L 2 P 39/13

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 9 P 20/13
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 P 39/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein Anspruch auf zusätzliche Betreuungsleistungen nach § 45b SGB XI setzt zumindest zeitweise häusliche Pflege voraus. Bei vollstationärer Unterbringung in einer Einrichtung für behinderte Menschen besteht daher kein Anspruch auf diese Leistungen. Die zeitweise Abwesenheit von der Einrichtung, z.B. im Rahmen von Freizeitaktivitäten, ist nicht mit häuslicher Pflege gleichzusetzen.
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 11.07.2013 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger Anspruch auf zusätzliche Betreuungsleistungen im Sinne von § 45 b Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) hat.

Der 1958 geborene Kläger ist als Rentner bei der Beklagten in der Sozialen Pflegeversicherung versichert. Er leidet an einer schweren geistigen Behinderung mit Hydrocephalus internus, Minderwuchs, Störungen von Grob- und Feinmotorik sowie Gangunsicherheit. Im Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 15.04.2004 wurden die Voraussetzungen für Pflegestufe II ab Juli 2003 festgestellt (Grundpflegebedarf 120 Min./Tag, Körperpflege 74 Min., Ernährung 18 Min., Mobilität 28 Min.).

Der Kläger wird seit Jahren in der vollstationären Einrichtung des X.-Stift in A-Stadt betreut, wobei die Kosten der Wohnheimunterbringung vom Bezirk Unterfranken als überörtlichem Träger der Sozialhilfe getragen werden. Die Beklagte übernimmt Kosten nach § 43a SGB XI.

Bereits mit Bescheid vom 11.08.2009 hatte die Beklagte einen Antrag der Betreuerin des Klägers auf zusätzliche Betreuungsleistungen bei starker Einschränkung der Alltagskompetenz gemäß § 45 b SGB XI abgelehnt, weil Anspruch auf zusätzliche Betreuungsleistungen nach der gesetzlichen Regelung nur bei häuslicher Pflege, nicht bei vollstationärer Pflege in einer Behinderteneinrichtung bestünden.

Am 08.10.2012 beantragte die Betreuerin des Klägers erneut die Gewährung zusätzlicher Betreuungsleistungen nach § 45 b SGB XI. Wegen demenzbedingter Fähigkeitsstörungen, geistiger Behinderung und psychischer Erkrankung sei der Kläger in seiner Alltagskompetenz in erhöhtem Maße eingeschränkt und habe erheblichen Betreuungs- und Beaufsichtigungsbedarf. Die beantragten zusätzlichen Betreuungsleistungen würden für niedrigschwellige Betreuungsangebote verwendet, die nach § 45 c SGB XI gefördert bzw. förderungsfähig seien.

Mit Bescheid vom 10.10.2012 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Anspruch auf zusätzliche Betreuungsleistungen nach § 45 b SGB XI i.V.m. § 45 a SGB XI hätten nur Pflegebedürftige, die sich in häuslicher Pflege befinden. Der Kläger werde aber nicht ambulant im häuslichen Umfeld, sondern vollstationär in einer Einrichtung der Behindertenhilfe gepflegt. Auch wenn bei ihm eine Einschränkung der Alltagskompetenz vorliege, habe er mangels häuslicher Pflege keinen Anspruch auf zusätzliche Betreuungsleistungen nach § 45 b SGB XI.

Zur Begründung des am 06.11.2012 eingelegten Widerspruchs machte die Betreuerin im Wesentlichen geltend, dass der Kläger regelmäßig an Behindertenfreizeiten außerhalb der Einrichtung teilnehme wie Tagesausflüge, Wochenfreizeiten oder sonstige Freizeitmaßnahmen und die Betreuung währenddessen selbst aus Ansparungen seines Taschengeldes bestreiten müsse, das durchschnittlich 100,- Euro im Monat betrage. Während dieser (krankheitsbedingten oder ferienbedingter) Abwesenheit von der Behinderteneinrichtung habe der Kläger Anspruch auf zusätzliche Betreuungsleistungen. Insofern müssten alle Pflegebedürftigen gleichbehandelt werden. Dass keine entsprechende Vereinbarung solcher Betreuungsmaßnahmen mit der Einrichtung getroffen worden seien bzw. dass die Einrichtung nicht als Pflegeheim zugelassen sei, dürfe nicht dazu führen, dass der Kläger keinen Anspruch auf die Betreuungspauschale für die Inanspruchnahme niedrigschwelliger Betreuungsangebote von zugelassenen Anbietern habe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 25.01.2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Beim Kläger finde keinerlei häusliche Pflege statt. Er sei vollstationär in der Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen untergebracht und erhalte die Leistung nach § 43a SGB XI.

Zur Begründung der am 13.02.2013 beim Sozialgericht Würzburg (SG) erhobenen Klage hat die Betreuerin im Wesentlichen auf Lücken zwischen ambulanter und stationärer Versorgung hingewiesen. Zwischenzeitlich bestünden nach der Rechtsprechung Ansprüche auf Leistungen der Krankenversicherung wie häusliche Krankenpflege auch in Behinderteneinrichtungen. Auf entsprechende Entscheidungen von Landessozialgerichten wurde verwiesen. Bei anderen Bewohnern würden die Pflegekassen die Kosten ersetzen, so dass auch Versicherungsschutz für Betreuer und Pflegebedürftigen bestünden. Auf die vorgelegten Leistungsvereinbarungen wird Bezug genommen.

Das SG hat nach Anhörung der Beteiligten die Klage mit Gerichtsbescheid vom 11.07.2013 abgewiesen. Anspruch auf zusätzliche Betreuungsleistungen hätten nach § 45 b Abs. 1 S. 1 SGB XI nur Versicherte, die die Voraussetzungen des § 45 a SGB XI erfüllen und damit nach § 45 a Abs. 1 S. 1 SGB XI (nur) Pflegebedürftige in häuslicher Pflege. Häusliche Pflege liege vor, wenn der Pflegebedürftige in seiner häuslichen Umgebung durch Angehörige oder Nachbarn betreut wird (vgl. § 3 S. 1 SGB XI). Gemäß § 36 Abs. 1 S. 2 SGB XI seien Leistungen der häuslichen Pflege auch zulässig, wenn der Pflegebedürftige nicht im eigenen Haushalt gepflegt werde, aber nicht, wenn Pflegebedürftige in einer stationären Pflegeeinrichtung oder in einer Einrichtung im Sinne des § 71 Abs. 4 SGB XI gepflegt werden. Die Voraussetzung der "häuslichen Pflege" sei beim Kläger, der vollstationär in einer Behinderteneinrichtung untergebracht und betreut wird, nicht erfüllt, auch wenn er zum geringen Teil Zeiten außerhalb der Einrichtung verbringt, z. B. bei Behindertenfreizeiten, Verwandtenbesuchen, Krankenhausaufenthalten oder ähnlichem. Denn auch dann fehle eine Pflege in häuslicher Umgebung. Für eine erweiternde oder verfassungskonforme Auslegung, so dass bei vollstationär untergebrachten Versicherten das Tatbestandsmerkmal der häuslichen Pflege bedeutungslos würde, sei auch unter Berücksichtigung der klägerischen Argumente angesichts des klaren und unmissverständlichen Wortlauts des § 45 a Abs. 1 S. 1 SGB XI und des § 36 Abs. 1 S. 2 SGB XI kein Raum.

Gegen den am 22.07.2013 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Betreuerin am 30.07.2013 Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen den bisherigen Vortrag wiederholt und vertieft. Bei Ferienfreizeiten, Tagesausflügen oder Krankenhausbehandlungen werde Pflege außerhalb der Einrichtung abgerufen. Der Kläger habe keinen Anspruch gegen die Behinderteneinrichtung auf zusätzliche Betreuungsleistungen. Darum habe er einen weiteren Leistungsanspruch auf Erstattung von Betreuungsleistungen gegenüber der Pflegekasse bzw. Drittanbietern. Das gelte auch für Betreuungsleistungen von Einrichtungen der Behindertenhilfe ohne Zulassung als niedrigschwelliger Dienstleister. Die Pflegekasse zahle hier keine Zuschläge für zusätzliche Betreuung und Aktivierung der Pflegebedürftigen nach § 87b SGB XI, weil die Einrichtung kein Pflegeheim sei. Ein Wegfall des Anspruchs auf zusätzliche Betreuungsleistungen bei stationärer Aufnahme sei eine vom Gesetzgeber nicht gewollte Gesetzeslücke, die den Gleichheitsgrundsatz verletze. Für einen weiteren Bewohner seien für einen stationären Krankenhausaufenthalt von einer anderen Pflegekasse zusätzliche Betreuungsleistungen bewilligt worden. Das C. bemühe sich um Zulassung als niedrigschwelliger Betreuungsdienstleister. Derzeit werde Betreuung durch ehrenamtliche Helfer gegen Auslagenersatz sichergestellt. Auf Anforderung des Gerichts wurden Unterlagen zu abgerechneten Kosten für Betreuungsleistungen von Herrn und Frau X. in Würzburg vorgelegt.

Die Beklagte hat im Wesentlichen entgegnet, dass die bloße Abwesenheit von der Einrichtung noch keine häusliche Pflege begründe und beim Kläger auch keine zeitweise häusliche Pflege stattfinde. Die Urlaubsaufenthalte würden von der Einrichtung organisiert. Unklar sei, warum und aufgrund welchen Sachverhalts andere Pflegekassen Betreuungsleistungen bewilligt hätten. Es gebe jedenfalls keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht. Ob Versicherte in vollstationären Einrichtungen der Behindertenhilfe einen Anspruch auf häusliche Krankenpflege hätten, sei keineswegs abschließend entschieden, sondern strittig. Allerdings sei die Rechtsprechung ohnehin nicht übertragbar, da der Wortlaut von §§ 45a und 45 b SGB XI in Bezug auf häusliche Pflege eindeutig sei. Der Gesetzgeber habe sich bewusst bei Schaffung der §§ 45a und 45b SGB XI dafür entschieden, diesen Anspruch nur bei häuslicher Pflege einzuräumen. Eine analoge Anwendung bei stationärer Pflege scheide daher aus. Mit Blick auf die Rechnungen hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass kein Zusammenhang der Kosten für Betreuungsleistungen mit den Urlauben ersichtlich sei. Ferner sei aus den Abrechnungen nicht ersichtlich, dass nach Landesrecht anerkannte niedrigschwellige Betreuungsangebote in Anspruch genommen worden seien, die nach § 45c SGB XI gefördert oder förderfähig seien.

Auf das gerichtliche Hinweisschreiben vom 06.02.2015 wird Bezug genommen. Auf Nachfrage hat das C. mitgeteilt, dass es keine Anerkennung als niederschwelliger Betreuungsdienstleister beantragt habe. Mit Schreiben vom 19.02.2016 hat die Betreuerin erklärt, dass niedrigschwellige Betreuungsleistungen durch den ambulanten Pflegedienst gewährleistet würden. Trotz Anforderung wurden entsprechende Belege hierzu nicht vorgelegt. Auf die Sitzungsniederschrift der mündlichen Verhandlung vom 07.03.2016 wird verwiesen.

Die Betreuerin des Klägers beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 11.07.2013 und den Bescheid der Beklagten vom 10.10.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.01.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, einen Anspruch des Klägers auf zusätzliche Betreuungsleistungen (erhöhter Betrag) anzuerkennen und die Kosten für die Teilnahme an niedrigschwelligen Betreuungsangeboten (u.a. Teilnahme an Tagesausflügen, Behindertenfreizeiten, Begleitung während Krankenhausaufenthalt etc.) zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestands wegen der weiteren Einzelheiten auf die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts sowie des Landessozialgerichts Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

A) Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung erweist sich als unbegründet. Der Senat konnte in der mündlichen Verhandlung vom 07.03.2016 trotz Abwesenheit des Klägers und seiner Prozessbevollmächtigten entscheiden, weil die Ladung laut Empfangsbekenntnis der Prozessbevollmächtigten und Betreuerin des Klägers am 06.02.2016 ordnungsgemäß und rechtzeitig bekannt gegeben worden war und in der Ladung auf die Möglichkeit der Entscheidung auch im Falle des Ausbleibens hingewiesen worden war.

Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Gewährung zusätzlicher Betreuungsleistungen nach §§ 45 b, 45 a SGB XI.

Die Klage ist als Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG) statthaft und sinngemäß auf die Feststellung gerichtet, dass der Kläger dem Grunde nach leistungsberechtigt ist und einen bestimmten Betrag ausschöpfen kann (vgl. zum zweiteilig gestuften Verfahren BSG vom 12.08.2010 - B 3 P 3/09 R - Juris RdNr. 9).

1. Nach § 45 b Abs. 1 S. 1 SGB XI in der vom 01.07.2008 bis 31.12.2014 geltenden Fassung des Pflege-Weiterentwicklungsgesetzes vom 28.05.2008 (PflegeWEG - Gesetz zur strukturellen Weiterentwicklung der Pflegeversicherung, BGBl. I S. 874) können Versicherte, die die Voraussetzungen des § 45 a SGB XI erfüllen, je nach Umfang des erheblichen allgemeinen Betreuungsbedarfs zusätzliche Betreuungsleistungen in Anspruch nehmen. Mit dem Ersten Pflegestärkungsgesetz vom 17.12.2014 (PSG I - Erstes Gesetz zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und zur Änderung weiterer Vorschriften, BGBl. I S. 2222) wurde der Anspruch inzwischen erweitert auf Entlastungsleistungen; zugleich wurden die maximal erstattungsfähigen Kosten erhöht. Ferner wurde ein Anspruch auf zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen nach § 45b Abs. 1 SGB XI mit Einfügen von § 45b Abs. 1a SGB XI auch (in geringerer Höhe) Pflegebedürftigen eingeräumt, die die Voraussetzungen des § 45a SGB XI nicht erfüllen. Damit sollte laut Gesetzentwurf vom 23.06.2014 (BT-Drucks. 18/1798 Bl. 30 f. zu Buchst. c) schon im Rahmen dieser Reform ein wichtiger Schritt zur Erreichung des Ziels einer spürbaren Verbesserung der Rahmenbedingungen der häuslichen Pflege sowohl für kognitiv als auch für somatisch beeinträchtigte Pflegebedürftige erreicht werden, im Vorgriff auf die damals noch ausstehende, inzwischen durch das Zweite Pflegestärkungsgesetz umgesetzte Reform des SGB XI mit Neudefinition des Begriffs der Pflegebedürftigkeit.

Grundvoraussetzung für einen Anspruch auf zusätzliche Betreuungsleistungen ist, dass sich der Versicherte in häuslicher Pflege befindet, wie das SG zutreffend herausgearbeitet hat (vgl. so auch BayLSG im Urteil vom 13.01.2016 - L 6 P 66/14 - Juris; SG Saarland im Urteil vom 29.01.2015 - S 19 P 75/14 - Juris).

So betreffen nach § 45 a Abs. 1 S. 1 SGB XI in der bis 31.12.2014 geltenden Fassung die Leistungen in diesem Abschnitt (Fünfter Abschnitt des Vierten Kapitels des SGB XI) wie die Leistungen nach § 45b SGB XI (nur) Pflegebedürftige in häuslicher Pflege, bei denen neben dem Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung ein erheblicher Bedarf an allgemeiner Beaufsichtigung und Betreuung gegeben ist. Die Neufassung zum 01.01.2015 lautet "Soweit nichts anderes bestimmt ist, betreffen die Leistungen in diesem Abschnitt Pflegebedürftige in häuslicher Pflege, bei denen neben dem Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung (§§ 14 und 15) ein erheblicher Bedarf an allgemeiner Beaufsichtigung und Betreuung gegeben ist. Die einschränkende Einleitung ("soweit nichts anderes bestimmt ist") ist eine redaktionelle Folgeänderung wegen der Öffnung der Betreuungs- und Entlastungsleistungen in § 45b SGB XI für vorwiegend somatisch beeinträchtigte Versicherte ohne erheblichen allgemeinen Beaufsichtigungs- und Betreuungsbedarf (vgl. BT-Drucks. 18/1798 Bl. 29).

Ergänzend erlaubt sich der Senat den Hinweis, dass auch nach der ab 01.01.2017 geltenden Neugestaltung von § 45 b SGB XI Ansprüche auf Leistungen zur Entlastung pflegender Angehöriger und vergleichbar Nahestehender nur in häuslicher Pflege bestehen (vgl. Zweites Gesetz zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und zur Änderung weiterer Vorschriften - Zweites Pflegestärkungsgesetz - PSG II vom 21.12.2015, BGBl. I S.2424).

Der Kläger befand bzw. befindet sich aber nicht einmal zeitweise in häuslicher Pflege und erfüllt schon deswegen nicht die Voraussetzungen für einen Anspruch auf zusätzliche Betreuungsleistungen.

Häusliche Pflege im Sinne des SGB XI ist dadurch gekennzeichnet, dass sie in häuslicher Umgebung erfolgt (vgl. § 3 Satz 1 SGB XI). Dabei setzt häusliche Pflege nach der Vorstellung des Gesetzgebers nicht voraus, dass der Pflegebedürftige in seinem eigenen Haushalt gepflegt wird; sie kommt aber nicht in Betracht, wenn die Pflege in einer stationären Pflegeeinrichtung oder in einer Einrichtung im Sinne des § 71 Abs. 4 SGB XI stattfindet. Diese Abgrenzung der häuslichen Pflege im SGB XI von Leistungen der Pflege in vollstationären Einrichtungen kommt zum einen in der Regelung des § 36 Abs. 1 Satz 2 SGB XI zum Ausdruck, zum anderen in der Gesetzessystematik mit Unterteilung der Leistungen bei häuslicher Pflege (Erster Titel), der vollstationären Pflege (Dritter Titel) sowie der Pflege in vollstationären Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen (Vierter Titel) in verschiedenen Titeln.

Dementsprechend hat der Gesetzgeber in den Gemeinsamen Vorschriften für Leistungen nach dem SGB XI im Zweiten Abschnitt des Vierten Kapitels mit § 34 Abs. 2 Satz 1 SGB XI ausdrücklich das Ruhen des Anspruchs auf Leistungen bei häuslicher Pflege für die Dauer des stationären Aufenthalts in einer Einrichtung im Sinne des § 71 Abs. 4 SGB XI angeordnet, soweit § 39 SGB XI nichts Abweichendes bestimmt. § 39 SGB XI betrifft dabei den - hier nicht vorliegenden - Fall der Verhinderung einer Pflegeperson bei häuslicher Pflege und lässt insoweit eine Ersatzpflege auch in einer Einrichtung nach § 71 Abs. 4 SGB XI zu (vgl. hierzu auch Udsching, Kommentar zum SGB XI, 4. Auflage zu § 39 RdNr. 7).

An der Differenzierung zwischen vollstationärer und häuslicher Pflege anknüpfend hat der Gesetzgeber die Leistungen nach §§ 45a, 45b SGB XI aber bewusst nur für den Bereich der häuslichen Pflege geschaffen. Eingeführt wurden diese Leistungen in das SGB XI mit dem "Gesetz zur Ergänzung der Leistungen bei häuslicher Pflege von Pflegebedürftigen mit erheblichem allgemeinem Betreuungsbedarf", das sog. Pflegeleistungs-Ergänzungs- gesetz (PflEG) vom 14.12.2001 (BGBl. I S. 3728). Der Gesetzgeber wollte damit zur Stärkung und Förderung der häuslichen Pflege für pflegende Angehörige zusätzliche Möglichkeiten zur dringend notwendigen Entlastung schaffen und zugleich durch die entsprechenden Sachleistungsangebote und den erforderlichen zweckgebundenen Einsatz der finanziellen Mittel für qualitätsgesicherte Betreuungsangebote infrastrukturprägende Effekte erzielen, also eine Förderung aktivierender und qualitätsgesicherter Betreuungsangebote (vgl. BT-Drucks. 14/6949 Bl. 8 zum Handlungsbedarf; Bl. 10 zur allgemeinen Begründung; Bl. 15 f. zu § 45 b). Handlungsbedarf hat der Gesetzgeber vorrangig im ambulanten Bereich mit Blick auf die pflegenden Angehörigen gesehen, die durch die Pflege und die allgemeine Beaufsichtigung und Betreuung vielfach rund um die Uhr zeitlich beansprucht werden, weil sie den Pflegebedürftigen nicht allein lassen können (vgl. BT-Drucks. 14/6949 Bl. 8). Im stationären Bereich hat der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang keine Leistungsverbesserungen zur Verbesserung der Betreuung von Heimbewohnern mit erheblichem allgemeinem Betreuungsbedarf für nötig gehalten, weil in stationären Einrichtungen Aufwendungen, die für den besonderen Hilfe- und Betreuungsbedarf demenziell erkrankter Pflegebedürftiger entstehen, bereits aufgrund des eingeräumten Anspruchs des Heimträgers auf leistungsgerechte Vergütung in den Heimentgelten Berücksichtigung finden können (vgl. BT-Drucks. 14/6949 ebenda).

Die Pflege des Klägers erfolgte hier aber durchgehend in einer Einrichtung i.S.v. § 71 Abs. 4 SGB XI, in der der Kläger nach Mitteilung der Einrichtung auch vollstationär untergebracht war. Das X.-Stift in A-Stadt ist nach der Leistungsvereinbarung eine Einrichtung für geistig behinderte Menschen und erbringt Leistungen der Eingliederungshilfe sowie Hilfe zur Pflege im Sinne des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII). Nach dem vorgelegten Bayerischen Rahmenvertrags vom 15.06.2004 (§ 79 Abs. 1 SGB XII), der Gegenstand der Leistungsvereinbarung ist, gewähren die Einrichtungen insbesondere Eingliederungshilfe (vgl. §§ 1, 6 des Vertrags). Im Vordergrund des Zwecks der Einrichtung des X-Stifts steht die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft bzw. die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen und nicht die Pflege pflegebedürftiger Personen.

Auch eine zeitweise häusliche Pflege ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Die bloße Abwesenheit von einer vollstationären Einrichtung an einzelnen oder mehreren Tagen wegen Ausflügen, mehrtägigen Freizeitfahrten oder Arztbesuchen ist nicht automatisch mit häuslicher Pflege gleichzusetzen. Vielmehr setzt häusliche Pflege voraus, dass der Kläger zumindest zeitweise in seinen eigenen Haushalt zurückkehrt oder in den Haushalt einer anderen Person aufgenommen wird und dort Pflege von selbst beschafften Pflegepersonen erhält. Der Kläger ist insoweit aber nicht in einen anderen Privathaushalt aufgenommen worden. Die bislang vorgelegten Abrechnungen umfassen außerdem nur wenige Stunden, maximal acht Stunden tagsüber, was schon zeitlich gegen eine Aufnahme des Klägers in einen Haushalt außerhalb der stationären Einrichtung spricht. Die mehrtägigen Fahrten wie Camping-Urlaube wurden von der stationären Behinderteneinrichtung selbst durchgeführt und eine (zeitweise) Haushaltsaufnahme in einen Privathaushalt mit dort geleisteter Pflege ist auch insoweit nicht ersichtlich. Zutreffend hat die Beklagte im Übrigen darauf hingewiesen, dass für die Zeiten dieser mehrtägigen Freizeitfahrten bislang keine Abrechnungen für weitere Betreuungsleistungen vorgelegt worden sind.

Soweit die Betreuerin Leistungen der häuslichen Pflege für Krankenhausaufenthalte des Klägers geltend macht, ist darauf hinzuweisen, dass auch Krankenhäuser stationäre Einrichtungen i.S.v. § 71 Abs. 4 SGB XI sind, so dass Ansprüche auf Leistungen bei häuslicher Pflege während des Aufenthalts dort ruhen. Eine Aufnahme in einen Privathaushalt im Sinne häuslicher Pflege findet dabei im Übrigen nicht statt. Selbst der als Gegenausnahme konzipierte Weitergewährungsanspruch von (anteiligem) Pflegegeld gemäß § 34 Abs. 2 Satz für vier Wochen setzt einen vorher bestehenden Pflegegeldanspruch und damit eine - hier fehlende - vorangegangene häusliche Pflege voraus (vgl. Udsching a.a.O zu § 34 RdNr. 17; BT-Drucks. 13/3696 S. 12: Zweck ist die Pflegebereitschaft der nicht erwerbsmäßig tätigen Pflegeperson im häuslichen Bereich zu erhalten). Außerdem gilt diese Ausnahme der vorübergehenden Weitergewährung nach der gesetzlichen Regelung nur für Pflegegeld, nicht allgemein für Leistungen bei häuslicher Pflege.

Soweit die Betreuerin des Klägers geltend macht, häusliche Pflege im Sinne des SGB XI könne auch in stationären Einrichtungen erbracht werden, weil Versicherte in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) Anspruch auf häusliche Krankenpflege nach § 37 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) auch bei stationärem Aufenthalt in Einrichtungen der Eingliederungshilfe haben, überzeugt dies nicht. Die Regelung des § 37 SGB V ist nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck gänzlich anders gestaltet. So lautet § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB V: "Versicherte erhalten in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen neben der ärztlichen Behandlung häusliche Krankenpflege durch geeignete Pflegekräfte, wenn Krankenhausbehandlung geboten, aber nicht ausführbar ist, oder wenn sie durch die häusliche Krankenpflege vermieden oder verkürzt wird." Das BSG hat im Urteil vom 22.04.2015 (B 3 KR 16/14 R - Juris RdNr. 19) klargestellt, dass nach der bis 31.03.2007 geltenden Fassung von § 37 SGB V und damit bis zur Änderung durch das GKV-WSG vom 26.03.2007 (Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung, BGBl. I S. 378) ein Anspruch auf häusliche Krankenpflege für Zeiten des Aufenthaltes in einer stationären Einrichtung ausgeschlossen war, weil die Regelung damals häusliche Krankenpflege "in ihrem Haushalt oder ihrer Familie" vorausgesetzt hat. Erst die Erweiterung auf "sonstige geeignete Orte" mit Wirkung zum 01.04.2007 macht einen Anspruch auf häusliche Krankenpflege auch in stationären Einrichtungen unter bestimmten weiteren Voraussetzungen möglich (vgl. hierzu im Einzelnen BSG a.a.O.). Im SGB XI hat der Gesetzgeber aber - wie dargelegt - an der Trennung von Leistungsansprüchen bei häuslicher Pflege und stationärer Pflege durchgehend festgehalten. Darüber hinaus ist Sinn und Zweck von § 37 SGB V, durch ambulante häusliche Krankenpflege vorschnelle stationäre Einweisungen - also insbesondere in Krankenhäuser - zu vermeiden (vgl. BSG vom 22.04.2015 B 3 KR 16/14 R - Juris RdNr. 22). Dieser Zweck von § 37 SGB V kann grundsätzlich auch erreicht werden, wenn sich der Versicherte in einer vollstationären Einrichtung befindet. Sinn und Zweck der Leistungen bei häuslicher Pflege einschließlich zusätzlicher Betreuungsleistungen nach dem SGB XI ist es dagegen, entsprechend dem Vorrang der häuslichen Pflege (§ 3 SGB XI) einen möglichst langen Verbleib des Pflegebedürftigen in seiner häuslichen Umgebung zu ermöglichen. Dementsprechend ist das Leistungsspektrum im Bereich häuslicher Pflege teilweise weiter gefasst (z.B. Verhinderungspflege, Kurzzeitpflege etc.) als bei Pflege in vollstationären Einrichtungen. Dieses Ziel - die Förderung von Pflege im häuslichen Bereich - kann aber dann nicht erreicht werden, wenn sich der Versicherte wie hier der Kläger nicht einmal mehr zeitweise in häuslicher Pflege befindet.

2. Weitergehende Ansprüche des Klägers auf zusätzliche Betreuungs- oder Entlastungsleistungen nach § 45b SGB XI lassen sich weder durch Analogie noch in Form verfassungskonformer Auslegung begründen.

a) Ein Analogieschluss setzt insbesondere voraus, dass das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht so weit mit dem Tatbestand vergleichbar ist, den der Gesetzgeber geregelt hat, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre im Zuge einer Interessenabwägung, bei der er sich von denselben Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen (vgl. BSG vom 18.06.2014 - B 3 P 7/13 R - Juris RdNr. 14). Analogie ist die Übertragung der Rechtsfolge eines geregelten Tatbestandes auf einen ihm ähnlichen, aber ungeregelten Sachverhalt (vgl. BSG ebenda). Die Methode der Analogie ist eine verfassungsrechtlich anerkannte Form der richterlichen Rechtsfortbildung (vgl. so BVerfGE 82, 6, 11 ff m.w.N.), die aber von der dem Gesetzgeber vorbehaltenen Gesetzeskorrektur abzugrenzen ist.

Für eine Analogie fehlt es hier schon an einer planwidrigen Regelungslücke. Denn wie dargelegt, hat sich der Gesetzgeber bei Einführung von § 45b SGB XI dafür entschieden, diese Leistungsansprüche nur für den Bereich der häuslichen Pflege zu schaffen, um entsprechend § 3 SGB XI die häusliche Pflege zu stärken und zu fördern, die nicht erwerbsmäßig tätigen Pflegepersonen von der hohen Beanspruchung bei häuslicher Pflege zu entlasten und durch zweckgebundene Leistungen zugleich qualitätsgesicherte Betreuungsangebote zu fördern, was wiederum der Förderung der häuslichen Pflege dient. Demgegenüber hat der Gesetzgeber zunächst keine Leistungsverbesserungen im stationären Pflegebereich für nötig gehalten angesichts des Anspruchs des Heimträgers auf leistungsgerechte Vergütung. Mit dem PflegeWEG wurde zum 01.07.2008 zwar ein Anspruch der stationären Pflegeeinrichtungen auf Vereinbarung leistungsgerechter Zuschläge zur Pflegevergütung für die zusätzliche Betreuung und Aktivierung der Heimbewohner geschaffen, um die Betreuung demenziell erkrankter Pflegeheimbewohner zu verbessern (vgl. BT-Drucks. 16/8525 Bl. 100 zu Nr. 53a (§ 87b)). Der Anspruch des Versicherten auf zusätzliche Betreuungsleistungen in § 45b SGB XI blieb aber auf Leistungen bei häuslicher Pflege beschränkt. Das gilt im Übrigen auch für die weiteren Folgeänderungen einschließlich der bereits beschlossenen Gesetzesänderung zum 01.01.2017 durch das Zweite Pflegestärkungsgesetz (siehe dazu bereits oben).

b) Eine analoge Anwendung von § 87b SGB XI scheidet ebenfalls aus. Dieser gilt unmittelbar nur für stationäre Pflegeeinrichtungen nach § 71 Abs. 2 SGB XI, aber nicht für Einrichtungen nach § 71 Abs. 4 SGB XI. Ferner gibt er dem Pflegebedürftigen keinen Anspruch gegen die Pflegekasse auf weitergehende Leistungen, sondern der stationären Einrichtung Anspruch auf leistungsgerechte Vergütung. Erst wenn die stationäre Pflegeeinrichtung einen Vergütungszuschlag erhält, haben Personen nach § 45a SGB XI Anspruch auf Erbringung der zusätzlichen Betreuung und Aktivierung gegenüber der Pflegeeinrichtung (§ 87b Abs. 2 Satz 4 SGB XI). Daher können Ansprüche auf weitergehende Leistungen gegen die Beklagte derzeit selbst bei analoger Anwendung nicht auf § 87b SGB XI gestützt werden.

Vor allem ist aber darauf hinzuweisen, dass der Gesetzgeber sich bewusst dafür entschieden hat, Pflegebedürftigen, die Pflege in vollstationären Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen erhalten, nur und ausschließlich einen Anspruch nach § 43a SGB XI einzuräumen. Danach übernimmt die Pflegekasse zur Abgeltung der in § 43 Abs. 2 SGB XI genannten Aufwendungen zehn vom Hundert des nach § 75 Abs. 3 SGB XII vereinbarten Heimentgelts, höchstens je Kalendermonat 256 Euro bis 31.12.2014 bzw. von maximal 266 Euro seit 01.01.2015. Lediglich für Tage, an denen sich der Betroffene in häuslicher Pflege befindet, kann daneben Anspruch auf anteiliges Pflegegeld nach § 38 Satz 5 SGB XI bestehen.

Das SGB XI hatte die Frage, welche Leistungsansprüche Pflegebedürftigen zustehen, die in Einrichtungen der Behindertenhilfe leben und dort auch gepflegt werden, ursprünglich nicht ausdrücklich geregelt. § 43a SGB XI wurde durch das Erste Gesetz zur Änderung des Elften Buches Sozialgesetzbuch (1. SGB XI-ÄndG) eingefügt, auf Vorschlag des Vermittlungsausschusses, nachdem die finanzielle Beteiligung der Pflegeversicherung an der Finanzierung der in Einrichtungen der Behindertenhilfe erbrachten und im Regelfall über die Sozialhilfe aus den Haushalten der Länder finanzierten Pflegeleistungen heftig umstritten war (vgl. zur Entstehungsgeschichte im Einzelnen BSG vom 28.03.2001 - B 3 P 11/00 R - Juris RdNR. 14-18; BSG vom 13.03.2001 - B 3 P 17/00 R - Juris RdNr. 14). Zugleich wurde in § 13 Abs. 3 SGB XI eingefügt, dass die notwendige Hilfe in den Einrichtungen nach § 71 Abs. 4 SGB XI einschließlich der Pflegeleistungen zu gewähren ist, woraus deutlich wird, dass der Gesetzgeber die Pflege in Einrichtungen der Behindertenhilfe als integralen Bestandteil der Eingliederungshilfe ansieht (vgl. BSG vom 26.03.2001 - B 3 P 11/00 R - Juris RdNr. 18 f.). Der Bundesrat hielt eine wenig verwaltungsaufwändige Regelung zur Finanzierung von Leistungsansprüchen pflegebedürftiger Behinderter bei Versorgung in Einrichtungen der Behindertenhilfe für erforderlich, während der zuständige Bundestagsausschuss für Arbeit und Sozialordnung hinsichtlich der unterlassenen Einbeziehung dieser Personen in das Leistungssystem der Pflegeversicherung auf die knappen finanziellen Ressourcen hinwies (vgl. zu den Einzelheiten BSG vom 13.03.2001 - B 3 P 17/00 R - Juris RdNr. 14). Die Regelung des Vermittlungsausschusses mit Einfügen von § 43a SGB XI erweist sich vor diesem Hintergrund als Kompromiss.

Mit dem PSG I wurde zwar der Höchstbetrag aufgestockt. Weitergehende Leistungsansprüche von Pflegebedürftigen in solchen Einrichtungen für behinderte Menschen, insbesondere weitergehende Ansprüche auf die hier begehrten zusätzlichen Betreuungsleistungen, hat der Gesetzgeber aber trotz mannigfaltiger Reformen des SGB XI nicht eingeführt. Im Rahmen des PflegeWEG, das die dargelegten Neuregelungen der §§ 45a ff. SGB XI und die Einführung von § 87b SGB XI zum 01.07.2008 brachte, war in den Gesetzesmaterialien ausdrücklich eine Beibehaltung der Regelung des § 43a SGB XI empfohlen worden (BT-Drucks. 16/7439 Bl. 39 f.). Nach wie vor wurde es als gerechtfertigt gesehen, dass sich die Pflegeversicherung bei Aufenthalten in vollstationären Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen nur mit einem begrenzten finanziellen Zuschuss an dort erbrachten Pflegeleistungen beteiligt. So trage § 43a SGB XI den Besonderheiten der Eingliederungshilfe im Interesse der behinderten Menschen Rechnung, um die bewährten Strukturen der vollstationären Eingliederungshilfe, in deren Rahmen auch Pflegeleistungen zu erbringen sind, möglichst fortbestehen zu lassen. Zudem könnten Pflegebedürftige in vollstationären Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen (z.B. bei Internatsunterbringung) bereits nach derzeitiger Regelung Leistungen der häuslichen Pflege beanspruchen für die Zeit der Pflege im häuslichen familiären Bereich (z.B. an Wochenenden oder in Ferienzeiten). Diese Möglichkeit von anteiligem Pflegegeld würde entfallen, wenn der Leistungsrahmen der Pflegeversicherung durch Gewährung von Leistungen in solchen Einrichtungen bereits voll ausgeschöpft wäre. An der im Gesetzgebungsverfahren des 1. SGB XI-Änderungsgesetz vom 14.06.1996 gefundenen Kompromisslinie wurde im Entwurf ausdrücklich festgehalten; damit sei eine der wichtigsten Streitfragen gelöst worden. Außerdem werde der überwiegende Teil der pflegebedürftigen Menschen in vollstationären Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen von einer Aufstockung des Leistungsbetrages nicht profitieren, sondern vor allem die Sozialhilfeträger. Der Gesetzgeber ist daher der Anregung im Gesetzgebungsverfahren zum PflegeWEG in Form von Petitionen, den Leistungsanspruch nach § 43a SGB XI zu erhöhen (vgl. BT-Drucks. 16/8525 Bl. 92), bewusst nicht gefolgt.

c) Wegen der bereits dargestellten grundlegenden Unterschiede der gesetzlichen Regelung nach Wortlaut wie Gesetzeszweck ist auch eine Analogie zu § 37 SGB V ausgeschlossen.

d) Der Kläger kann auch keine weitergehenden Ansprüche auf Leistungen nach § 45b SGB XI auf Art. 3 Grundgesetz (GG) stützen.

Insbesondere verstößt die gesetzliche Regelung nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Art 3 Abs.1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Demgemäß ist dieses Grundrecht vor allem dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. hierzu BVerfGE 71, 146, 154 f m.w.N.). Maßgeblicher Bezugspunkt für die Prüfung eines Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz ist also die Frage, ob eine Personengruppe gegenüber einer anderen ohne hinreichenden sachlichen Grund unterschiedlich behandelt wird (BVerfGE 78, 232, 247).

Soweit vorgetragen wurde, andere Mitglieder der Wohngruppe hätten in der Vergangenheit entsprechende Leistungen von ihren Pflegekassen erhalten, ist schon nicht ersichtlich, ob es sich wirklich um gleiche Sachverhalte gehandelt hat. So ist ein Leistungsanspruch bei zeitweiser häuslicher Pflege denkbar. Im Übrigen hat die Beklagte bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass es keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht gibt (vgl. BSG vom 10.04.2008 - B 3 P 4/07 R - Juris RdNr. 20)

Dass zusätzliche Betreuungsleistungen nach § 45b SGB XI für Versicherte an der Voraussetzung der häuslichen Pflege anknüpfen und damit bei vollstationärer Pflege in Pflegeheimen(§ 71 Abs. 2 SGB XI) oder in Einrichtungen nach § 71 Abs. 4 SGB XI kein Leistungsanspruch besteht, verstößt nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG. Der sachliche Grund der unterschiedlichen Behandlung liegt darin, dass der Gesetzgeber mit § 45b SGB XI - im Einklang mit § 3 SGB XI - die häusliche Pflege stärken wollte, durch Entlastung der Pflegepersonen und Förderung qualitätsgesicherter Betreuungsangebote für den Bereich der häuslichen Pflege. Bei vollstationärer Unterbringung sind dagegen entsprechende Pflegeleistungen einschließlich Betreuung und Aktivierung von den Einrichtungen sicherzustellen. Das gilt auch für Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen, die u.a. die notwendigen Pflegeleistungen zu erbringen haben.

e) Soweit die Betreuerin des Klägers sinngemäß geltend macht, die Ungleichbehandlung beruhe darauf, dass bei Unterbringung in einem Pflegeheim und vereinbartem Vergütungszuschlag nach § 87b SGB XI Anspruch des Versicherten auf zusätzliche Betreuung und Aktivierung besteht, bei Unterbringung in einer Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen hingegen nicht, erscheint schon fraglich, wie sich daraus ein Anspruch auf Kostenerstattung für selbst organisierte weitere Betreuungsleistungen ableiten lassen sollte, zumal Art und Qualität der Betreuung bislang völlig offen sind.

Allerdings hat der Gesetzgeber mit der Regelung in § 43a SGB XI ohnehin eine sachlich gerechtfertigte Differenzierung vorgenommen, wie das BSG im Urteil vom 26.03.2001 - B 3 P 11/00 R - Juris RdNr. 24) dargelegt hat. Dass die Pflegekasse in geringerem Umfang für Kosten der Pflege eintritt als in zugelassenen Pflegeeinrichtungen ergibt sich vor allem aus dem Umstand, dass in Einrichtungen der Behindertenhilfe ein erheblich höherer Aufwand für Maßnahmen betrieben wird, die der Integration des Behinderten in die Gesellschaft dienen, so dass Kosten anfallen, die nicht in die Zuständigkeit der Pflegeversicherung fallen (vgl. BSG ebenda).

Die unterschiedliche Behandlung von Pflegebedürftigen in häuslicher Pflege, in zugelassenen Pflegeheimen und in Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen verstößt auch nicht gegen das in Art 3 Abs. 3 Satz 2 GG geregelte spezielle Benachteiligungsverbot. Danach darf niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Die unterschiedlichen Leistungen nach § 45b SGB XI, § 87 SGB XI und § 43a SGB XI knüpfen aber nicht am Bestehen oder Nichtbestehen einer Behinderung an, sondern an der häuslichen Pflege bzw. - hinsichtlich der Unterschiede zwischen § 43a SGB XI und § 87b SGB XI - allein daran, in welcher Einrichtung sich der Behinderte versorgen lässt. Das BSG hat bereits dargelegt, dass das Vorliegen einer Behinderung faktisch Voraussetzung für die Leistungspflicht der Pflegeversicherung ist (vgl. BSG Urteil vom 26.03.2001 - B 3 P 11/00 R - Juris RdNr. 25). Angesichts der Voraussetzungen für die Annahme einer auf Dauer erheblich eingeschränkten Alltagskompetenz aufgrund demenzbedingter Fähigkeitsstörungen, geistiger Behinderungen oder psychischer Erkrankungen (§ 45a SGB XI) korrespondiert auch diese eingeschränkte Alltagskompetenz mit den Voraussetzungen für die Annahme einer Behinderung i.S. d. SGB IX. Die Differenzierung der Leistungen beruht daher nicht auf dem Bestehen oder Nichtbestehen einer Behinderung.

Da mangels häuslicher Pflege ein Anspruch des Klägers auf Betreuungsleistungen nach § 45b SGB XI schon dem Grunde nach ausscheidet, brauchte der Senat nicht zu prüfen, ob der Kläger in seiner Alltagskompetenz i.S.v. § 45a SGB XI auf Dauer erheblich eingeschränkt ist und ob die Betreuungsleistungen in den vorgelegten Abrechnungen qualitätsgesicherte Leistungen waren, insbesondere nach Landesrecht anerkannte niedrigschwellige Betreuungs- und Entlastungsangebote i.S.v. § 45 Abs. 1 Satz 5, 6 SGB XI.

B) Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

C) Die Zulassung der Revision ist nicht geboten. Angesichts der klaren gesetzlichen Regelung liegt nach Ansicht des Senats keine klärungsbedürftige Rechtsfrage bzw. keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i.S.v. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG vor (anders SG Saarland im Urteil vom 29.01.2015 - S 19 P 75/14 - Juris, vgl. hierzu die anhängige Sprungrevision B 3 P 1/15 R). Ferner weicht der Senat in seiner Entscheidung nicht von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts ab im Sinne einer Divergenz nach § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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