S 62 SO 444/14

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Dortmund (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
62
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 62 SO 444/14
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid vom 28.06.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.09.2014 und des Änderungsbescheides vom 28.09.2014 wird abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB XII unter Berücksichtigung von Unterkunftskosten i.H.v. 321,- EUR pro Monat zu gewähren. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Beklagte hat der Klägerin die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Die Berufung wird zugelassen. Die Sprungrevision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt höhere Leistungen für die Unterkunft im Rahmen der Grundsiche-rung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe (SGB XII).

Die im Jahr 1936 geborene Klägerin hat vier Kinder und ist geschieden. Sie verfügt über einen Schwerbehindertenausweis mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 100 und den Merkzeichen G und RF. Die gesundheitlichen Einschränkungen bestehen in einem Augenleiden, einem Wirbelsäulen-Syndrom und einem Hüftleiden.

Die Klägerin bezog ab dem 01.07.2013 eine Altersrente i.H.v. 597,59 EUR. Sie wohnte zu-nächst in Olsberg und erhielt bereits dort ergänzende Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB XII.

Die Klägerin zog dann zum 01.07.2014 nach Brilon um, weil dort auch eine Tochter lebt, von der sie Unterstützung erfährt. Sie mietete eine Erdgeschosswohnung an, nach dem Mietvertrag und der vorgelegten Mietbescheinigung beträgt die Wohnfläche 65 qm. Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat die Klägerin eine Heizkostenabrechnung vorgelegt, wonach die Wohnfläche lediglich 56 qm beträgt. Die Miete beläuft sich auf 300,- EUR und die Abschläge für die Neben- und Heizkosten betragen jeweils 70,- EUR. Die Klägerin bewohnt die Wohnung allein, eine Zustimmung zur Anmietung hat sie bei der Beklagten nicht eingeholt.

Auf den Antrag vom 02.06.2014 bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 28.06.2014 Leistungen der Grundsicherung für den Zeitraum 01.07.2014 bis 30.06.2015. Die Miete kürzte sie um 68,51 EUR und den Abschlag für die Nebenkosten um 15,99 EUR, so dass insge-samt Unterkunftskosten i.H.v. 285,50 EUR bewilligt wurden. Der Abschlag für die Heizkosten wurde in voller Höhe anerkannt.

Die Klägerin legte gegen den Bescheid am 28.07.2014 Widerspruch ein. Diesen begrün-dete sie damit, dass die vorgenommenen Kürzungen nicht rechtmäßig seien, da die Auf-wendungen für die Unterkunft angemessen seien.

Am 04.09.2014 legte die Klägerin einen neuen Rentenbescheid vor, der Zahlbetrag hatte sich aufgrund der sog. Mütterrente für vier Kinder auf 710,27 EUR erhöht.

Der Widerspruch der Klägerin wurde mit Widerspruchsbescheid vom 24.09.2014 zurück-gewiesen. Zur Begründung führte der Hochsauerlandkreis aus, dass die Klägerin keinen weitergehenden Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung habe. Der Regelsatz und der Mehrbedarf seien in gesetzlicher Höhe bewilligt worden. Es sei aufgrund einer Analyse des örtlichen Wohnungsmarktes ein schlüssiges Konzept entwickelt worden und danach seien für eine alleinstehende Person in der Stadt Brilon Unterkunftskosten i.H.v. 285,50 EUR angemessen. Diese seien der Klägerin bewilligt worden, so dass kein weitergehender Anspruch bestehe.

Mit Bescheid vom 28.09.2014 änderte die Beklagte die Bewilligung insoweit ab, als sie ab dem 01.10.2014 die neue Rente i.H.v. 710,27 EUR auf die Leistungen anrechnete. Im Übri-gen blieb es bei den bisherigen Festsetzungen.

Die Klägerin hat am 20.10.2014 Klage erhoben. Diese begründet sie damit, dass ihre Unterkunftskosten vollständig zu übernehmen seien. Der Umzug nach Brilon sei erforderlich gewesen, da sie zum einen aufgrund ihrer Erkrankungen die Treppen zu der alten Wohnung nicht mehr habe bewältigen können. Sie sei bereits mehrfach gestürzt. Zum anderen habe sie in die Nähe ihrer Tochter ziehen müssen, die wesentlich zu ihrer Versorgung beitrage. Die Wohnung habe sie nach bestimmten Kriterien ausgesucht, nämlich in der Nähe der Tochter gelegen, ebenerdig und mit einem passenden sozialen Umfeld. Eine günstigere Wohnung, die gleichzeitig diese Kriterien erfülle, sei in Brilon nicht zu finden gewesen. Das von der Fa. XXX im Auftrag des Hochsauerlandkreises erstellt Konzept entspreche nicht den Vorgaben des BSG. Darüber hinaus sei es auch nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht worden.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 28.06.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.09.2014 und des Änderungsbescheides vom 28.09.2014 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, die Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB XII unter Berücksichtigung der tatsächlichen Unterkunftskosten zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die angefochtenen Bescheide, die sie für rechtmäßig hält. Die Klägerin habe keinen weitergehenden Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB XII. Das von der Fa. XXX im Auftrag des Hochsauerlandkreises erstellt Konzept entspreche den Vorgaben des BSG. Die Beklagte beantragt darüber hinaus die Zulassung der Berufung und der Sprungrevision zum BSG.

Das Gericht hat das von der Fa.XXX im Auftrag des Hochsauerlandkreises erstellte Kon-zept beigezogen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Konzept Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten, die vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gem. § 54 Abs. 1 und 4 SGG i.V.m. § 56 SGG statthaft, denn die Klägerin begehrt nicht allein die Abänderung der Bescheide, sondern zugleich die Gewährung höherer Leistungen für die Unterkunft. Sie konnte ihr Begehren in zulässiger Weise auf diese Leistungen im Rahmen der Grundsi-cherung nach dem SGB XII beschränken, da es sich bei den Leistungen für Unterkunft und Heizung um einen abtrennbaren Streitgegenstand handelt (vgl. BSG, Urteil vom 17.12.2015 - B 8 SO 10/14 R m.w.N.). Die Begrenzung des Streitgegenstands in zeitlicher Hinsicht folgt aus dem Bewilligungszeitraum (vgl. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB XII). Der Ände-rungsbescheid vom 28.09.2014 ist gem. § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfah-rens, obwohl er zeitlich nach dem Widerspruchsbescheid erlassen wurde (vgl. BSG, Urteil vom 12.05.1993 –7 RAr 56/92). Bescheide für folgende Bewilligungszeiträume sind nicht nach § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden (vgl. BSG, Urteil vom 17.12.2015 - B 8 SO 10/14 R).

Der Bescheid vom 28.06.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.09.2014 und des Änderungsbescheides vom 28.09.2014 erweist sich als rechtswidrig, denn die Klägerin hat einen Anspruch auf Unterkunftskosten i.H.v. 321,- EUR pro Monat. Soweit die Klägerin einen weitergehenden Anspruch geltend macht, ist die Klage unbegründet und war somit im Übrigen abzuweisen.

Der Anspruch der Klägerin beruht auf § 41 Abs. 1 Satz 1 SGB XII in der bis zum 31.12.2015 geltenden Fassung. Nach dieser Vorschrift ist älteren und dauerhaft voll er-werbsgeminderten Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht aus Einkommen und Vermögen nach den §§ 82 bis 84 und 90 bestreiten können, auf Antrag Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zu leisten. Die Klägerin erfüllt diese Voraussetzungen, denn sie hat die Altersgrenze des § 41 Abs. 2 SGB XII erreicht, ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und kann ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht aus Einkommen und Vermögen bestreiten. Dies gilt auch nach der Bewilligung der sog. Mütterrente für vier Kinder, da der Zahlbetrag von 710,27 EUR den Bedarf weiterhin nicht deckt. Den not-wendigen Antrag auf Grundsicherung hat die Klägerin am 02.06.2014 bei der Beklagten gestellt.

Zu den Leistungen der Grundsicherung gehören nach § 42 Nr. 4 SGB XII in der bis zum 31.12.2015 geltenden Fassung die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Vierten Abschnitt des Dritten Kapitels. Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB XII in der bis zum 31.12.2015 geltenden Fassung werden Leistungen für die Unterkunft grundsätzlich in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht. Im Falle eines Umzuges haben Leis-tungsberechtigte nach § 35 Abs. 2 Satz 3 SGB XII vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft den dort zuständigen Träger der Sozialhilfe über die nach den Sät-zen 1 und 2 maßgeblichen Umstände in Kenntnis zu setzen. Nach Satz 4 ist der Träger der Sozialhilfe nur zur Übernahme angemessener Aufwendungen verpflichtet, es sei denn, er hat den darüber hinausgehenden Aufwendungen vorher zugestimmt.

Die Klägerin hat die Beklagte vor dem Abschluss des Mietvertrages über die neue Woh-nung in Brilon nicht über die Höhe der entstehenden Aufwendungen in Kenntnis gesetzt, sondern sie hat den Vertrag erst vorgelegt, als er schon unterschrieben war. Dementsprechend hat die Beklagte zu den Aufwendungen auch keine Zustimmung erteilt. Die Klägerin hat damit gem. § 35 Abs. 2 Satz 4 SGB XII lediglich einen Anspruch auf Übernahme angemessener Unterkunftskosten.

Der für das Sozialhilferecht zuständige 8. Senat des BSG hat sich hinsichtlich der Ange-messenheit der Unterkunftskosten der Rechtsprechung der für die Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II zuständigen Senate des BSG angeschlossen (vgl. Urteil vom 23.03.2010 - B 8 SO 24/08 R). Die Kammer zieht daher zur Auslegung des § 35 SGB XII ebenfalls die Rechtsprechung zum SGB II heran (vgl. allgemein zur Notwendigkeit einer Harmonisierung zwischen SGB II und SGB XII: Coseriu, in: Bender/Eicher, Sozialrecht - eine Terra incognita, 2009, 225, 255 f.; Stölting/Greiser, SGb 2010, 631 ff.).

Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneinge-schränkten richterlichen Kontrolle (vgl. BSG, Urteil vom 16.06.2015 - B 4 AS 44/14 R).

Die Angemessenheitsprüfung hat unter Berücksichtigung des allgemeinen Gleichheitssatzes nach einheitlichen Kriterien zu erfolgen. Das Rechtsstaatsprinzip fordert die Verlässlichkeit und Vorhersehbarkeit der Begrenzung. Zur Konkretisierung der Angemessenheitsgrenze ist daher auf einer ersten Stufe eine abstrakte (sog. abstrakte Angemessenheit) und auf einer zweiten Stufe eine konkret-individuelle Prüfung (sog. konkrete Angemessenheit) vorzunehmen (vgl. BSG, Urteil vom 10.09.2013 – B 4 AS 77/12 R). Zur Festlegung der abstrakt angemessenen Leistungen für die Unterkunft ist zunächst die angemessene Wohnungsgröße (dazu unter 1.) und der maßgebliche örtliche Vergleichsraum (dazu unter 2.) zu ermitteln. Alsdann ist zu ermitteln, wie viel auf diesem Wohnungsmarkt für eine einfache Wohnung aufzuwenden ist (dazu unter 3). Angemessen ist eine Wohnung nur dann, wenn sie nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist, wobei es genügt, dass das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, angemessen ist (vgl. BSG, Urteil vom 16.06.2015 - B 4 AS 44/14 R). Nach der Festlegung der abstrakten Angemessenheit schließt sich die konkret-individuelle Prüfung an (dazu unter 4.).

1. Die abstrakt angemessene Wohnungsgröße beträgt 50 qm. Nach der Rechtsprechung des BSG ist zur Bestimmung der Angemessenheit der Wohnungsgröße auf die Werte zurückzugreifen, welche die Länder aufgrund des § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung (WoFG) festgesetzt haben (vgl. BSG, Urteil vom 10.09.2013 – B 4 AS 77/12 R). Das sind in Nordrhein-Westfalen die mit dem Runderlass des Ministeriums für Bauen und Verkehr vom 12.12.2009 erlassenen Wohnraumnutzungsbestimmungen (MBl. NRW 2010, 1). Maßgeblich sind daher ab dem 01.01.2010 die in Nr. 8.2 der Wohnraumnutzungsbestimmungen angesetzten Werte für Wohnflächen (vgl. LSG NRW, Urteil vom 29.10.2015 – L 7 AS 1310/11). Danach beträgt die angemessene Wohnungsgröße für eine alleinstehende Person 50 qm.

Offen bleiben kann im vorliegenden Verfahren, wie groß die Wohnung der Klägerin tat-sächlich ist. Insoweit bestehen Unsicherheiten, da die Wohnfläche im Mietvertrag und in der vorgelegten Mietbescheinigung mit 65 qm angegeben ist. Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat die Klägerin dann eine Heizkostenabrechnung vorgelegt, wonach die Wohnfläche lediglich 56 qm beträgt. Weitere Ermittlungen waren insoweit nicht erforder-lich, da die Angemessenheit der Unterkunftskosten nicht davon abhängt, ob und ggf. in welchem Umfang die angemessene Wohnungsgröße überschritten wird. Nach der sog. Produkttheorie des BSG genügt es, dass das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, angemessen ist (vgl. BSG, Urteil vom 16.06.2015 - B 4 AS 44/14 R). Der Leistungsberechtige kann also durchaus auch eine größere Wohnung anmieten, wenn die dadurch entstehenden Kosten im Rahmen des Angemessenen bleiben.

2. Der örtliche Vergleichsraum ist nicht nur die Stadt Brilon. Als örtlicher Vergleichsraum ist in erster Linie der Wohnort des Leistungsberechtigten maßgebend, ohne dass hierfür der kommunalverfassungsrechtliche Begriff der "Gemeinde" entscheidend sein muss. Bei besonders kleinen Gemeinden, etwa im ländlichen Raum, die über keinen repräsentativen Wohnungsmarkt verfügen, kann es geboten sein, größere Gebiete als Vergleichsmaßstab zusammenzufassen. Entscheidend ist es, für die repräsentative Bestimmung des Mietpreisniveaus ausreichend große Räume der Wohnbebauung zu beschreiben, die aufgrund ihrer räumlichen Nähe zueinander, ihrer Infrastruktur und insbesondere ihrer verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bilden (vgl. BSG, Urteil vom 12.12.2013 – B 4 AS 87/12 R). Nach dieser Rechtsprechung war es also nicht erforderlich, die Stadt Brilon als eigenen Vergleichsraum zu betrachten, sondern sie konnte aufgrund ihrer geringen Einwohnerzahl von ca. 25.000 mit anderen Städten und Gemeinden zusammengefasst werden. Der Hochsauerlandkreis hat insgesamt ca. 260.000 Einwohner und könnte daher durchaus einen einheitlichen Vergleichsraum bilden, da nach der Rechtsprechung des BSG selbst Großstädte mit mehreren Millionen Einwohnern nicht unterteilt werden brauchen (so zur Stadt München: BSG, Urteil vom 10.09.2013 – B 4 AS 77/12 R). Dies hätte jedoch nicht zu sachgerechten Ergebnissen geführt, da sich die Städte und Gemeinden im Hochsauerlandkreis nach ihrer Struktur deutlich voneinander unterscheiden und es somit keinen einheitlichen Wohnungsmarkt gibt. Die XXX ist daher einen Mittelweg gegangen, indem sie in ihrem Konzept nicht den gesamten Hochsauerlandkreis als Vergleichsraum für die Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten in Brilon zugrunde gelegt hat, sondern es sind sog. Wohnungsmarkttypen gebildet worden. Dabei handelt es sich dann um den jeweiligen Vergleichsraum (a.A. offenbar LSG Thüringen, Urteil vom 08.07.2015 - L 4 AS 718/14, wonach der Kreis weiterhin der Vergleichsraum sein soll, auch wenn Wohnungsmarktty-pen gebildet werden).

Die Bildung der Wohnungsmarkttypen erfolgte mit Hilfe einer sog. Clusteranalyse. Dabei ist anhand von vordefinierten Kriterien ermittelt worden, dass sich der Wohnungsmarkt in bestimmten Städte und Gemeinden ähnelt, so dass diese zusammengefasst wurden. Im Ergebnis sind dann drei Wohnungsmarkttypen gebildet worden, wobei die Stadt Arnsberg einen eigenen Typ bildet, da sie sich mit keiner anderen Stadt oder Gemeinde im Kreisgebiet vergleichen lässt. Die Stadt Brilon zählt zum Wohnungsmarkttyp II, dem die meisten Städte und Gemeinden des Hochsauerlandkreises angehören. Neben Brilon sind dies noch Bestwig, Eslohe, Hallenberg, Marsberg, Medebach und Olsberg.

Die Kammer hat gegen diese Vorgehensweise keine grundsätzlichen Bedenken. Wenn man den gesamten Hochsauerlandkreis als Vergleichsraum zugrunde gelegt hätte, so wäre eine durchschnittliche Angemessenheitsgrenze ermittelt worden, die z.B. für die Stadt Arnsberg zu niedrig und für die kleineren Städte und Gemeinden zu hoch ausgefallen wäre. Vor diesem Hintergrund erscheint es sinnvoll, vergleichbare Städte und Gemeinden zusammenzufassen und dann jeweils getrennt die Angemessenheitsgrenzen festzulegen. Auch gegen die von der XXX durchgeführte Clusteranalyse bestehen keine grundsätzlichen Bedenken, da es sich dabei um eine sachgerechte Methode handelt, um die Vergleichbarkeit festzustellen. Der Umstand, dass die Städte und Gemeinden des Wohnungsmarkttyps II nicht alle räumlich miteinander verbunden sind, ist nach Auffassung der Kammer grundsätzlich unbedenklich. Denn die Festlegung des Vergleichsraums ist nicht gleichbedeutend damit, dass die Leistungsberechtigten auf alle Wohnungen aus diesem Bereich verwiesen werden können. Es geht zunächst um die Ermittlung der abstrakt angemessenen Unterkunftskosten und da können auch weiter entfernt liegende Städte und Gemeinden zusammengefasst werden. Der maßgebende noch zumutbare Wohnbereich kann im Hinblick auf das soziale Umfeld unter Umständen enger zu begrenzen sein als das Gebiet, das im Hinblick auf die Mietpreishöhe als Vergleichsmaßstab herangezogen wurde (vgl. BSG, Urteil vom 18.06.2008 - B 14/7b AS 44/06 R). Die Frage, ob ein Umzug zumutbar ist und welche Städte dafür ggf. in Betracht kommen, um das soziale Umfeld zu erhalten, ist jedoch erst auf der Ebene der konkreten Angemessenheit zu prüfen (dazu unter 4.).

3. Die Ermittlung der Angemessenheitsgrenze entspricht nicht den Vorgaben des BSG. Zur Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Angemessenheit der Unterkunft muss der abstrakt als angemessen anzuerkennende Mietpreis unter Berücksichtigung der örtlichen Besonderheiten ermittelt werden (sog. "Referenzmiete"). Erforderlich dazu sind überprüfbare Erhebungen und Auswertungen, die eine hinreichende Gewähr dafür bieten, dass sie die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Wohnungsmarkts wiedergeben (sog. "schlüssiges Konzept", vgl. BSG, Urteil vom 29.04.2015 - B 14 AS 6/14 R).

Die Kammer hat im vorliegenden Verfahren die Datenerhebung und -auswertung der XXX nicht im Einzelnen überprüft (vgl. zu einem vergleichbaren Konzept ausführlich: LSG Thüringen, Urteil vom 08.07.2015 - L 4 AS 718/14). Grundsätzliche Bedenken bestehen allerdings auch insoweit nicht, wobei diese Frage im vorliegenden Verfahren offen bleiben kann, da das Konzept an einem anderen Punkt nicht den Vorgaben des BSG entspricht.

Nach der Rechtsprechung des BSG kann ein schlüssiges Konzept sowohl auf Wohnun-gen aus dem Gesamtwohnungsbestand (einfacher, mittlerer, gehobener Standard) als auch auf Wohnungen nur einfachen Standards abstellen. Legt der Grundsicherungsträger seiner Datenerhebung nur die Wohnungen so genannten einfachen Standards zu Grunde, muss er nachvollziehbar offen legen, nach welchen Gesichtspunkten er dabei die Auswahl getroffen hat. In diesem Fall ist als Angemessenheitsgrenze der Spannenoberwert, d.h. der obere Wert der ermittelten Mietpreisspanne zu Grunde zu legen (vgl. BSG, Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 18/09 R). Wenn die Angemessenheitsgrenze aufgrund des Gesamtwohnungsbestandes ermittelt wird, ist eine Kappungsgrenze festzulegen, d.h. es muss definiert werden, welcher Quadratmeterpreis noch angemessen ist und welcher nicht mehr.

Die XXX hat sich in ihrem Konzept dafür entschieden, die Angemessenheitsgrenze auf der Grundlage des Gesamtwohnungsbestandes zu ermitteln. Die alleinige Erhebung der Mieten im unteren Wohnungsmarktsegment könne aus erhebungstechnischer Sicht und aufgrund der notwendigen Gewährleistung einer Versorgungssicherheit nicht mit einem vertretbaren Aufwand realisiert werden (vgl. S. 20 des Konzepts). Theoretisch sei es mög-lich, eine Definition der Angemessenheit auf Basis einer Auflistung vorzunehmen, über welche Ausstattungsmerkmale, in welcher Qualität eine Wohnung maximal verfügen dürfe, um angemessen zu sein. Dies sei in der empirischen Praxis jedoch nicht umsetzbar, da dann ein differenzierter Katalog mit Ausstattungsmerkmalen sowie deren jeweiliger Gewichtung erstellt und dieser dann für jede potentiell infrage kommende Wohnung abgeprüft werden müsste. Dieser Erhebungsaufwand sei in der Regel nicht realisierbar, zumal die Teilnahme an der Erhebung freiwillig sei. Dazu komme noch das Problem, dass auf diese Weise nicht die Versorgung aller Bedarfsgemeinschaften sichergestellt werden könne, so dass der Ausstattungskatalog dann ggf. noch angepasst werden müsse.

Vor diesem Hintergrund hat sich die XXX entschieden, den Gesamtwohnungsmarkt des jeweiligen Wohnungsmarkttyps zu ermitteln und dann eine Kappungsgrenze festzulegen. Dies erfolgt in einem sog. iterativen Verfahren, in dem ein bestimmter Anteil an den Bestandsmieten so lange erhöht wird, bis ein ausreichendes Angebot an Wohnraum zur Verfügung steht, um den Bedarf der Nachfragergruppen im unteren Segment zu decken. Die Nachfrager im unteren Segment setzen sich nach dem Konzept aus den Bedarfsgemeinschaften nach dem SGB II und SGB XII, den Wohngeldemp-fängern und den sonstigen Nachfragern zusammen. Bei den letztgenannten handelt es sich z.B. um Personen mit Einkommen knapp über der Grundsicherungsschwelle und Studierende. Nach dem Konzept haben die sonstigen Nachfrager einen Anteil von 10% der Haushalte.

Die Festlegung der Kappungsgrenze erfolgt hier also nicht rein normativ, indem z.B. die unteren 20% oder 30% der ermittelten Wohnungen als angemessen angesehen werden. Vielmehr wird die Kappungsgrenze aus einer bestimmten Nachfrage nach günstigem Wohnraum abgeleitet. Dies bedeutet, dass die Nachfrageseite bereits im Rahmen der abstrakten Angemessenheit einbezogen wird.

Das BSG hat eine solche Herangehensweise ausdrücklich gebilligt. Im Rahmen der Me-thodenfreiheit sei es zulässig, die angemessene Bruttokaltmiete unter Einbeziehung der Nachfrageseite abzuleiten (vgl. BSG, Urteil vom 18.11.2014 – B 4 AS 9/14 R, Rn. 22). Es bestünden keine Bedenken grundsätzlicher Art gegen den methodischen Ansatz, die Referenzmiete z.B. auf der Basis der Daten eines qualifizierten Mietspiegels sowie des Verhältnisses zwischen den Häufigkeiten angemessener verfügbarer Wohnungen (Angebotsseite) und versorgungsbedürftiger Bedarfs- und Einstandsgemeinschaften nach dem SGB II und dem SGB XII (Nachfrageseite) zu ermitteln.

Nach der Auffassung der Kammer ist es sogar zwingend erforderlich, die Nachfrageseite bereits bei der Festlegung der abstrakten Angemessenheit einzubeziehen. Das BSG hat es zwar abgelehnt, persönliche Lebensumstände des Leistungsberechtigten (wie z.B., dass er alleinerziehend oder schwerbehindert ist) im Rahmen der abstrakten Angemes-senheit der Kosten (auch soweit sie in einem bestimmten Raumbedarf Ausdruck finden) zu berücksichtigen, da sich solche Umstände nicht abstrakt erfassen ließen. Sie seien vielmehr bei der Frage zu prüfen, ob dem Leistungsberechtigten, dessen individuelle Kosten im Einzelfall die abstrakten Angemessenheitsgrenzen überschreiten, ein Umzug in eine kostenangemessene Wohnung konkret möglich und zumutbar sei (vgl. BSG, Urteil vom 22.08.2012 – B 14 AS 13/12 R, SGb 2013, 539 ff. mit kritischer Anmerkung Stölting). Dies bedeutet indes nicht, dass die Angemessenheitsgrenze vollkommen unabhängig von der Möglichkeit, eine angemessene Wohnung zu finden, festgelegt werden könnte. Denn es ergibt keinen Sinn, abstrakte Richtwerte festzulegen, zu denen der aktuelle Wohnungsmarkt konkret keine Wohnungen in ausreichender Zahl vorhält (vgl. LSG Sachsen, Urteil vom 19.12.2013 – L 7 AS 637/12, Rn. 147). Es muss vielmehr gewährleistet sein, dass nach der Struktur des örtlichen Wohnungsbestandes alle Leistungsberechtigten am Ort tatsächlich die Möglichkeit haben, mit den als angemessen bestimmten Beträgen eine bedarfsgerechte, menschenwürdige Unterkunft anmieten zu können; zu diesem Preis muss auf dem örtlichen Wohnungsmarkt hinreichend angemessener freier Wohnraum verfügbar sein (vgl. Berlit, in: LPK-SGB II, 5. Aufl. 2013, § 22, Rn. 57; Malottki, info also 2012, 99, 105).

Mit der Berücksichtigung der Nachfrageseite bereits bei der Festlegung der abstrakten Angemessenheit lässt sich auch dem Problem des sog. "verschlossenen Mietwohnungs-marktes" begegnen. Ein solcher liegt vor, wenn es tatsächlich erschwert ist, überhaupt Wohnraum anzumieten, z.B. weil es aufgrund einer hohen Eigentumsquote insgesamt nur wenige Mietangebote gibt oder die Zahl der Interessenten größer ist als die der angebotenen Wohnungen (vgl. Knickrehm, Soziale Sicherheit 2015, 287, 291). Auch ein solcher Umstand ist bei der Erstellung des schlüssigen Konzepts zu berücksichtigen, denn es kommt darauf an, dass der Unterkunftsbedarf der Leistungsberechtigten tatsächlich gedeckt werden kann und dies ist nur dann möglich, wenn angemessener Wohnraum konkret zur Verfügung steht. Auch dies spricht dafür, dass die Angemessenheitsgrenze nach Wohnungsgrößen differenziert empirisch abgeleitet werden muss und nicht lediglich normativ gesetzt werden kann (vgl. Knickrehm, Soziale Sicherheit 2015, 287, 292).

Bei den Nachfragern nach günstigem Wohnraum handelt es sich nicht nur um die Leis-tungsberechtigten nach dem SGB II und SGB XII sowie die Wohngeldempfänger, sondern es sind auch sonstige Personen mit geringem Einkommen zu berücksichtigen, z.B. Beschäftigte mit Einkommen knapp über der Grundsicherungsschwelle und Studierende. Es ist also auch die sog. Nachfragekonkurrenz zu ermitteln, da sie bei der Festlegung der Angemessenheitsgrenze zu berücksichtigen ist. Davon ist auch die XXX in dem vorliegenden Konzept ausgegangen, die konkrete Umsetzung ist jedoch mangelhaft, da die sonstigen Nachfrager im Hochsauerlandkreis nicht ermittelt worden sind. Das Konzept geht davon aus, dass die sonstigen Nachfrager einen Anteil von 10% der Haushalte haben. Diese Zahl basiert auf dem Forschungsprojekt "Kosten der Unterkunft und die Wohnungsmärkte" des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR) aus dem Jahr 2009 (Heft 142 in der Schriftenreihe "Forschungen" - herausgegeben vom Bundesministerium für Verkehr, Bauwesen und Stadtentwicklung (BMVBS), abrufbar unter: www.bbr.bund.de). Auf der Seite 12 des Endberichts wird angegeben, dass es bundesweit 2,983 Millionen Haushalte unter der Armutsrisikogrenze gebe, die weder Mindestsicherung noch Wohngeld bezögen, das sei ein Anteil von 7,5%. Die Zahlen stammen aus dem Jahr 2006. Im Schriftsatz vom 08.09.2015 hat die Beklagte erläuternd mitgeteilt, dass die sonstigen Nachfrager durch die amtliche Statistik nicht erfasst würden und auch nicht ermittelt werden könnten. Man habe daher den bundesweiten Anteil zugrunde gelegt und für das Konzept auf 10% angehoben, es handele sich dabei um einen Sicherheitsaufschlag.

Diese Daten sind nach der Auffassung der Kammer nicht geeignet, um die Angemessen-heitsgrenze festzulegen. Das schlüssige Konzept muss eine hinreichende Gewähr dafür bieten, dass die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Wohnungsmarkts wiedergegeben werden (vgl. BSG, Urteil vom 29.04.2015 - B 14 AS 6/14 R). Dies ist jedoch nicht der Fall, wenn Zahlen aus einer bundesweiten Erhebung verwendet werden. Darüber hinaus sind die Daten mittlerweile auch total veraltet, da sie im Jahr 2006 erhoben wurden. Sie sind daher offensichtlich nicht geeignet, um die Angemessenheitsgrenze im Jahr 2014 zu bestimmen.

Das LSG Sachsen hatte in einem vergleichbaren Fall darauf hingewiesen, dass die überregional gewonnenen Daten des Mikrozensus 2006 nicht hinreichende Gewähr dafür bieten, dass die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Wohnungsmarkts wiedergeben werden (vgl. LSG Sachsen, Urteil vom 19.12.2013 - L 7 AS 637/12). Das von dem zuständigen Grundsicherungsträger beauftragte Institut hatte daraufhin eine Sonderauswertung der Kommunalen Bürgerumfrage aus dem Jahr 2010 zugrunde gelegt. Es ist also im gerichtlichen Verfahren eine Nachbesserung erfolgt, die schließlich dazu geführt hat, dass das schlüssige Konzept sowohl vom LSG Sachsen, als auch im anschließenden Revisionsverfahren vom BSG bestätigt wurde (vgl. BSG, Urteil vom 18.11.2014 - B 4 AS 9/14 R). Das BSG weist in seiner Entscheidung noch einmal darauf hin, dass das beauftragte Institut nach Aufforderung durch das LSG Nachbesserungen am Konzept vorgenommen habe, u.a. die Ermittlung der Nachfragekonkurrenz anhand der kommunalen Bürgerumfrage und nicht anhand des Mikrozensus (vgl. Rn. 24 des Urteils).

In gleicher Weise hätte auch das vorliegende Konzept von der XXX nachgebessert wer-den müssen, indem die sonstigen Nachfrager ermittelt werden. Die Kammer hat die Be-klagte mit Verfügung vom 30.07.2015 darauf hingewiesen, dass die Nachfragergruppen im unteren Marktsegment auf der Grundlage der örtlichen Gegebenheiten ermittelt wer-den müssen und nicht auf der Grundlage des Bundesdurchschnitts und sie zur Nachbesserung des Konzepts aufgefordert. Die Beklagte hat dazu im Schriftsatz vom 08.09.2015 mitgeteilt, dass die sonstigen Nachfrager durch die amtliche Statistik nicht erfasst würden und auch nicht kleinräumig ermittelt werden könnten. Im anwaltlichen Schriftsatz der Beklagten vom 15.02.2016 ist dies noch einmal wiederholt worden. Diese Aussage ist jedoch offensichtlich nicht zutreffend, denn das Beispiel des LSG Sachsen (vgl. Urteil vom 19.12.2013 - L 7 AS 637/12) zeigt, dass sich die Daten auch im Ver-gleichsraum erheben lassen und daher nicht auf eine bundesweite Erhebung zurückgegriffen werden muss (kommunale Bürgerumfrage anstatt des Mikrozensus 2006).

Weitere Ermittlungen durch die Kammer waren nicht erforderlich. Nach der Recht-sprechung des BSG ist die umfassende Ermittlung der Daten sowie deren Auswertung im Sinne der Erstellung eines schlüssigen Konzepts Angelegenheit des Grundsicherungsträgers und bereits für die sachgerechte Entscheidung im Verwaltungsverfahren notwendig. Im Rechtsstreit muss der Grundsicherungsträger sein Konzept auf Anforderung durch das Gericht vorlegen. Entscheidet er ohne ein solches schlüssiges Konzept, ist er im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflicht nach § 103 Satz 1 2. Halbs. SGG gehalten, dem Gericht eine zuverlässige Entscheidungsgrundlage zu verschaffen und ggf. eine unterbliebene Datenerhebung und -aufbereitung nachzuholen. Liegen dennoch keine ausreichenden Daten vor, brauchen insbesondere für weit zurückliegende Zeiträume nicht unverhältnismäßig aufwändige Ermittlungen durchgeführt zu werden. Die Amtsermittlungspflicht der Tatsacheninstanzen ist in diesen Fällen begrenzt (vgl. BSG, Urteil vom 16.06.2015 - B 4 AS 44/14 R). So liegt der Fall auch hier, denn das von der Beklagten vorgelegte Konzept entspricht nicht den Anforderungen an ein schlüssiges Konzept im Sinne der Recht-sprechung des BSG (s.o.). Die Kammer hat die Beklagte daher aufgefordert, die notwen-digen Ermittlungen nachzuholen und das Konzept nachzubessern. Die Beklagte hat dazu mitgeteilt, dass sie die Erhebungen nicht durchführen könne. Vor diesem Hintergrund waren weitere Ermittlungen durch die Kammer nicht erforderlich, denn es ist nicht die Aufgabe des Gerichts, für die Beklagte ein schlüssiges Konzept zu erstellen. Die Kammer ist daher auch nicht dem Beweisantrag gefolgt, den der Prozessbevollmächtigte der Beklagten in der mündlichen Verhandlung gestellt hat. Wenn die Beklagte nunmehr doch zu der Überzeugung gelangt ist, dass sich die Nachfragergruppen nach günstigem Wohnraum im örtlichen Vergleichsraum ermitteln lassen, dann ist es ihre Aufgabe bzw. die des beauftragten Instituts, die notwendigen Ermittlungen durchzuführen.

Es lag somit zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ein sog. Erkenntnisausfall vor. In einer solchen Konstellation sind nach der Rechtsprechung des BSG grundsätzlich die tatsächlichen Aufwendungen zu übernehmen. Diese werden wiederum durch die Tabellenwerte zu § 12 WoGG im Sinne einer Angemessenheitsobergrenze gedeckelt, wobei die Werte um einen Sicherheitszuschlag von 10% zu erhöhen sind (vgl. BSG, Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 87/12 R). Die Stadt Brilon gehört zur Mietenstufe I und für diese Kommunen ist in § 12 WoGG in der bis zum 31.12.2015 geltenden Fassung für einen Ein-Personen-Haushalt ein Wert von 292,- EUR vorgesehen. Zzgl. des Sicherheitszuschlages von 10% ergibt sich eine Angemessenheitsgrenze von 321,- EUR, auf deren Grundlage die Kammer die Beklagte zur Leistungserbringung verurteilt hat.

4. Ein weitergehender Anspruch der Klägerin ergab sich auch nicht im Rahmen der kon-kret-individuellen Prüfung. Hier ist nach der Rechtsprechung des BSG zu prüfen, ob dem Leistungsberechtigten, dessen individuelle Kosten im Einzelfall die abstrakten Angemessenheitsgrenzen überschreiten, ein Umzug in eine kostenangemessene Wohnung konkret möglich und zumutbar ist (vgl. BSG, Urteil vom 22.08.2012 – B 14 AS 13/12 R). Dabei kommen nicht nur gesundheitliche Gründe in Betracht, wenn es um die Gründe für die "Unzumutbarkeit" von Kostensenkungsmaßnahmen (insbesondere durch Umzug) geht. Auch der Schutz des sozialen Umfeldes kann Kostensenkungsmaßnahmen unzumutbar machen. Aus solchen Umständen folgt allerdings im Regelfall kein Schutz der kostenunangemessenen Wohnung als solcher. Entsprechende Umstände schränken allenfalls die Obliegenheiten der Leistungsempfänger, die Kosten der Unterkunft zu senken, auf Bemühungen im näheren örtlichen Umfeld ein. Im vorliegenden Verfahren liegen besondere Umstände vor, die eine Kostensenkung zumindest erschweren. Diese bestehen zum einen in der Schwerbehinderung der Klägerin, aufgrund derer sie auf eine ebenerdige oder mit einem Aufzug ausgestattete Wohnung angewiesen ist. Zum anderen ist es aufgrund ihres Alters erforderlich, dass sie in der Nähe der Tochter wohnt, die wesentlich zu ihrer Versorgung beiträgt. Die Kammer kann daher gut nachvollziehen, dass die Klägerin bei der Wohnungssuche nur solche Wohnungen in Betracht gezogen hat, die diese Kriterien erfüllen. Möglicherweise ist es auch tatsächlich so gewesen, dass sich eine günstigere Wohnung, die gleichzeitig diese Kriterien erfüllt, zum Zeitpunkt des Umzuges nicht finden ließ. Dies hätte zur Konsequenz, dass die tatsächlichen Kosten angemessen wären und die Klägerin auch nicht zur Kostensenkung verpflichtet wäre.

Die Klägerin hat die neue Wohnung jedoch ohne die Zustimmung der Beklagten angemietet und damit gem. § 35 Abs. 2 Satz 4 SGB XII von Anfang an lediglich einen Anspruch auf Übernahme angemessener Unterkunftskosten. Eine Aufforderung zur Kostensenkung war daher gar nicht erforderlich. In einer solchen Konstellation muss sie dem Gericht konkret darlegen, dass sich eine günstigere Wohnung nicht finden ließ, denn nach der Rechtsprechung des BSG erlauben die zutreffenden Ermittlungen zur abstrakt angemessenen Referenzmiete den Anscheinsbeweis, dass Wohnungen zum Preis der abstrakt angemessenen Miete tatsächlich anmietbar sind (vgl. BSG, Urteil vom 22.08.2012 – B 14 AS 13/12 R, SGb 2013, 539 ff. mit kritischer Anmerkung Stölting). Im vorliegenden Verfahren ist die abstrakt angemessene Referenzmiete zwar nicht zutreffend ermittelt worden, denn es liegt kein schlüssiges Konzept vor (s.o.). Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Klägerin darlegen muss, dass sich auch zu der dann geltenden Angemessenheitsgrenze auf der Grundlage des WoGG eine passende Wohnung nicht finden ließ. Dieser Darlegungspflicht ist die Klägerin nicht nachgekommen. Sie hat zwar in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass sie gemeinsam mit ihrer Tochter eine Erdgeschosswohnung gesucht habe und eine günstigere als die jetzt angemietete nicht gefunden habe. Auf die Nachfrage des Gerichts, ob es noch Nachweise über die Wohnungssuche gibt, hat sie geantwortet, dass dies nicht der Fall ist. Damit hat die Klägerin ihrer Darlegungspflicht nicht genügt, denn es besteht für das Gericht keine Möglichkeit zu überprüfen, ob sie sich zum damaligen Zeitpunkt ausreichend um günstigeren Wohnraum bemüht hat und aus welchen Gründen dies ggf. gescheitert ist. Diese Frage lässt sich auch nicht mit einem Sachver-ständigengutachten klären, so dass die Kammer einem entsprechenden Beweisantrag des Beistandes der Klägerin, der in der mündlichen Verhandlung gestellt wurde, nicht nachgegangen ist.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Ver-fahrens.

6. Die Kammer hat die Berufung zugelassen. Dies war gem. § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG er-forderlich, denn die Kammer hat der Klage nur teilweise stattgegeben, so dass der Wert des Beschwerdegegenstandes für beide Seiten unter 750,- EUR liegt. Die Berufung war je-doch gem. § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Die Kammer misst insbesondere der Frage grundsätzliche Be-deutung bei, ob die Nachfragergruppen nach günstigem Wohnraum im örtlichen Ver-gleichsraum ermittelt werden müssen oder ob insoweit auf eine bundesweite Erhebung aus dem Jahr 2006 zurückgegriffen werden kann, um die Angemessenheitsgrenze im Jahr 2014 zu bestimmen. Diese Frage dürfte zwar durch das Urteil des BSG vom 18.11.2014 (B 4 AS 9/14 R) geklärt sein. Die Entscheidung bezieht sich jedoch auf eine Großstadt, so dass die Frage bleibt, ob im ländlichen Raum die gleichen Maßstäbe gelten.

7. Die Kammer hat die Sprungrevision nicht zugelassen. Im Hinblick auf die grundsätzli-che Bedeutung der Rechtssache wäre zwar gem. § 161 Abs. 2 SGG i.V.m. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG auch die Zulassung der Sprungrevision möglich gewesen. Die Entscheidung darüber steht jedoch im Ermessen der Kammer (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 161, Rn. 6). Die Kammer hat das Er-messen so ausgeübt, dass die Sprungrevision nicht zuzulassen war. Der Grund dafür liegt darin, dass die Beklagte durch ihren Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung deutlich gemacht hat, dass sie nunmehr auch Nachbesserungen an dem Konzept für notwendig und möglich hält. Dazu sind dann ggf. noch weitere Feststellungen erforderlich, die nur in einer Tatsacheninstanz getroffen werden können. Vor diesem Hintergrund erscheint es sachgerecht, zunächst das Berufungsverfahren durchzuführen-
Rechtskraft
Aus
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