L 4 AS 81/14

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 8 AS 2748/10
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 4 AS 81/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des SG Dessau-Roßlau vom 12. Dezember 2013 wird abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Bescheid des Beklagten vom 12. April 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. August 2010 wird aufgehoben, soweit vom Kläger die Erstattung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 284,22 EUR verlangt wird.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die weitergehende Berufung zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers für beide Rechtszüge zu einem Viertel zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Umstritten ist die Rückforderung von Leistungen nach dem SGB II für zwei Monate in Höhe von 1.127,88 EUR.

Der am ... 1950 geborene Kläger stellte bei dem Beklagten erstmals am 21. Juli 2008 einen Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) – Arbeitslosengeld II/Sozialgeld. In der Anlage VM zur Feststellung der Vermögensverhältnisse gab er an, ein Girokonto mit einem Guthaben von 4.069,05 EUR, ein Sparbuch mit einem Anlagebetrag von 5.000 EUR und einen Sparbrief "ABI-Startzins", ebenfalls über einen Betrag von 5.000 EUR, zu besitzen. Sein Bargeld bezifferte er auf 25 EUR. Des Weiteren gab er an, ein teilweise selbstgenutztes Hausgrundstück zu besitzen und geringe Einkünfte aus der Verpachtung landwirtschaftlicher Flächen zu beziehen. Mit Bescheid vom 19. November 2008 bewilligte der Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 21. Juli 2008 bis 31. Januar 2009 monatliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 351 EUR nebst Kosten für Unterkunft und Heizung in anfänglicher Höhe von 66,36 EUR, insgesamt von zunächst 417,36 EUR. Diese Leistungen bewilligte der Beklagte nach dem ausdrücklichen Hinweis in dem Bewilligungsbescheid auf der Grundlage von § 40 Abs. 1, Nr. 1a SGB II in Verbindung mit § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung (SGB III) – SGB III vorläufig, da über den Leistungsanspruch des Klägers derzeit noch nicht abschließend entschieden werden könne. Zugleich forderte der Beklagte den Kläger auf, Pachtverträge für die angegebenen Flurstücke vorzulegen, damit eine endgültige Bewilligung seiner Leistung festgestellt werden könne. Mit zwei Bescheiden vom 22. Januar 2009 setzte der Beklagte sodann die monatlichen Leistungen für die Zeit vom 1. Juli 2008 bis 31. Januar 2009 sowie vom 1. Februar 2009 bis 31. Juli 2009 endgültig fest, und zwar in Höhe von 417,36 EUR für die Monate August und September 2008, in Höhe von 427,83 EUR für die Zeit vom 1. Oktober 2008 bis 31. Januar 2009 und ebenfalls in Höhe von 427,83 EUR für die Zeit vom 1. Februar bis 31. Juli 2009.

Am 1. Juli 2009 beantragte der Kläger die Weiterbewilligung der Leistungen und gab unter anderem an, in seinen Vermögensverhältnissen habe sich nichts geändert. Mit Bescheid vom 22. Juli 2009 bewilligte der Beklagte dem Kläger eine monatliche Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 359 EUR für die Zeit vom 1. August 2009 bis 31. Januar 2010. Zugleich gab er an, über den Anspruch des Klägers derzeit noch nicht abschließend entscheiden zu können, weshalb die Leistungen gemäß § 40 Abs. 1, Nr. 1a SGB II in Verbindung mit § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III vorläufig bewilligt würden. Die aufgrund der vorläufigen Entscheidung erbrachten Leistungen seien nach vollständiger Klärung der Sach- und Rechtslage auf die dem Kläger zustehenden Leistungen anzurechnen. Soweit mit der abschließenden Entscheidung ein Leistungsanspruch nicht oder nur in geringerer Höhe zuerkannt werde, seien die Leistungen gemäß § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III zu erstatten. Des Weiteren gab der Beklagte an, die Berechnung sei ohne Kosten der Unterkunft erfolgt, da diese für das Jahr 2009 aktuell einzureichen seien.

Mit weiterem Bescheid vom 22. Juli 2009 forderte der Beklagte den Kläger auf, die Anlage VM vollständig auszufüllen und mit entsprechenden Nachweisen wieder einzureichen, einen neuen Pachtvertrag zum 1. Dezember 2008 mit Nachweis über den Zahlungsmodus vorzulegen sowie aktuelle Nachweise über die Kosten der Unterkunft für das Jahr 2009 sowie die Abrechnungen über die Heizkosten einzureichen. Am 7. August 2009 legte der Kläger die ausgefüllte Anlage VM vor, worin er angab, auf dem Girokonto über ein Guthaben von 5.895,95 EUR nebst 100 EUR Bargeld zu verfügen und auf dem Sparbuch ein Guthaben von 5.159,38 EUR zu haben, wofür er auch im vergangenen Jahr Zinsen von 50 EUR bezogen habe.

Mit Änderungsbescheid vom 11. September 2009 bewilligte der Beklagte dem Kläger für den Zeitraum vom 1. Oktober 2009 bis 31. Januar 2010 neben der Regelleistung von 359 EUR Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 62,83 EUR, insgesamt 421,83 EUR monatlich. Zur Begründung gab er an, die Neuberechnung sei nach Vorlage der Nachweise für die KdU vorgenommen worden. Die vorläufige Bewilligung bleibe bestehen. Für die Monate Oktober und November 2009 sind die bewilligten Leistungen in Höhe von insgesamt 843,66 EUR auch an den Kläger ausgezahlt worden.

Mit Bescheid vom 15. September 2009 stellte der Beklagte nach Auswertung der Unterlagen fest, mit der endgültigen Entscheidung über den Leistungsanspruch des Klägers sei festzustellen, dass dieser keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II habe. Aus den Angaben in der Anlage VM sei ersichtlich, dass das vorhandene Vermögen den Grundfreibetrag von 8.700 EUR sowie einen weiteren Freibetrag von 750 EUR um 1.185,33 EUR übersteige. Diesem übersteigenden Betrag sei der Bedarf für den Monat August 2009 in Höhe von 563,94 EUR und ein ebensolcher Bedarf für den Monat September 2009 gegenüberzustellen. Daraus folge, dass das einzusetzende Vermögen von 1.185,33 EUR höher sei als der Gesamtbedarf für diese beiden Monate (1.127,88 EUR). Da dem Kläger Leistungen in tatsächlicher Höhe von 1.002,22 EUR für diese beiden Monate gezahlt worden seien, müsse er diesen Betrag erstatten.

Mit Schreiben vom 15. September 2009 hörte der Beklagte den Kläger zur festgestellten Leistungsüberzahlung an: Im Rahmen des automatisierten Datenabgleichs nach § 52 SGB II sei bekannt geworden, dass der Kläger im Jahr 2008 Kapitalerträge in Höhe von 59 EUR von der DEKA-Bank und 477 EUR von der Kreissparkasse A.-Z. erhalten habe. Diese Tatsache sei bisher nicht bekannt gewesen. Im Rahmen der Selbsthilfe seien Einkommen und Vermögen zur Sicherung des Lebensunterhalts einzusetzen (§ 9 SGB II). Der Kläger sei verpflichtet, Einkünfte und Vermögenswerte vor und während des Bezugs von Leistungen nach dem SGB II bekanntzugeben. Er werde deshalb aufgefordert, das Einkommen bzw. Vermögen, das er aufgrund der oben genannten Meldungen habe bzw. gehabt habe, lückenlos zu belegen. Mit weiterem Schreiben vom 23. Oktober 2009 forderte der Beklagte den Kläger auf, lückenlose Kontoauszüge zum Girokonto, den aktuellen Kontostand des Sparbuches einschließlich der Zinsen für 2008 und den derzeitigen Wert des DEKA-Fonds bei der DEKA-Bank einschließlich Zinsgutschreibung für 2008 vorzulegen. Am 8. Dezember 2009 hörte der Beklagte den Kläger erneut zu einer Leistungsüberzahlung an. Diese sei für die Zeit vom 1. Oktober bis 30. November 2009 in Höhe von 843,66 EUR zu verzeichnen, da sich aus den Angaben in der Anlage VM vom 3. August 2009 und einer weiteren Vermögensübersicht vom 28. September 2009 ergebe, dass der Kläger über Vermögenswerte verfüge, die über der Vermögensfreigrenze von 9.450 EUR lägen. Nach einer internen Vermögensberechnung des Beklagten verfügte der Kläger zum Zeitpunkt der Antragstellung am 1. Oktober 2009 über ein Gesamtvermögen von 15.000,04 EUR (Girokonto: 5.571,04 EUR, Sparkonto: 5.159,38 EUR, weiteres Sparkonto: 683,62 EUR, Sparbrief [DEKA-Fonds]: 3.586,00 EUR. Nach Abzug von Freibeträgen (8.700 EUR sowie 750 EUR) verbleibe ein anzurechnendes Vermögen von 5.550,04 EUR.

Mit Bescheid vom 12. April 2010 über die "endgültige Festsetzung des Leistungsanspruchs; Erstattung von zu Unrecht gewährter Leistungen nach § 40 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II i. V. m. § 328 Drittes Buch Sozialgesetzbuch [SGB III])" stellte der Beklagte fest, dass das vorhandene Vermögen des Klägers den Grundfreibetrag nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II in Höhe von 8.700 EUR sowie den Freibetrag nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 SGB II in Höhe von 750 EUR um 5.550,04 EUR übersteige. Diesem Betrag sei der Bedarf für die Monate Oktober und November 2009 von jeweils 563,94 EUR (= 1.127,28) gegenüberzustellen, woraus sich ergebe, dass dem Kläger kein Leistungsanspruch zustehe. Ab 1. Dezember 2009 habe er keinen Anspruch auf Leistungen, da er vorrangig sein Vermögen für den Lebensunterhalt einzusetzen habe. Zugleich forderte der Beklagte den Kläger zu Erstattung bezogener Leistungen in Höhe von 1.127,88 EUR auf. Diese Forderung setzte sich zusammen aus der Regelleistung in Höhe von 359 EUR, Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 62,83 EUR, Beiträge zur Krankenversicherung in Höhe von 124,32 EUR und Beiträgen zur Pflegeversicherung in Höhe von 17,79 EUR (563,94 EUR), die der Kläger für die Monate Oktober und November 2009 bezogen hatte. Da diese Leistungen mit Bescheid vom 11. September 2009 vorläufig bewilligt worden seien, habe er diese zu erstatten, da mit der abschließenden Entscheidung festgestellt worden sei, dass ihm kein Leistungsanspruch zustehe. Hiergegen wendete sich der Kläger mit seinem am 30. April 2010 eingelegten Widerspruch, der erfolglos blieb. Mit Widerspruchsbescheid vom 10. August 2010 führte der Beklagte aus, die Regelungen über die vorläufige Bewilligung von Geldleistungen seien im Falle des Klägers anwendbar. Nach § 328 Abs. 1 Nr. 3 SGB III könne über die Erbringung von Geldleistungen vorläufig entschieden werden, wenn zur Feststellung von Voraussetzungen des Anspruchs voraussichtlich längere Zeit erforderlich sei, die Voraussetzungen für den Anspruch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorliegen und der Arbeitnehmer die Umstände, die einer sofortigen abschließenden Entscheidung entgegenstehen, nicht zu vertreten habe. Diese Voraussetzungen hätten dem Bescheid vom 11. September 2009 zu Grunde gelegen, da der Kläger Vermögen habe, aktuelle Nachweise über die Höhe des Vermögens zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht vorgelegen hätten. Zum Zeitpunkt der Bewilligung hätte das zu berücksichtigende Vermögen deswegen noch nicht festgestellt werden können. Aus diesem Grunde sei auch noch keine abschließende Beurteilung erfolgt. Für die Zeit von Oktober 2009 bis zum Ende des Bewilligungszeitraumes im Januar 2010 habe der Kläger über verwertbares Vermögen verfügt, so dass die Hilfebedürftigkeit für diesen Zeitraum nicht gegeben sei. Im Oktober 2009 habe er über folgende verwertbare Vermögenswerte verfügt:

Girokonto: 4.658,36 EUR

Sparkonto: 5.159,38 EUR

Sparbuch: 683,62 EUR

Wertpapier (DEKA-Fonds 0177586971): 3.586,00 EUR

Insgesamt belaufe sich das vorhandene Vermögen auf 14.087,36 EUR. Nach Berücksichtigung der Freibeträge ergebe sich ein übersteigendes Vermögen in Höhe von 4.637,36 EUR, das ausreiche, den Lebensunterhalt für die Zeit von Oktober 2009 bis Januar 2010 zu decken. Da für die Monate Oktober und November 2009 bereits Leistungen ausgezahlt worden seien, seien diese Leistungen zu erstatten.

Mit seiner am 13. September 2010 vor dem Sozialgericht (SG) Dessau-Roßlau erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, die vorläufige Bewilligung von Leistungen mit Bescheid vom 22. Juli 2009 habe auf den zu diesem Zeitpunkt noch nicht feststehenden aktuellen Kosten der Unterkunft basiert. Mit Änderungsbescheid vom 11. September 2009 habe der Beklagte nach Vorlage der aktuellen Belege für die Kosten der Unterkunft weiterhin nur vorläufige Leistungen bewilligt. Hierzu sei festzustellen, dass der Beklagte die mit Bescheid vom 22. Juli 2009 bewilligten Leistungen rechtswidrig lediglich vorläufig bewilligt habe, denn es hätten die Voraussetzungen der vorläufigen Leistungsbewilligung nicht vorgelegen. Der Beklagte habe nämlich keine Kosten für Unterkunft und Heizung bewilligt, sondern lediglich die Regelleistung, diese hätte auch endgültig festgesetzt werden können. Auch nach Vorlage der Belege für die Kosten der Unterkunft und Heizung hätte die mit Bescheid vom 11. September 2009 geänderte Bewilligung nicht lediglich vorläufig erfolgen dürfen. Stattdessen hätte der Beklagte innerhalb der Jahresfrist einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid erlassen müssen. Die Begründung, der Kläger habe plötzlich über Vermögen verfügt, welches die Freibeträge nach § 12 SGB II übersteige, sei unzutreffend. Der Kläger habe bereits im Rahmen seines ersten Antrags auf Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II am 16. September 2008 auf der Anlage VM über Vermögenswerte in Höhe von insgesamt 14.069,05 EUR informiert. Insoweit sei die Leistungsbewilligung vom 22. Juli und 11. September 2009 von Anfang an rechtswidrig gewesen, weshalb eine Aufhebung nur nach § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) – hätte erfolgen dürfen. Hierzu sei der Beklagte jedoch nicht berechtigt gewesen, da der Kläger aufgrund der Gesamtumstände auf die Rechtmäßigkeit der Entscheidungen habe vertrauen dürfen. Außerdem sei inzwischen die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X abgelaufen.

Das SG hat der Klage mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 12. Dezember 2013 stattgegeben und den Bescheid des Beklagten vom 12. April 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. August 2010 aufgehoben. In den Entscheidungsgründen hat das SG im Wesentlichen ausgeführt, der Beklagte habe die vorläufige Leistungsbewilligung nicht auf der Grundlage von § 40 SGB II i. V. m. § 328 SGB III faktisch beseitigen dürfen. Gemäß § 328 SGB III könne über die Erbringung von Geldleistungen vorläufig entschieden werden, wenn zur Feststellung der Voraussetzungen des Anspruchs auf Geldleistungen voraussichtlich längere Zeit erforderlich sei, die Voraussetzungen für den Anspruch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorliegen und der Arbeitnehmer bzw. im Anwendungsbereich des SGB II der Hilfebedürftige die Umstände, die einer sofortigen abschließenden Entscheidung entgegenstehen, nicht zu vertreten habe. Es sei zweifelhaft, ob diese Voraussetzungen für eine vorläufige Leistungsbewilligung hier vorgelegen haben. Da die entsprechenden Entscheidungen des Beklagten aber bestandskräftig geworden seien, müssten sie grundsätzlich hingenommen werden. Allerdings sei es dem Beklagten verwehrt gewesen, die bereits gewährten Leistungen durch eine schlichte endgültige Festsetzung des Leistungsanspruchs auf null gewissermaßen wieder "auszuhebeln". Denn die Möglichkeit der faktisch "vereinfachten" Korrektur einer lediglich vorläufigen Bewilligung bestehe nur in dem Rahmen, auf den sich die Vorläufigkeit bezieht. Dies sei auch der Grund dafür, weshalb in § 328 Abs. 1 Satz 2 SGB III ausdrücklich die Angabe von Umfang und Grund der Vorläufigkeit vorgeschrieben sei. Auf diese Weise solle für den Betroffenen ersichtlich sein, welches konkrete Ausmaß die Vorläufigkeit jeweils habe und in welchem Rahmen er sich demgemäß auf eine möglicherweise verhältnismäßig kurzfristige und gegebenenfalls unter erleichterten Voraussetzungen mögliche faktische Aufhebung der Bewilligung einstellen müsse. Hier sei aus den Erläuterungen zum vorläufigen Bewilligungsbescheid ersichtlich, dass sich die Vorläufigkeit nach der Intention des Beklagten jeweils auf die durch Einreichung entsprechender Unterlagen noch zu ermittelnden Kosten der Unterkunft beziehen sollte. Die Vorläufigkeit konnte sich mithin nur auf diese im Rahmen des § 22 SGB II maßgeblichen Aspekte erstrecken. Fragen im Zusammenhang mit dem Vermögen des Klägers seien ausdrücklich nicht Gegenstand von "Umfang und Grund" der Vorläufigkeit gewesen. Deshalb hätte sich der Beklagte bei der endgültigen Festsetzung nicht auf § 40 SGB II in Verbindung mit § 328 SGB III berufen dürfen. Ihm wäre lediglich der Weg über eine Aufhebung gemäß § 48 SGB X oder eine Rücknahme gemäß § 45 SGB X geblieben. Ob dafür die Voraussetzungen vorgelegen haben, braucht nicht entschieden zu werden, da der Beklagte hierzu keinerlei Feststellungen getroffen habe.

Gegen das ihm am 13. Januar 2015 zugestellte Urteil wendet sich der Beklagte mit seiner am 12. Februar 2014 bei dem Landessozialgericht Sachsen-Anhalt in Halle erhobenen Berufung. Er macht mit seiner Begründung vom 14. April 2014 geltend, der Kläger habe im Zusammenhang mit seinem Erstantrag die Anlage VM eingereicht, aus der sich ein Vermögensbestand von 9.779,67 EUR ergeben habe. In der Folge habe der Beklagte die Leistungen zunächst vorläufig bewilligt. Auf dem Fortzahlungsantrag vom 4. Juli 2009 habe der Kläger angegeben, es habe sich bei den Vermögensverhältnissen zwischenzeitlich nichts geändert. Die nach Aufforderung am 14. August 2009 vorgelegte Anlage VM habe Angaben enthalten, aus denen sich ein Vermögen von insgesamt 10.635,33 EUR ergeben habe. Erstmals sei das Konto mit der Nummer ... angegeben worden, aus dem sich ein Guthaben von 5.159,38 EUR ergeben habe. Aus der am 8. Oktober 2009 vorgelegten Anlage VM habe sich ergeben, dass neben dem bislang angegebenen Vermögen ein bislang nicht angegebener DEKA Investment-Fonds über 3.586,00 EUR sowie ein bislang unbekanntes Konto mit der Nummer ... existiert. Eine erneute Vermögensüberprüfung habe ergeben, dass dem Kläger keine Leistungen zugestanden hätten. Der Beklagte sei berechtigt gewesen, die Leistungsansprüche endgültig festzusetzen und Erstattung gemäß § 328 Abs. 3 SGB III zu verlangen. Dem Verfügungssatz des Bescheides vom 22. Juli 2009 sei zu entnehmen, dass der Beklagte sämtliche Leistungen unter Vorläufigkeitsvorbehalt gestellt habe. Entgegen der Auffassung des SG erwüchsen lediglich die Verfügungssätze eines Bescheides, nicht aber die Begründungselemente, in Bindungswirkung. Deshalb treffe es nicht zu, dass sich die Vorläufigkeit des betreffenden Bescheides lediglich auf die Kosten der Unterkunft, nicht hingegen auf die weiteren Berechnungs- bzw. Leistungselemente bezogen habe. Auch im Falle der Anwendung des § 45 SGB X wäre der Beklagte zur Rücknahme des Bescheides berechtigt gewesen, da sich der Kläger auf Vertrauen nicht hätte berufen dürfen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 12. Dezember 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er bezieht sich ausdrücklich auf das seiner Ansicht nach zutreffende Urteil des SG.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen. Diese haben in der mündlichen Verhandlung vorgelegen und waren Gegenstand der geheimen Beratung und abschließenden Entscheidung des Gerichts.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte und gemäß § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) auch statthafte Berufung des Beklagten ist zum Teil begründet. Denn er hat dem Grunde nach zutreffend mit dem angefochtenen Bescheid vom 12. April 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. August 2010 vom Kläger die Erstattung überzahlter Leistungen verlangt.

Der Beklagte konnte über den Anspruch des Klägers auf Regelleistungen und Kosten der Unterkunft (KdU) für die Monate Oktober und November 2009 ohne Bindung an vorangegangene Entscheidungen entscheiden. Die Bewilligungen mit Bescheiden vom 22. Juli 2009 und vom 15. September 2009 sind wegen der tatsächlichen Ungewissheiten im Hinblick auf die Ermittlung und Anrechnung vorhandenen Vermögens sowie der Nachweise für die KdU ausdrücklich als vorläufige Entscheidungen auf der Grundlage von 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1a SGB II i. V. m. § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III nicht nur im Hinblick auf die Höhe, sondern auch dem Grunde nach erfolgt. Die vorläufigen Entscheidungen konnten also durch die endgültige – ablehnende – Entscheidung vom 12. April 2010 ersetzt werden, ohne dass es einer Aufhebung der vorläufigen Entscheidungen (und damit ggf. einer Vertrauensschutzprüfung) bedurfte (so ausdrücklich auch BSG, Urt. vom 22. August 2013, B 14 AS 1/13 R, juris, RdNr. 15). Rechtsfolge der endgültigen Festsetzung mit Ablehnung des Leistungsanspruchs ist die Verpflichtung des Klägers, die auf Grund der vorläufigen Entscheidungen erbrachten Leistungen zu erstatten (§ 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III). Der Beklagte hat die Höhe der Erstattungsforderung auch grundsätzlich zutreffend berechnet und das anzurechnende Vermögen sowie die Freibeträge zutreffend ermittelt. Die Berechnung wird vom Kläger auch nicht angezweifelt.

Zu Unrecht geht das SG angesichts dieser Rechtslage davon aus, der Beklagte dürfe die Erstattungsforderung nicht geltend machen, weil er aufgrund von Besonderheiten im Verfahrensablauf mit dieser Vorgehensweise schutzwürdige Interessen des Klägers verletzen und das in §§ 45/48 des SGB X geregelte Verfahren zur Rücknahme und Aufhebung von Verwaltungsakten umgehen würde. Das ist nicht der Fall. Fehler im vorangegangenen ersten Bewilligungszeitraum ab Juli 2008 wirken sich auf den hier streitbefangenen Zeitraum nicht aus. Den Akten ist zu entnehmen, dass der Kläger schon zum Zeitpunkt der erstmaligen Bewilligung am 19. November 2008 über Vermögen von mindestens rund 14.000 EUR verfügte, das er in der Anlage VM auch im Wesentlichen zutreffend (jedoch zum Teil mit unvollständigen Kontobezeichnungen) angeben hatte. Schon zu diesem Zeitpunkt hätte der Beklagte entsprechend ermitteln und Leistungen ggf. ablehnen müssen. Dass er dies unterlassen hat, bedeutet aber nicht, dass er im neuen Bewilligungsabschnitt verpflichtet gewesen wäre, die vorläufig festgesetzten Leistungen im Verfahren nach § 45/48 SGB X aufzuheben und zurückzufordern, wobei dem Kläger möglicherweise Vertrauensschutz zur Seite gestanden hätte. Der Beklagte hat mit Bescheid vom 22. Juli 2009 die Leistungen ausdrücklich vorläufig bewilligt (siehe den Verfügungssatz) und dabei insbesondere auf § 40 SBG II i. V. m. § 328 SGB III hingewiesen. Dass er in den Erläuterungen zur Vorläufigkeit nur auf die noch nicht ausreichend ermittelten KdU hingewiesen, hinsichtlich der Regelleistung aber keinen Ermittlungsbedarf angegeben hat, ändert an der Vorläufigkeit der Bewilligung nichts und schafft auch keine schutzwürdige Vertrauensposition des Klägers. Denn dieser wurde mit Schreiben vom selben Tag (22. Juli 2009) aufgefordert, die Anlage VM erneut auszufüllen. Damit wusste der Kläger, dass seine im Weiterbewilligungsantrag gemachten Angaben, bei seinen Vermögensverhältnissen habe sich nichts geändert, nicht ausreichend waren. Sie waren im Übrigen auch nicht zutreffend, denn aufgrund von Schwankungen beim Wert des DEKA-Fonds und Zinszuflüssen war der Vermögensstand ein anderer geworden.

Die vorläufige Bewilligung vom 22. Juli 2009 genügte aus den vorgenannten Gründen den Anforderungen an die Bestimmtheit von Verwaltungsakten. Als materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung verlangt das Bestimmtheitserfordernis nach § 33 Abs. 1 SGB X, dass der Verfügungssatz nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist. Dieses Erfordernis bezieht sich sowohl auf den Verfügungssatz der Entscheidung als auch auf den Adressaten des Verwaltungsaktes (BSG, Urt. vom 16. Mai 2012, B 4 AS 154/11 R, SozR 4-1300 § 33 Nr. 1 RdNr. 16). Der Betroffene muss bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers und unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls in die Lage versetzt werden, die in ihm getroffene Rechtsfolge vollständig, klar und unzweideutig zu erkennen und sein Verhalten daran auszurichten (BSG, Urteile vom 17. Dezember 2009, B 4 AS 20/09 R, SozR 4-4200 § 31 Nr. 2, RdNr. 13 und B 4 AS 30/09 R; SozR 4-4200 § 31 Nr. 3 RdNr. 16 jeweils m.w.N.; BSG, Urt. vom 15. Dezember 2010, B 14 AS 92/09 R, RdNr. 18; juris, Urt. vom 7. Juli 2011, B 14 AS 153/10 R, SozR 4-4200 § 38 Nr. 2, RdNr. 31). Ausreichende Klarheit kann auch dann bestehen, wenn zur Auslegung des Verfügungssatzes auf die Begründung des Verwaltungsaktes, auf früher zwischen den Beteiligten ergangene Verwaltungsakte oder auf allgemein zugängliche Unterlagen zurückgegriffen werden muss (vgl. BSG, Urt. vom 28. März 2013, B 4 AS 59/12 R, SozR 4-1300 § 45 Nr. 13 RdNr. 16, BSG, Urt. vom 29. November 2012, B 14 AS 6/12 R, SozR 4-1300 § 45 Nr. 12, RdNr 26). In diesem Zusammenhang kommt hier der Aufforderung zur Vorlage der ausgefüllten Anlage VM wesentliche Bedeutung zu.

Nach § 328 Abs. 1 Satz 2 SGB III sind Umfang und Grund der Vorläufigkeit anzugeben. Gemessen daran sind – den Umfang betreffend – sämtliche vom Beklagten bewilligten Leistungen lediglich vorläufig bewilligt worden. So heißt es zunächst, dass über den Anspruch noch nicht abschließend entschieden werden könne. Es deutet also nichts darauf hin, dass über einen Teil des Anspruchs bereits endgültig hätte entschieden werden können. Im Anschluss heißt es, dass für eine bestimmte Zeit Leistungen vorläufig bewilligt würden. Diese werden alsdann aufgeführt und untergliedert als Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und Leistungen zu den KdU bezeichnet. Bei keiner dieser Leistungen findet sich ein Hinweis, dass die vorangestellte Aussage, die nachfolgenden Leistungen würden lediglich vorläufig bewilligt, einschränkend oder anders verstanden werden könnte. Alle vom Beklagten bewilligten Leistungen werden zweifelsfrei als vorläufig bewilligt bezeichnet. Dies gilt auch für den Bescheid vom 15. September 2009, mit dem zusätzlich zur Regelleistung auch KdU vorläufig bewilligt wurden.

Entgegen der Ansicht des Klägers kann aus dem Umstand, dass der Beklagte als Grund für die Vorläufigkeit der Bewilligung im Bescheid vom 22. Juli 2009 die Unklarheit bei den KdU angeführt hat, nicht geschlossen werden, dass der Bewilligungsbescheid im Hinblick auf die Regelleistung als endgültig interpretiert werden könnte. Wie schon oben ausgeführt, lässt sich aus dem von dem Beklagten angegeben Grund für die Vorläufigkeit der Bewilligung kein Anhaltspunkt ersehen, den Bescheid entgegen seinem eindeutigen Verfügungssatz dahingehend auszulegen, er sei ganz oder teilweise endgültig.

Für die Erstattungsforderung des Beklagten ist demnach ausschließlich § 328 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 SGB III maßgebend.

Die vorläufigen Entscheidungen nach § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II i.V. m. § 328 Abs. 1 Nr. 3 SGB III sind hier auch, worauf das SG zutreffend hingewiesen hat, in Bestandskraft erwachsen. Die vorläufige Leistung nach § 328 Abs. 1 SGB III ist Leistung sui generis und gegenüber der endgültigen Leistungsbewilligung eine eigenständige Leistungsart und regelt einen eigenständigen Anspruch. Gegen eine vorläufige Regelung ist ein selbständiges Rechtsschutzverfahren gegeben. Werden Rechtsbehelfe nicht – oder nicht fristgemäß – eingelegt, erwächst die eigenständige Regelung über die vorläufige Leistungsgewährung in Bestandskraft; sie wirkt auch im Hinblick auf einen Erstattungsbescheid im Zusammenhang mit der endgültigen Festsetzung der Leistung (vgl. BSG v. 10. Mai 2011, B 4 AS 139/10 R, juris, RdNr. 15 m.w.N; zur Bindungswirkung vorläufiger Regelungen vgl. auch Niesel, SGB II, § 328, RdNr. 7, m.w.N.). Unabhängig davon, dass es für den Eintritt der Bindungswirkung nach § 77 SGG nicht auf Vertrauensschutz ankommt, ist ein bindender vorläufiger Bescheid nach § 328 Abs. 2 SGB III bis zu seiner Erledigung auch Grundlage für die Leistungsgewährung und für den Zahlungsanspruch des Adressaten.

Der Beklagte macht nach allem zu Recht vom Kläger eine Erstattungsforderung geltend. Rechtsgrundlage des Erstattungsanspruchs ist § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1a SGB II (eingefügt durch das Freibetragsneuregelungsgesetz vom 14. August 2005, BGBl. I S. 2407) i. V. m. § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III (i. d. F. des Gesetzes zur Förderung ganzjähriger Beschäftigung vom 24. April 2006, BGBl. I S. 926). § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a SGB II ordnet die entsprechende Anwendbarkeit der Vorschrift des SGB III über die vorläufige Entscheidung (§ 328 SGB III) an. § 328 Abs. 3 Satz 1 SGB III bestimmt, dass aufgrund vorläufiger Entscheidung erbrachte Leistungen auf die zustehende Leistung anzurechnen sind. Nach § 328 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 SGB III sind aufgrund der vorläufigen Entscheidung erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit mit der abschließenden Entscheidung ein Leistungsanspruch nicht oder nur in geringerer Höhe zuerkannt wird. Die Voraussetzungen des Erstattungsanspruchs liegen demnach vor.

Rechtsfolge des § 328 Abs. 3 SGB III ist, da ein nach Satz 1 anzurechnender (endgültiger) Leistungsanspruch nicht vorhanden ist, die vollständige Erstattung der vorläufig erbrachten Leistungen nach Satz 2. Ein Ermessen hat der Beklagte hierbei nicht auszuüben (BSG, Urt. vom SozR 3-4100 § 147 Nr. 1).

Der Erstattungsanspruch umfasst allerdings nur die Regelleistung und die KdU, mithin einen Betrag von 843,66 EUR (359 + 62,83 x 2 Monate). Auf Erstattung auch der in Höhe von 248,64 EUR (KV) und 35,58 EUR (PV) geleisteten Sozialversicherungsbeiträge (insgesamt 284,22 EUR) hat der Beklagte keinen Anspruch. Insoweit bleibt die erstinstanzliche Entscheidung bestehen und hat die Berufung keinen Erfolg.

Bei einer nur vorläufigen Leistungsgewährung auf der Grundlage von § 328 Abs. 1 SGB III kommt eine Erstattung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung nach § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1a SGB II (in der hier maßgebenden, vom 1. Oktober 2005 bis zum 31. März 2011 geltenden Fassung, vgl. Artikel 1 Nr. 5 des Gesetzes vom 14. August 2005 [BGBl. I S. 2407]; im Folgenden: a. F.) i. V. m. § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III bereits nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes nicht in Betracht, da nur die auf Grund einer vorläufigen Entscheidung erbrachten Leistungen zu erstatten sind (LSG Sachsen, Urt. vom 22.05.2014, L 3 AS 600/12, juris, im Ergebnis auch LSG Berlin-Brandenburg, Urt. vom 16. Mai 2006, L 12 AL 39/03-14, juris, RdNr. 25; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 28. März 2012, L 2 AS 24/12 B, juris, RdNr. 18; Kallert, in Gagel, SGB II/III, 52. EL 2014, § 335 SGB III RdNr. 17). Nach § 328 Abs. 1 Satz 1 SGB III kann ein Leistungsträger nur über die Erbringung von Geldleistungen vorläufig entscheiden (vgl. Düe, in: Brand, SGB III, 6. Aufl. 2012, § 328 RdNr. 4). Geldleistungen sind Barleistungen an den Berechtigten, ggf. auch an Dritte, die inhaltlich Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende sind (vgl. Münder, in: Münder, SGB II, 5. Aufl. 2013, § 4 RdNr. 6). Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung sind aber keine Geldleistungen im vorgenannten Sinne und fallen damit bereits ihrem Wortlaut nach nicht unter die Vorschrift von § 328 SGB III (a.M. Bieback, in: Gagel, SGB II/III, 52. EL 2014, § 4 SGB II RdNr. 23).

Bei den Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung handelt es sich um eine Form der öffentlichen Abgabe, der eine Gegenleistung gegenübersteht. Für den Bereich des Sozialversicherungsrechtes hat der Begriff "Beitrag" einen gegenüber dem allgemeinen Abgabenrecht modifizierten Inhalt. Die einkommensabhängigen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge werden zur Finanzierung der in § 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) – bzw. § 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch – Soziale Pflegeversicherung (SGB XI) – definierten Aufgaben eingesetzt und damit zumindest teilweise nach dem für den Bereich der Sozialversicherung zu beachtenden Sozialstaatsprinzip und dem daraus abgeleiteten Solidargrundsatz umverteilt. Sozialversicherungsbeiträge sind danach alle Geldleistungen, die auf gesetzlicher Grundlage zur Deckung des Finanzbedarfes der Sozialleistungsträger von Versicherten, Arbeitgebern oder Dritten aufgebracht werden (vgl. näher Dreher, in: Schlegel/Engelmann/Voelzke, jurisPK-SGB II, 2. Aufl. 2012, § 3 RdNr. 22 ff.). Es handelt sich damit gerade nicht um Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende, die vom Leistungsträger an den Berechtigten erbracht werden.

Mit der Zahlung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung hat der Beklagte eine ihm als kommunalem Träger gegenüber der zuständigen Einzugsstelle obliegende gesetzliche Pflicht nach § 252 Abs. 1 Satz 2 SGB V erfüllt. Denn nach § 252 Abs. 1 Satz 1 SGB V bzw. § 60 Abs. 1 Satz 1 SGB XI sind die Beiträge, soweit gesetzlich nichts Abweichendes bestimmt ist, von demjenigen zu zahlen, der sie zu tragen hat. Die von diesem Grundsatz abweichende Regelung besteht aber in § 252 Abs. 1 Satz 2 SGB V und § 60 Abs. 1 Satz 2 SGB XI i. V. m. § 252 Abs. 1 Satz 2 SGB V, wonach die Bundesagentur für Arbeit oder in den Fällen des § 6a SGB II die zugelassenen kommunalen Träger, somit hier der Beklagte, die Beiträge mit Ausnahme des Zusatzbeitrags nach §§ 242, 242a SGB V für die Bezieher von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zahlen (vgl. hierzu: Peters, in: Schlegel/Engelmann/Voelzke, jurisPK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 252 RdNr. 13 ff.). Versicherungspflicht des Klägers bestand hier auch, weil nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V (Krankenversicherungspflicht) bzw. § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2a SGB XI (Pflegeversicherungspflicht) Personen in der Zeit, für die sie Arbeitslosengeld II nach dem SGB II beziehen, versicherungspflichtig sind, soweit sie nicht familienversichert sind, es sei denn, dass diese Leistung nur darlehensweise gewährt wird oder nur Leistungen nach § 24 Abs. 3 Satz 1 SGB II bezogen werden; dies gilt auch, wenn die Entscheidung, die zum Bezug der Leistung geführt hat, rückwirkend aufgehoben oder die Leistung zurückgefordert oder zurückgezahlt worden ist. Mit der vorläufigen Gewährung von Grundsicherungsleistungen ist damit der Eintritt der Kranken- und Pflegeversicherungspflicht verbunden. Die Vorschriften von § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V bzw. § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2a SGB XI stellen nur auf den Leistungsbezug ab und nehmen die vorläufige Bewilligung nicht aus (vgl. Kallert, a.a.O., § 40 SGB II Rdnr. 19b). Unabhängig von der Rückforderung der Leistung war der Kläger somit während der Zeit des Bezugs von vorläufigen Grundsicherungsleistungen versicherungs- und beitragspflichtig.

Der Erstattungsanspruch lässt sich auch nicht auf § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II (in der bis zum 31. März 2011 geltenden Fassung [a. F.]) i. V. m. § 335 Abs. 1 Satz 1 SGB III stützen. Danach gilt: Wenn von einem Leistungsträger für eine Bezieherin oder für einen Bezieher von Arbeitslosengeld oder Unterhaltsgeld Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung gezahlt wurden, hat die Bezieherin oder der Bezieher dieser Leistungen dem Leistungsträger die Beiträge zu ersetzen, soweit die Entscheidung über die Leistung rückwirkend aufgehoben und die Leistung zurückgefordert worden ist. Für die Beiträge der Bundesagentur für Arbeit zur Pflegeversicherung für Versicherungspflichtige nach § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB XI ist diese Regelung entsprechend anzuwenden (vgl. § 335 Abs. 5 SGB III).

§ 335 Abs. 1 Abs. 1 SGB III begründet einen speziellen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch. Die Vorschrift entspricht der Vorgängerregelung in § 157 Abs. 3a des Arbeitsförderungsgesetzes, die mit Wirkung vom 1. Januar 1993 eingeführt wurde (vgl. Artikel 1 Nr. 31 des Gesetzes vom 18. Dezember 1992, BGBl. I S. 2044). Es sollte die Rückforderung von Krankenversicherungsbeiträgen im Fall der (berechtigten) Rückforderung von Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe oder Unterhaltsgeld ermöglicht werden. Für eine solche Rückforderung bestand zuvor weder öffentlich-rechtlich noch zivilrechtlich eine Rechtsgrundlage (vgl. Düe, in: Brand, SGB III, 6. Aufl. 2012, § 335 RdNr. 4 unter Verweis auf die Urteile des BSG vom 30. Januar 1990, 11 RAr 87/88, und vom 10. August 2000, B 11 AL 119/99 R; Eicher/Greiser, in: Eicher, SGB II, 3. Aufl. 2013, § 40 RdNr. 135).

Unproblematisch ist damit eine Rückforderung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen für Zeiträume, in denen rechtswidrig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts erbracht wurden und sich die Rückforderung aus § 45 oder § 48 SGB X i. V. m. § 50 Abs. 1 SGB X ergibt (vgl. Düe, a. a. O, § 335 Rdnr. 6 ff.; Aubel, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 3. Aufl. 2012, § 40 RdNr. 94; Conradis, in: Münder, SGB II, 5. Aufl. 2013, § 40 RdNr. 23; Eicher/Greiser, a. a. O., § 40 RdNr. 136).

Eine rückwirkende Aufhebung von Leistungen in diesem Sinne liegt aber nicht vor, wenn wie hier, nach einer vorläufigen Leistungsgewährung endgültig über den Leistungsanspruch entschieden wird. Der Beklagte hat hier keine Entscheidung nach § 40 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 SGB II a. F. i. V. m. § 45 oder § 48 SGB X sowie nach § 40 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 SGB II a. F. i. V. m. § 50 Abs. 1 SGB X getroffen. Die unmittelbare Anwendung von § 335 Abs. 1 Satz 1 SGB III scheidet also aus.

Auch die analoge Anwendung von § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1a SGB II a. F. i. V. m. § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III oder § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II a. F. i. V. m. § 335 Abs. 1 Satz 1 SGB III kommt hier nicht in Betracht.

Eine Analogie setzt das Bestehen einer planwidrigen Regelungslücke voraus (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 2013, B 1 KR 71/12 R, SozR 4-7610 § 204 Nr. 2 RdN r. 22 m. w. N.). An einer solchen fehlt es im Falle von § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1a SGB II a. F. i. V. m. § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III. Denn der Gesetzgeber hat in § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III nur die Erstattung von Geldleistungen geregelt, während er mit der Vorschrift von § 335 SGB III eine für die Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen geltende Regelung geschaffen hat. Er hat damit zum Ausdruck gebracht, dass zwischen den Begriffen Leistungen und Beiträge und den sie betreffenden Regelungen unterschieden werden soll. Diese gesetzgeberische Grundentscheidung darf nicht durch eine Rechtsanalogie umgangen werden.

Sofern es rechts- oder sozialpolitisch geboten erscheinen sollte, nicht nur Geldleistungen, sondern auch Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge, die die Bundesagentur für Arbeit oder ein kommunaler Träger der Grundsicherung wegen einer vorläufigen Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II gezahlt hat, unter erleichterten Voraussetzungen zurückfordern zu können, obliegt es dem Gesetzgeber, solche Regelungen zu schaffen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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