L 6 U 3246/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 15 U 420/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 3246/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Über Arbeitsunfähig- und Behandlungsbedürftigkeit kann nicht isoliert entschieden werden.
2. Arbeitsunfähigkeit für den Bezugsberuf muss durch einen Arzt nachgewiesen sein.
3. § 200 SGB VII begründet kein Recht des Versicherten, selbst Sachverständige zur Begutachtung vorzuschlagen.
4. Bei weit nach dem Unfallereignis festgestellten, nunmehr schlechteren Bewegungsmaßen muss danach differenziert werde, ob die Bewegungseinschränkung noch dem Unfallereignis anzulasten ist.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 11. Juni 2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Dauer der unfallbedingten Arbeits- und Behandlungsbedürftigkeit aufgrund des anerkannten Arbeitsunfalls vom 31. Juli 2009 sowie die Gewährung einer Verletztenrente streitig.

Der 1974 geborene Kläger, ein bei der Beklagten gesetzlich unfallversicherter Dachdecker in angestellter Position, war nach Arbeitsunfähigkeit ab 19. November 2007 und anschließender Arbeitslosigkeit wieder ab dem 21. Januar 2009 als Dachdecker tätig. Anfang Mai 2011 eröffnete er seinen eigenen Dachdeckerbetrieb und arbeitet mit einem Lehrling und zwei Aushilfsarbeitern.

Der Kläger bohrte am 31. Juli 2009 mit einem Akkubohrer Löcher in den Rand eines Blechs, rutschte dabei ab und verletzte sich oberflächlich am linken Handgelenk. Der sogleich aufgesuchte Durchgangsarzt Dr. R. stellte eine Bohrverletzung mit 2 bis 3 mm Durchmesser ohne aktive Blutung bei intakter Motorik der Finger sowie unauffälliger Sensibilität und Durchblutung fest und diagnostizierte eine Bohrverletzung des linken Handgelenks. Der Kläger habe mitgeteilt, seit einiger Zeit beim Abstützen ein "Stechen" im linken Handgelenk zu verspüren. Nach Desinfektion der Wunde und Verband wurde eine antibiotische Behandlung begonnen und außerdem eine Gipsschiene mit Fingereinschluss zur Ruhigstellung angelegt.

Die MRT-Untersuchung vom 4. August 2009 ergab eine frische Absprengung am proximalen (körpernahen) Skaphoid (Kahnbein der Hand) und außerdem ein Knochenmarködem im distalen (körperfernen) Radius (Speiche) ulnarseitig (ellenseitig) bei oberflächlichen Weichteilverletzungen. Am 14. August 2009 wurde eine Arthroskopie des linken Handgelenks im St. mit unauffälligem postoperativen Verlauf durchgeführt. Danach war an der Knorpeloberfläche des Kahnbeins ein kleiner Defekt auffällig, nach dorsal (zur Streckseite) hin kamen synovitische Veränderungen (entzündliche Veränderungen der Gelenkinnenhaut) mit zottiger Oberfläche zur Darstellung; der Discus war glatt begrenzt, wobei sich ein kleiner Einriss fand, der geglättet wurde. Die übrigen Gelenkflächen am Kahn- und Mondbein sowie dem korrespondierenden Radius waren unauffällig.

Vom 4. bis 11. November 2009 erfolgte eine arbeitsplatzspezifische Rehabilitation, die nach einem Bruch des Mittelfußknochens bei einem Fußballspiel abgebrochen werden musste. Stattdessen wurde vom 24. November 2009 bis 29. Januar 2010 eine EAP-Maßnahme durchgeführt. Eine weitere MRT-Untersuchung vom 17. November 2009 beschrieb narbige Veränderungen in den Weichteilen palmar (beugeseitig) bei unauffälliger Darstellung der Beugesehnen ohne Anhalt für ligamentäre (auf die Bänder bezogene) Verletzungen, eine zystische Läsion im Bereich des proxymalen Skaphoids, die als mögliches intraossäres (im Knochen gelegenes) Ganglion (Geschwulst), sowie eine Zyste, die als mögliche Geröllszyste (Folge einer tiefen knöchernen Verletzung), interpretiert wurde.

Prof. Dr. M. und Dr. Z. bewerteten anlässlich der Heilverfahrenskontrolle aufgrund der persönlichen Untersuchung des Klägers vom 28. Januar 2010 die verbliebene Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) mit 5 vom 100 (v. H.), denn die durch die Bohrerperforation verursachten Verletzungen müssten ein halbes Jahr nach dem Unfallereignis als abgeheilt angesehen werden. Das Bewegungsausmaß im Handgelenk betrug für Extension/Flexion 40-0-30° sowie für die Ulnar/Radialabduktion 20-0-20°. Aufgrund der Bohrverletzung sei keine wesentliche Verletzung der handgelenksbildenden und knöchernen Strukturen erfolgt, dies gelte auch für die wesentlichen Weichteilstrukturen, so dass die zum aktuellen Zeitpunkt beklagten Beschwerden – kein klinischer Hinweis für Morbus Sudeck - nicht mehr durch das erlittene Unfallereignis erklärbar seien. Bei der Untersuchung habe sich ein äußerlich reizloses Handgelenk ohne wesentliche Weichteilschwellung gezeigt. Palmarseitig könne man die Narben aufgrund der Hautperforation kaum mehr erkennen. Die Operationsnarben dorsal (zur Streckseite) seien ebenfalls reizlos verheilt, die Beweglichkeit der Finger sei frei, Durchblutung und Sensibilität seien nicht eingeschränkt sowie Faustschluss und Fingerstreckung seien komplett. Sowohl die palmar als auch die dorsal gelegenen Handgelenksweichteile seien bei Schmerzäußerung des Klägers weich zu palpieren. Vollständige Arbeitsfähigkeit liege wieder vor.

Der Kläger begab sich daraufhin am 29. Januar 2010 zu Dr. X., der ihm eine Erstbescheinigung für Arbeitsunfähigkeit bis 1. Februar 2010 ausstellte (danach arbeitsfähig, Bescheinigung vom 29. März 2010) und am 1. Februar 2010 zu Dr. R., der aufgrund des Arbeitsunfalls eine Folgebescheinigung ausstellte, aber am 16. März 2010 Arbeitsfähigkeit ab 29. Januar 2010 bescheinigte. Seit dem 9. Februar 2010 war er bei der Agentur für Arbeit als arbeitslos gemeldet (Mitteilung der AOK).

Mit Bescheid vom 4. Februar 2010 erkannte die Beklagte das Ereignis vom 31. Juli 2009 als Arbeitsunfall an und stellte unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit aufgrund der Unfallfolgen für die Zeit vom 31. Juli 2009 bis zum 28. Januar 2010 fest, danach bestehe keine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit mehr. Mit weiterem Bescheid vom 8. Februar 2010 lehnte die Beklagte die Bewilligung einer Rente mit der Begründung ab, die Unfallfolgen seien folgenlos abgeheilt.

Der Kläger machte mit seinen Widerspruch unter anderem geltend, dass die Störung seines Handgelenks immer noch andauere und er deswegen psychische Probleme (Depressionen) habe. Die Beklagte forderte daraufhin einen Befundbericht der Fachärztin für Psychiatrie Dr. Y. an, die über depressive Verstimmungen und Schlafstörungen sowie innere Unruhe des Klägers berichtete.

Daraufhin stellte die Beklagte dem Kläger drei Sachverständige zur Auswahl (Schreiben vom 7. April 2010), woraufhin der Kläger einen eigenen Sachverständigen benannte. Nachdem auf die Nachfrage der Beklagten unter Fristsetzung zu dem benannten Gutachter keine Äußerung des Klägers zu dessen Qualifikation erfolgte, beauftragte die Beklagte wie angekündigt den Neurologen und Psychiater Prof. Dr. Dr. D. mit der Begutachtung. Dieser gelangte nach ambulanter Untersuchung des Klägers vom 29. Juni 2010 und in seiner weiteren Äußerung vom 28. September 2011 zu der Einschätzung, dass aus neurologischer Sicht keine Folgen des Unfalls nachweisbar seien, es bestehe vielmehr allseits eine gute Kraftentwicklung ohne Paresen, Atrophien oder trophische Störungen. Für die Feststellung einer Anpassungsstörung als Folge der Bohrverletzung am linken Handgelenk fehle es am zeitlichen Zusammenhang zwischen dem erstmaligen Auftreten depressiver Symptome und dem Unfall. Denn für die Entwicklung von Anpassungsstörungen werde gefordert, dass die beginnende Symptomatik sich innerhalb eines Monats nach dem Ereignis entwickle. Nach dem Schreiben des Klägers vom 9. Februar 2010 ließen sich erstmals zu diesem Zeitpunkt Hinweise auf eine depressive Reaktion entnehmen. Der Kläger nehme weder Tabletten ein noch führe er eine Schmerztherapie durch.

Bei einer weiteren Arthroskopie des linken Handgelenks vom 23. Februar 2011 wurde die dorsale Radiuszyste und die beginnende Daumensattelgelenksarthrose nicht als unfallabhängig bewertet, wohl aber die Zyste im Skaphoid und das kleine Fragment.

Mit Schreiben vom 26. August 2011 entzog der Kläger die erteilten Schweigepflichtentbindungserklärungen mit Ausnahme der gegenüber Dr. A., durch den die Beklagte den Kläger orthopädisch begutachten ließ. Dr. A. stellte eine Herabsetzung der Trage- und Belastbarkeit der linken Hand, Narbenbildung, Muskelminderung des linken Unterarmes, morphologische Veränderungen des linken Handgelenks sowie ein Beschwerdebild, das dem unfallmedizinischen Erfahrungsstand nicht widerspreche, fest und schätzte die MdE ab Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit mit 20 v. H. ein. Die Streckung/Beugung der Hand habe links 40/0/20° (rechts 60/0/45°), die Abduktion links 20/0/30° (rechts 30/0/35°) betragen, es sei eine massive Verschmächtigung der Unterarmmuskulatur links sowie eine Kraftflussminderung beim gekreuzten Händedruck aufgefallen.

In seiner beratungsärztlichen Stellungnahme äußerte sich der Chirurg Dr. T. dahingehend, das Gutachten von Dr. A. erfülle nicht die Anforderungen an ein Gutachten mit Fragestellung zum Ursachenzusammenhang, denn die erhobenen klinischen Untersuchungsbefunde würden ebenso wie die anlässlich der kernspintomographischen Untersuchung des linken Handgelenks vom 2. November 2011 nachgewiesenen Veränderungen vorbehaltlos auf das Unfallereignis zurückgeführt. Der dokumentierte Untersuchungsbefund sei dürftig, wenig aussagekräftig und unspezifisch. Das MRT habe an objektivierbaren Befunden nur ein örtlich auf das linke Kahnbein begrenztes bone bruise ohne unfallbedingte Beteiligung anderer Strukturen gezeigt. Auch die weitere MRT-Untersuchung mit rückläufigem Knochenmarködem und zystischen Veränderungen korreliere mit dem klinischen Untersuchungsbefund mit freier Beweglichkeit und reizlosen Weichteilverhältnissen. Die anhaltend beklagten Beschwerden seien nicht objektiv erklärbar, auch sei die ablehnende Haltung gegenüber Therapieoptionen angesichts eines vorgetragenen chronischen Schmerzzustands schwer verständlich.

Mit Widerspruchsbescheiden vom 15. und 17. Januar 2012 wies die Beklagte daraufhin die Widersprüche als unbegründet zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 27. Januar 2012 (Az.: S 15 U 420/12) und am 2. März 2012 (Az.: S 15 U 888/12) Klagen beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben, die mit Beschluss vom 24. Juli 2012 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Az. S 15 U 420/12 verbunden worden sind.

Die Beklagte hat dem SG den beratungsärztlichen Vertrag mit sowie die datenschutzrechtliche Verpflichtungserklärung von Dr. T. vorgelegt.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hat das SG die behandelnde Psychiaterin/Psychotherapeutin Dr. Y. schriftlich als sachverständige Zeugin befragt und den Kläger anschließend orthopädisch bei Dr. B. begutachten lassen sowie hierzu ergänzend Dr. A. befragt.

Dr. Y. hat über eine einmalige Konsultation vom 11. Februar 2010 berichtet. Der Kläger habe über Schlafstörungen und depressive Verstimmungen geklagt, sie habe die Diagnose einer Anpassungsstörung gestellt. Die von ihr erhobenen Befunde wichen nicht von dem Gutachten des Prof. Dr. Dr. D. ab.

Der Sachverständige Dr. B., Oberarzt, ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die zystische Veränderung in der Speiche ellenseitig und direkt körpernah des Handgelenks gelegen sicher nicht Folge des Unfalls vom 31. Juli 2009 sei, denn diese Lokalisation habe vom Bohrer überhaupt nicht erreicht werden können. Für die zystische Veränderung im körpernahen Abschnitt des Kahnbeins gelte, dass dieser Bezirk aufgrund der Richtung der Bohrung und dem eindeutig erkennbaren Eintrittspunkt (der Narbe in der Handgelenksbeugefurche) von dem Bohrer grundsätzlich hätte erreicht werden können. Die bildgebenden Dokumente der MRT-Untersuchung vom 4. August 2009 und der Arthroskopie vom 14. August 2009 wiesen aber keinerlei Befunde auf, die belegten, dass der Gelenksspalt des linken Handgelenkes überhaupt von dem Bohrer erreicht worden sei, denn dafür fehle es am erforderlichen Befund wie vermehrtem oder gar blutigem Gelenkserguss, die man ca. vier Tage nach dem Unfall oder nach ca. zwei Wochen bei der Arthroskopie eigentlich als direkte Verletzungsfolgen hätte erwarten müssen. Die bereits direkt nach dem Unfall röntgenologisch dokumentierte unnormale Kippung des Mondbeins zur Streckseite hin sei ein Indiz dafür, dass bereits zum Unfallzeitpunkt eine manifeste Instabilität vorgelegen habe. Dieser Befund korreliere gut mit den Angaben des Klägers im Durchgangsarztbericht, wonach dieser seit einiger Zeit beim Abstützen ein Stechen im linken Handgelenk verspürt habe, auch wenn der Kläger nunmehr diese Angabe bestreite. Die in der Bildgebung erhobenen Befunde legten sehr viel näher, dass es sich bei den festgestellten Veränderungen im körpernahen Kahnbein mit sehr großer Wahrscheinlichkeit um ein sogenanntes intraossäres Ganglion handele, das in Folge zur Erweiterung des Gelenkspalts mit Gefügestörung führe. Die eigentlichen Unfallfolgen seien ohne Funktionsdefizit abgeheilt, es liege lediglich noch eine reizlose bis in die Muskulatur des Daumenballens reichende Narbe am linken Handgelenk ohne Störung von Durchblutung, Motorik und Sensibilität vor. Das Bewegungsausmaß der Handgelenke sei links deutlich mehr eingeschränkt (rechts 120°, links 60°, ellen-/speichenwärts links 25-0-10° (rechts 30-0-20°) und handrücken-/handflächenwärts links 45-0-15° (rechts 70-0-50°). Die vom Kläger erlittene Verletzung heile in aller Regel nach sechs bis acht Wochen, allerlängstens nach drei Monaten ab. Die darüber hinaus vorliegenden Beschwerden seien durch die Veränderung am Kahnbein im Sinne eines sogenannten Ganglions oder einer Mukoidzyste und der daraus resultierenden Instabilität des Handwurzelknochen verursacht. Die MdE betrage 0 v. H.

Das SG hat daraufhin einen besonderen Beweistermin mit dem gerichtlichen Sachverständigen am 27. August 2013 durchgeführt, bei dem Dr. B. an seinen Einschätzungen festgehalten hat. Auch Dr. A. bekräftigte in Anbetracht der Ausführungen von Dr. T. und Dr. B. seine Einschätzung.

Mit Urteil vom 11. Juni 2014 hat das SG die Klagen mit der Begründung abgewiesen, es habe nicht festgestellt werden können, dass beim Kläger über den 28. Januar 2010 hinaus unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit bestanden habe. Dies hätten bereits Prof. Dr. M. und Dr. Z. bestätigt und sei auch Ergebnis der Begutachtung durch Dr. B., der ausführlich, anschaulich und plausibel dargelegt habe, dass die noch vorhandenen gesundheitlichen Einschränkungen an der linken Hand nicht auf das Unfallereignis vom 31. Juli 2009 zurückgeführt werden könnten. Demgegenüber könne weder das im Verwaltungsverfahren eingeholte Gutachten des Dr. A. noch dessen Stellungnahme als gerichtlicher Sachverständiger zu einem anderen Ergebnis führen, da sich die Äußerungen in qualitativer Hinsicht in der Wiedergabe von "Allgemeinplätzen" erschöpften. Auf psychiatrischem Fachgebiet fehle es an feststellbaren Unfallfolgen, was nicht nur Prof. Dr. Dr. D., dessen Verwaltungsgutachten nach der Rechtsprechung im Wege des Urkundenbeweises verwertbar sei, dargelegt habe, sondern sich auch aus dem Umstand ergebe, dass der Kläger lediglich einmal am 11. Februar 2010 bei Dr. Y. in fachärztlicher Behandlung gewesen sei, ohne dass zu diesem Zeitpunkt eine relevante und behandlungsbedürftige psychiatrische Erkrankung vorgelegen habe. Das notwendige Einverständnis mit der Begutachtung durch Prof. Dr. Dr. D. müsse darin gesehen werden, dass der Kläger auf das Schreiben vom 20. Mai 2010 nicht mehr geantwortet und sich dann von dem Sachverständigen habe untersuchen lassen. Es bestehe auch kein Anspruch auf Verletztenrente, denn die erforderliche MdE von 20 v. H. werde keinesfalls erreicht, selbst wenn die Einschätzung von Dr. A. zu Grunde gelegt würde. Auch bei einer Herabsetzung der Tragefähigkeit und Belastbarkeit der linken Hand, Narbenbildung, Muskelminderung des linken Unterarms und morphologischer Veränderungen des linken Handgelenkes erreichten die funktionellen Einschränkungen nicht ein solches rentenberechtigendes Ausmaß.

Hiergegen hat der Kläger am 4. August 2014 Berufung mit der Begründung eingelegt, der Heilungsverlauf habe sich äußerst schwierig gestaltet und letztlich sei im Bereich des linken Handgelenks noch eine deutliche narbige Veränderung in den Weichteilen beugeseitig mit einer zystischen Läsion im Bereich des proxymalen Skaphoids, die gerade durch den Bohrer verursacht worden sei, bestehen geblieben. Dr. R. habe deswegen in seinem Nachschaubericht vom 13. Januar 2010 weitergehende Arbeitsunfähigkeit bis zum 11. Februar 2010 angenommen. Dessen ungeachtet habe die Beklagte unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit nur für den Zeitraum vom 31. Juli 2009 bis 28. Januar 2010 anerkannt. Die Beklagte habe auch sein Wahlrecht nicht beachtet und Prof. Dr. Dr. D. beauftragt. Auf dessen Anregung sei das Gutachten bei Dr. A. eingeholt worden, dem die Beklagte nicht gefolgt sei. Daraufhin habe er die von ihm erteilte Schweigepflichtentbindungserklärung mit Ausnahme des Dr. A. entzogen. Gleichwohl sei Dr. T. eingeschaltet worden, der die Auffassung von Dr. A. verworfen habe. Das SG habe dennoch beide Gutachten verwertet. Zu Unrecht sei das SG davon ausgegangen, dass keine behandlungsbedürftige psychiatrische Erkrankung vorliege, denn Dr. Y. habe eine Überweisung zur Psychotherapie ausgestellt und eine antidepressive Medikation verordnet.

Er hat eine weitere Folgebescheinigung von Dr. R. sowie ein Bild des verwendeten Akkubohrers vorgelegt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 11. Juni 2014 sowie teilweise den Bescheid vom 4. Februar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Februar 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, Verletztengeld aufgrund des Arbeitsunfalls vom 31. Juli 2009 über den 28. Januar 2010 hinaus bis einschließlich 10. Februar 2010 zu gewähren sowie den Bescheid vom 8. Februar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Verletztenrente aufgrund des Arbeitsunfalls vom 31. Juli 2009 nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 20 vom Hundert zu gewähren, hilfsweise zum Beweis der Tatsache, dass bei dem im Schriftsatz vom 9. Februar 2015 geschilderten Unfallablauf die streitgegenständlichen Verletzungen des Klägers am linken Handgelenk durch den Bohrer haben hervorgerufen werden können, die Einholung eines 1. unfallanalytischen/technischen Sachverständigengutachtens und 2. die Vernehmung des Dr. B., 3. hilfsweise zum Beweis der Tatsachen, dass der Vorschaden des Klägers im Bereich des linken Handgelenks nicht derart ausgeprägt war, als dass dem Unfallereignis die Eigenschaft einer Gelegenheitsursache zukommt, d. h. die Verletzung auch ohne das Unfallgeschehen etwa zum selben Zeitpunkt und in demselben Ausmaß hätte eintreten können, die Einholung eines Sachverständigengutachtens von Amts wegen, die ergänzende Vernehmung des Dr. B. und die ergänzende Vernehmung des Dr. A ...

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erachtet das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und hat ergänzend darauf verwiesen, dass Dr. B. sich mit den aus der MRT-Untersuchung vom 4. August 2009 objektivierbaren Befunden ausführlich auseinandergesetzt und dargelegt habe, dass diese ebenso wie die CT-Untersuchung von Dr. R. übernommen worden seien, obwohl sie durch die intraoperativen Befunde im Rahmen der Arthroskopie nicht hätten verifiziert werden können. Insbesondere habe sich kein blutiger Gelenkserguss oder eine Verletzung der beuge-/speicheseitigen Kapsel gefunden, das skapholunäre Band sei oberflächlich glatt und definitiv nicht frisch verletzt oder gar eingerissen gewesen. Dass dem Sachverständigen die technischen Daten zu dem beim Unfallgeschehen verwendeten Akkubohrer nicht vorgelegen hätten, sei nicht erheblich, zumal er dargelegt habe, dass aufgrund der eindeutig erkennbaren Eintrittspunkte und damit der Richtung der Bohrung der Bereich, an dem die zystischen Veränderungen der Speichen seitlich und direkt körpernah gelegen hätten, nicht hätte erreicht werden können. Außerdem hätten – abgesehen von den oberflächlichen Hautverletzungen – keinerlei Hinweise auf traumatische Verletzungen festgestellt werden können. Objektive Befunde auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet seien nach wie vor nicht aktenkundig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und statthafte Berufung des Klägers (§§ 143, 144 SGG) ist zulässig, aber unbegründet. Denn die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat weder einen Anspruch auf die Anerkennung von unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit über den 28. Januar 2010 hinaus noch auf die Gewährung einer Verletztenrente aufgrund des Arbeitsunfalls vom 31. Juli 2009. Das SG hat daher die Klagen im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

I. Verletztengeld

Der Kläger erstrebt nach dem zuletzt im Berufungsverfahren gestellten Antrag im Wege der kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage gem. § 54 Abs. 1, 4 und 5 SGG die Aufhebung der das Bestehen von Leistungsansprüchen ablehnenden Verwaltungsentscheidungen sowie die gerichtliche Verurteilung der Beklagten zur Gewährung eines Verletztengeldes vom 31. Juli 2009 über den 28. Januar 2010 hinaus bis einschließlich 10. Februar. Nachdem die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid vom 4. Februar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Februar 2012 den Versicherungsfall, nämlich den Arbeitsunfall vom 31. Juli 2009, anerkannt hat, kann nämlich ein isoliertes Element eines möglichen Leistungsanspruchs, hier die Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit, nicht im Wege der Verpflichtungsklage geklärt werden. Der Senat hat den teilweise angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 4. Februar 2010 nach dem Regelungsgehalt und dem objektivierten Empfängerhorizont (vgl. BSG; Urteil vom 4. Dezember 2014 B 5 AL 2/14 R - juris) dahingehend ausgelegt, dass beide Parteien davon ausgegangen sind und dies auch durften, dass, weil letztlich nur noch ein Verletztengeldanspruch im Raum stand, hierüber im Sinne der Ablehnung entschieden worden ist.

Mit diesem entsprechenden Begehren ist die Berufung zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet. Denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Verletztengeld über den 28. Januar 2010 hinaus bis einschließlich 10. Februar 2010. § 45 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) regelt die Voraussetzungen für den Anspruch auf Verletztengeld. Der Anspruch auf Verletztengeld setzt neben der Arbeitsunfähigkeit auf Grund eines Versicherungsfalls (Nr. 1) den Vorbezug von Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen oder Entgeltersatzleistungen (Nr. 2) voraus. Liegen die Voraussetzungen für das Verletztengeld i.S.d. § 45 SGB VII vor, richtet sich der Zeitpunkt, ab dem Verletztengeld gewährt wird, nach § 46 Abs. 1 SGB VII, d. h. der Verletztengeldanspruch hängt vorliegend u.a. davon ab, ob der Kläger infolge des anerkannten Versicherungsfalls weiterhin über den 28. Januar 2010 hinaus arbeitsunfähig ist. Der Anspruch auf Verletztengeld endet mit dem letzten Tag der festgestellten Arbeitsunfähigkeit (§ 46 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB VII). Der Tatbestand der Arbeitsunfähigkeit i.S.d. gesetzlichen Krankenversicherung und der gesetzlichen Unfallversicherung ist im Wesentlichen deckungsgleich (BSG, Urteil vom BSG vom 5. Juli 2005 - B 2 U 10/04 - SozR 4-2700 § 46 Nr. 1). Maßstab für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit ist danach die zuletzt vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit konkret ausgeübte Beschäftigung. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit bleibt auch nach dem Verlust des Arbeitsplatzes für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit maßgebend, wenn der Versicherte bei Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis im Verletztengeldbezug stand.

Insoweit fehlt es bereits an dem erforderlichen Nachweis der Arbeitsunfähigkeit für den betroffenen Zeitraum. Der Senat stützt sich insoweit auf den anlässlich der persönlichen Untersuchung vom 28. Januar 2010 von Prof. Dr. M. und Dr. Z. erhobenen Befund, wonach sich das Handgelenk äußerlich reizlos ohne wesentliche Weichteilschwellung bei nicht eingeschränkter Durchblutung und Sensibilität gezeigt hat und auch sämtliche Funktionsprüfungen (Beweglichkeit der Finger und Faustschluss) unauffällig waren, so dass deren Einschätzung, der Kläger sei wieder vollständig arbeitsfähig, auch für den Senat nachvollziehbar ist.

Die Richtigkeit dieser Bewertung wird auch dadurch bestätigt, dass sowohl Dr. X. wie Dr. R. letztlich keine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit über den 28. Januar 2010 hinaus festgestellt haben, obwohl sie zunächst eine Erst- bzw. Folgebescheinigung ausstellten. Der Senat stützt sich insoweit auf die Bescheinigungen vom 29. März 2010 und 16. März 2010. Des Weiteren hat sich der Kläger der Agentur für Arbeit als arbeitsfähig zur Verfügung gestellt, ist also selbst davon ausgegangen, dass die Unfallfolgen abgeheilt sind. Aus der zuletzt in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Bescheinigung von Dr. X. ergibt sich nichts anderes, selbst wenn dieser fälschlicherweise eine Erstbescheinigung ausgestellt hat. Zwar soll die Arbeitsunfähigkeit nach § 5 Abs. 3 der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie für eine vor der ersten ärztlichen Inanspruchnahme liegende Zeit grundsätzlich nicht bescheinigt werden, hier sollte aber eine fortdauernde Arbeitsunfähigkeit festgestellt werden, wozu es einer Folgebescheinigung bedarf. Nachdem Dr. X. aber selbst nicht von der erforderlichen Arbeitsunfähigkeit ausgegangen ist, kommt es darauf nicht an.

Dem steht die allein abweichende Beurteilung von Dr. A. nicht entgegen (vgl. dazu im Einzelnen unten), denn die von ihm zeitlich weit danach erhobenen Befunde können nicht klären, ob die Beweglichkeit der Hand zu dem konkreten Zeitpunkt besser war, zumal insoweit die nicht unfallbedingten Ursachen nicht zu berücksichtigen sind.

II. Verletztenrente

Der geltend gemachte Anspruch des Klägers auf die Gewährung einer Verletztenrente richtet sich nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII. Danach haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalles über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus wenigstens um 20 v. H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 2004 - B 2 U 14/03 R - SozR 4-2700 § 56 Nr. 1), den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.

Voraussetzung ist, dass die die Erwerbsfähigkeit mindernde Gesundheitsstörung Unfallfolge ist. In Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich für den Kläger in Ermangelung eines Stützrententatbestandes kein Rentenanspruch. Denn die durch den Arbeitsunfall vom 31. Juli 2009 verursachten Funktionsbeeinträchtigungen rechtfertigen keine MdE um mindestens 20 v. H.

Bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen vorliegen, durfte das SG zunächst das Gutachten von Prof. Dr. Dr. D. ebenso wie die beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. T. im Wege des Urkundenbeweises verwerten.

Soweit der Kläger Dr. F. als Gutachter ausgewählt hat, so räumt bereits § 200 Abs. 2 Halbs. 1 SGB VII den Versicherten kein Recht ein, selbst Sachverständige zur Durchführung eines Gutachtens vorzuschlagen (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 30. November 2011 - L 3 U 220/10 - Juris). Dessen ungeachtet ist das SG zu Recht von einem notwendigen Einverständnis des Klägers mit der Begutachtung ausgegangen, da dieser sich nicht zu dem Schreiben vom 20. Mai 2010 geäußert hat und insbesondere sich auch tatsächlich von Prof. Dr. Dr. D. hat untersuchen lassen.

Dessen ungeachtet kann sich der Kläger im Berufungsverfahren wegen der Präklusion gemäß § 295 ZPO nicht darauf berufen, das im Verwaltungsverfahren eingeholte Gutachten sei wegen des unterbliebenen Hinweises auf sein Widerspruchsrecht zur Verwendung von Sozialdaten nach § 200 Abs. 2 Halbs. 2 SGB VII i.V.m. § 76 Abs. 2 SGB X als Beweismittel nicht verwertbar, weil er die Verfahrenshandlung des Sozialgerichts, die Beiziehung der das Gutachten enthaltenden und damit zum Verfahrensgegenstand gewordenen Verwaltungsakte des beklagten Versicherungsträgers, insofern hingenommen hat, als er sich sachlich zu dem Gutachten in der mündlichen Verhandlung vor dem SG eingelassen hat (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25. Februar 2011 - L 8 U 2815/10 - Juris).

Trotz des Entzugs der Einverständniserklärung des Klägers liegt hinsichtlich der Einholung der beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. T. ebenfalls kein Beweisverwertungsverbot vor, denn insoweit verkennt der Kläger, dass es sich nicht um ein Gutachten handelt. Wird nämlich eine solche Äußerung von einem Arzt verfasst, der in die Verwaltungsstruktur des Unfallversicherungsträgers eingegliedert ist, ist der Tatbestand des § 200 Abs. 2 SGB VII nicht erfüllt, weil es nicht zu einer Datenübermittlung kommt. Die mögliche Fernwirkung eines Beweisverwertungsverbots betrifft nur (weitere) Beweismittel ("weiteres Beweismittel"), nicht aber das bloße Vorbringen eines Beteiligten im Prozess. Dem allgemeinen Sprachverständnis folgend fällt unter den im Gesetz selber nicht definierten Begriff des Gutachtens nicht jedwede Äußerung oder Stellungnahme eines medizinischen oder technischen Sachverständigen zu einzelnen Aspekten des Verfahrensgegenstandes, sondern nur die umfassende wissenschaftliche Bearbeitung einer im konkreten Fall relevanten fachlichen Fragestellung durch den Sachverständigen. Ein Gutachten liegt nur vor, wenn die Beantwortung der Fragen durch einen externen Sachverständigen, d.h. durch eine Person erfolgt, die dem Unfallversicherungsträger nicht angehört und mit diesem auch keinen Dienst- oder Beratungsvertrag abgeschlossen hat (BSG, Urteil vom 11. April 2013 - B 2 U 34/11 R - SozR 4-2700 § 200 Nr. 4). Eine solche besondere (Rechts-)Beziehung besonderer Art i. S. eines Dienstvertrages höherer Art liegt vor, wenn ein nicht beim Unfallversicherungsträger angestellter/verbeamteter Arzt mittels eines Rahmenvertrages zur Erbringung ärztlicher Beratungsleistungen verpflichtet, mithin zum Beratungsarzt bestellt ist, und der Arzt aufgrund einer Verpflichtung nach dem Gesetz über die förmliche Verpflichtung nichtbeamteter Personen vom 2. März 1974 nicht nur der ärztlichen Schweigepflicht, sondern denselben Amts- und Verschwiegenheitspflichten unterworfen ist, die auch für die Angestellten/Beamten des Unfallversicherungsträgers gelten (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25. Februar 2011 - L 8 U 2815/10 - Juris).

In Auswertung des danach - im Wege des Urkundenbeweises - zu verwertenden Gutachtens von Prof. Dr. Dr. D. wie dem Sachverständigengutachten von Dr. B. ist der Senat wie das SG zu dem Ergebnis gelangt, dass die nach dem anerkannten Versicherungsfall verbliebenen Unfallfolgen nicht rentenberechtigenden Ausmaßes sind.

Wie vom BSG in ständiger Rechtsprechung vertreten, kann es sich bei der Bewertung der MdE grundsätzlich nur um eine Schätzung handeln, bei welcher der Grad der unfallbedingten MdE nicht völlig genau, sondern nur annäherungsweise feststellbar ist. Denn anders als etwa bei dem ebenfalls zu den Grundlagen der Rentenberechnung gehörenden Jahresarbeitsverdienst lässt sich der Prozentsatz der unfallbedingten MdE in aller Regel nicht mathematisch exakt festlegen, sondern nur annähernd bestimmen. Wie ihrem Wesen nach jede Schätzung ist mithin auch der Bewertung der MdE eine gewisse Schwankungsbreite eigentümlich. Hieraus hat die Rechtsprechung abgeleitet, dass jede innerhalb der Toleranzspanne liegende Schätzung gleichermaßen rechtmäßig ist, soweit dabei bestimmte Grenzen nicht überschritten werden. Als äußerste Grenzen der Spanne hat schon das frühere Reichsversicherungsamt Abweichungen um fünf Prozentpunkte nach oben oder nach unten angesehen. Das BSG ist dem gefolgt und hat dabei auf gesetzliche Regelungen verwiesen, nach denen eine MdE von 10 v.H. die untere Grenze dessen ist, was medizinisch und wirtschaftlich messbar sei. Dies bedeutet, dass eine Schätzung der MdE durch den Versicherungsträger so lange als rechtmäßig anzusehen ist, als eine spätere Schätzung durch das Gericht bzw. den von ihm gehörten ärztlichen Sachverständigen nicht um mehr als fünf Prozentpunkte von der behördlichen Einschätzung abweicht. Dies gilt allerdings nur unter der Voraussetzung, dass im Verwaltungsverfahren die Schätzungsgrundlagen richtig ermittelt worden sind, ferner alle für die Schätzung wesentlichen Umstände hinreichend gewürdigt sind, insbesondere die für die Schätzung relevanten Befunde vollständig und richtig erhoben sind und unverändert vorliegen, und die Schätzung selbst nicht auf falschen oder unsachlichen Erwägungen beruht (BSG, Urteile vom 17. Dezember 1975 - 2 RU 35/75 - SozR 2200 § 581 Nr. 5 und 7. Dezember 1976 - 8 RU 14/76 - SozR 2200 § 581 Nr. 9).

Der Sachverständige Dr. B. hat für den Senat nachvollziehbar dargelegt, dass die unnormale Kippung des Mondbeins zur Streckseite hin wie die Äußerung des Klägers, schon seit einiger Zeit Schmerzen beim Abstützen zu verspüren, eine unfallunabhängige manifeste Instabilität nahelegen und deswegen die festgestellten Veränderungen im körpernahen Kahnbein als intraossäres Ganglion interpretiert werden müssen, das dann wiederum zu einer Erweiterung des Gelenkspaltes mit der bekannten Schmerzproblematik geführt hat. Das war im Übrigen auch das Ergebnis der zweiten MRT-Untersuchung. Allein die dadurch verursachten Beschwerden führen überhaupt zu einer Funktionsstörung. Dafür benötigte der Sachverständige nicht die technischen Daten zu dem beim Unfallgeschehen verwendeten Akkubohrer, denn er konnte allein aufgrund der eindeutig erkennbaren Eintrittspunkte und damit der Richtung der Bohrung aufzeigen, dass der Bereich, an dem die zystischen Veränderungen in der Speiche seitlich und direkt körpernah liegen, aufgrund ihrer Lokalisation nicht von dem Akkubohrer hätten erreicht werden können. Etwas anderes gilt für die zystischen Veränderungen im körpernahen Abschnitt des Kahnbeins, dafür fehlt es aber – abgesehen von den oberflächlichen Hautverletzungen – an den erforderlichen Hinweisen auf traumatische Verletzungen, die weder bei der MRT-Untersuchung noch bei der Arthroskopie festzustellen waren.

Aus den festgestellten Funktionseinschränkungen der Hand folgt dessen ungeachtet für die Frage einer Rentenberechtigung nichts anderes. Zwar liegen insgesamt größere Schwankungen bezüglich der an dem verletzten rechten Handgelenk gemessenen Bewegungsausmaße zur Handgelenksbeweglichkeit vor, die sich nur teilweise mit allgemeinen Messtoleranzen erklären lassen. So haben Professor Dr. M. und Dr. K. anlässlich der Heilverfahrenskontrolle bei der persönlichen Untersuchung des Klägers vom 28. Januar 2010 die verbliebene MdE mit 5 v. H. bewertet, nachdem der Arbeitsunfall zum einen keine wesentliche Verletzung der handgelenksbildenden und knöchernen Strukturen oder wesentlicher Weichteile verursacht hat, zum anderen die Funktionsprüfungen der Hand keinen Hinweis mehr auf verbliebene Unfallfolgen ergaben. Dies haben sie nachvollziehbar damit begründet, dass Faustschluss und Fingerstreckung komplett möglich ebenso wie Durchblutung und Sensibilität nicht eingeschränkt waren und die Beweglichkeit der Finger frei war. Dennoch hat der Kläger auch bei dieser Untersuchung Schmerzen beklagt, die nach der später am 23. Februar 2011 durchgeführten Arthroskopie der Hand aber ihre Ursache in der dorsalen Radiuszyste wie der beginnenden Daumensattelgelenksarthrose hatten, die nach Einschätzung der Operateure wie auch Dr. B. unfallunabhängig sind (siehe oben).

Die weit später von Dr. A. festgestellten Bewegungsmaße, der nicht danach differenziert hat, ob diese noch dem Unfall anzulasten sind, legen demgegenüber eine eingeschränkte Beweglichkeit dar, die sich in diesem Ausmaß bei der nachgehenden Untersuchung von Dr. B. nicht hat bestätigen lassen. Dabei muss auch berücksichtigt werden, dass Messungen der Bewegungsmaße der Handgelenke immer auch von der Mitarbeit zum Untersuchungszeitpunkt abhängen (vgl. Urteil des Senats vom 2. August 2006 - L 6 U 4095/05 - www.sozialgerichtsbarkeit.de). Hieraus folgt zur Überzeugung des Senats, dass Bewegungseinschränkungen, die innerhalb des Verlaufs im Vergleich zu Messungen davor sowie danach wesentlich ausgeprägter sind, ohne dass sich aus dem Heilungsverlauf hierfür eine Erklärung ergibt (z.B. erneute Operation) nicht als repräsentativ angesehen werden können (so auch Urteil des Senats vom 25. September 2014 - L 6 U 4877/12 - Juris). Insofern hat der Senat ebenso wie Beratungsarzt Dr. T. erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der festgestellten Bewegungseinschränkungen durch Dr. A ... Dies gilt umso mehr, als Prof. Dr. Dr. D. aus neurologischer Sicht keine Folgen des Unfalls nachweisbar fand, wofür die allseits gute Kraftentwicklung ohne Paresen und trophische Störungen spricht. Wie Dr. A. zu einer unfallbedingten nennenswerten Muskelminderung des Klägers kommt, ist dem Senat nicht nachvollziehbar, denn Prof. Dr. Dr. D. hat bei seiner Untersuchung gerade keine Atrophien feststellen können. Für den tatsächlichen regelgerechten Gebrauch der Gliedmaße spricht auch, dass bei der Untersuchung durch Dr. B. die Beschwielung und die Verarbeitungszeichen beider Hände seitengleich waren.

Dessen ungeachtet führt auch die Zugrundelegung der Messwerte von Dr. A. nicht zu einem Erfolg des klägerischen Begehrens. Denn selbst bei einer Versteifung des Handgelenks in guter Stellung beträgt die MdE nur 30 v. H. (vgl. Schönberger/Mertens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, S. 552). Insofern kann auch unter Zugrundelegung der von Dr. A. gemessenen Bewegungsmaße keine rentenberechtigende MdE festgestellt werden, die verbliebenen Funktionseinschränkungen begründen vielmehr allenfalls eine MdE von 10 v. H., denn der Normalwert beträgt bei Streckung/Beugung 60-0-60° und Abwinkeln speichen-/ellenwärts 30-0-40° (Schönberger/Mertens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, S. 573).

Weitere, über die bloßen körperlichen Einschränkungen der Handbeweglichkeit hinaus bestehenden Unfallfolgen, insbesondere psychischer Natur oder aufgrund von Schmerzen, die nicht bereits bei der MdE berücksichtigt worden sind, liegen auch zur Überzeugung des Senats nicht vor. Insoweit hat Prof. Dr. Dr. D. zutreffend dargelegt, dass nach seinem Untersuchungsbefund keine psychischen Unfallfolgen zu berücksichtigen sind, nachdem der Kläger weder medikamentös noch schmerztherapeutisch oder gar nervenärztlich behandelt wird. Dem steht die bloße Verordnung solcher Therapien nicht entgegen, vielmehr belegt die Nichtinanspruchnahme, dass der Kläger offenbar nicht auf eine therapeutische Intervention angewiesen war. Der einmalige Arztkontakt bei Dr. Y. steht der Richtigkeit dieser Einschätzung nicht entgegen, zumal diese sich ausdrücklich Prof. Dr. Dr. D. angeschlossen hat. Objektive Befunde auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet sind daher nach wie vor nicht nachgewiesen.

Der Senat hat schließlich die Hilfsbeweisanträge abgelehnt, weil Dr. B. sich bereits zu der Beweisfrage geäußert hat, ob die streitgegenständlichen Verletzungen teilweise schon deshalb nicht durch den Bohrer verursacht werden konnten, weil sie nicht von dem Bohrer hätten erreicht werden können. Dr. B. wurde auch bereits ergänzend im erstinstanzlichen Verfahren befragt, der klägerische Bevollmächtigte hat insofern überdies keine neuen klärungsbedürftigen Punkte aufgezeigt. Schließlich kommt es auf die Frage des Ausmaßes eines möglichen Vorschadens schon deswegen nicht an, weil selbst wenn sämtliche gesundheitlichen Einschränkungen auf den Unfall zurückgeführt werden könnten (so Dr. A.), dies nicht zu einer rentenberechtigenden MdE führen würde. Auch wurden hierzu bereits Dr. A. wie Dr. B. erstinstanzlich gehört. Es entspricht dann dem Beweisrecht, dass das Gericht nicht verpflichtet ist, einem Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens oder Anhörung des behandelnden Arztes zum Beweis einer bestimmten Tatsache beliebig oft nachzukommen (zuletzt Urteil des Senats vom 21. April 2015 - L 6 VJ 1460/13 - unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 15. April 1991 - 5 RJ 32/90 - Juris). Es müssen zwar keine Fragen formuliert werden, sondern es reicht vielmehr aus, die erläuterungsbedürftigen Punkte hinreichend konkret zu bezeichnen (BSG SozR 3-1750 § 411 Nr. 1). Daran fehlt es aber vorliegend, denn die Notwendigkeit einer Erörterung hat der Kläger überhaupt nicht begründet (BSG, Beschluss vom 25. April 2013 – B 13 R 29/12 B – Juris). Der Senat vermochte keine Notwendigkeit zu erkennen, weitere Ermittlungen durchzuführen, da der entscheidungserhebliche Sachverhalt hinreichend geklärt ist. Hält das Gericht eines von mehreren Gutachten für überzeugend, darf es sich diesem anschließen, ohne ein weiteres Gutachten einzuholen. Bei einer derartigen Fallgestaltung ist für eine weitere Beweiserhebung regelmäßig kein Raum (BSG, Beschluss vom 1. April 2014 - B 9 V 54/13 B - Juris). Liegen bereits mehrere Gutachten (oder fachkundige Angaben) vor, ist das Tatsachengericht nur dann zu weiteren Beweiserhebungen verpflichtet, wenn die vorhandenen Gutachten (oder fachkundigen Angaben) grobe Mängel oder unlösbare Widersprüche enthalten oder von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgehen oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde des Gutachters geben (BSG SozR 4-1500 § 160a Nr. 3). Derartige Umstände hat der Kläger nicht vorgetragen und sind auch für den Senat nicht ersichtlich.

III.

Die Berufung ist daher insgesamt zurückzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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