L 5 KR 5457/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 9 KR 1339/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 5457/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Aus der Regelung des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V folgt grundsätzlich, dass der Versicherte binnen Wochenfrist die Arbeitsunfähigkeit seiner Krankenkasse zu melden hat und dass die Folgen der verspäteten Meldung von ihm zu tragen sind, selbst wenn ihn kein Verschulden an der verspäteten Anzeige trifft. Diese Obliegenheitsverpflichtung wird im Fall eines Versicherten mit Anspruch auf Entgeltfortzahlung nicht durch § 5 Abs. 1 Satz 5 EFZG suspendiert.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 25.11.2013 abgeändert und die Klage auch insoweit abgewiesen als die Beklagte verurteilt wurde, der Klägerin Krankengeld für die Zeiträume vom 28.10.2010 bis zum 05.11.2010, vom 02.12.2010 bis zum 11.01.2011 und vom 13.01.2011 bis zum 01.02.2011 zu gewähren.

Die Anschlussberufung der Klägerin wird verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Klage- und Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten nach der teilweisen Berufungsrücknahme noch um die Gewährung von Krankengeld für den Zeitraum vom 28.10.2010 bis zum 01.02.2011. Darüber hinaus macht die Klägerin mit ihrem Hilfsantrag in ihrer Anschlussberufung die Gewährung von Krankengeld für den Zeitraum vom 20.03.2012 bis zum 12.04.2012 geltend.

Die Klägerin war seit 1999 bei der P. Aktiengesellschaft als Rechtsanwältin und Steuerberaterin tätig. Wegen dieser Beschäftigung war sie versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten, bei der es sich um die Betriebskrankenkasse der damaligen Arbeitgeberin der Klägerin handelt. Das Beschäftigungsverhältnis endete durch arbeitsgerichtlichen Vergleich zum 31.12.2011.

Vom 20.07.2010 bis 13.08.2010 wurde der Klägerin auf Grund der Diagnose F 32.9 G (depressive Episode, nicht näher bezeichnet) von der Fachärztin für Innere Medizin Dr. R. Arbeitsunfähigkeit bescheinigt.

Am 12.10.2010 stellte Dr. R. eine weitere AU-Bescheinigung (AU-Bescheinigung; Erstbescheinigung) für den Zeitraum vom 11.10.2010 bis zum 22.10.2010 mit der Diagnose F 32.9 G aus. Hieran schlossen sich von Dr. R. ausgestellte Folgebescheinigungen vom 22.10.2010 bis zum 05.11.2010 (Diagnose F 32.9 G), vom 02.12.2010 bis zum 11.01.2011 (Diagnose F 41.2 G), vom 12.01.2011 bis zum 01.02.2011 (Diagnose F 41.2 G (Angst und depressive Störung gemischt)) und vom 01.02.2011 bis 21.02.2011 (Diagnose F 32.1 G ( mittelgradige depressive Episode )) an. Weiter stellte die Fachärztin für Psychiatrie Dr. E. am 01.12.2010 (Diagnose F 41.2 G) Arbeitsunfähigkeit bis zum 11.01.2011 fest. Dr. E. stellte ferner am 12.01.2011 Arbeitsunfähigkeit (Diagnose F 41.2 G) bis zum 01.02.2011 und am 01.02.2011 Arbeitsunfähigkeit bis zum 21.02.2011 (Diagnose F 32.1 G) fest. Die Ärzte händigten der Klägerin jeweils beide Ausfertigungen der AU-Bescheinigungen für den Arbeitgeber und für die Krankenkasse aus. Die Klägerin übersandte ihrer damaligen Arbeitgeberin innerhalb weniger Tage die für diese bestimmte Ausfertigung. Die Klägerin erhielt darauf bis zum 27.10.2010 Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch die Arbeitgeberin.

Die damalige Arbeitgeberin informierte sodann die Beklagte Ende Oktober 2010 von der Arbeitsunfähigkeit. Die Beklagte forderte die Klägerin daraufhin mit Schreiben vom 25.10.2010 und Erinnerung vom 09.11.2010 auf, AU-Bescheinigungen vorzulegen. Diese seien ihr unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb einer Woche vorzulegen. Die Klägerin übersandte der Beklagten die einzelnen AU-Bescheinigungen am 03.02.2011.

Der von der Beklagten daraufhin beauftragte Medizinische Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK; Dr. R.) kam in seinem Gutachten vom 16.02.2011 zu dem Ergebnis, die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin sei medizinisch nachvollziehbar.

Am 15.03.2012 bescheinigte Dr. E. mit Erstbescheinigung Arbeitsunfähigkeit bis voraussichtlich 12.04.2012. Als Diagnosen gab sie F 41.2 und F 32.1 an.

Die Beklagte gewährte der Klägerin vom 03.02.2011 bis 20.02.2012 Krankengeld mit einem täglichen Zahlbetrag von 80,52 EUR.

Mit Bescheid vom 23.03.2011, der keine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt, lehnte die Beklagte die Gewährung von Krankengeld für den Zeitraum vom 28.10.2010 bis zum 02.02.2011 ab. Zur Begründung führte die Beklagte aus, die Klägerin habe ihr die Arbeitsunfähigkeit erst am 03.02.2011 gemeldet. Aus den AU-Bescheinigungen sei ersichtlich, dass es sich um Ausfertigungen zur Vorlage bei der Krankenkasse handele. Die Vorlage gegenüber dem Arbeitgeber reiche daher nicht aus. Darüber hinaus sei für die Zeit vom 06.11.2010 bis zum 30.11.2010 gar keine AU-Bescheinigung eingereicht worden, auch nicht beim Arbeitgeber.

Hiergegen legte die Klägerin am 07.12.2011 Widerspruch ein und führte unter Vorlage eines Attests von Dr. E. vom 10.11.2011 aus, die Arbeitsunfähigkeit sei auch für den Zeitraum 06.11.2010 bis zum 30.11.2010 bescheinigt. Somit liege ein lückenloser Krankheitsnachweis vor.

Mit Widerspruchsbescheid vom 07.03.2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Anspruch auf Krankengeld habe geruht, solange ihr die Arbeitsunfähigkeit nicht gemeldet worden sei. Darüber hinaus habe die Klägerin die Folgen einer unterbliebenen oder nicht rechtzeitig getroffenen ärztlichen Feststellung zu tragen.

Hiergegen richtete sich die am 05.04.2012 zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobene Klage. Die Klägerin wiederholte und vertiefte ihr bisheriges Vorbringen. Ergänzend führte sie aus, ein Arbeitnehmer müsse sich im Krankheitsfall keine Gedanken darüber machen, ob und wie seine Krankenkasse von der Arbeitsunfähigkeit in Kenntnis gesetzt werde, wenn er die AU-Bescheinigung seinem Arbeitgeber vorgelegt habe.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Sie, die Beklagte, habe erst durch eine Anfrage des Arbeitgebers der Klägerin am 25.10.2010 Kenntnis davon erlangt, dass die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt sei. Daraufhin habe sie die Klägerin am 25.10.2010 darauf hingewiesen, dass AU-Bescheinigungen unverzüglich, jedoch spätestens innerhalb einer Woche, bei der zuständigen Krankenkasse eingereicht werden müssten. Hieran habe sie die Klägerin am 09.11.2010 erinnert. Trotzdem seien die AU-Bescheinigungen erst am 03.02.2011 vorgelegt worden. Für den streitgegenständlichen Zeitraum bestehe daher kein Anspruch auf Krankengeld.

Mit Urteil vom 25.11.2013 verurteilte das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 23.03.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.03.2012, der Klägerin Krankengeld für die Zeiträume vom 28.10.2010 bis zum 05.11.2010, 02.12.2010 bis zum 11.01.2011 und vom 13.01.2011 bis zum 02.02.2011 zu gewähren. Im Übrigen wies es die Klage ab. Im Hinblick auf die vorgelegten AU-Bescheinigungen und unter Berücksichtigung von § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V bestehe ein Anspruch auf Zahlung von Krankengeld für die genannten Zeiträume, denn AU-Bescheinigungen lägen insoweit vor. Für den Zeitraum vom 06.11.2010 bis zum 30.11.2010 fehle es hingegen an einer ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit. Das Attest von Dr. E. vom 10.11.2011 vermöge die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit nicht rückwirkend zu ersetzen. In dem genannten Umfang sei der Anspruch auch durchsetzbar, da er nicht gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 5 Sozialgesetzbuch (SGB) V ruhe, auch wenn die Klägerin die Bescheinigungen erst am 03.02.2011 vorgelegt habe. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei eine Ausnahme von § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V bei Versicherten mit Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gegeben. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 5 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) sei der Arzt verpflichtet, die entsprechenden AU-Bescheinigungen an die Krankenkasse zu übersenden. Dieser Verpflichtung könne er sich nicht dadurch entziehen, dass er den für die Krankenkasse bestimmten Vordruck dem Versicherten aushändige. Auch der Hinweis auf die Ausfertigung der AU-Bescheinigungen für die Krankenkasse "Bei verspäteter Meldung droht Krankengeldverlust" und der Umstand, dass in der Praxis die Vertragsärzte - wie hier geschehen - den Versicherten häufig beide Ausfertigungen aushändigen würden, sei nicht geeignet, die Meldung der Arbeitsunfähigkeit bei der Krankenkasse dem Verantwortungsbereich des Versicherten mit Anspruch auf Entgeltfortzahlung zuzuweisen. Auch das Schreiben der Beklagten vom 25.10.2010, dessen Zugang die Klägerin bestreite, enthalte lediglich einen Hinweis darauf, dass die AU-Bescheinigungen unverzüglich eingereicht werden müssten, jedoch nicht durch wen. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass der Beklagten im vorliegenden Fall nach ihrem eigenen Vortrag bereits seit dem 25.10.2010 durch eine Meldung der damaligen Arbeitgeberin der Klägerin bekannt gewesen sei, dass die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt war. Sie hätte bereits ab diesem Zeitpunkt die Möglichkeit gehabt, die Arbeitsunfähigkeit durch den MDK überprüfen zu lassen. Insoweit verlange auch nicht der Schutzzweck des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V ein Ruhen.

Das Urteil wurde dem Bevollmächtigten der Beklagten am 04.12.2013 und der Bevollmächtigten der Klägerin am 05.12.2013 jeweils gegen Empfangsbekenntnis zugestellt.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die am 19.12.2013 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) einging. Die Klägerin hat am 25.06.2014 Anschlussberufung eingelegt.

Zur Begründung trägt die Beklagte vor, dass hinsichtlich des vom SG zuerkannten Krankengeldanspruchs die Reichweite des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V verkannt werde. § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V werde keinesfalls durch § 5 Abs. 1 EFZG verdrängt. Die Vorlage von AU-Bescheinigungen obliege vielmehr auch im vorliegenden Fall der Klägerin. Da diese die AU-Bescheinigungen zu spät vorgelegt habe, sei ein Ruhen des Leistungsanspruchs gegeben. Für den Zeitraum vom 06.11.2010 bis zum 30.11.2010 liege keine AU-Bescheinigung vor. Im Übrigen würde der Anspruch auf Krankengeld auch für diesen Zeitraum ruhen, selbst wenn eine AU-Bescheinigung vorliegen würde. Hinsichtlich des hilfsweise geltend gemachten Anspruchs sei die Anschlussberufung bereits unzulässig, da der Zeitraum vom 20.03.2012 bis 12.04.2012 nicht Streitgegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens gewesen sei.

In der mündlichen Verhandlung vom 21.10.2015 hat die Beklagte die Berufung gegen das Urteil des SG hinsichtlich der Gewährung von Krankengeld für den 02.02.2011 zurückgenommen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 25.11.2013 abzuändern soweit das Sozialgericht Karlsruhe die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 23.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.03.2012 verurteilt hat, der Klägerin Krankengeld für die Zeiträume vom 28.10.2010 bis zum 05.11.2010, 02.12.2010 bis zum 11.01.2011 und vom 13.01.2011 bis zum 01.02.2011 zu gewähren und die Klage in diesem Umfang abzuweisen sowie die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen und im Wege der Anschlussberufung das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 25.11.2013 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr auch für den Zeitraum vom 06.11.2010 bis zum 30.11.2010 Krankengeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.03.2011 zu bezahlen und hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Krankengeld auch für den Zeitraum vom 20.03.2012 bis zum 12.04.2012 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.03.2011 zu bezahlen.

Zutreffend sei das SG im vorliegenden Fall davon ausgegangen, dass § 5 Abs. 1 EFZG den Ruhenstatbestand des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V verdränge. Entgegen den Ausführungen des SG bestünde jedoch ein darüber hinausgehender Anspruch auch für den Zeitraum vom 06.11.2010 bis zum 30.11.2010. Die Beklagte anerkenne als Beginn der Erkrankung den 11.10.2010. Aus diesem Grunde könne sich die Beklagte nicht darauf berufen, dass die Krankheit erst später begonnen oder unterbrochen worden sei. Die Nichtvorlage der AU-Bescheinigungen falle im Übrigen in den Verantwortungsbereich der Beklagten und sei daher nicht ihr anzulasten. Für den Fall, dass die fehlende AU-Bescheinigung nicht in den Verantwortungsbereich der Beklagten fallen sollte, bestehe im Übrigen ein neuer Krankengeldanspruch zu ihren Gunsten vom 20.03.2012 bis zum 12.04.2012.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

a) Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und auch ansonsten statthafte Berufung der Beklagten ist, nachdem Krankengeld für weitere 71 Tage bei einem kalendertäglichen Nettobetrag von 80,52 EUR mithin i.H.v. 5.716,92 EUR im Streit stand, womit der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG von 750 EUR überschritten ist, zulässig.

b) Die unselbstständige - eine eigenständige Berufung wäre wegen Versäumung der Berufungsfrist des § 151 Abs. 1 SGG unzulässig, nachdem die Klägerin gegen das ihr am 05.12.2013 zugestellte Urteil erst am 25.06.2014 Anschlussberufung eingelegt hat - Anschlussberufung der Klägerin i.S.d. § 202 SGG i.V.m. § 524 Zivilprozessordnung (ZPO) ist sowohl mit Blick auf den Haupt- als auch den Hilfsantrag unzulässig. Die unselbstständige Anschlussberufung ist nicht eigentlich ein Rechtsmittel, sondern nur ein angriffsweise wirkender Antrag, mit dem sich der Gegner innerhalb des Rechtsmittels des Berufungsklägers an dieses Rechtsmittel anschließt. Sie bietet die Möglichkeit, die vom Berufungskläger angefochtene Entscheidung des Sozialgerichts auch zu seinen, des sich Anschließenden, Gunsten ändern zu lassen (BSG, Urteil vom 23.06.1998 - B 4 RA 33/08 R -, in juris). Die Anschlussberufung darf keinen neuen Streitgegenstand in das Verfahren einführen (Leitherer, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 143 Rn. 5d). Ausgehend hiervon ist im Berufungsverfahren durch die Berufung der Beklagten nur Krankengeld für die Zeit vom 28.10.2010 bis zum 05.11.2010, 02.12.2010 bis zum 11.01.2011 und vom 13.01.2013 bis zum 02.02.2011 im Streit. Die von der Klägerin mit der Anschlussberufung begehrte Gewährung von Krankengeld für den Zeitraum vom 06.11.2010 bis 30.11.2010 und vom 20.03.2012 bis 12.04.2012 ist nicht im Streit. Die Anschlussberufung ist deshalb unzulässig.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat, soweit sie noch anhängig ist, Erfolg.

Streitgegenstand der Beklagtenberufung ist nach der teilweisen Rücknahme der Berufung hinsichtlich des 02.02.2011 nur noch das vom SG für die Zeiträume vom 28.10.2010 bis zum 05.11.2010, vom 02.12.2010 bis zum 11.01.2011 und vom 13.01.2013 bis zum 01.02.2011 zuerkannte Krankengeld. Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 23.03.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.03.2012 ist hinsichtlich der o.g. Zeiträume jedoch rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Das entgegenstehende Urteil des SG war daher aufzuheben.

Rechtsgrundlage des Anspruchs auf Krankengeld sind die §§ 44 ff SGB V. Nach § 44 Abs. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär behandelt werden. Der Anspruch auf Krankengeld entsteht bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung von ihrem Beginn an, im Übrigen nach Maßgabe des hier noch anzuwendenden § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V in der bis 22.07.2015 geltenden Fassung von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellungen der Arbeitsunfähigkeit folgt. Grundsätzlich setzt daher der Anspruch auf Krankengeld die vorherige ärztliche Feststellung voraus. Dem Attest des behandelnden Arztes mit der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit kommt lediglich die Bedeutung einer gutachterlichen Stellungnahme zu, welche die Grundlage für den über den Krankengeldbezug zu erteilenden Verwaltungsakt der Krankenkasse bildet, ohne dass Krankenkassen und Gerichte an den Inhalt der ärztlichen Bescheinigung gebunden sind (BSG, Urteil vom 08.11.2005 - B 1 KR 18/04 R, in juris).

Im streitigen Zeitraum vom 28.10.2010 bis zum 01.02.2011 war die Klägerin zur Überzeugung des Senats arbeitsunfähig. Das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit wird von der Beklagten nicht angezweifelt und ergibt sich im Übrigen aus dem nachvollziehbaren und schlüssigen Gutachten des MDK vom 16.02.2011. In diesem hat Dr. R. die Diagnose einer mittelschweren depressiven Episode gestellt. Hiernach war die Klägerin krankheitsbedingt nicht in der Lage, ihren noch bestehenden Arbeitsplatz bei der Firma P. im o.g. Zeitraum auszufüllen.

Vorliegend steht dem geltend gemachten Anspruch in den vom SG zuerkannten Zeiträumen vom 28.10.2010 bis zum 05.11.2010, vom 02.12.2010 bis zum 11.01.2011 und vom 13.01.2011 bis zum 01.02.2011 jedoch § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V entgegen. Danach ruht der Anspruch auf Krankengeld, solange die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse nicht gemeldet wird; dies gilt nicht, wenn die Meldung innerhalb einer Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit erfolgt. Die Meldepflicht soll gewährleisten, dass die Krankenkasse möglichst frühzeitig über das Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit informiert und in die Lage versetzt wird, vor der Entscheidung über den Krankengeldanspruch und ggf. auch während des nachfolgenden Leistungsbezugs den Gesundheitszustand des Versicherten durch den Medizinischen Dienst überprüfen zu lassen, um Zweifel an der ärztlichen Beurteilung zu beseitigen und ggf. Maßnahmen zur Sicherung des Heilerfolgs und zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit einleiten zu können. Auch soll verhindert werden, dass Krankenkassen im Nachhinein auf die Behauptung, in Wirklichkeit habe Arbeitsunfähigkeit bestanden, die oft schwierigen und tatsächlichen Verhältnisse aufklären müssen. Ein Bedürfnis nach Überprüfung besteht dabei nicht nur bei der erstmaligen, sondern auch bei jeder weiteren Bewilligung von Krankengeld (BSG, Urteil vom 08.02.2000, B 1 KR 11/99 R, in juris; Brinkhoff, juris PK, SGB V, § 49 Rn. 58). § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V ist daher auch dann anzuwenden, wenn der Versicherte wegen derselben Krankheit erneut arbeitsunfähig wird und diese erneute AU nicht rechtzeitig meldet. Bei der Meldung der Arbeitsunfähigkeit handelt es sich um eine Obliegenheit des Versicherten. Die Folgen einer unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen Meldung sind deshalb grundsätzlich von ihm zu tragen. Die Gewährung von Krankengeld bei verspäteter Meldung ist deshalb nach ständiger Rechtsprechung des BSG auch dann ausgeschlossen, wenn die Leistungsvoraussetzungen im Übrigen zweifelsfrei gegeben waren und die Versicherten keinerlei Verschulden an dem unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen Zugang der Meldung trifft (BSG, Urteile vom 08.02.2000 - B 1 KR 11/99 R -, vom 08.11.2005 - B 1 KR 30/04 R - und vom 10.05.2012 - B 1 KR 20/11 R -, jeweils in juris).

Die Wochenfrist ist hier nicht eingehalten. Die AU-Bescheinigungen vom 22.10.2010, vom 01.12.2010 und 02.12.2010 sowie vom 12.01.2011 wurden erst am 03.02.2011 und damit außerhalb der Wochenfrist vorgelegt. Lediglich die AU-Bescheinigungen vom 01.02.2011 wurde innerhalb der Wochenfrist am 03.02.2011vorgelegt. Der Krankengeldanspruch der Klägerin vom 02.02.2011 (gem. § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V) wurde daher von der Beklagten auch durch die Rücknahme der Berufung anerkannt.

Trotz der grundsätzlich strikten Anwendung der Vorschrift hat die Rechtsprechung in engen Grenzen Ausnahmen anerkannt, wenn die ärztliche Feststellung oder die Meldung der Arbeitsunfähigkeit durch Umstände verhindert oder verzögert worden sind, die in den Verantwortungsbereich der Krankenkassen fallen (BSG, Urteile vom 28.10.1981, 3 RK 59/80 -, vom 08.02.2000 - B 1 KR 11/99 R -, vom 08.11.2005 - B 1 KR 30/04 R -, jeweils in juris). Hat der Versicherte alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan, um seine Ansprüche zu wahren, wurde er daran aber durch eine von der Krankenkasse zu vertretende Fehleinschätzung gehindert und macht er seine Rechte bei der Krankenkasse unverzüglich geltend, kann er sich auf den Mangel auch zu einem späteren Zeitpunkt berufen und ggf. rückwirkend Krankengeld beanspruchen. Eine Krankenkasse kann sich auch nicht auf den späteren Zugang der Meldung berufen, wenn dieser auf von ihr zu vertretenden Organisationsmängeln beruht und der Versicherte hiervon weder wusste noch wissen musste (BSG, Urteil vom 28.10.1981 - 3 RK 59/80 -, in juris).

Ein derartiger Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Eine ärztliche Fehlbeurteilung der Arbeitsunfähigkeit ist zu keinem Zeitpunkt erfolgt. Insoweit beruft sich die Klägerin lediglich auf § 5 Abs. 1 Satz 5 EFZG, wonach sie von der Pflicht zur Vorlage von AU-Bescheinigungen befreit sei, da diese dem behandelnden Arzt übertragen worden sei. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 5 EFZG muss die ärztliche Bescheinigung einen Vermerk des behandelnden Arztes darüber enthalten, dass der Krankenkasse unverzüglich eine Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit mit Angaben über den Befund und die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit übersandt wird, wenn der Arbeitnehmer Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse ist. Hieraus wird abgeleitet, dass die Obliegenheit in § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V im Fall eines Versicherten mit Anspruch auf Entgeltfortzahlung suspendiert wird (LSG NRW, Urteile vom 11.12.2003 - L 16 KR 159/02 und vom 26.08.2004 - L 16 KR 324/03 -, beide in juris, Knittel in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung und Pflegeversicherung, SGB V § 49 Rn. 33 f.; Brandts, in Kasseler Kommentar § 49 RN 32; vgl. auch BSG, Urteil vom 28.10.1981 - 3 RK 59/80, in juris und LSG BW, Urteil vom 27.05.2014 - L 11 KR 3792/13, n.v.).

Dem folgt der Senat nicht. Gemäß § 1 EFZG regelt das Entgeltfortzahlungsgesetz die Zahlung des Arbeitsentgelts an gesetzlichen Feiertagen und die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfall an Arbeitnehmer sowie die wirtschaftliche Sicherung im Bereich der Heimarbeit für gesetzliche Feiertage und im Krankheitsfall. Gemäß § 3 EFZG ist der Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gegenüber dem Arbeitgeber begrenzt. Bereits aus diesem begrenzten Anwendungsbereich ergibt sich, dass die Regelung in § 5 Abs. 1 Satz 5 EFZG nicht von der Obliegenheitsverpflichtung des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V suspendieren will. Von der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber ist vielmehr der nachfolgende Zeitraum der Zahlung von Krankengeld durch die Krankenkasse zu unterscheiden. Dies wird auch durch § 49 Abs. 1 Nr. 1 SGB V deutlich, wenn dort ein Anspruch auf Krankengeld im Fall der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ausgeschlossen wird. Ein Nebeneinander der Regelungen des EFZG und der §§ 44 ff. SGB V sieht das Gesetz nicht vor. Diese stehen vielmehr in einem Ausschließungsverhältnis. Jedes andere Verständnis würde den Anwendungsbereich des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V auch derart einschränken, dass für diesen quasi kein Anwendungsbereich mehr verbliebe (so auch Knittel in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung und Pflegeversicherung, SGB V § 49 Rn. 33 f.).

Nach der Rechtsprechung des BSG ist im Übrigen die Beklagte nur dann mit dem Einwand des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V ausgeschlossen, wenn die Nichtvorlage in den Verantwortungsbereich der Krankenkasse fällt. Unerheblich ist insoweit, ob den Versicherten ein Verschuldensvorwurf trifft. Selbst wenn man damit über den Zeitraum der Entgeltfortzahlung § 5 Abs. 1 Satz 5 EFZG die Verpflichtung des Arztes zur Vorlage der AU-Bescheinigungen entnehmen würde, wäre dies nur dann relevant, wenn die unterbliebene Vorlage durch den Arzt der Beklagten zuzurechnen wäre. Eine entsprechende normative Zurechnung hierfür findet sich freilich nicht, denn ein vertragsärztliches Fehlverhalten ist nicht ohne weiteres den Krankenkassen zuzurechnen (vgl. BSG, Urteil vom 04.03.2014 - B 1 KR 17/13 R -, in juris mwN). Auch § 5 Abs. 1 Satz 5 EFZG ist keine entsprechende Regelung zu entnehmen. Denn dies würde voraussetzen, dass die genannte Norm eine Wertungsentscheidung im Verhältnis Versicherter, Arzt und Krankenkasse im Bereich des SGB V trifft. Dies aber lässt sich weder dem Wortlaut, der Systematik noch dem Sinn und Zweck der Regelung entnehmen.

Soweit das SG im Übrigen darauf hingewiesen hat, dass die Beklagte seit dem 25.10.2010 von der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin wusste und es ihr daher offen gestanden hätte, entsprechende Maßnahmen zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit zu unternehmen, übersieht das SG, dass die Beklagte mit Schreiben vom 25.10.2010 und 09.11.2010 die Klägerin zur Vorlage der AU-Bescheinigungen aufgefordert hat. Zumindest das Schreiben vom 09.11.2010 war der Klägerin auch bekannt, wie aus ihrer Mail vom 30.01.2011 hervorgeht, in der sie im Betreff das "Schreiben vom 09.11.2010, Vorlage von AU-Bescheinigungen" erwähnt. Erst durch die Vorlage der AU-Bescheinigungen und der dort genannten Diagnosen konnte die Beklagte im Februar 2011 die Notwendigkeit einer Begutachtung erkennen und eine entsprechende Begutachtung durch den MDK veranlassen.

Greift daher vorliegend § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V hinsichtlich der vom SG zuerkannten Krankengeldansprüche für die Zeiträume vom 28.10.2010 bis zum 05.11.2010, vom 02.12.2010 bis zum 11.01.2011 und vom 13.01.2011 bis zum 01.02.2011, führt dies zum Ruhen eines Krankengeldanspruchs der Klägerin, weshalb das Urteil des SG insoweit aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG und entspricht dem nur geringen Obsiegen der Klägerin.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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