L 7 AS 199/15

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 19 AS 2085/12
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 AS 199/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 103/16 B
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
Das Verfahren ist beim BSG durch Rücknahme beenedet worden
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 18.12.2014 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin zu 1) begehrt höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 01.07.2011 bis zum 31.12.2011. Die Kläger zu 2) und 3) sind die Kinder der Klägerin zu 1) und wenden sich gegen die Anrechnung des Kindergeldes auf den Bedarf der Klägerin zu 1).

Die 1968 geborene Klägerin zu 1) ist die alleinerziehende Mutter des 1999 geborenen Klägers zu 2) und des 2002 geborenen Klägers zu 3). Im streitigen Zeitraum verfügte die Klägerin zu 1) über Einkünfte aus einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis bei der Fa. O GmbH iHv durchschnittlich 341,10 EUR monatlich. Für die Kläger zu 2) und zu 3) wurde jeweils Wohngeld iHv 114,50 (Juli 2011 bis Oktober 2011) bzw. 102,50 EUR (November 2011 und Dezember 2011) monatlich gezahlt. Der geschiedene Ehemann und getrennt lebende Vater der Kläger zu 2) und 3), der Zeuge N, zahlte an diese Unterhalt iHv insgesamt 550 EUR (jeweils 275 EUR) monatlich. Der Kläger zu 2) verfügte über ein Depotvermögen bei V Investment iHv 6.915,57 EUR. Die Familie bewohnte eine Mietwohnung, für die Unterkunftskosten iHv insgesamt 561,59 EUR monatlich zu zahlen waren (Nettokaltmiete 407,59 EUR; kalte Betriebskosten 109 EUR, Heizkosten 45 EUR).

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 20.12.2011 bewilligte der Beklagte der Klägerin zu 1) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Unterkunftskosten) vom 01.07.2011 bis zum 31.12.2011 iHv 91,29 EUR (Juli 2011), 81,96 EUR (August 2011 bis Oktober 2011) und 93,96 EUR (November 2011 und Dezember 2011). Er berücksichtige Mehrbedarfe für Alleinerziehung und wegen dezentraler Warmwassererzeugung und rechnete u.a. Kindergeld auf den Bedarf der Klägerin zu 1) an. Für den Kläger zu 2) wurden aufgrund des Depotvermögens keine Leistungen bewilligt. Der Kläger zu 3) wurde aufgrund des Kindergeldes, des Unterhalts und des Wohngeldes nicht als hilfebedürftig angesehen und erhielt ebenfalls keine Leistungen.

Gegen diesen Bescheid legten die Kläger am 06.01.2012 Widerspruch ein. Das Depotvermögen stehe der Hilfebedürftigkeit des Klägers zu 2) nicht entgegen, da es zweckgebunden für eine spätere Ausbildung angelegt worden sei. Die Anrechnung des Kindergeldes auf den Bedarf der Klägerin zu 1) sei verfassungswidrig, da im Ergebnis eine Unterhaltsverpflichtung der Kinder für die Mutter unterstellt werde, die nicht existiere. Der Mehrbedarf für Alleinerziehende sei falsch berechnet worden.

Mit Änderungsbescheid vom 16.04.2012 bewilligte der Beklagte der Klägerin zu 1) Leistungen (Unterkunftskosten) iHv 178,29 EUR (Juli 2011), 168,96 EUR (August 2011 bis Oktober 2011) bzw. 180,96 EUR (November 2011 und Dezember 2011). Die Erhöhung erfolgte aufgrund einer Neuberechnung des Mehrbedarfs für Alleinerziehende. Im Übrigen wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18.04.2012 zurück. Er legte dar, dass die Kläger zu 2) und 3) aufgrund Vermögens bzw. übersteigenden Einkommens keinen Leistungsanspruch hätten. Die Klägerin zu 1) habe keinen höheren Leistungsanspruch, insbesondere sei die Anrechnung des Kindesgeldes auf ihren Bedarf zu Recht erfolgt.

Gegen diese Entscheidung haben die Kläger am 21.05.2012 Klage erhoben. Das Depot sei nicht als Vermögen des Klägers zu 2) zu werten. Es sei von den Eltern (der Klägerin zu 1) und dem Zeugen N) gemeinschaftlich angelegt worden, um für eine "Existenzgründung" bei Volljährigkeit zur Verfügung zu stehen. Der Zeuge N verweigere seine Zustimmung zur Auflösung des Guthabens. Die Anrechnung des Kindergeldes auf den Bedarf der Klägerin zu 1) sei rechtswidrig. Zwar werde es an die Klägerin zu 1) ausgezahlt. Es sei jedoch nicht zu deren Bedarfsdeckung bestimmt, sondern solle allein den Kindern zugutekommen. In Verbindung mit der Regelung des § 1612b BGB führe die Anrechnung des Kindergeldes zu einer einseitigen Begünstigung des den Barunterhalt leistenden Elternteils und einer rechtswidrigen Doppelanrechnung des Kindergeldes zu Lasten der Klägerin zu 1). Einerseits mindere dieses zur Hälfte die Unterhaltspflicht des Zeugen N, andererseits werde es (auch zur Hälfte) auf den Bedarf der Klägerin angerechnet. Die Kläger haben eine Bestätigung der V Investment vorgelegt, wonach die Eltern eine gemeinsame Verfügungsberechtigung über das Depotvermögen des Klägers zu 2) haben.

Die Kläger haben beantragt,

den Beklagten unter Abänderung seines Bescheides vom 20.12.2011 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 16.04.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2012 zu verurteilen, ihnen höhere Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 317,67 EUR für den Monat Juli 2011, 322,34 EUR monatlich für den Zeitraum August bis Oktober 2011 und 310,34 EUR monatlich für den Zeitraum November bis Dezember 2011 zu gewähren.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält seine Leistungsberechnung für zutreffend.

Das Sozialgericht hat N als Zeugen gehört. Dieser hat u. a. ausgesagt: "Für den Lebensunterhalt war das Depot nicht gedacht, dafür zahlen wir alle Steuern." Einer Auflösung werde er nicht zustimmen: "Auf keinen Fall. Es soll nur für den angedachten Zweck eingesetzt werden". Zum vollständigen Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf die Anlage zur Sitzungsniederschrift vom 18.12.2014 verwiesen.

Mit Urteil vom 18.12.2014 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klage der Kläger zu 2) und 3) sei mangels Klagebefugnis unzulässig, soweit diese die Bewilligung höherer Leistungen an die Klägerin zu 1) begehrten. Im Übrigen sei die Klage unbegründet. Die Kläger hätten keinen (höheren) Leistungsanspruch. Der Bedarf des Klägers zu 2) sei durch das Depotvermögen, das verwertbares Vermögen des Klägers zu 2) darstelle, gedeckt. Der Bedarf des Klägers zu 3) sei durch Einkommen (Unterhalt, Wohngeld, Kindergeld) gedeckt. Das für den Bedarf der Kläger zu 2) und 3) nicht benötigte Kindergeld werde zu Recht auf den Bedarf der Klägerin zu 1) angerechnet. Dies verstoße weder gegen § 1612b BGB, noch bestünden verfassungsrechtliche Bedenken.

Gegen diese am 28.01.2015 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 02.02.2015 erhobene Berufung der Kläger. Die Kläger bleiben bei ihrer Rechtsauffassung und halten die Angelegenheit für grundsätzlich bedeutsam.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts vom 18.12.2014 zu ändern und den Beklagten unter Abänderung seines Bescheides vom 20.12.2011 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 16.04.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2012 zu verurteilen, ihnen höhere Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 317,67 EUR für den Monat Juli 2011, 322,34 EUR monatlich für den Zeitraum August bis Oktober 2011 und 310,34 EUR monatlich für den Zeitraum November bis Dezember 2011 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, insbesondere gem. §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthaft. Der Beschwerdewert liegt für den streitigen Zeitraum bei insgesamt 858,28 EUR.

Die Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 16.04.2012, der den Bescheid vom 20.12.2011 vollständig ersetzt iSd § 86 SGG und deshalb in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2012 alleiniger Gegenstand des Verfahrens ist, ist nicht rechtswidrig iSd § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG.

Zutreffend hat das Sozialgericht entschieden, dass die Klage der Kläger zu 2) und 3) nicht zulässig ist, soweit ihr Begehren darauf gerichtet ist, der Klägerin zu 1) höhere Leistungen zu bewilligen. Die Kläger zu 2) und 3 machen damit fremde Rechte in eigenem Namen geltend, ohne dazu befugt zu sein. Dies ist nicht zulässig (§ 54 Abs. 1 Satz 2 SGG). Wenn der Bevollmächtigte eine Klagebefugnis mit einem wirtschaftlichen Interesse der Kläger zu 2) und 3) am Ausgang des Verfahrens begründet, weil den Klägern zu 2) und 3) faktisch das "Kindergeld entzogen" werde, reicht dies zur Begründung einer Klagebefugnis nicht aus. § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG verlangt eine Betroffenheit in eigenen Rechten (allg. Ansicht, vergl. nur Böttiger, in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl., § 54 Rn. 49 mwN), ein lediglich wirtschaftliches Interesse am Verfahrensausgang ist nicht ausreichend.

Soweit das Vorbringen der Kläger zu 2) und 3) im Sinne der Meistbegünstigung dahingehend auszulegen sein sollte, dass sie auch für sich selbst einen Leistungsanspruch geltend machen (etwa in Höhe des bei der Klägerin zu 1) angerechneten Kindergeldes), wäre die Klage unbegründet. Zutreffend hat der Beklagte festgestellt, dass dem monatlichen Bedarf der Kläger zu 2) und zu 3) iHv 435,16 EUR (Sozialgeld gem. §§ 19 Abs. 1 Satz 2, 23 Nr. 1 SGB II einschließlich anteiliger Kosten für Unterkunft und Heizung) ein bedarfsdeckendes monatliches Einkommen aus Unterhalt, Wohngeld und Kindergeld iHv insgesamt 573,50 EUR (Juli 2011 bis Oktober 2011) bzw. 561,50 EUR (November 2011 und Dezember 2011) gegenüberstand und die Kläger zu 2) und zu 3) deshalb nicht hilfebedürftig iSd §§ 7 Abs. 1 Nr. 3, 9 SGB II waren. Auf die Verwertbarkeit des Depotvermögens kommt es für die Beurteilung eines Leistungsanspruchs des Klägers zu 2) daher nicht an.

Die Klage der Klägerin zu 1) ist zulässig, aber unbegründet.

Die Klägerin zu 1) ist dem Grunde nach leistungsberechtigt nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Der Beklagte hat den Leistungsanspruch zutreffend unter Anrechnung des vollen Kindergeldes des Klägers zu 2) und des überschießenden Kindergeldes des Klägers zu 3) errechnet und bewilligt. Er hat den Bedarf - einschließlich der Mehrbedarfe für Alleinerziehung von zwei Kindern unter 16 Jahren (§ 21 Abs. 3 Nr. 1 SGB II), des Mehrbedarfs für dezentrale Warmwassererzeugung (§ 21 Abs. 7 SGB II) und der anteiligen Kosten für Unterkunft und Heizung - zutreffend mit 688,84 EUR (Juli 2011) bzw. 684,18 EUR (August 2011 bis November 2011) festgestellt. Das anzurechnende durchschnittliche (§ 2 Abs. 3 Satz 1 Alg II-V) Erwerbseinkommen hat der Beklagte unter zutreffender Absetzung der Freibeträge (100 EUR gem. § 11 Abs. 2 Satz 1 SGB II; 48,22 EUR gem. § 11 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 3 SGB II) mit 192,88 EUR angesetzt.

Die Anrechnung des vollen Kindergeldes (184 EUR monatlich) für den Kläger zu 2) auf den Bedarf der Klägerin zu 1) folgt aus § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Hiernach sind Einnahmen in Geld abzüglich der vom Beklagten berücksichtigten Absetzbeträge nach § 11b SGB II als Einkommen zu berücksichtigen. Bei dem der Klägerin zu 1) unstreitig zufließenden Kindergeld handelt es sich um deren Einkommen (§ 1 Abs. 1 BKGG). § 11 Abs. 1 Satz 4 SGB II steht einer Berücksichtigung des Kindergeldes beim Bedarf der Klägerin zu 1) nicht entgegen. Hiernach ist das Kindergeld für zur Bedarfsgemeinschaft gehörende Kinder dem jeweiligen Kind nur zuzurechnen, soweit es bei diesem zur Sicherung des Lebensunterhalts benötigt wird.

Der Kläger zu 2) gehört bereits deshalb nicht zur Bedarfsgemeinschaft, weil er Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts aus eigenem Vermögen beschaffen kann (§ 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II). Das Depotvermögen stellt zu berücksichtigendes verwertbares Vermögen iSd § 12 Abs. 1 SGB II dar. Das Depot gehört zivilrechtlich dem Kläger zu 2), wie aus der Mitteilung der Fa. V Investment vom 21.12.2010 deutlich wird und mittlerweile wohl auch nicht mehr bestritten wird. Der Vortrag, der Sohn verwahre das Vermögen treuhänderisch für seine Eltern, widerspricht der (glaubhaften) Behauptung, das Vermögen sei für die "Existenzgründung" des Sohnes vorgesehen gewesen und stamme zu großen Teil aus Geschenken von Verwandten. Der Umstand, dass der Vater, der Zeuge N, nicht zur Mitwirkung an der Freigabe bereit ist, ist unbeachtlich. Der Vater ist zivilrechtlich verpflichtet, daran mitzuwirken, dass sein Sohn Mittel für seinen Lebensunterhalt hat (§§ 1618a, 1626, 1627 BGB). Ebenso wenig, wie er dem Kind gehörendes Bargeld einbehalten dürfte, um Hilfebedürftigkeit zu provozieren, ist er berechtigt, seine Zustimmung zu der Verwertung des Depots zu verweigern. Unter Zugrundelegung der Zeugenaussage kann das Verhalten des Vaters ohnehin so interpretiert werden, dass er nicht generell (etwa weil er die materielle Berechtigung des Sohnes bezweifelt), sondern nur deshalb eine Verwertung des Depots verweigert, weil er von einem vorrangigen SGB II-Anspruch ausgeht. Hier irrt er indes. Der Kläger zu 2) kann jedenfalls die Aufhebung der Verfügungsbeschränkung durch den Zeugen verlangen (hierzu Mecke, in: Eicher, SGB II, 3. Aufl., § 12 Rn. 45). Daher ist das Vermögen verwertbar iSd § 12 Abs. 1 SGB II und kann das gesamte Kindergeld für den Kläger zu 2) bei der Klägerin zu 1) berücksichtigt werden.

Auch die Anrechnung des anteiligen Kindergeldes für den Kläger zu 3) (138,34 EUR für Juli 2011 bis Oktober 2011) bzw. 126,34 EUR (November 2011 und Dezember 2011) ist nicht zu beanstanden. Der Kläger zu 3) gehört ebenfalls nicht zur Bedarfsgemeinschaft (§ 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II). Er hat zwar kein Vermögen, jedoch - wie ausgeführt - bedarfsdeckendes Einkommen.

Der Teil des Kindergeldes, der bei dem Kläger zu 3) zur Bedarfsdeckung benötigt wird, ist bei diesem gem. § 11 Abs. 1 Satz 4 SGB II zu berücksichtigen, der andere Teil bei der Klägerin zu 1) gem. § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II.

Gem. § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind als bedarfsminderndes Einkommen alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert zu berücksichtigen. Hierzu gehört grundsätzlich auch das Kindergeld, das gem. § 1 Abs. 1 BKGG ein eigener Anspruch der kindergeldberechtigten Person ist. Abweichend von der kindergeldrechtlichen Zurechnung bestimmt § 11 Abs. 1 Satz 4, Satz 3 SGB II, dass für die Bestimmung des zu berücksichtigenden Einkommens nach dem SGB II das Kindergeld für zur Bedarfsgemeinschaft gehörende Kinder als Einkommen dem jeweiligen Kind zuzurechnen ist, soweit es bei dem jeweiligen Kind zur Sicherung des Lebensunterhalts benötigt wird. Das Kindergeld soll damit vorrangig zur Sicherung des Lebensunterhalts des Kindes verwendet werden. Es nimmt insoweit nicht an der Einkommensverteilung innerhalb der Bedarfsgemeinschaft nach § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II teil. Verfügt das Kind indes über hinreichendes Einkommen, um seinen Bedarf nach dem SGB II zu decken, scheidet es aus der Bedarfsgemeinschaft aus. Der nicht zur Bedarfsdeckung des Kindes benötigte Teil des Kindergeldes wird sodann dem Kindergeldberechtigten entsprechend den Regeln des BKGG zugerechnet und als dessen Einkommen nach den Regeln des SGB II verteilt (ständige Rechtsprechung des BSG, vergl. Urteil vom 18.06.2008 - B 14 AS 55/07 R; Urteil vom 13.05.2009 - B 4 AS 39/08 R; Urteil 07.07.2011 - B 14 KG 2/09 R).

Die Neuregelung von § 1612b Abs. 1 BGB ab 01.01.2008 durch das Gesetz zur Änderung des Unterhaltsrechts vom 21.12.2007 (BGBl. I, 3189) ändert an dieser Rechtslage nichts. § 1612b Abs. 1 BGB in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung bestimmt, dass das auf das Kind entfallende Kindergeld zur Deckung seines Barbedarfs zu verwenden ist und zwar zur Hälfte, wenn ein Elternteil seine Unterhaltspflicht durch Betreuung des Kindes erfüllt, in allen anderen Fällen in voller Höhe. Diese Regelung beinhaltet gegenüber der Vorgängernorm eine Neukonzipierung der Berücksichtigung von Kindergeld im Unterhaltsrecht. Während bis zum Inkrafttreten der Neuregelung das Kindergeld auf den Barunterhaltsanspruch des Kindes angerechnet wurde, erfolgt seit dem 01.01.2008 eine Berücksichtigung des Kindergeldes bereits bei der Bestimmung des Bedarfs des Kindes. Mit der Neuregelung wollte der Gesetzgeber ausdrücklich eine Harmonisierung der unterhaltsrechtlichen und der sozialrechtlichen Rechtslage durch Anpassung des Unterhaltsrechts an die sozialrechtliche Rechtslage erreichen (Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Unterhaltsrechts, BT-Drucks. 16/1830 S. 29). Damit besteht gerade kein Widerspruch zwischen der zivilrechtlichen und der sozialrechtlichen Zuordnung des Kindergeldes als Einkommen. Sowohl § 11 Abs. 1 Satz 4 SGB II als auch nunmehr § 1612b BGB ordnen - abweichend von der grundsätzlichen kindergeldrechtlichen Zuordnung - jeweils an, dass das auf das Kind entfallende Kindergeld zur Deckung des sozialrechtlichen bzw. unterhaltsrechtlichen Bedarfs des Kindes zu verwenden ist (vergl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 30.04.2013 - L 6 AS 2234/12 NZB und vom 22.01.2014 - L 12 AS 888/13 NZB). Nur der überschießende Teil kommt den Eltern - hier der Klägerin zu 1) - zugute, was insoweit zu einer Reduzierung ihres Bedarfs an Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II führt.

Die Anrechnung des Kindergeldes als Einkommen im Sinne von § 11 Abs. 1 SGB II auf die Leistungen nach dem SGB II ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG wird durch die Anrechnung des Kindergeldes nicht verletzt. Zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ist es nicht geboten, zumindest einen Teil des Kindergeldes anrechnungsfrei zu belassen, damit der Betreuungs-, Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf eines Kindes, dem im Einkommensteuerrecht nach Maßgabe von § 32 Abs. 6 EStG in Verbindung mit § 31 Satz 1 EStG Rechnung getragen wird, gedeckt werden kann. Denn Art. 1 Abs. 1 GG iVm Art. 20 Abs. 1 GG verlangt nicht die Gewährung von Leistungen, die den Betreuungs-, Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf in gleicher Höhe wie das Steuerrecht berücksichtigen. Aus Art. 3 Abs. 1 GG folgt nichts anderes. Art. 3 Abs. 1 GG verpflichtet den Gesetzgeber, der - gegebenenfalls aufgrund verfassungsrechtlicher Verpflichtung - Steuervergünstigungen vorsieht, nicht dazu, diesen Vergünstigungen entsprechende Sozialleistungen solchen Personen und ihren Angehörigen zukommen zu lassen, die kein zu versteuerndes Einkommen erzielen. Hinsichtlich der Zahlung von Kindergeld werden zudem alle Kindergeldberechtigten und hinsichtlich der Anrechnung des Kindergeldes auch alle zu einer Bedarfsgemeinschaft mit ihren Eltern gehörenden hilfebedürftigen Kinder gleich behandelt (ausführlich BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 11.03.2010 - 1 BvR 3163/09).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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