L 2 U 440/11

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 24 U 300/09
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 440/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 242/15 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Angesichts der rückwirkenden Änderung des § 90 SGB VII durch das 5. SGB IV-ÄndG steht der erfolgreiche Abschluss von Abitur, Lehre und Studium ohne Verzögerungen der Anwendung von § 90 Abs. 1 SGB VII nicht entgegen.
2. Ein im Anschluss an das Abitur und eine Banklehre begonnendes Studium der Betriebswirtschaftslehre ist kein Teil der Stufenausbildung.
3. Vorliegend ist auch nicht von einer Gesamtausbildung auszugehen. U.a. fehlt ein objektiver Aufbau des BWL-Studiums auf der Banklehre.
4. Der Senat lässt offen, ob eventuell eine Gesamtausbildung bejaht werden kann, wenn ein BWL-Studium wieder eine Tätigkeit in einer Bank in höherer Position als vor dem Studium einzunehmen, und die Studieninhalte dementsprechend auf eine solche Tätigkeit abgestimmt werden, vergleichbar dem sog. dualen Studium.
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 04.08.2011 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 15.09.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.04.2009 abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darum, ob die Klägerin Anspruch auf Berechnung ihrer Verletztenrente nach einem höheren Jahresarbeitsverdienst (JAV) wegen Abschlusses der Ausbildung zur Diplomkauffrau (Universitätsstudium BWL) hat.

Die 1974 geborene Klägerin hatte in der 5. Klasse des E-S-Gymnasiums in A-Stadt am 30.01.1986 einen Unfall im Sportunterricht erlitten und sich dabei einen Bruch des Speichenköpfchens rechts zugezogen, der operativ versorgt wurde. Die Beklagte hatte mit Bescheid vom 25.01.1988 den Unfall als Arbeitsunfall anerkannt mit Erstschaden des Speichenköpfchenbruchs rechts und eine Teilrente in gestaffelter Höhe zuerkannt, ab 1.8.1986 nach einer MdE von 20 v.H. Mit weiteren Bescheiden hatte die Beklagte die Rente jeweils nach neuerem JAV wegen Rentenanpassungsgesetzen (RAG) neu festgestellt.

Nach Ablegen des Abiturs 1994 mit Notendurchschnitt 2,7 absolvierte die Klägerin zunächst vom 01.09.1994 bis 31.08.1996 eine Lehre zur Bankkauffrau bei der M. Bank eG. Die Prüfung zur Bankkauffrau legte die Klägerin erfolgreich am 05.07.1996 ab. Sie bewarb sich 1996 bei der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) um einen Studienplatz für Betriebswirtschaftslehre (BWL) in A-Stadt. Mit Bescheid vom 02.09.1996 wurde ihr ein Studienplatz für BWL an der Universität E.-N. zugewiesen. Die Klägerin lehnte diesen Studienplatz ab und hielt die Bewerbung um einen Studienplatz für BWL an der LMU A-Stadt aufrecht. Sie arbeitete ab November 1996 bis April 1997 bei der M. Bank eG. Vereinbart war eine Kündigungsfrist von einem Monat, damit sie jederzeit bei Zusage eines Studienplatzes ein Studium aufnehmen konnte. Nachdem der Klägerin im März 1997 von der ZVS ein Studienplatz für BWL an der LMU in A-Stadt zugewiesen worden war, kündigte sie ihren Arbeitsvertrag und nahm im April 1997 (Sommersemester) das BWL-Studium auf. Sie schloss es nach ca. 12 Semestern ab, wobei sie die Diplomarbeit am 30.09.2002 einreichte und am 30.04.2003 das Diplom für Kaufleute (Gesamturteil "gut" - 2,06) erhielt. Weitere Prüfungen waren nach Abgabe der Diplomarbeit nicht mehr nötig.

Die Klägerin teilte der Beklagten ihren erfolgreichen Abschluss des BWL-Studiums mit Schreiben vom 20.02.2003 mit und bat um Anpassung ihrer Verletztenrente.

Zuvor hatte die Beklagte mit Bescheid vom 21.03.1997 den JAV ab 06.07.1996 neu festgestellt. Ausgeführt wurde in der Begründung, dass der JAV für die Zeit nach der voraussichtlichen Beendigung der Ausbildung neu berechnet werde, wenn sich der Verletzte zur Zeit des Arbeitsunfalls noch in einer Schul- oder Berufsausbildung befunden habe. Der neuen Berechnung sei das Entgelt zugrunde zu legen, das in diesem Zeitpunkt für Personen gleicher Ausbildung und gleichen Alters durch Tarif festgesetzt oder sonst ortsüblich sei gemäß § 573 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO). Danach ergebe sich als Berechnung des JAV für eine 21-jährige Bankkauffrau ein Betrag von 45.084 DM. Daraus wurde eine Rente in Höhe von 500,93 DM monatlich berechnet.

Hintergrund dieser Entscheidung war, dass auf Nachfrage der Beklagten im Schreiben vom 24.07.1996 nach dem Ende der Ausbildung die Klägerin mit Schreiben vom 29.07.1996 mitgeteilt hatte, dass sie die Prüfung zur Bankkauffrau am 05.07.1996 erfolgreich bestanden habe und bis 31.08.1996 bei der M. Bank eG als Bankkauffrau tätig sein werde. Ab 01.11.1996 werde sie, falls sie einen Studienplatz bekomme, in A-Stadt das Studium Betriebswirtschaft beginnen. Die Studienplatzzusage werde sie aber erst im September 1996 erhalten. Die Beklagte hatte sich daraufhin mit Schreiben vom 23.09.1996 erkundigt, ob nun eine Zusage des Studienplatzes vorliege, ob bereits zum Zeitpunkt des Abiturs der Studienwunsch bestanden habe oder dieser erst nach Abschluss der Berufsausbildung entstanden sei, weshalb zunächst die Berufsausbildung als Bankkauffrau gewählt worden sei, und ob die Ausbildung als Bankkauffrau beim Studium als Praktikumszeit angerechnet werde. Die Klägerin hatte mit Schreiben vom 07.10.1996 erklärt, dass sie ab 01.11.1996 in ein festes Angestelltenverhältnis bei der M. Bank eG treten und dort die nächste Zeit fest arbeiten werde. Weitere Angaben zu Studienwünschen oder beruflichen Plänen machte sie nicht.

Mit Bescheid vom 29.11.2002 hatte die Beklagte den JAV ab 25.10.2002 (Vollendung des 28. Lebensjahres) gemäß § 90 Abs. 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) neu festgestellt. Zur Begründung hatte sie ausgeführt, dass bei Versicherten, die zur Zeit des Versicherungsfalls das 30. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, der JAV jeweils nach dem Arbeitsentgelt neu festgesetzt wird, das zur Zeit des Versicherungsfalls für Personen mit gleichartiger Tätigkeit bei Erreichen eines bestimmten Berufsjahres oder Vollendung eines bestimmten Lebensjahres durch Tarifvertrag vorgesehen ist, sofern dies für sie günstiger ist. Dabei würden nur Erhöhungen bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres berücksichtigt (§ 90 Abs. 2 SGB VII). Auf Grundlage des JAV einer 28-jährigen Bankkauffrau von 38.847,- DM wurde unter Berücksichtigung der Anpassungsfaktoren ein JAV von 28.199,77 Euro zu Grunde gelegt und eine Rente von 313,33 Euro berechnet. Die M. Bank eG hatte der Beklagten im April 1997 die Gehaltsänderungen zum 28. und 29. Lebensjahr mitgeteilt.

Nach Eingang der Mitteilung über den Studienabschluss im Februar 2003 erkundigte sich die Beklagte mit Schreiben vom 12.03.2003, ob die Studienabsicht bereits zum Zeitpunkt des Schulabschlusses bestanden oder sich erst nach Abschluss der Berufsausbildung entwickelt habe, warum nicht sofort nach der Schulausbildung das Studium begonnen worden sei, weshalb zunächst die Ausbildung als Bankkauffrau durchlaufen worden sei, ob die Berufsausbildung beim Studium angerechnet worden sei und welche Tätigkeiten nun angestrebt würden. Daraufhin teilte die Klägerin am 22.05.2003 mit, dass sie bereits zum Zeitpunkt ihres Abiturs bzw. Schulabschlusses mit dem Gedanken gespielt habe, BWL zu studieren. Das Studium habe sie am 01.04.1999 an der LMU in A-Stadt begonnen. Nach dem Abitur habe sie zuerst ein Fundament für ein eventuell folgendes Studium haben wollen und sich deshalb zuerst für eine Bankausbildung entschieden. Die Zeit der Berufsausbildung sei beim Studium nicht angerechnet worden. Lediglich ein Schein (Buchhaltung) für die propädeutischen Leistungen sei angerechnet worden. Zur Zeit befinde sie sich in der Bewerbungsphase und werde wahrscheinlich eine Stelle zur Promotion annehmen. Das Diplomzeugnis war beigefügt, als Pflichtwahlfach waren Organisations- und Wirtschaftspsychologie genannt und als spezielle BWL-Fächer Marketing sowie betriebswirtschaftliche Information und Kommunikation. Mit weiterem Schreiben vom 03.09.2003 teilte die Klägerin mit, dass die absolvierte Banklehre wesentliches Fundament für das Erreichen ihres Berufszieles Diplomkauffrau gewesen sei. Studienbeginn sei der 01.04.1997 und nicht der 01.04.1999 gewesen. Eine Immatrikulationsbescheinigung für das Sommersemester 1997 war beigefügt. Die Klägerin führte aus, dass sie nach Beendigung ihrer Ausbildung in A-Stadt keinen Studienplatz bekommen habe und daher vom 01.11.1996 bis 30.03.1997 bzw. bis Studienbeginn als Bankkauffrau weitergearbeitet habe.

Mit Bescheid vom 15.09.2003 stellte die Beklagte den Rentenwert wegen Vollendung des 29. Lebensjahres mit Wirkung vom 25.10.2003 neu fest aufgrund neuen JAV nach dem Entgelt einer Bankkauffrau, die das 29. Lebensjahr vollendet hat. Ausgehend von dem JAV einer 29-jährigen Bankkauffrau von 40.440,- DM wurde unter Berücksichtigung der Rentenanpassungen ein JAV von 29.661,47 Euro zu Grunde gelegt und ein Rentenbetrag von 329,57 Euro ab 01.11.2003 (§ 73 Abs. 1 SGB VII) festgesetzt.

Dagegen legte die Klägerin am 23.09.2003 Widerspruch ein, weil sich die Neufestsetzung nach einer Bankkauffrau und nicht einer Diplomkauffrau richte.

Die Beklagte wies die Klägerin mit Schreiben 06.05.2004 darauf hin, dass bereits eine Neufeststellung des JAV gemäß § 90 SGB VII vorgenommen worden sei entsprechend der abgeschlossenen Ausbildung als Bankkauffrau. Aufgrund des Schreibens der Klägerin vom Oktober 1996 sei die Beklagte davon ausgegangen, dass die Ausbildung mit Abschluss der Banklehre abgeschlossen sei und habe daher den Bescheid vom 21.03.1997 erlassen. Da die Klägerin keinen Widerspruch eingelegt habe, habe sie akzeptiert, dass ihre Schul- und Berufsausbildung mit der Banklehre abgeschlossen sei. Wenn es sich um eine durchgängige Ausbildung gehandelt hätte, wäre eine Neufeststellung zum damaligen Zeitpunkt gar nicht möglich gewesen, so dass eine Rentenüberzahlung eingetreten wäre. Die Überzahlung wurde in einem Aktenvermerk auf etwa 10.862,35 Euro beziffert.

Mit Schreiben vom 09.09.2004 legte die Klägerin dar, dass sie nach ihrer Ausbildung zunächst nicht weiter bei der Bank gearbeitet habe, weil sie von einem Studienplatz in A-Stadt ausgegangen sei. Sie sei von September bis Oktober 1996 nicht arbeitslos gemeldet gewesen. Weil sie keinen Studienplatz in A-Stadt bekommen habe, habe sie vom 01.11.1996 bis 31.03.1997 als Bankangestellte gearbeitet. Den Lebensunterhalt während des gesamten Studiums hätten die Eltern finanziert. Sie habe auf einen Studienplatz in A-Stadt gewartet, weil sie dann zu Hause habe leben können. Seit 01.09.2003 habe sie eine Doktorandenstelle im Medienbereich. Wenn sie nicht promovieren würde, hätte sie sich um eine Anstellung in einer Unternehmensberatung, in der Automobilbranche oder in der Versicherungsbranche im Marketingbereich bemüht. Auf Nachfrage hat die Klägerin mit Schreiben vom 22.01.2007 mitgeteilt, dass sie sich bereits während der Ausbildung zur Bankkauffrau fristgerecht bei der ZVS um einen BWL-Studienplatz für das Wintersemester 1996/1997 in A-Stadt beworben habe und nur einen Studienplatz an der Uni E.-N. zugewiesen bekommen habe. Diesen habe sie aus finanziellen Gründen abgelehnt in der Hoffnung, für das folgende Sommersemester einen Studienplatz in A-Stadt zu bekommen. Sie habe sich nach Abschluss des Studiums auf verschiedene Doktorandenstellen im Bereich Automobilindustrie, Medienbereich und Beratung beworben und arbeite nun für die D. GmbH Medienagentur im Bereich Eventmanagement mit gleichzeitiger Doktorarbeit an der LMU. Auf die beigefügten Bescheide der ZVS vom 02.09.1996 und vom 03.03.1997, das Schreiben der M. Bank über die Einstellung der Klägerin vom 11.10.1996 zum 01.11.1996 sowie die Bestätigung der Bank über den Eingang des Kündigungsschreibens vom 12.03.1997 zum 30.04.1997 wird Bezug genommen.

Nach mehrfachen Nachfragen zur Bestätigung des Arbeitsentgelts wurde das Formular von der D. GmbH letztlich mit Unterschrift vom 7.10.2008 vorgelegt. Angegeben wurde darin ein Monatslohn von 4.000,- Euro bei 40 Wochenstunden bzw. ein Monatslohn von 2.500,- Euro bei 25 Stunden sowie die Zahlung eines 13. Monatsgehalts ohne Angabe der Höhe. Demgegenüber wies der in der Sozialgerichtsakte enthaltene Anstellungsvertrag bei 40 Wochenstunden 2.500,- Euro monatlich aus sowie ein 13. Monatsgehalt von 2.500,- Euro. Eine Anpassung des Gehalts sollte laut Vertrag nach Beendigung der Probezeit von sechs Monaten erfolgen. In Ergänzung des Vertrags erfolgte ab 01.09.2004 eine Reduzierung der Arbeitszeit zu Gunsten der Promotion ohne Einfluss auf die Vergütung um 1,5 Tage in der Woche. Die Klägerin stellte im Erörterungstermin vor dem LSG klar, dass tatsächlich kein höheres Entgelt als 2.500,- Euro monatlich gezahlt worden war bei Arbeitszeitreduzierung zu Gunsten der Promotion.

Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 15.04.2009 zurück. Eine Gesamtausbildung von Banklehre und BWL-Studium liege nicht vor. Die Klägerin habe zeitnah nach Abschluss der Banklehre ihr Studium in E.-N. beginnen können und ggf. in absehbarer Zeit den Studienplatz tauschen können. Der Ausbildungsgang zur Bankkauffrau sei für ein späteres BWL-Studium nicht als wesentlich bzw. objektiv sinnvoll anzusehen, zumal nur ein Leistungsnachweis im Bereich Buchhaltung aus der Banklehre angerechnet worden sei. Damit sei keine Anpassung des JAV aufgrund Ausbildung zur Diplomkauffrau gemäß § 90 SGB VII durchzuführen.

Dagegen hat die Klägerin über ihre Bevollmächtigte am 15.05.2009 Klage zum Sozialgericht München (SG) erhoben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass es sich um eine einheitliche Berufsausbildung gehandelt habe. Sie habe von vornherein eine mehrstufige Ausbildung beabsichtigt, wobei der erste Ausbildungsschritt planmäßig und objektiv sinnvoll in das Gesamtkonzept der Ausbildung mit dem Ziel Diplomkauffrau einzuordnen sei entsprechend der BSG-Rechtsprechung (Verweis auf 2 RU 24/92). Die Klägerin habe bereits während der Schulausbildung und zum Unfallzeitpunkt gewusst, dass die Berufsausbildung Fundament für eine akademische Ausbildung sei. Nach Rücksprache mit der ZVS sei ihr mitgeteilt worden, dass dem Wunsch nach einem Studienplatz in A-Stadt wohl zum Sommersemester 1997 entsprochen werden könne und dass ein Wechsel des Studienplatzes sehr schwierig sei, weil dann ein Tauschpartner notwendig sei. Die Klägerin sei aufgrund ihrer Verletzung zu diesem Zeitpunkt noch auf Hilfe der Eltern angewiesen gewesen. Zum Zeitpunkt des Abiturs sei noch nicht klar gewesen, inwieweit sich die Verletzung auf den Alltag auswirken würde. Ferner habe die Ausbildung durch die Banklehre auf eine solide Basis gestellt werden sollen. Ein Studium in E.-N. sei nicht zumutbar gewesen. Banklehre und BWL-Studium würden ineinandergreifen und von vielen Studierenden in dieser Weise abgeschlossen.

Die Beklagte hat eingewandt, dass der BWL-Studienplatz im unmittelbaren Anschluss an die Berufsausbildung nicht angenommen worden sei, dass nur ein einziger Leistungsnachweis angerechnet worden sei und damit die von der Rechtsprechung geforderte Wesentlichkeit bzw. objektive Zweckmäßigkeit fraglich sei. Außerdem sei nach Studienabschluss eine Tätigkeit ohne jeden Bezug zur früheren Bankkauffrauentätigkeit aufgenommen worden und die Übergangszeit zwischen den beiden Ausbildungen betrage mehr als vier Monate. Das SG hat den Anstellungsvertrag der D.-GmbH angefordert.

In der mündlichen Verhandlung vor dem SG vom 19.05.2011 haben die Beteiligten einen widerruflichen Vergleich geschlossen, wonach die Beklagte eine Rentengewährung auf Grundlage eines JAV von 45.000,- Euro brutto ab 01.01.2009 gewährt ohne Rückforderung von überzahlter Rente für die Vergangenheit. Zugleich haben die Beteiligten für den Fall des Widerrufs ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt. Auf die Niederschrift wird verwiesen. Diesen Vergleich hat die Klägerseite fristgerecht widerrufen

Daraufhin hat das SG im schriftlichen Verfahren mit Urteil vom 04.08.2011, der Beklagten zugestellt am 24.08.2011, den Bescheid der Beklagten vom 15.09.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.04.2009 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die Verletztenrente ab 01.10.2002 auf Grundlage des JAV eines für eine Diplomkauffrau erzielbaren Entgelts zu berechnen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, dass eine Gesamtausbildung vorgelegen habe, die bereits vor Beginn der Banklehre angestrebt worden sei. Das sei objektiv sinnvoll, da sich die Chancen auf einen Arbeitsplatz nach dem Studium durch die Lehre wesentlich erhöhen würden. Glaubwürdig sei, dass nur die finanzielle Belastung bei auswärtigem Studium der Grund für den verspäteten Studienbeginn gewesen sei.

Dagegen hat die Beklagte am 22.09.2011 Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt, dass keine Gesamtausbildung vorliege. Es sei nicht ersichtlich, welchen konkreten Berufswunsch die Klägerin nach dem Abitur 1994 gehabt habe. Dass sie zuerst ein Fundament für ein eventuell folgendes Studium habe legen wollen und mit dem Gedanken gespielt habe, BWL zu studieren, spreche gegen konkrete Vorstellungen zum zukünftigen Berufsziel. Von einer konkreten Planung der einzelnen Ausbildungsabschnitte könne daher keine Rede sein. Dass eine abgeschlossene Berufsausbildung eine gewisse Sicherheit biete, sei verständlich, begründe aber keine einheitliche Ausbildung im Sinne des § 90 Abs. 1 SGB VII. Auch sei es nicht per se sinnvoll, da das BWL-Studium gerade nicht auf der Banklehre aufbaue. Zwar könne das anders sein, wenn später eine Tätigkeit im Management einer Bank angestrebt würde. Die Klägerin habe aber während des Studiums weder Praktika bei Banken gemacht noch ihr Studium auf Tätigkeiten im Bankenbereich ausgerichtet (z.B. durch bankenspezifische Fächerauswahl, entsprechende Diplom- oder Doktorarbeit), so dass keinerlei Bezug zur Banklehre bestehe.

Die Klägerin hat entgegnet, dass sie aufgrund ihrer Verletzungen nicht sicher gewesen sei, ob sie ein mehrjähriges Studium körperlich durchhalten könne und daher die deutlich kürzere Berufsausbildung gewählt habe. Sie habe zu keiner Zeit geplant, später dem Beruf der Bankkauffrau nachzugehen, sondern diesen Beruf nur wenige Monate zur Überbrückung ausgeübt. Duale Studiengänge wie heute hätten damals noch nicht bestanden.

Die Beklagte hat an ihrer Auffassung festgehalten und insbesondere auf die Entscheidung des BSG vom 18.09.2012 unter dem Az. B 2 U 11/11 R hingewiesen. Danach scheide eine Höherstufung des JAV nach § 90 Abs. 1 SGB VII schon deswegen aus, weil sich Schul- bzw. Berufsausbildung der Klägerin nicht verzögert hätten und die Ausbildung erfolgreich abgeschlossen worden sei.

Im Erörterungstermin vor dem LSG vom 12.6.2014 hat die Klägerin geschildert, dass sie wegen der Unfallfolgen Probleme vor allem bei der Unterarmdrehung habe, Streckung und Beugung unvollständig seien und die rechte Hand wetter-, belastungs- oder stressbedingt einschlafe. Probleme bestünden, wenn sie viel schreibe oder im Haushalt. Sie habe sich nicht direkt nach dem Abitur bei der ZVS beworben, weil ein Studienplatz in A-Stadt angesichts ihrer Abiturnote nicht aussichtsreich gewesen sei und weil sie den Weg über die Banklehre für besser gehalten habe. Die ZVS habe mitgeteilt, dass ein Wechsel des Studienplatzes wegen der Notwendigkeit eines Tauschpartners schwierig sei, dass sich im Sommersemester üblicherweise weniger Personen bewerben und dass ein weiteres Semester als Wartezeit angerechnet werde. Darum habe sie den Studienplatz in E.-N. nicht angenommen, sondern auf einen Studienplatz in A-Stadt gewartet. Sie sei nicht sicher gewesen, ob sie mit dem Ausbildungsstress des Studiums bzw. mit Belastungen durch einen eigenen Hausstand zurechtkomme. Ob die Eltern ihr ein Studium an einem anderen Wohnort hätten finanzieren können, sei fraglich. Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) habe sie wegen der Rückzahlungspflichten nicht als Option gesehen. Wenn sie zum Sommersemester auch keinen Studienplatz in A-Stadt bekommen hätte, hätte sie sich örtlich vielleicht umorientiert, weil sie auf jeden Fall BWL habe studieren wollen. Der Studienwunsch sei schon während des Leistungskurses Wirtschaft und Recht entstanden. Die Banklehre sei hilfreich gewesen, um zum Beispiel für ein Praxisprojekt für die Firma W. ausgewählt zu werden. Als Studienschwerpunkte habe sie den Bereich Marketing und Information / Organisation / Management gewählt, weil ihr dies für eine spätere Promotion am Besten erschienen sei.

Von der D. habe sie 2.500,- Euro monatlich erhalten; statt der nach sechs Monaten geplanten Aufstockung des Gehalts sei die Wochenarbeitszeit mit Rücksicht auf die Promotion um 1,5 Tage reduziert worden. Nach Abschluss ihrer Promotion (Thema: "Transformation von Fernsehformaten nach China - eine institutionenökonomische Betrachtung der Internationalisierung") im Februar 2010 sei sie seit Juni 2010 selbstständig als wissenschaftliche Projektleiterin tätig gewesen und als Dozentin im Bereich BWL an der Hochschule für Musik und Theater. So habe sie Zeit für die Betreuung des im Januar 2011 geborenen Sohns gehabt. Seit März 2014 arbeite sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin der LMU im Prüfungsamt und unterrichte im Bereich BWL. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf das Protokoll verwiesen. Auf das vorgelegte Arbeitszeugnis der D. GmbH vom 02.07.2010 wird Bezug genommen; danach gehörte zu den Aufgaben der Klägerin insbesondere die Kundenbetreuung, die Betreuung von VIP-Veranstaltungen, die Führen des Event-Bereichs, Marktforschung, Marktanalyse und Datenanalyse, Auswertungen für die Geschäftsführung sowie klassische Sekretariatsaufgaben.

Das LSG hat Stellungnahmen der Beteiligten zur Ermittlung von tariflichem oder ortsüblichem Arbeitsentgelt einer Diplom-Kauffrau eingeholt und die Bundesagentur für Arbeit - Regionaldirektion Bayern - um Auskünfte ersucht, u.a. zur Häufigkeit der Kombination von Banklehre und BWL-Studium, der damaligen Üblichkeit von Empfehlungen solcher Kombinationen sowie zu Erfahrungswerten über die Verbesserung der Chancen auf dem Arbeitsmarkt nach Studienabschluss bei vorheriger Banklehre. Die Regionaldirektion Bayern hat mit Schreiben vom 06.11.2014 erklärt, sie könne die Fragen nicht beantworten; entsprechende Statistiken lägen ihr nicht vor und über damalige Empfehlungen könne keine Aussage getroffen werden.

Die Klägerbevollmächtigte hat mit Schreiben vom 30.10.2014 ausgeführt, dass mangels Tarifvertrags das ortsübliche Entgelt zu ermitteln sei. Das tatsächliche Entgelt von 2.500,- Euro sei keine Grundlage. Zwar habe die Klägerin während der Promotion der Firma eingeschränkt zur Verfügung gestanden; es sei aber eine Vollzeitbeschäftigung gewesen, weil die Wochenarbeitszeit nie reduziert worden sei. Aus Berichten des statistischen Landesamtes ergebe sich für Beschäftigte mit FH-Abschluss bei Vollzeitbeschäftigung im produzierenden Gewerbe und Dienstleistungsbereich in Bayern für 2010 ein Gehalt zwischen 4.500,- Euro und 5.500,- Euro; die Klägerin habe ohne Promotion mit 5.000,- Euro rechnen können. Auf die vorgelegten Statistiken wird verwiesen.

Die Beklagte teilte im Schreiben vom 02.09.2014 mit, dass der aktuelle JAV 32.474,81 Euro und die Verletztenrente 360,83 Euro monatlich betrage (Stand 01.07.2014). Die Tätigkeit der Klägerin bei der D. GmbH lasse sich keinem branchenüblichem Tarifvertrag zuordnen. Würde das dort erzielte Entgelt als üblich dem JAV zu Grunde gelegt, ergäbe sich ein nur gering höherer JAV von 32.500,- Euro (= 13 x 2.500,- Euro). Dieses Gehalt sei zu keinem Zeitpunkt angepasst worden, so dass die Klägerin fast sieben Jahre ihre Lebensgestaltung darauf abgestimmt habe. Beigefügt war Schriftwechsel mit dem Bayerischen Staatsministerium für Arbeit, Sozialordnung, Familie und Integration (StMAS) und dem Verband der Bayerischen Wirtschaft (VBM). Der VBM hat erklärt, er könne keine Auskunft über branchenübliche oder die ortsübliche Bezahlung der Tätigkeit der Klägerin erteilen. Das StMAS teilte mit, dass es keine Tarifverträge in der Medienbranche, sondern nur im Bereich Druck und Medien gebe.

Die Beklagte hat in weiteren Schreiben vom 05.02.2015 und 13.04.205 ausgeführt, dass keine planmäßig konzipierte Gesamtausbildung vorliege; auf die Begründung wird Bezug genommen. Sie hat die Tarifverträge für den Bereich Druck und Medien, gültig am 30.01.1986 und 01.10.2002, übersandt und dargelegt, dass die Klägerin mangels Personalführung und Aufsichtsbefugnis in Gehaltsgruppe 4 einzuordnen sei angesichts des Arbeitszeugnisses vom 02.07.2010. Zwar sei bei Neuberechnung des JAV nach § 90 SGB VII grundsätzlich von einer Vollzeitbeschäftigung auszugehen. Hier sei die Teilzeit aber auf Dauer angelegt gewesen, habe fast sieben Jahre auf eigenen Wunsch bestanden und erheblich unter der Vollzeit gelegen, so dass eine niedrigere Festsetzung des JAV wegen Unbilligkeit nach § 91 i.V.m. § 87 SGB VII auf 70 % möglich sei. Die von Klägerseite vorgelegten Unterlagen für die Jahre 2001, 2010 und 2013 seien nicht hilfreich. Auf die Berechnungen und Gegenüberstellungen von JAV-Beträgen durch die Beklagte wird verwiesen.

In der mündlichen Verhandlung vom 18.06.2015 sind die Voraussetzungen für die Annahme einer Gesamtausbildung und die abzuwägenden Gesichtspunkte im vorliegenden Fall mit den Beteiligten erörtert worden. Auf die Niederschrift wird verwiesen.

Die Berufungsklägerin und Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 04.08.2011 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 15.09.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.04.2009 abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten und des Sozialgerichts sowie die wechselseitigen Schriftsätze der Beteiligten im Berufungsverfahren verwiesen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

A) Die zulässige Berufung der Beklagten erweist sich als begründet. Denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf höhere Verletztenrente auf Grundlage des JAV einer Diplomkauffrau; der angegriffene Bescheid der Beklagte vom 15.09.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.04.2009 ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Streitgegenstand ist nicht nur die Neufeststellung des JAV, sondern die Höhe der Verletztenrente und damit die Feststellung der Höhe der Verletztenrente auf Grundlage eines höheren JAV. Denn die Neufeststellung des JAV ist nur eine verwaltungsinterne Klärung eines Wertfaktors im Rahmen der Vorbereitung der Feststellung des Werts des Rechts auf Verletztenrente als solches (vgl. BSG vom 18.09.12 - B 2 U 14/11 R - Juris RdNr.18). Statthafte Klageart ist daher in diesen Fällen eine kombinierte Anfechtungs- und unechte Leistungsklage auf Verurteilung zur Zahlung einer höheren Verletztenrente nach §§ 54 Abs. 1, Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Damit ist nicht nur zu prüfen, ob ein Anspruch auf eine Neufeststellung des JAV nach § 90 Abs. 1 SGB VII besteht, sondern gegebenenfalls auch, ob ein solcher Anspruch nach § 90 Abs. 2 SGB VII besteht (vgl. so auch der Tenor des SG-Urteils).

Die Anwendung von § 90 SGB VII ergibt sich aus § 214 Abs. 2 SGB VII. Danach gelten die Vorschriften über den Jahresarbeitsverdienst auch für Versicherungsfälle, die vor dem Tag des Inkrafttretens dieses Gesetzes eingetreten sind, wenn der Jahresarbeitsverdienst nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes erstmals oder aufgrund des § 90 SGB VII neu festgesetzt wird. Sofern die Voraussetzungen für die Neufestsetzung nach § 90 Abs. 1 SGB VII oder § 90 Abs. 2 SGB VII (u.a. Vollendung des 30. Lebensjahres) erst nach Inkrafttreten des SGB VII zum 01.01.1997 eingetreten sind, sind diese Vorschriften auch auf Versicherungsfälle anwendbar, die bereits vor Inkrafttreten des SGB VII eingetreten sind (vgl. hierzu auch Bundessozialgericht (BSG) im Urteil vom 18.09.2012 - B 2 U 14/11 R - Juris RdNr. 22 und Urteil vom 19.12.2013 - B 2 U 5/13 R - Juris RdNr. 13 f.).

Grundsätzlich richtet sich der JAV nach § 82 SGB Absatz 1 Satz 1 SGB VII ebenso wie bei der Vorgängerregelung des § 571 Abs. 1 Satz 1 RVO nach dem Gesamtbetrag von Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen in den letzten 12 Kalendermonaten vor dem Monat, in dem der Versicherungsfall eingetreten ist. Für Kinder und Jugendliche vor Vollendung des 18. Lebensjahres sehen die §§ 85, 86 SGB VII wie zuvor § 575 RVO bestimmte Mindestwerte für den JAV vor, gestaffelt nach Lebensalter. Ferner regelt das Gesetz in § 90 SGB VII für bestimmte Fälle Anpassungen des JAV.

1. Die Klägerin kann einen Anspruch auf höhere Verletztenrente auf Grundlage des JAV einer Diplomkauffrau nicht auf § 90 Abs. 1 SGB VII stützen.

§ 90 Abs. 1 SGB VII in der Fassung von Artikel 1 des Gesetzes zur Einordnung des Rechts der Gesetzlichen Unfallversicherung in das Sozialgesetzbuch (UVEG) vom 07.08.1996 (BGBl. I, S. 1254) lautete bis 14.04.2015 folgendermaßen: "(1) 1Tritt der Versicherungsfall vor Beginn der Schulausbildung oder während einer Schul- oder Berufsausbildung der Versicherten ein, wird, wenn es für die Versicherten günstiger ist, der Jahresarbeitsverdienst von dem Zeitpunkt an neu festgesetzt, in dem die Ausbildung ohne den Versicherungsfall voraussichtlich beendet worden wäre. 2Der Neufestsetzung wird das Arbeitsentgelt zugrunde gelegt, das in diesem Zeitpunkt für Personen gleicher Ausbildung und gleichen Alters durch Tarifvertrag vorgesehen ist; besteht keine tarifliche Regelung, ist das Arbeitsentgelt maßgebend, das für derartige Tätigkeiten am Beschäftigungsort der Versicherten gilt." In der Fassung des Fünften Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (5. SGB IV-ÄndG) vom 15.04.2015 (BGBl. I 583) wurde § 90 Abs. 1 Satz 1 SGB VII ergänzt und lautet: "Tritt der Versicherungsfall vor Beginn der Schulausbildung oder während einer Schul- oder Berufsausbildung der Versicherten ein, wird, wenn es für die Versicherten günstiger ist, der Jahresarbeitsverdienst von dem Zeitpunkt an neu festgesetzt, in dem die Ausbildung ohne den Versicherungsfall voraussichtlich beendet worden wäre oder bei einem regelmäßigen Verlauf der Ausbildung tatsächlich beendet worden ist." Der Anwendung von § 90 Abs. 1 SGB VII steht nicht entgegen, dass die Klägerin ihre Schulausbildung, ihre Banklehre oder ihr Studium jeweils ohne Verzögerungen erfolgreich abgeschlossen hat.

Zwar hatte das BSG im Urteil vom 18.09.2012 (B 2 U 11/11 R, veröffentlicht bei Juris) zu § 90 Abs. 1 SGB VII unter ausführlicher Auseinandersetzung mit der Entstehungsgeschichte dargelegt, dass nach dieser Vorschrift nur dann ein Anspruch auf Neufeststellung des JAV besteht, wenn sich die Ausbildung verzögert hat oder nicht beendet wurde. Denn nur in solchen Fällen sei durch den Versicherungsfall in abstrakter, typisierender Wertung ein weiterer Schaden verursacht worden, der ausnahmsweise eine Ersetzung des Ausgangs-JAV (§ 81 SGB VII) durch einen neuen, günstigeren JAV rechtfertigte. Verletzte, die ihre Ausbildung rechtzeitig beenden, hätten hingegen typischerweise zu diesem Zeitpunkt keinen weiteren Nachteil, weil sie entsprechend höher entlohnt werden (vgl. BSG im Urteil vom 18.09.2012 - B 2 U 11/11 R - Juris RdNr. 21). Sachgrund für die gesetzliche Änderung der abstrakten Schadensbewertung des Ausgangs-JAV sei, dass es unbillig wäre, solche jungen Verletzten trotz des weiteren Folgeschadens an dieser Ausgangs-JAV festzuhalten. Dieser Sachgrund spreche im Übrigen dagegen, diese Norm aus verfassungsrechtlichen Gründen zugunsten von Verletzten mit zeitgerechtem Ausbildungsabschluss zu korrigieren (vgl. BSG a.a.O. Juris RdNr. 22).

Das BSG hat in dieser Entscheidung im Einzelnen dargelegt, dass der Gesetzgeber die Problematik in § 90 Abs. 1 bis 6 SGB VII typisierend geregelt habe mit folgendem Konzept (vgl. BSG a.a.O. Juris RdNr. 35): * § 90 Abs. 1 regele, dass ein höherer Wert des JAV neu festzustellen sei, falls der JAV günstiger sei, der sich nach Maßgabe von § 90 Abs. 1 S. 2 SGB VII für den Tag ergebe, an dem der Versicherte seine Ausbildung voraussichtlich beendet habe. Habe er sie an diesem Tag beendet, gebe es keinen Raum für eine hypothetische Prüfung. Wenn er die Ausbildung pünktlich abgeschlossen habe, sei in der - für das Gesetz erlaubten - typisierenden Betrachtung kein weiterer Nachteil aus dem Versicherungsfall entstanden, weil der Versicherte typischerweise nicht durch den Versicherungsfall gehindert sei, ein dem Tarifentgelt des § 90 Abs. 1 S. 2 SGB VII entsprechendes Gesamteinkommen zu erzielen. * § 90 Abs. 2 SGB VII erfasse dann die Fälle, in denen nach der Erstfeststellung bei unter 30-jährigen Versicherten diese vor Vollendung des 30. Lebensjahres an tarifvertraglichen oder ortsüblichen Erhöhungen des Arbeitsentgelts nicht teilgenommen haben, die zur Zeit des Versicherungsfalls für Personen mit gleichartiger Tätigkeit für den späteren Fall vorgesehen waren, dass sie ein bestimmtes Berufsjahr erreichen oder ein bestimmtes Lebensjahr vollendet haben. Diesen Versicherten ist in der gesetzlich typisierenden Betrachtung regelmäßig wegen des Versicherungsfalls die Entgelthöhe entgangen. Wenn dies einen günstigeren JAV brächte, besteht ein Neufeststellungsanspruch. * Ferner entstehe ein Neufeststellungsanspruch gemäß § 90 Abs. 3 SGB VII sogar über das 30. Lebensjahr hinaus, falls in den Fällen des § 90 Abs. 1 oder Abs. 2 SGB VII der Versicherungsfall eine Erwerbstätigkeit unmöglich gemacht habe. * Unter Berücksichtigung des § 90 Abs. 5 und des § 90 Abs. 6 SGB VII sowie insbesondere der subsidiären Billigkeitsregelung in § 91 SGB VII ergebe sich ein stimmiges Konzept, das typisierend Fallgestaltungen regele, in denen das Gesetz typische Fälle erfasst, in denen davon ausgegangen werden kann, dass das eigentlich nach der Regelberechnung der §§ 82 ff. SGB VII zu Grunde zu legende Arbeitseinkommen als unbillig erscheint. Dementsprechend sei es nicht gesetzesplanwidrig, wie eine Analogie voraussetze, dass eine Neufeststellung dann nicht beansprucht werden könne, wenn aus dem Versicherungsfall (typisch gesehen) kein durch den Versicherungsfall bedingter weiterer Einkommensnachteil eingetreten ist, der von der Regelberechnung nicht erfasst wäre. * Im Übrigen werde selbst bei denjenigen, die nur von der Regelberechnung erfasst werden und keinen Anspruch auf Neufeststellung nach § 90 SGB VII haben, im Falle eines besonders niedrigen Erwerbseinkommens im letzten Jahr vor dem Versicherungsfall in jedem Fall entweder der Mindest-JAV des § 85 SGB VII oder - bei Kindern, die das 15. Lebensjahr noch nicht vollendet haben - ein besonders gesetzlich festgelegter JAV zu Grunde gelegt (§ 86 SGB VII).

Vor diesem Hintergrund hatte das BSG im Urteil vom 18.09.2012 (B 2 U 11/11 R) den Anspruch des Klägers auf höheren JAV abgelehnt, der bereits während der Schulausbildung einen Unfall erlitten, seine Ausbildung aber rechtzeitig ohne zeitliche Verzögerung abgeschlossen hatte.

Diese Gesetzesauslegung war in der unfallversicherungsrechtlichen Literatur auf erhebliche Kritik gestoßen, zumal sie von früheren Entscheidungen abwich (vgl. hierzu u.a. Schudmann im Juris Praxiskommentar, 2. Auflage 2014, zu § 90 SGB VII RdNr. 26, Keller in Hauck/Noftz Stand 5/2013, zu § 90 SGB VII, RdNr. 9a). In der DGUV-Empfehlung Nr. 0377/2013 vom 30.10.2013 wurde diese BSG-Entscheidung als Einzelfallentscheidung beurteilt, die nicht anzuwenden sei.

Der Gesetzgeber hat in Reaktion auf das BSG-Urteil mit dem 5. SGB IV-ÄndG vom 15.04.2015 (BGBl. I 583) § 90 SGB VII in der oben genannte Form abgeändert, wobei diese Änderung rückwirkend zum 01.01.1997 in Kraft getreten ist (vgl. Art. 15 Abs. 2 5. SGB IV-ÄndG). In der Begründung des Gesetzesentwurfs vom 07.01.2015 (BT-Drucks. 18/3699 S. 41) wird ausgeführt, dass mit der Ergänzung der Vorschrift entgegen der BSG-Entscheidung vom 18.09.2012 (B 2 U 11/11 R) und in Fortsetzung der vorherigen einheitlichen höchstrichterlichen Rechtsprechung und Rechtslehre zugunsten der Betroffenen klargestellt werde, dass auch in den Fällen, in denen die Ausbildung trotz des Versicherungsfalls ohne Verzögerung abgeschlossen wird, eine Anpassung des JAV nach § 90 Abs. 1 erfolgen kann. Damit werde einer Ungleichbehandlung der Betroffenen entgegengewirkt und dem Anliegen nach einer einheitlichen Entschädigungspraxis nachgekommen. Für die Anpassung des JAV nach § 90 Abs. 1 SGB VII sei es weiterhin unerheblich, ob die Ausbildung abgebrochen, verzögert abgeschlossen oder ohne Verzögerung abgeschlossen wird, da in allen drei Fällen dieselben auszugleichenden Nachteile beim Jahresarbeitsverdienst auftreten könnten.

Angesichts der rückwirkenden Gesetzesänderung steht vorliegend der erfolgreiche Abschluss von Abitur, Lehre und Studium ohne Verzögerungen der Anwendung von § 90 Abs. 1 SGB VII nicht entgegen.

Die Klägerin hat hier aber keinen Anspruch darauf, dass ihre Rentenhöhe wegen höheren JAV auf Grundlage des Einkommens einer Diplom-Kauffrau neu festgestellt wird, weil das nach Abschluss der Banklehre absolvierte BWL-Studium nicht mehr Bestandteil ihrer Ausbildung im Sinne von § 90 Abs. 1 SGB VII war.

Der Begriff der Berufsausbildung wird in § 90 Abs. 1 Satz 1 SGB VII selbst nicht definiert, so dass seine Bedeutung aus dem Wortsinn sowie dem systematischen Zusammenhang und dem Zweck der Regelung erschlossen werden muss (vgl. BSG vom 07.02.2006 - B 2 U 3/05 R - Juris RdNr. 15). Das BSG hat zu der dem § 90 Abs. 1 SGB VII inhaltlich entsprechenden Vorgängerregelung des § 573 Abs. 1 RVO ausgeführt, dass Ausbildung in diesem Sinne ein eigenständiger, nach dem Gesetzeszweck zu bestimmender Rechtsbegriff ist und nicht ohne Weiteres eine Übertragung aus anderen sozialrechtlichen Vorschriften oder aus dem Steuerrecht erfolgen kann (vgl. hierzu BSG vom 05.08.1993 - 2 RU 24/92 - Juris RdNr. 17; BSG vom 07.02.2006 - B 2 U 3/05 R - Juris RdNr. 15). Wesentlich sei, welcher (mögliche) Abschluss mit der zur Zeit des Unfalls begonnenen Ausbildung angestrebt wird. Das bedeutet nach der Rechtsprechung nicht notwendig nur eine Grundausbildung und ist nicht zwingend bereits mit Erwerb eines ersten beruflichen Abschlusses beendet (vgl. BSG vom 05.08.1993 - 2 RU 24/92 Juris RdNr. 17; BSG vom 07.02.2006 - B 2 U 3/05 R - Juris RdNr. 18). Allerdings zählt eine berufliche Weiterbildung (z.B. Ausbildung zum Facharzt, Studium zum Zweck der Promotion) nicht zur Berufsausbildung (vgl. BSG vom 07.02.2006 - B 2 U 3/05 R - Juris RdNr. 16). Zur Ausbildung in diesem Sinne gehört nicht eine nach Abschluss der ersten Ausbildung anschließende weitere Ausbildung in einem davon verschiedenen Beruf (vgl. BSG vom 05.08.1993 - 2 RU 24/92 - Juris RdNr. 18).

Eine einheitliche Ausbildung in diesem Sinne ist nach dieser Rechtsprechung nicht nur eine Stufenausbildung, bei der der erfolgreiche Abschluss einer Stufe Zugangsvoraussetzung für die Zulassung zur weiteren Ausbildungsstufe ist (z.B. Abschluss als landwirtschaftlicher Gehilfe als Aufnahmebedingung für die Höhere Landbauschule), sondern auch eine sogenannte Gesamtausbildung, d.h. wenn eine Ausbildung in eine darauf aufbauende Ausbildung einmündet, dies von vornherein so geplant war und dies objektiv sinnvoll ist (vgl. hierzu BSG vom 05.08.1993 - 2 RU 24/92 - Juris RdNr. 20). So hat das BSG in der Entscheidung vom 05.08.1993 (2 RU 24/92) eine Gesamt-Ausbildung bejaht in einem Fall, in dem der Kläger nach Abitur ein Diplomingenieursstudium an der Fachhochschule absolvieren wollte und zuvor entsprechend der Empfehlung der Fachhochschule eine Zimmermannslehre absolviert hatte. Die Besonderheiten des vom Kläger angestrebten und durchgeführten Ausbildungsgangs würden es rechtfertigen, das Bauingenieurstudium nicht als Weiterbildung nach der Gesellenprüfung, sondern als einheitliche Berufsausbildung anzusehen. Wesentlich war für die Entscheidung, dass der dortige Kläger bereits vor Beginn der ersten Ausbildung (Zimmermannslehre) und auch noch zum Zeitpunkt des Arbeitsunfalls als Berufsziel den Abschluss als Diplomingenieur an einer Fachhochschule angestrebt, dieses Ziel auch nach Abschluss der Lehre umgehend weiterverfolgt hatte und dieser Aufbau objektiv sinnvoll war, weil die Zimmermannsausbildung bei verschiedenen vor und während des Studiums zu erbringenden Leistungsnachweisen angerechnet wurde.

Vor diesem Hintergrund ist bei der Klägerin nach Überzeugung des Senats das BWL-Studium weder Teil einer Stufenausbildung noch einer Gesamtausbildung. Die Banklehre war unstreitig keine Zugangsvoraussetzung für das BWL-Studium im Sinne einer Stufenausbildung.

Ferner handelt es sich nicht um eine Gesamtausbildung. Es ist für den Senat schon nicht nachgewiesen, dass die Klägerin bereits bei Abschluss der Schulausbildung (Abitur) vor Beginn ihrer Banklehre eine solche Gesamt-Ausbildung von Banklehre und anschließendem BWL-Studium geplant hatte. Die ersten Angaben der Klägerin gegenüber der Beklagten im Schreiben vom 22.05.2003, die noch relativ unbefangen geäußert wurden, sprechen gegen eine solche Planung. Auf die Frage der Beklagten, ob sie bereits zum Zeitpunkt des Schulabschlusses beabsichtigt hatte, zu studieren bzw. weshalb sie nicht sofort nach Schulabschluss ein Studium begonnen hat, schrieb die Klägerin dort, dass sie zum Zeitpunkt des Abiturs bereits mit dem Gedanken eines BWL-Studiums gespielt habe, dass sie sich aber zunächst durch die Banklehre ein Fundament für ein eventuell folgendes Studium erarbeiten wollte. Diese Ausführungen sprechen dafür, dass die Klägerin vor Beginn ihrer Lehre unsicher war, ob sie ein BWL-Studium aufnehmen sollte, und dass sie sich - unter Abwägung der Vor- und Nachteile - letztlich gegen ein Studium und für eine Banklehre entschieden hat. Ein späteres Studium war nach diesen Äußerungen nicht Teil eines Gesamtplans, sondern sollte nur eventuell - also vielleicht - noch nach der Banklehre folgen. Letztlich sollte die Entscheidung, ob ein Studium aufgenommen werden sollte, erst später getroffen werden, nämlich nach Abschluss einer Banklehre.

Diese Angaben kontrastieren deutlich mit der zuletzt im Erörterungstermin vor dem LSG geschilderten festen Absicht, auf jeden Fall ein BWL-Studium absolvieren zu wollen. Für den Senat haben die Erstangaben der Klägerin im Verwaltungsverfahren aber bei der Beweiswürdigung besonderes Gewicht, da sie im Vergleich mit Äußerungen im Rahmen von Klage- und Berufungsverfahren als unbefangener anzusehen sind und weil sie zeitnäher sind und somit auf noch etwas frischerer Erinnerung der Klägerin an ihre damaligen Überlegungen beruhen.

Auch unter Berücksichtigung der objektiven Gesamtumstände bestehen für den Senat erhebliche Zweifel daran, dass die Klägerin zum Zeitpunkt des Abiturs bzw. des Beginns ihrer Banklehre tatsächlich eine Gesamtausbildung geplant hatte, bei der das BWL-Studium unmittelbar an die Banklehre anschließen sollte. So hatte die Klägerin den Beginn ihres Studiums wesentlich davon abhängig gemacht, dass sie einen Studienplatz in A-Stadt erhielt, obwohl nach den objektiven Umständen zweifelhaft war, ob und ggf. wann dies nach Abschluss der Lehre der Fall sein würde. Denn zum damaligen Zeitpunkt wurde der Studienplatz für ein BWL-Studium über die ZVS auch abhängig von den Noten vergeben, die LMU war eine sehr begehrte Universität und angesichts des Notendurchschnitts im Abitur von 2,7 musste die Klägerin daher nach dem Abitur mit einigen Wartesemestern rechnen, wie sie selbst eingeräumt hat.

Insgesamt sprechen nach Überzeugung des Senats die objektiven Umstände gegen einen hinreichend festen Entschluss, im Anschluss an die Banklehre auf jeden Fall BWL studieren zu wollen. Denn die Klägerin hat den Studienplatz in E.-N. nicht angenommen und damit nicht zum baldmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss ihrer Lehre eine Gesamtausbildung mit Studium planmäßig fortgesetzt. Der Senat verkennt nicht, dass ein Wechsel des Studienplatzes nach den damaligen Regelungen wegen der Erforderlichkeit eines passenden Tauschpartners schwieriger gewesen sein mag als ein direkter Einstieg an der Wunschuniversität und dass grundsätzlich im Sommersemester wegen niedrigerer Bewerberzahlen bessere Chancen bestanden. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass aus damaliger Sicht angesichts der Studienplatzzuteilung über die ZVS mit besonderer Bedeutung der Abiturnote der baldige Erhalt eines Studienplatzes in A-Stadt trotz bereits absolvierter "Wartesemester" sehr unsicher war. Gerade wenn sich jemand für ein Studium entschied, das über die ZVS vergeben wurde, musste er stets damit rechnen, dass er einen Studienplatz weit entfernt von seinem Wunsch- bzw. Wohnort erhält. Hier hatte die Klägerin immerhin einen Studienplatz in Bayern erhalten, an der Fakultät in N. und damit nur etwa 170 km von den Eltern entfernt, so dass z.B. gegenseitige Besuche am Wochenende unproblematisch möglich gewesen wären.

Dass die Klägerin aus finanziellen Gründen gehindert gewesen wäre, ein Studium in N. aufzunehmen, ist weder vorgetragen noch nachgewiesen. Es ist nicht ersichtlich, dass die Eltern, die nach Angaben der Klägerin ihr gesamtes Studium in A-Stadt finanziert haben, tatsächlich kein Studium der Klägerin in N. hätten finanzieren können bzw. dass die Klägerin bei fehlender Leistungsfähigkeit der Eltern das Studium nicht unter Inanspruchnahme von Leistungen nach BAföG und unter Einsatz ihrer Verletztenrente hätte finanzieren können, zumal Mietpreise und allgemeine Lebenshaltungskosten in N. im Vergleich zu A-Stadt durchaus niedriger sind, wie allgemein bekannt ist. Dass die Klägerin nicht in der Lage gewesen sein sollte, sich selbst bzw. einen eigenen Haushalt zu versorgen, ggf. bei Einhaltung vermehrter Pausen bei Verrichtungen im Haushalt, lässt sich auch angesichts der von ihr selbst geschilderten verbliebenen Beschwerden nicht überzeugend begründen. Außerdem liegt es gerade bei Wahl eines der ZVS unterliegenden Studiums in der Natur der Sache, dass Studenten häufig nicht am Wohnort der Eltern studieren können und mit der Notwendigkeit eigener Haushaltsführung konfrontiert sind. Vor diesem Hintergrund hätten ernsthafte Bedenken der Klägerin an ihrer Fähigkeit zur eigenen Haushaltsführung und damit an ihrer Fähigkeit, außerhalb von A-Stadt studieren zu können, gegen den behaupteten festen Entschluss gesprochen, auf jeden Fall BWL zu studieren. Ursprüngliche Bedenken der Klägerin, ob sie ein Studium bewältigen könne, stellten sich im Übrigen unabhängig vom Studienort.

Zusammenfassend spricht nach Überzeugung des Senats viel dafür, dass die Klägerin nach dem Abitur gerade nicht sicher war, ob sie ein BWL-Studium aufnehmen sollte, mit dem sie durchaus geliebäugelt hatte, oder lieber eine weniger anspruchsvolle Banklehre. Letztlich hat sie sich für eine Banklehre als sichere Berufsbasis entschieden und sich - evtl. ermutigt durch den positiven Verlauf der Lehre - noch vor Ausbildungsende um einen Studienplatz für ein BWL-Studium beworben. Dabei machte sie die Aufnahme des Studiums allerdings zunächst klar von der Bedingung abhängig, einen Studienplatz in A-Stadt zu erhalten. Der Senat vermag sich im Rahmen der Beweiswürdigung nicht davon zu überzeugen, dass die Klägerin bereits vor Beginn der Lehre eine Gesamtausbildung geplant hatte und nicht erst während der Lehre bzw. gegen Ende der Ausbildung den Entschluss gefasst hatte, doch noch ein Studium zu absolvieren. Verbleibende Zweifel gehen hier nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast zu Lasten der Klägerin. Außerdem fehlt nach Ansicht des Senats die konsequente Umsetzung einer solchen Planung mit umgehendem Anschluss des Studiums an die Lehre.

Darüber hinaus fehlt ein objektiver Aufbau des BWL-Studiums auf der Banklehre, wie ihn die BSG-Rechtsprechung für die Annahme einer Gesamtausbildung fordert. So wurde der Klägerin nur ein einziger - propädeutischer - Schein im Bereich Buchhaltung erlassen. Weitere Praktika etc. wurden ihr nicht aufgrund ihrer Berufsausbildung erlassen, denn solche Praktika waren im BWL-Studium nicht verpflichtend, wie die Klägerin im Erörterungstermin dargelegt hat. Dass eine vorherige Berufsausbildung oder Berufserfahrung bei dem einen oder anderen Seminar im Auswahlverfahren Vorteile bringen mag, ist nicht ausreichend, um einen planmäßigen Aufbau des Studiums auf der Berufsausbildung bzw. ein Ineinandergreifen der Ausbildungsinhalte im Sinne der oben genannten Rechtsprechung zu begründen.

Die Klägerin hat auch nicht durch konkrete Ausgestaltung ihres Studiums einen individuellen engen Bezug zwischen Banklehre und Studium hergestellt. Der Senat kann daher offenlassen, ob eventuell eine Gesamtausbildung bejaht werden kann, wenn ein BWL-Studium mit dem klaren Ziel durchgeführt wird, nach Banklehre und Studium wieder eine Tätigkeit in der Bank in höherer Position einzunehmen, und die Studieninhalte dementsprechend auf eine solche Tätigkeit abgestimmt werden, vergleichbar einem sog. dualen Studium. Die Klägerin hatte nach eigenen Angaben die Auswahl ihrer Studienschwerpunkte wesentlich nach einer späteren möglichen Promotion ausgerichtet. Sie hatte keine Schwerpunkte gewählt, die fachlich auf eine Tätigkeit in einer Bank ausgerichtet gewesen wären oder dafür nützlich sein könnten. Weder das Studium selbst noch die nach dem Studium angestrebten oder aufgenommenen Tätigkeiten stehen in einem sachlichen Zusammenhang mit ihrer früheren Tätigkeit als Bankkauffrau.

Die Annahme des SG, dass sich die Chancen auf einen Arbeitsplatz für BWL-Studenten mit Banklehre nennenswert gegenüber BWL-Studenten ohne vorherige Banklehre erhöhen, lässt sich trotz Bemühungen des Senats nicht belegen. Entsprechende Auskünfte bzw. Statistiken konnte die Bundesagentur für Arbeit, Regionaldirektion Bayern, auf Nachfrage nicht zur Verfügung stellen. Dass generell Berufserfahrung oder weitere Berufsabschlüsse - in verwandten oder anderen Berufsfeldern - grundsätzlich die Arbeitsmarktchancen erhöhen, vermag aber aus verschiedenen eigenständigen Ausbildungen keine Gesamtausbildung zu machen. Wie bereits dargelegt, zählt nämlich eine berufliche Weiterbildung - z.B. zum Facharzt - nicht zu der Berufsausbildung im Sinne von § 90 Abs. 1 SGB VII, obwohl diese sicherlich die Arbeitsmarktchancen erhöht. Bei Auslegung von § 90 Abs. 1 SGB VII ist der Ausnahmecharakter der Regelung zu beachten, wonach ausnahmsweise nicht die Verdienstverhältnisse des Versicherten vor dem Arbeitsunfall maßgeblich bleiben (vgl. BSG vom 07.02.2006 - B 2 U 3/05 R - Juris RdNr. 17).

Vor diesem Hintergrund ist nach Überzeugung des Senats das BWL-Studium der Klägerin, das sie nach erfolgreichem Abschluss der vollwertigen Berufsausbildung zur Bankkauffrau absolviert hat, nicht Teil einer Gesamtausbildung. Daher ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Beklagte in ihren Bescheiden bei Neufeststellung des JAV gemäß § 90 Abs. 1 SGB VII auf die Tätigkeit einer Bankkauffrau abgestellt hat.

2. Auch auf § 90 Abs. 2 SGB VII kann die Klägerin nicht den Anspruch stützen, dass ihrer Verletztenrente ein JAV auf Grundlage des Einkommens einer Diplom-Kauffrau zu Grunde gelegt wird.

Gemäß § 90 Abs. 2 SGB II wird bei Versicherten, die zur Zeit des Versicherungsfalls das 30. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, wenn es für sie günstiger ist, der JAV jeweils nach dem Arbeitsentgelt neu festgesetzt, das zur Zeit des Versicherungsfalls für Personen mit gleichartiger Tätigkeit bei Erreichung eines bestimmten Berufsjahres oder bei Vollendung eines bestimmten Lebensjahres durch Tarifvertrag vorgesehen ist; besteht keine tarifliche Regelung, ist das Arbeitsentgelt maßgebend, das für derartige Tätigkeiten am Beschäftigungsort der Versicherten gilt. Es werden nur Erhöhungen berücksichtigt, die bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres vorgesehen sind.

Im Urteil vom 19.12.2013 (B 2 U 5/13 R, veröffentlicht bei Juris) hatte das BSG dargelegt, dass im Rahmen von § 90 Abs. 2 SGB VII eine Verzögerung bzw. ein Abbruch der Ausbildung keine Rolle spiele. Diese Vorschrift kommt laut BSG auch zur Anwendung, wenn die Ausbildung tatsächlich rechtzeitig beendet worden sei und setzt allein und ausschließlich voraus, dass der Versicherte zur Zeit des Versicherungsfalls das 30. Lebensjahr noch nicht vollendet hat (vgl. so BSG a.a.O. - Juris RdNr. 17). Eine Sperrwirkung der Neufestsetzung des JAV nach § 90 Abs. 2 SGB VII durch fristgemäß abgeschlossene Ausbildung bzw. fristgemäß beendetes Studium bestehe nicht (vgl. Juris RdNr. 18). Im dort zu entscheidenden Fall hat das BSG eine Neufeststellung des JAV der Klägerin nach § 90 Abs. 2 SGB VII bejaht, die während ihres Mathematikstudiums einen Unfall beim Hochschulsport erlitten hatte. Maßgeblich sei nach § 90 Abs. 2 SGB VII, welches Arbeitsentgelt zur Zeit des Versicherungsfalls für Personen mit gleichartiger Tätigkeit bei Erreichen eines bestimmten Berufsjahres oder bei Vollendung eines bestimmten Lebensjahres durch Tarifvertrag vorgesehen ist (dort: BAT zur Zeit des Versicherungsfalls im Jahr 1996).

Eine Neufeststellung nach § 90 Abs. 2 SGB VII kommt aber nur in Betracht, wenn die Arbeit als Diplomkauffrau als gleichartige Tätigkeit im Sinne von § 90 Abs. 2 SGB VII anzusehen ist, also grundsätzlich als gleichartig mit der zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls ausgeübten Tätigkeit als Schülerin. Ausgehend von dem gerade zitierten BSG-Urteil ist als gleichartige Tätigkeit im Sinne von § 90 Abs. 2 SGB VII aber auch eine Tätigkeit anzusehen, auf die die zum Zeitpunkt des Arbeitsunfalls absolvierte Ausbildung abzielt.

Vor diesem Hintergrund kommt die begehrte Neufeststellung auch nach § 90 Abs. 2 SGB VII aber nur in Betracht, wenn Schulausbildung, Banklehre und Studium als Einheit im Sinne einer Gesamtausbildung anzusehen sind. Wie bereits dargelegt, ist das im Fall der Klägerin nach Überzeugung des Senats gerade nicht der Fall.

Die Klage erweist sich daher als unbegründet und die Berufung der Beklagten als begründet, weshalb das Urteil des Sozialgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen ist.

B) Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

C) Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Der Senat weicht insbesondere nicht von der Rechtsprechung des BSG ab.
Rechtskraft
Aus
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