil es sich bei der Regelung des § 31b Abs. 1 Satz 1 SGB II um eine den § 48 SGB X verdrängende Spezialregelung handele (so: LSG Bayern vom 30. Januar 2014 - L 7 AS 85/13).
Der Senat teilt diese, von einem "Selbstvollzug" der festgestellten Sanktion in leistungsrechtlicher Hinsicht ausgehende Rechtsauffassung nicht, sondern hält - wie bereits in der Entscheidung vom 3. Dezember 2013 (Az.: L 9 AS 614/13 B ER) vertreten - den Erlass einer auf § 48 SGB X gestützten Aufhebungsentscheidung für erforderlich, soweit Leistungen für den Sanktionszeitraum bereits durch einen bestandskräftig gewordenen Bescheides in ungeminderter Höhe bewilligt worden sind.
Die Notwendigkeit einer auf § 48 SGB X gestützten Aufhebungsentscheidung zur Durchbrechung der Bestandskraft einer den Absenkungszeitraum betreffenden Bewilligung hat das BSG zu den auf der Grundlage von § 31 SGB II in der bis zum 31. März 2011 geltenden Fassung ergangenen Absenkungsentscheidungen für erforderlich angesehen. Es hat in mehreren Entscheidungen die Auffassung vertreten, dass die Aufhebung einer bestandskräftigen Bewilligungsentscheidung wegen des Eintritts einer Sanktion über die Entscheidung nach § 48 SGB X hinaus keinen vorgeschalteten, zusätzlichen feststellenden Verwaltungsakt voraussetzt (BSG vom 17. Dezember 2012 - B 4 AS 30/09 R - SozR 4-4200 § 31 Nr. 3; BSG vom 9. November 2010 - B 4 AS 27/10 R - SozR 4-4200 § 31 Nr. 6; offen gelassen: BSG vom 18. Februar 2010 - B 14 AS 53/08 R - SozR 4-4200 § 31 Nr. 5). Das BSG hat somit den Erlass eines gesonderten, die Sanktion feststellenden Verwaltungsaktes für entbehrlich, eine auf § 48 SGB X gestützte Aufhebungsentscheidung hingegen für unabdingbar bzw. für selbstverständlich erachtet.

Diese Rechtsprechung ist auch durch die mit Wirkung zum 1. April 2011 vorgenommene Neustrukturierung des Sanktionsrechts nicht obsolet geworden (ebenso: Beschluss des erkennenden Senats vom 3. Dezember 2013 - L 9 AS 614/13 B ER; LSG Niedersachsen-Bremen vom 28. November 2014 - L 15 AS 338/14 B ER und vom 10. Februar 2014 - L 7 AS 1058/13 B; SG Kassel vom 28. August 2013 - S 7 AS 439/13 und vom 27. Juni 2013 - S 7 AS 121/13 ER; SG Potsdam vom 26. November 2013 - S 40 AS 1588/12). Die mit Wirkung zum 1. April 2011 eingefügte Regelung des § 31b SGB II steht dem nicht entgegen. Zwar sieht der vorliegend anwendbare § 31b Abs. 1 Satz 1 SGB II vor, dass sich "der Auszahlungsanspruch" mit dem Beginn des Kalendermonats, der auf das Wirksamwerden des die Pflichtverletzung feststellenden Verwaltungsaktes folgt, "mindert". Im Unterschied hierzu bestimmte die bis zum 31. März 2011 geltende Vorgängerregelung
- § 31 Abs. 6 SGB II - (im folgenden § 31 SGB II a. F.), dass "Minderung und Wegfall" mit Beginn des Kalendermonats "eintreten", der auf das Wirksamwerden des die Minderung oder den Wegfall der Leistung feststellenden Verwaltungsaktes folgt.

Die vom Gesetzgeber aus Gründen der Klarstellung (vgl. BT-Drucks. 17/3404, S. 112) gewählte neue Terminologie in § 31b Abs. 1 Satz 1 SGB II kann zwar dahingehend verstanden werden, dass nunmehr die zuvor von der Rechtsprechung angenommene Einheit von Sanktionsbescheid und der in Bezug auf den Minderungszeitraum ergangenen Bewilligungsentscheidung nicht mehr angenommen werden kann. Hingegen ist die Terminologie des § 31b Abs. 1 Satz 1 SGB II nach Auffassung des Senats weder Ausdruck eines Selbstvollzuges der Sanktion in leistungsrechtlicher Hinsicht (so aber SG Trier vom 14. Dezember 2011 - S 4 AS 449/11 ER; Burkiczak in: Rolfs/ Giesen/Kreikebohm /Udsching, Beck-Online-Kommentar SGB II, Stand Dezember 2014, § 31b Rdnr. 11a; Groth in: Groth/Luik/Siebel-Huffmann, Das neue Grundsicherungsrecht - 2011, § 13 Rdnr. 421; zum Begriff des Selbstvollzuges des Gesetzes: Steinwedel in: Kasseler Kommentar, SGB X, Stand August 2012, § 48, Rdnr. 9 m. w. N.), noch handelt es sich um eine dem § 48 SGB X vorgehende Spezialregelung, die eine gesonderte Aufhebungsentscheidung entbehrlich machen würde (so aber: LSG Bayern vom 30. Januar 2014 - L 7 AS 85/13).

Dies folgt zur Überzeugung des Senats aus dem Wortlaut der Vorschrift des § 31b SGB II, ihrer systematischen Stellung sowie den Motiven des Gesetzgebers und wird durch den Sinn und Zweck der maßgebenden gesetzlichen Bestimmungen gestützt.

Die im Wortlaut des § 31b Abs. 1 Satz 1 SGB II vom Gesetzgeber gewählte Formulierung, dass sich "der Auszahlungsanspruch mindert", bringt lediglich zum Ausdruck, dass der Behörde bei einer eingetretenen Pflichtverletzung im Sinne des § 31 SGB II (Sanktionsereignis) kein Ermessen hinsichtlich der Feststellung der Rechtsfolgen der Pflichtverletzung zusteht, sondern dass diese kraft Gesetzes eintreten, d. h., dass es sich bei der verwaltungsseitigen Feststellung der Sanktionsfolgen um eine gebundene Entscheidung handelt (in diesem Sinne: SG Kassel vom 27. Juni 2013 - S 7 AS 121/13 ER und vom 28. August 2013 - S 7 AS 439/13; Valgolio in: Hauck/Noftz, SGB II, Stand November 2011, § 31b Rdnr. 12).

Dies "klarzustellen" hat der Gesetzgeber mit der im Vergleich zur Vorgängervorschrift des § 31 Abs. 6 SGB II a. F. abweichenden Formulierung beabsichtigt. Der Gesetzgeber wollte mit der zum 1. April 2011 vorgenommenen Neustrukturierung des Sanktionsrechts lediglich die durch verschiedene Rechtsänderungen äußerst komplex und schwer verständlich gewordene Regelung des § 31 SGB II im Sinne einer besseren Übersichtlichkeit entzerren, wobei "die bisherigen Sanktionstatbestände im Wesentlichen beibehalten und die Rechtsfolgen von Pflichtverletzungen nahezu unverändert übernommen" werden sollten (BT-Drucks. 17/3404, S. 110, 111). Speziell die im Vergleich zur Vorgängerregelung abweichende Terminologie des § 31b Abs. 1 Satz 1 SGB II hat der Gesetzgeber lediglich aus Gründen der Klarstellung gewählt (BT-Drucks. 17/3404, S. 112). Würde man diese Formulierung im Sinne eines Selbstvollzuges der Sanktion in leistungsrechtlicher Hinsicht auslegen und eine auf § 48 SGB X gestützte Aufhebungsentscheidung in Bezug auf die ursprüngliche, bestandskräftig gewordene Leistungsbewilligung nunmehr für entbehrlich halten bzw. dem § § 31b Abs. 1 Satz 1 SGB II die Bedeutung einer den § 48 SGB X verdrängenden Sonderregelung beimessen, würde man der Neustrukturierung eine inhaltliche Bedeutung beimessen, die über die vom Gesetzgeber gewollte Klarstellung weit hinausreicht (ähnlich: SG Potsdam vom 26. November 2013 - S 40 AS 1588/12). Dem steht insbesondere entgegen, dass die Rechtsfolgen von Pflichtverletzungen - die u. a. durch § 31b SGB II geregelt werden - nach dem Willen des Gesetzgebers "nahezu unverändert" bleiben sollten (BT-Drucks. 17/3404, S. 111). Die Annahme einer Änderung der Wirkungen einer Sanktion wäre mit dieser Intention nur schwer vereinbar. Hätte der Gesetzgeber mit der von ihm im Rahmen von § 31b Abs. 1 Satz 1 SGB II gewählten Formulierung die Absicht verbunden, einen Selbstvollzug der Sanktion in leistungsrechtlicher Hinsicht kraft Gesetzes zu regeln bzw. eine den § 48 SGB X verdrängende Sonderregelung zu schaffen, hätte diese Absicht in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommen müssen und hätte es nahe gelegen, auf die entgegenstehende Rechtsprechung des BSG (BSG vom 17. Dezember 2012 - B 4 AS 30/09 R - SozR 4-4200 § 31 Nr. 3) Bezug zu nehmen und die vorgenommene Änderung als Reaktion auf diese Rechtsprechung auszuweisen.

Die Notwendigkeit einer auf § 48 SGB X gestützten Aufhebung zur Umsetzung der Sanktion in leistungsrechtlicher Hinsicht ist auch unter systematischen Gesichtspunkten geboten.

Soweit Teile der Literatur und der Rechtsprechung die Aufhebung einer für den Sanktionszeitraum erfolgten (ungeminderten) Bewilligung nach § 48 SGB X für entbehrlich halten, stützt sich diese Auffassung auf die fehlende Identität von Leistungs- und Auszahlungsanspruch und geht davon aus, dass eine Pflichtverletzung im Sinne des § 31 SGB II entsprechend der in § 31b Abs. 1 Satz 1 SGB II getroffenen Regelung nur den Auszahlungsanspruch, nicht hingegen den hiervon zu unterscheidenden Leistungsanspruch mindere und es daher keiner gesonderten Aufhebung nach § 48 SGB X bedürfe (Groth in: Groth/Luik/Siebel-Huffmann, Das neue Grundsicherungsrecht - 2011, § 13 Rdnr. 421; Lauterbach in: Gagel, SGB II/SGB III, Stand September 2013, § 31b SGB II, Rdnr. 2; Berlit in: LPK-SGB II, 5. Aufl. 2013, § 31b Rdnr. 4; Burkiczak in: Rolfs/Giesen /Kreikbohm/Udsching, Beck-Online-Kommentar SGB II, Stand Dezember 2014, § 31b Rdnr. 11a). Auch die Identität zwischen Leistungs- und Auszahlungsanspruch wird im Anwendungsbereich des SGB II kontrovers diskutiert (Annahme der Identität von Leistungs- und Auszahlungsanspruch durch: Knickrehm/Hahn in: Eicher, SGB II, 3. Aufl. 2013, § 31b Rdnr. 7; a. A.: Berlit in: LPK-SGB II, 5. Aufl. 2013, § 31b Rdnr. 4; Burkiczak in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck-Online-Kommentar SGB II, Stand Dezember 2014, § 31b Rdnr. 11a; Lauterbach in: Gagel, SGB II/SGB III, Stand September 2013, § 31b SGB II Rdnr. 2; Groth in: Groth/Luik/Siebel-Huffmann, Das neue Grundsicherungsrecht - 2011, § 13 Rdnr. 421; offen gelassen: Treichel, SGb 2014, 664, 665 ff.). Gegen die Identität von Leistungs- und Auszahlungsanspruch spricht, dass das SGB II zumindest terminologisch zwischen dem Leistungsanspruch (§ 19 SGB II) und dem Auszahlungsanspruch (§ 39b Abs. 1 Satz 1 SGB II, § 39 Nr. 1 SGB II) zu differenzieren scheint. Ausgehend von der in § 19 SGB II getroffenen Regelung könnte angenommen werden, dass hierdurch der Leistungsanspruch (Absatz 1 und 2) und die sich auf den Leistungsanspruch unmittelbar auswirkenden Einschränkungen (Absatz 3) abschließend normiert werden, der Eintritt einer Sanktion aber von diesen sich unmittelbar auf den Leistungsanspruch auswirkenden Regelungen nicht erfasst wird, sondern lediglich den hiervon zu unterscheidenden Auszahlungsanspruch betrifft. Dies ist jedoch bei einem genauen Blick auf die Systematik des SGB II nicht haltbar. Insbesondere spricht für die Identität von Leistungs- und Auszahlungsanspruch, dass das SGB II systematisch weder ein vom Auszahlungsanspruch zu unterscheidendes "Stammrecht" noch einen sogenannten Grundlagenbescheid kennt (vgl. Knickrehm/Hahn in Eicher: SGB II, 3. Aufl. 2013, § 31b Rdnr. 7). Der in § 31b Abs. 1 Satz 1 SGB II und § 39 Nr. 1 SGB II verwendete Begriff des Auszahlungsanspruchs kann nicht in diesem Sinne verstanden werden. Dies ergibt sich insbesondere aus der in § 31a Abs. 1 Satz 1 SGB II getroffenen Regelung, ausweislich derer sich nicht (nur) der Auszahlungsanspruch, sondern "das Arbeitslosengeld II" bei einer Pflichtverletzung nach § 31 SGB II "mindert". Letztlich würde die Auslegung, die speziell im vorliegend streitgegenständlichen Regelungskontext von einer Unterscheidung zwischen Leistungs- und Auszahlungsanspruch ausgeht, voraussetzen, dass sich die rechtlichen Auswirkungen der Sanktion stets auf den Zahlungsanspruch beschränken und den materiellen Anspruch unberührt lassen. Dies wird jedoch durch die Entscheidung des BSG vom 23. Mai 2013 - B 4 AS 67/12 R, wonach die Sanktion gegen ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft unter bestimmten Voraussetzungen eine Abweichung von Kopfteilprinzip rechtfertigen kann, widerlegt (ebenso: LSG Niedersachsen-Bremen vom 28. November 2014 - L 15 AS 338/14 B ER mit Besprechung von Blischke in: juris-Praxisreport Sozialrecht 6/2015, Anm. 3). Letztlich kann aber die Frage, ob im Bereich der Grundsicherungsleistungen eine Identität von Leistungsanspruch und Auszahlungsanspruch anzunehmen ist oder nicht, dahinstehen. Dann auch eine Veränderung des Auszahlungsanspruchs bedarf der Umsetzung nach § 48 SGB X. Dies folgt aus der Regelungssystematik des SGB II und des SGB X.

Liegen die in § 7 SGB II geregelten Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II vor und verfügt die betreffende Person nicht über bedarfsdeckendes Einkommen und Vermögen, besteht ein Anspruch auf die in § 19 SGB II normierten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Dieser Leistungsanspruch wird durch einen Bewilligungsbescheid festgestellt, der mit seiner Bekanntgabe gegenüber dem Leistungsberechtigten wirksam wird (§ 39 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Die Leistungsbewilligung vermittelt dem Leistungsberechtigten einen Auszahlungsanspruch gegen den Leistungsträger. Dieser aus der formalen Bewilligung folgende Auszahlungsanspruch besteht unabhängig davon, ob die bewilligten Leistungen dem Berechtigten im betreffenden Zeitraum materiell-rechtlich auch tatsächlich zugestanden haben oder nicht (vgl. LSG Berlin-Brandenburg vom 29. Januar 2007 - L 5 B 1173/06 AS ER, L 5 B 1174/06 AS PKH; SG Dortmund vom 26. Mai 2014 - S 35 AS 1758/14 ER; Treichel, SGb 2014, 664, 665). Der Bewilligungsbescheid vermittelt somit einen Anspruch auf Zahlung der bewilligten Leistungen bzw. einen Rechtsgrund für das Behaltendürfen bereits gezahlter Leistungen im bewilligten Umfang solang und soweit er wirksam, d. h. nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist (§ 39 Abs. 2 SGB X). Geht man - wie teilweise vertreten - vor dem Hintergrund von § 31b Abs. 1 Satz 1 SGB II davon aus, dass sich infolge einer Sanktion der Auszahlungsanspruch kraft Gesetzes mindert, wirkt sich diese Minderung zunächst (nur) auf den materiell-rechtlichen Anspruch aus, während der formal-rechtliche Anspruch aus der bestandskräftigen Bewilligungsentscheidung weiterhin besteht (SG Dortmund vom 26. Mai 2014 - S 25 AS 1758/14 ER; ähnlich: LSG Berlin-Brandenburg vom 29. Januar 2007 - L 5 B 1173/06 AS ER, L 5 B 1174/06 AS PKH; Treichel, SGb 2014, 664, 667). Diesen Anspruch aus einer bestandskräftigen Bewilligungsentscheidung kann die Behörde nur beseitigen - und mit der materiell-rechtlichen Rechtsposition in Einklang bringen -, wenn sie die Bewilligungsentscheidung mit einem actus-contrarius gemäß §§ 45, 48 SGB X aufhebt. Auch bei einem Wegfall der Hilfebedürftigkeit während des Bewilligungszeitraums, entfällt der materiell-rechtliche Anspruch; zur Beseitigung des formal-rechtlichen Anspruchs aus der Bewilligungsentscheidung bedarf es jedoch auch in diesem Fall einer auf § 48 SGB X gestützten Aufhebungsentscheidung. Nichts anderes kann bei einer im Bewilligungszeitraum eintretenden Absenkung gelten.

Da es sich bei der auf der Grundlage von § 31 i. V. m. § 31a SGB II getroffenen Absenkungsentscheidung - im vorliegenden Fall durch Bescheid vom 16. Februar 2012 - um eine Änderung der für die Leistungsbewilligung maßgebenden tatsächlichen Verhältnisse handelt, ist der Leistungsträger zur Aufhebung der ursprünglichen (ungeminderten) Leistungsbewilligung auf der Grundlage von § 48 SGB X berechtigt (so auch: BSG vom 17. Dezember 2009 - B 4 AS 30/09 R - SozR 4-4200 § 31 Nr. 3 und B 4 AS 20/09 R - SozR 4-4200 § 31 Nr. 2; BSG vom 16. Dezember 2008 - B 4 AS 60/07 R - SozR 4-4200 § 16 Nr. 4; Treichel, SGb 2014, 664, 665). Nur durch eine auf § 48 SGB X gestützte Aufhebungsentscheidung wird die Sanktion in leistungsrechtlicher Hinsicht umgesetzt. Letztlich kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei der in § 31b Abs. 1 Satz 1 SGB II getroffenen Regelung um eine dem § 48 SGB X vorgehende Spezialregelung handelt, die dazu führt, dass sich die bestandskräftige Entscheidung über die (ungeminderte) Leistungsbewilligung im Umfang der festgestellten Absenkung "auf andere Weise erledigt" im Sinne des § 39 Abs. 2 SGB X und es somit einer auf § 48 SGB X gestützten Aufhebung nicht bedarf (so aber: LSG Bayern vom 30. Januar 2014 – L 7 AS 85/13). Eine Erledigung "auf andere Weise" im Sinne des § 39 Abs. 2 SGB X kann nur angenommen werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht mehr geeignet ist, rechtliche Wirkungen zu entfalten oder wenn die ihm ursprünglich innewohnende Steuerungsfunktion nachträglich entfallen ist (Steinwedel in: Kasseler Kommentar, SGB X, § 39 Rdnr. 25; BSG vom 27. Januar 1993 - 4 RA 40/92 - SozR 3-8570 § 10 Nr. 1). Eine auf der Grundlage der §§ 31 ff. SGB II vorgenommene Absenkung infolge eingetretener Pflichtverletzung lässt für sich genommen weder den Regelungsgegenstand eines vorherigen Bewilligungsbescheides entfallen, noch ist die Ausführung des Hauptverfügungssatzes des Bewilligungsbescheides rechtlich oder tatsächlich unmöglich geworden. Zudem ist zu berücksichtigen, dass vor dem systematischen Hintergrund der in §§ 45, 48 SGB X getroffenen Regelungen für Verwaltungsakte mit Dauerwirkung kein großer Raum für die Annahme einer Erledigung "auf andere Weise" verbleibt (Steinwedel in: Kasseler Kommentar, SGB X, Stand April 2011, § 39 Rdnr. 24). Das Gesetz sieht grundsätzlich keinen Selbstvollzug vor, sondern es bedarf im Regelfall eines aufhebenden Verwaltungsaktes nach den §§ 45, 48 SGB X (Steinwedel in: Kasseler Kommentar, SGB X, Stand August 2012, § 48 Rn. 9). Dies gilt selbst dann, wenn klare gesetzliche Regelungen vorliegen, die den Anspruch entfallen lassen oder sonst beeinflussen (vgl. dazu: BSG vom 4. Juli 1989 - 9 RVs 3/88 - SozR 1300 § 48 Nr. 57; BSG vom 21. Februar 1985 - 11 RLw 1/84 - SozR 5850 § 4 Nr. 8). Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn das betreffende Gesetz ausdrücklich etwas anderes vorsieht (Steinwedel, a. a. O). § 31b Abs. 1 Satz 1 SGB II stellt keine solche, die Anwendung des § 48 SGB X verdrängende Spezialregelung dar (ebenso: LSG Niedersachsen-Bremen vom 28. November 2014 - L 15 AS 338/14 B ER; SG Kassel vom 28. August 2013 - S 7 AS 439/13; SG Kassel vom 27. Juni 2013 - S 7 AS 121/13 ER; Treichel, SGb 2014, 664, 665; a. A. LSG Bayern vom 30. Januar 2014 - L 7 AS 85/13). § 31b Abs. 1 Satz 1 SGB II enthält lediglich eine Regelung zur kalendermäßigen Festlegung des Sanktionszeitraums (Knickrehm/Hahn in: Eicher, SGB II, 3. Aufl. 2013, § 31b Rdnr. 3; Harich, Handbuch der Grundsicherung für Arbeitssuchende, 2014, Kapitel 173 Rdnr. 25). Ausgehend von Wortlaut und Intention kommt der in § 31b Abs. 1 Satz 1 SGB II getroffenen Regelung eine andere Zielrichtung zu; es handelt sich gerade nicht um eine die Aufhebung von Bewilligungen betreffende Regelung. Ein Blick auf die als Sondervorschrift zu § 48 SGB X anerkannten Regelungen (vgl. die Übersicht bei: Steinwedel in: Kasseler Kommentar, SGB X, Stand August 2012, § 48 Rdnr. 6; Brandenburg in: juris-Praxiskommentar SGB X, Stand Dezember 2012, § 48 Rdnr. 15 ff.) lässt erkennen, dass in aller Regel in diesen Vorschriften die Regelung des § 48 SGB X ausdrücklich ausgeschlossen oder abgewandelt wird (vgl. § 34 Abs. 4 Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte - ALG; § 330 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - SGB III; § 149 Abs. 5 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI; § 136 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch - SGB VII). § 31b Abs. 1 Satz 1 SGB II enthält jedoch keine vergleichbare Bezugnahme auf § 48 SGB X.

In diesem Kontext ist letztlich auch zu berücksichtigen, dass im Anwendungsbereich des SGB III selbst bei einem Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld während der Zeit, in dem ein Anspruch auf andere Sozialleistungen besteht (§ 156 SGB III), die Aufhebung einer bereits erfolgten Bewilligung nach § 48 SGB X für erforderlich angesehen wird (vgl. dazu: Düe in: Brand, SGB III, 6. Aufl. 2012, § 156 Rdnr. 6; SG Kassel vom 27. Juni 2013 - S 7 AS 121/13 ER; SG Kassel vom 28. August 2013 - S 7 AS 439/13; Treichel, SGb 2014, 664, 667). Auch in diesen - der Absenkung von Leistungen nach § 31b Abs. 1 Satz 1 SGB II in der Wirkung vergleichbaren - Fallkonstellationen wird somit eine gesonderte Aufhebungsentscheidung in Bezug auf bereits bestandskräftig bewilligte Leistungen für erforderlich gehalten. Vergleichbare Erwägungen müssen daher auch für den Anwendungsbereich des § 31b Abs. 1 Satz 1 SGB II gelten, der somit nicht als eine den § 48 SGB X verdrängende Spezialregelung angesehen werden kann.

Letztlich ist die Notwendigkeit der Aufhebung einer bereits bestandskräftigen Leistungsbewilligung im Absenkungszeitraum auch mit Blick auf den Sinn und Zweck der hier maßgebenden gesetzlichen Vorschriften geboten.

Würde man davon ausgehen, dass eine Sanktion in leistungsrechtlicher Hinsicht bei bereits erfolgter bestandskräftiger Bewilligung im Absenkungszeitraum keiner weiteren Umsetzung in Form eines Aufhebungsbescheides bedarf, würde dies die Auswirkungen einer Sanktion weiter verschärfen, was vor dem verfassungsrechtlichen Hintergrund der Sanktionsregelungen (zur Verfassungsmäßigkeit des Sanktionssystems vgl.: Drohsel, NZS 2014, 96 ff.; Berlit ZfSH/SGB 2012, 561 ff.; ders. info also 2013, 155 ff.; Neskovic, info also 2013, 205 f.) bedenklich erscheint. Zudem sollte im Interesse der Rechtsklarheit für den Leistungsberechtigten ohne weitere Vergleichsberechnung bzw. ohne Vergleich der ergangenen Bescheide ersichtlich sein, in welchem Umfang ihm für welchen Zeitraum Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zustehen. Letztlich entspricht das Erfordernis einer Aufhebungsentscheidung bei bereits erfolgter bestandskräftiger Leistungsbewilligung auch den Bedürfnissen der Verwaltungspraxis. Liegt in Bezug auf den Absenkungszeitraum bereits eine bestandskräftige (ungeminderte) Leistungsbewilligung vor, ermöglicht nur ein leistungsrechtlicher Aufhebungsbescheid eine umfassende und vollständige Übersicht über den Umfang bewilligter und zu zahlender bzw. gezahlter Leistungen.

Von dieser Auslegung der maßgebenden gesetzlichen Bestimmungen ausgehend bedarf es somit der Aufhebung einer für den Sanktionsraum bereits bestehenden ungeminderten Leistungsbewilligung nach § 48 SGB X. Diese Auffassung wird - "zur Klarstellung" - zwischenzeitlich auch in den für die Tätigkeit der Grundsicherungsträger maßgebenden Dienstanweisungen der Bundesagentur für Arbeit (Nr. 31.28 zu §§ 31, 31a, 31b SGB II, Stand 22. April 2014) vertreten.

Eine solche Aufhebungsentscheidung ist im vorliegenden Fall nicht ergangen. Der Sanktionsbescheid vom 16. Februar 2012 stellt ebenso wie der Widerspruchsbescheid vom 22. März 2012 lediglich die Minderung des Arbeitslosengeldes II im Zeitraum vom 1. März 2012 bis 31. Mai 2012 um monatlich 30 % des dem Kläger zustehenden Regelbedarfs fest. Die genannten Bescheide enthalten hingegen keinen weiteren Verfügungssatz, mit dem die (teilweise) Aufhebung der erfolgten Leistungsbewilligung für den Zeitraum vom 1. März 2012 bis 30. April 2012 nach § 48 SGB X festgestellt wird. Auch ist zusätzlich zum Sanktionsbescheid vom 16. Februar 2012 kein gesonderter, auf § 48 SGB X gestützter Aufhebungsbescheid ergangen. Es kann auch nicht angenommen werden, dass jede auf der Grundlage der §§ 31 ff. SGB II ergangene Sanktionsentscheidung zugleich eine Aufhebungsentscheidung nach § 48 SGB X enthält (so aber wohl LSG Nordrhein-Westfalen vom 4. März 2013 - L 19 AS 1688/12 B; Berlit in: LPK SGB II, 5. Aufl. 2013, § 31b Rdnr. 2). Dem kann bereits entgegen gehalten werden, dass einem Bescheid nicht ipso iure ein bestimmter Regelungsgehalt beigemessen werden kann, sondern dass hierfür der Wille der erlassenden Behörde maßgebend ist, wie er im Bescheid zum Ausdruck kommt, wobei für die Auslegung der behördlichen Erklärung ihr objektiver Sinngehalt aus der Sicht eines verständigen Empfängers nach den Umständen des Einzelfalls maßgebend ist (vgl. zum Maßstab des objektiven Empfängerhorizonts: BSG vom 16. Mai 2012 - B 4 AS 154/11 R - SozR 4-1300 § 33 Nr. 1; BSG vom 7. Juli 2011 - B 14 AS 153/10 R - SozR 4-4200 § 38 Nr. 2; BSG vom 15. Dezember 2010 - B 14 AS 92/09 R, jeweils m. w. N.).
Von diesem Maßstab ausgehend, kann der Bescheid vom 16. Februar 2012 nicht im Sinne einer Aufhebungsentscheidung nach § 48 SGB X ausgelegt werden. Die im genannten Bescheid vom Beklagten gewählte Formulierung der "Minderung" bzw. "Absenkung" des Arbeitslosengeldes II kann aus der Sicht eines objektiven und verständigen Bescheidempfängers nicht im Sinne einer (teilweisen) Aufhebung der ursprünglichen Bewilligung verstanden werden. Ungeachtet des Umstandes dass eine "Minderung" bereits in sprachlicher Hinsicht kaum als "Aufhebung" gedeutet werden kann, hat der Beklagte die Entscheidung in rechtlicher Hinsicht ausschließlich auf § 31 SGB II gestützt, während jegliche Bezugnahme auf § 48 SGB X fehlt. Der Wille des Beklagten, eine Entscheidung nach § 48 SGB X zu treffen, ist somit in keiner Weise im Bescheid vom 16. Februar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. März 2012 zum Ausdruck gekommen. Zudem hat die Behörde im Rahmen ihres Vorbringens in dem in erster Instanz durchgeführten Erörterungstermin vom 15. Januar 2014 eingeräumt, dass sie nach ihrer damaligen Auffassung davon ausgegangen sei, es bedürfte keiner gesonderten Aufhebungsentscheidung. Somit war bereits der Wille des Beklagten nicht auf den Erlass einer auf § 48 SGB X gestützten Aufhebungsentscheidung gerichtet. Der Beklagte hat somit ersichtlich und bewusst keine Entscheidung nach § 48 SGB X getroffen.

Letztlich scheidet auch eine Umdeutung des Sanktionsbescheides vom 16. Februar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. März 2012 in einen Aufhebungsbescheid gemäß § 48 SGB X aus. Die Umdeutung (Konversion) eines fehlerhaften Verwaltungsakts in einen anderen Verwaltungsakt setzt gemäß § 43 SGB X voraus, dass der Verwaltungsakt, in den umgedeutet wird, auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig erlassen werden könnte und die Voraussetzungen für den Erlass dieses Verwaltungsaktes erfüllt sind.

Zum einen ist vorliegend fraglich, ob es sich bei der im Bescheid vom 16. Februar 2012 getroffenen Absenkungsentscheidung um einen rechtswidrigen Verwaltungsakt handelt. Ungeachtet dessen liegen aber die Voraussetzungen einer Konversion im vorliegenden Fall bereits deshalb nicht vor, weil nicht die Absenkungsentscheidung für die hier streitgegenständliche Zeit vom 1. März 2012 bis 30. April 2012 in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden soll, sondern weil nach Auffassung des Senats vielmehr ein weiterer Verwaltungsakt erforderlich wäre, nämlich die Aufhebung der Leistungsbewilligung vom 5. Oktober 2011 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 26. November 2011. Diese Konstellation wird gerade nicht von § 43 Abs. 1 SGB X umfasst (BSG vom 28. Oktober 2008 - B 8 SO 33/07 R - SozR 4-1500 § 77 Nr. 1 zu einer vglb. Fallgestaltung). Zudem scheitert die Umdeutung auch daran, dass sich die auf der Grundlage von § 31 i. V. m. §§ 31a, b SGB II ergangene Absenkungsentscheidung und eine auf § 48 SGB X gestützte Aufhebung in ihrer Zielsetzung unterscheiden. Es handelt sich um rechtlich unterschiedliche Wirkungen, so dass nicht vom gleichen angestrebten Erfolg bei gleicher materiell-rechtlicher Tragweise gesprochen werden kann (Schütze in: von Wulffen/Schütze, SGB X 8. Aufl. 2014, § 43 Rdnr. 7; Treichel, SGb 2014, 664, 668; SG Kassel vom 27. Juni 2013 - S 7 AS 121/13 ER; SG Potsdam vom 26. November 2013 - S 40 AS 1588/12). Schließlich scheidet eine Umdeutung auch dann aus, wenn - wie im vorliegenden Fall - der Verwaltungsakt, in den umgedeutet werden soll, der erkennbaren Absicht der erlassenden Behörde widerspricht (BSG vom 28. Oktober 2008 - B 8 SO 33/07 R - SozR 4-1500 § 77 Nr. 1). Insoweit wird auf die obigen Ausführungen Bezug genommen.

Im Ergebnis besteht mangels einer auf § 48 SGB X gestützten Aufhebungsentscheidung der durch den Bescheid vom 5. Oktober 2011 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 26. November 2011 begründete Anspruch auf Zahlung von Leistungen in Höhe von monatlich 624,00 Euro fort. Der Kläger hat daher einen Anspruch auf (Aus-)Zahlung der vor dem Hintergrund der festgestellten Sanktion im Zeitraum vom 1. März 2012 bis 30. April 2012 einbehaltenen Differenz von 112,20 Euro monatlich, d. h. von insgesamt 224,40 Euro.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten im Berufungsverfahren.

Die Revision wird zugelassen, weil der Senat dem Rechtsstreit eine besondere Bedeutung im Sinne des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG beimisst. Die besondere Bedeutung ergibt sich vorliegend vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Rechtsauffassungen zur Notwendigkeit einer auf § 48 SGB X gestützten Aufhebungsentscheidung bei einer bereits erfolgten und bestandskräftigen Bewilligung von ungekürzten Leistungen im Absenkungszeitraum. Eine höchstrichterliche Entscheidung zu dieser Frage steht - in Bezug auf die Neufassung der Sanktionsvorschriften zum 1. April 2011 - noch aus.
Rechtskraft
Aus
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