L 9 SO 59/13

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
9
1. Instanz
SG Itzehoe (SHS)
Aktenzeichen
S 22 SO 202/11
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 9 SO 59/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Dient eine Therapie im Einzelfall zwar auch der Verbesserung der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, steht dabei aber der medizinische Leistungszweck im Vordergrund, so ist sie allein der medizinischen Rehabilitation zuzuordnen

2. Die Abgrenzung zwischen Leistungen der medizinischen gegenüber solchen der sozialen Rehabilitation hat danach zu erfolgen, wo der Bedarf des Hilfebedürftigen zu sehen ist, nicht danach, welche positiven Auswirkungen eine Maßnahme (hier: heilpädagogisches Reiten) generell haben kann und/oder im konkreten Fall auch hat.

3. Im Rahmen der Eingliederungshilfe sind gemäß § 54 Abs. 1 Satz 2 SGB XII keine geringeren, aber auch keine weitergehenden Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zu erbringen als in der gesetzlichen Krankenversicherung
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 16. September 2013 aufgehoben und die Klage der Klägerin abgewiesen. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Kostenübernahme für das so genannte heilpädagogische Reiten aus Mitteln der Eingliederungshilfe nach dem Sozialgesetzbuch, Zwölftes Buch (SGB XII).

Der Beklagte erhielt am 29. Januar 2009 eine Meldung der Lebenshilfe S gGmbH, wonach diese bei der am 23. März 2005 geborenen Klägerin einen heilpädagogischen Förderbedarf festgestellt hatte und eine Betreuung durch die Hausfrühförderung für erforderlich hielt. Ein entsprechender Antrag auf Gewährung von Eingliederungshilfe für behinderte Menschen in Form von heilpädagogischen Leistungen für Kinder nach den §§ 53, 54 Abs. 1 SGB XII in Verbindung mit §§ 55 Abs. 2 Nr. 2 und 56 Sozialgesetzbuch, Neuntes Buch (SGB IX), der von der Mutter der Klägerin unter dem 26. November 2008 unterzeichnet worden war, war beigefügt. Das daraufhin mit einem amtsärztlichen Gutachten zur Frage einer Eingliederungshilfe nach §§ 53, 54 SGB XII beauftragte Gesundheitsamt diagnostizierte aufgrund einer amtsärztlichen Untersuchung der Klägerin am 17. März 2009 durch Dr. O eine "(allgemeine?) Entwicklungsverzögerung", bei der im Vordergrund eine drohende wesentliche geistige Behinderung stehe. Als Maßnahme werde aus amtsärztlicher Sicht Frühförderung im Kindergarten Sa (K ) durch die Lebenshilfe S befürwortet. Die Maßnahme solle bis zum 31. Juli 2009 mit maximal zwei Fördereinheiten pro Woche erfolgen. Die Zuordnung aus ärztlicher Sicht werde nach dem SGB XII vorgenommen, da eine bestehende oder drohende seelische Behinderung nicht zu erkennen sei. Auf dieser Grundlage erließ der Beklagte am 23. März 2009 einen entsprechenden Bescheid über die Kostenübernahme für die ambulante heilpädagogische Betreuung der Klägerin.

Einem weiteren Antrag für die Folgezeit gab der Beklagte nach Einholung eines Gutachtens des Gesundheitsamtes vom 9. September 2009, das nunmehr eine Maßnahme bis zum 31. Juli 2010 mit maximal drei Fördereinheiten pro Woche vorschlug und dabei eine Zuordnung aus ärztlicher Sicht zum Personenkreis gemäß § 53 SGB XII vornahm, weil eine (drohende) seelische Behinderung nicht zu erkennen sei bzw. nicht im Vordergrund der Behinderung stehe, durch entsprechenden Bescheid vom 15. September 2009 statt. In dem von der Lebenshilfe S gGmbH erstellten Förderplan vom 11. Novem-ber 2009 waren als Grobziele genannt: Verbesserung der Grobmotorik, Verbesserung der Reizselektion, Förderung der kognitiven Leistungen, Erweiterung der aktiven und passiven Sprache sowie Verbesserung der Körperwahrnehmung. Im Entwicklungsbericht vom 18. März 2010 wurden diese Grobziele auch als zukünftige Förderschwerpunkte benannt.

Nachdem die Eltern der Klägerin am 16. Juli 2010 einen Änderungsantrag auf Gewährung einer Einzelintegrationsmaßnahme gestellt hatten, führte Dr. O in seinem Gutachten vom 21. Juli 2010 für das Gesundheitsamt aus, bei der nicht nur vorübergehenden Behinderung stehe eine drohende wesentliche geistige Behinderung im Vordergrund. Eine heilpädagogische Förderung sei weiterhin erforderlich. Als Maßnahme werde aus amtsärztlicher Sicht eine solche im Kindergarten befürwortet, und zwar in einem Umfang von drei Fördereinheiten pro Woche. Die Förderstunden pro Woche sollten möglichst auf zwei Tage verteilt werden. Die Maßnahme solle längstens bis zum 31. Juli 2011 dauern; danach beginne die Schulbesuchspflicht. Eine (drohende) seelische Behinderung sei nicht zu erkennen bzw. stehe nicht im Vordergrund der Behinderung. Auf dieser Grundlage gewährte der Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 22. Juli 2010 Eingliederungshilfe für die ambulante heilpädagogische Betreuung im Kindergarten Sa in K durch die Lebenshilfe S gGmbH. Dem dagegen eingelegten Widerspruch gab der Beklagte mit Bescheid vom 24. August 2010 statt und erklärte sich bereit, die Kosten der Betreuung einer Einzelintegrationsmaßnahme im Rahmen der Eingliederungshilfe nach §§ 53, 54 Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 55 Abs. 2 Nr. 2 Sozialgesetzbuch, Neuntes Buch (SGB IX) ab dem 1. August 2010 bis längstens zum 31. Juli 2011 zu übernehmen.

Im Schulempfehlungsbericht der Lebenshilfe S gGmbH vom 29. November 2010 hieß es, aufgrund der derzeitigen Entwicklung seien bei der Klägerin Schwierigkeiten beim Durchhalten der 45 minütigen Schulstunde sowie beim Verfolgen des Unterrichts zu erwarten. Es sei davon auszugehen, dass die Klägerin eine sonderpädagogische Unterstützung im Schulalltag benötige (im Bereich der Konzentration, Ausdauer, Sprache und Motorik). Außerdem werde eine Förderung in Form von Ergotherapie für unbedingt erforderlich gehalten.

Die Eltern der Klägerin stellten am 10. Juni 2011 für diese beim Beklagten einen Antrag auf Übernahme der Kosten für die Teilnahme an einer Reittherapie (Heilpädagogisches Reiten und Voltigieren) bei der Reittherapeutin Ka Sb in P. Sie reichten eine diesbezügliche Vereinbarung zwischen den Eltern und Frau Ka Sb vom 7. Juni 2011 ein, wonach die Kosten für eine Therapieeinheit 62,80 EUR betrügen. Die Therapie umfasse Therapieeinheiten im Heilpädagogischen Voltigieren/Reiten (HPV/R), Beratungsgespräche mit den Eltern (Hausbesuche), interdisziplinäre Zusammenarbeit sowie einen Entwicklungsbericht zum Abschluss- oder zur Weiterbeantragung nach Ablauf eines Jahres. Die Laufzeit der Reittherapie richte sich nach dem Krankheits- bzw. Störungsbild des jeweiligen Kindes. Die Klägerin werde zum Schuljahresbeginn 2011/12 in die 1. Klasse der Grundschule eingeschult. Die Eltern legten dem Antrag befürwortende Berichte von der Sprach-therapeutin Frau Sc , dem Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Lübeck, Sozialpädiatrisches Zentrum, dem Kinderarzt Dr. B , der Physiotherapeutischen Praxisgemeinschaft W und R , dem Verein für Gemeindepflege für K und Umgebung, der Klinik A , der Heilpädagogin Frau Kb G , der HNO-Ärztin Frau Dr. E Kc sowie der Praxis für Ergotherapie L Ga bei.

Mit Bescheid vom 15. Juni 2011 lehnte der Beklagte den Antrag auf Kostenübernahme für die Teilnahme an einer Reittherapie ab. Die Klägerin gehöre zwar zum Personenkreis des § 53 SGB XII, es handele sich hier jedoch um eine medizinische Rehabilitationsleistung i.S.v. § 26 SGB IX. Das HPV/R sei aber kein anerkanntes und verordnungsfähiges Heilmittel nach § 32 SGB V. Im Rahmen der Eingliederungshilfe seien keine weitergehenden Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zu erbringen als in der gesetzlichen Krankenversicherung.

Dagegen wandte sich die Klägerin mit Widerspruch vom 22. Juni 2011, zu dessen Begründung sie im Wesentlichen ausführte, bei ihr bestehe ein breitgefächerter Förderbedarf in pädagogischer und therapeutischer Hinsicht in allen Entwicklungsbereichen. Ihr Rückstand sei größer als ein Jahr. Die durchlaufenen Fördereinheiten zur Probe bei der Reittherapeutin hätten gezeigt, was die individuelle und ganzheitliche Förderung für ihre Entwicklung bringe. Sie ermögliche ihr die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft. Die Klägerin beschrieb die Wirkungen sowie die Art der Durchführung der Therapie näher, woraus sich ergebe, dass das heilpädagogische Reiten keine medizinische Rehabilitationsleistung, sondern eine besondere Form der Eingliederungshilfe sei, die in den Bereich der Pädagogik gehöre. Bundesweit werde das HPV/R durch Jugend- und Sozialämter in der Regel übernommen. Die Klägerin reichte eine Broschüre vom Deutschen Kuratorium für Therapeutisches Reiten e. V. ein und zitierte daraus; insbesondere sei die Therapie für Kinder im Vorschulalter geeignet.

Mit Widerspruchsbescheid vom 1. Dezember 2011 wies der Beklagte den Widerspruch zurück und führte näher aus, dass und warum nach seiner Ansicht das begehrte HPV/R von der Zielsetzung her der medizinischen Rehabilitation zuzuordnen sei. Er legte dabei die eingereichten Stellungnahmen von Ärzten und Therapeuten zugrunde und wies auf die Regelung des § 54 Abs. 1 Satz 2 SGB XII hin, wonach Leistungen zur medizinischen Rehabilitation denjenigen der Krankenkassen entsprächen. Es handele sich jedoch nicht um ein verordnungsfähiges Heilmittel nach § 32 SGB V, da keine Empfehlung des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen vorliege. HPV/R sei keine Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, es habe allenfalls indirekten Einfluss darauf. Die Klägerin könne keinen Rechtsanspruch daraus herleiten, dass in anderen Kreisen Leistungen gewährt würden; denn es handele sich um eine Einzelfallentscheidung.

Dagegen hat sich die Klägerin mit ihrer am 22. Dezember 2011 beim Sozialgericht Itzehoe erhobenen Klage gewandt und zur Begründung ausgeführt, sie habe einen Anspruch auf eine wöchentliche Therapieeinheit des HPV/R. Ziel sei die Förderung der Persönlichkeitsentwicklung und eine größtmögliche gesellschaftliche Integration durch die Stärkung der sozialen Kompetenzen sowie eine Motivationssteigerung. Diese Ziele lägen vorrangig im Bereich der sozialen Rehabilitation, der Schwerpunkt liege bei der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Die Entwicklung der drohenden seelischen Behinderung könne durch das HPV/R verlangsamt werden. Die bisherigen Therapieformen seien nicht ausreichend gewesen. Aufgrund der bisher durchgeführten Therapieeinheiten sei ihre Kommunikationsfähigkeit - die der Klägerin - gestiegen ebenso wie ihr Selbstvertrauen und die Konzentrationsfähigkeit. Auch ihre Rechenkünste und das Sprachvermögen seien verbessert worden. Die Klägerin hat zum Beleg dessen Stellungnahmen zum Entwicklungsstand von der Reittherapeutin Ka Sb vom 12. August 2012 sowie 11. Januar 2013 eingereicht. Außerdem hat sie einen Bericht vom Sozialpädiatrischen Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin des UKSH, Campus Lübeck, vom 30. Juli 2012 übersandt. Die Klägerin hat zudem geltend gemacht, die begehrte Leistung sei nunmehr nicht aufgrund der Vorschrift des § 55 Abs. 2 Nr. 2 SGB IX ausgeschlossen, nach der heilpädagogische Leistungen für Kinder, die noch nicht eingeschult seien, erbracht würden. Anders als heute sei sie – die Klägerin – bei der Beantragung der Leistung noch nicht eingeschult gewesen. Dazu verwies sie auch auf Rechtsprechung von verschiedenen Oberverwaltungsgerichten, nach der § 55 Abs. 2 SGB IX keinen abschließenden Leistungskatalog enthalte.

Ein Anspruch ergebe sich aus § 35a Sozialgesetzbuch, Achtes Buch (SGB VIII), da eine seelische Behinderung drohe bzw. bestehe, jedoch würde bei ihr – der Kläge- rin – das Jugendhilferecht nicht zur Anwendung kommen, weil eine seelische Behinderung derzeit noch nicht vorliege.

Die Klägerin hat eine Bestätigung des Deutschen Kuratoriums für Therapeutisches Reiten e. V. vom 26. Juli 2013 eingereicht, wonach es sich dabei um eine Maßnahme der sozialen Rehabilitation handele. Außerdem hat sie zur Frage der Vorrangigkeit der Sozialhilfe vor der Jugendhilfe ein Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 19. März 2009 (3 A 63/08) übersandt.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 15. Juni 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 1. Dezember 2011 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, die Kosten für das heilpädagogische Reiten aus Mitteln der Eingliederungshilfe zu übernehmen, wobei als Grundlage die bisher seit 7. Juni 2011 in Anspruch genommenen Therapieeinheiten gelten sollten. Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe dem Grunde nach einen Anspruch auf Leistungen nach den §§ 53 ff. SGB XII. Bei dem HPV/R handele es sich um medizinische Rehabilitationsleistungen, da der Förderschwerpunkt im Bereich der Wahrnehmung und der Grobmotorik liege, somit die Herstellung körperlicher Grundfunktionen im Vordergrund stehe. Peripher würden auch die Feinmotorik, das Lernen, die geistige Entwicklung, das emotionale und soziale Verhalten sowie die Sprachentwicklung beeinflusst. Leistungen der medizinischen Rehabilitation könnten aufgrund der Regelung des § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII jedoch nicht übernommen werden, da die Leistungsgewährung nicht über diejenige der Gesetzlichen Krankenkassen hinausgehen dürfte, dass HPV/R gehöre jedoch nicht zum Leistungskatalog der Krankenversicherung. Anderes ergebe sich auch nicht aus der vorgelegten Broschüre sowie der Stellungnahme der Reittherapeutin. Die Klägerin gehe davon aus, dass die durch das heilpädagogische Reiten bedingten Fortschritte zwar teils auch in den medizinischen Bereich fallen würden, dort jedoch nicht der Schwerpunkt der Förderung anzusiedeln sei. Dabei verkenne sie im Wesentlichen, dass die medizinische Rehabilitation nicht nur Bereiche wie die Koordination, die Körperspannung und den Einsatz der Hände umfasse, sondern auch die von ihr geschilderten Erfolge im Bereich Kommunikation, Wahrnehmung, Konzentration u. ä ... Dementsprechend liege der Schwerpunkt des heilpädagogischen Reitens im Bereich der medizinischen Rehabilitation. Es bestehe bei der Klägerin auch keine schwerpunktmäßige Orientierung an der drohenden seelischen Behinderung. In diesem Falle wäre ohnehin der Jugendhilfeträger leistungspflichtig. Dann wäre auch § 55 Abs. 2 Nr. 2 SGB IX zu beachten, wonach Leistungen nur an noch nicht eingeschulte Kinder erbracht werden könnten. Der Rechtsstreit sei an das Verwaltungsgericht zu verweisen wegen der drohenden seelischen Behinderung, aus der sich eine Zuständigkeit der Jugendhilfe ergebe. Die Einschätzung des Deutschen Kuratoriums für Therapeutisches Reiten e. V. bezüglich der sozialen Rehabilitation überzeuge nicht, da sie keine nähere Begründung enthalte.

Das Sozialgericht Itzehoe hat den Bescheid des Beklagten vom 15. Juni 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 1. Dezember 2011 durch Urteil vom 16. September 2013 aufgehoben und den Beklagten verurteilt, "die Kosten für das Heilpädagogische Reiten aus Mitteln der Eingliederungshilfe zu übernehmen, wobei als Grundlage die bisher seit Juni 2011 in Anspruch genommenen Therapieeinheiten gelten". Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe einen Anspruch auf Übernahme der streitigen Kosten für das HPV/R auf der Grundlage der Vorschriften der §§ 53 Abs. 1 Satz 1, 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i.V.m. § 55 Abs. 1 SGB IX. Eine Kostenübernahme sei nicht aufgrund einer vorrangigen Leistungspflicht des Jugendhilfeträgers oder aufgrund von fehlenden Leistungsvoraussetzungen nach den vorgenannten Vorschriften ausgeschlossen. Aufgrund der Schilderungen der Ärzte, Therapeuten und Pfleger stelle die Kammer fest, dass das begehrte HPV/R weit über die Ziele einer medizinischen Rehabilitation hinausgehe, indem nicht nur beispielsweise die Motorik der Klägerin verbessert werden solle, sondern darüber hinaus die Übertragung der erworbenen Kompetenzen in den Alltag im Vordergrund stehe, somit im Sinne des § 55 Abs. 1 SGB IX die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ermöglicht werde.

Der Beklagte hat gegen das ihm am 17. Oktober 2013 zugestellte Urteil am 13. No-vember 2013 Berufung eingelegt. Unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags macht er im Wesentlichen geltend, aus den von der Klägerin aufgeführten Therapiezielen und erfolgen werde deutlich, dass die Kernelemente der Entwicklungen, die mit dem heilpädagogischen Reiten gefördert werden sollten bzw. bereits gefördert worden seien, in den Bereich der körpereigenen Grundfunktionen falle. So bestünden die aufgelisteten Ziele allesamt darin, Fähigkeiten bzw. Funktionen des menschlichen Körpers, die in der Regel von Geburt an (in einer gewissen Ausprägung) vorhanden seien, wiederherzustellen. Der Mensch habe beispielsweise von Geburt an ein so genanntes Urvertrauen, dessen ungestörte Entwicklung ihn im Laufe seines Lebens dazu befähige, auch ein entsprechendes Selbst- und Fremdvertrauen zu entwickeln. Diese Entwicklung sei im Falle der Klägerin gestört und solle durch das heilpädagogische Reiten wieder in die richtigen Bahnen gelenkt werden. Selbstverständlich resultierten aus einer solchen Förderung der Entwicklung von Selbst- und Fremdvertrauen auch Fortschritte wie die Teilnahme der Klägerin am Gesprächskreis, die Abnahme des Einnässens oder die Abnahme der selbstverletzenden Handlungen (früher: Oberarme zerkratzt, Nagelhaut an den Fingern verletzt). Diese Fortschritte führten auch dazu, dass die Klägerin besser in die Gemeinschaft der Kinder integriert sei und sich traue, auf diese zuzugehen, um beispielsweise Verabredungen zu treffen. Nichts desto trotz bleibe festzustellen, dass das heilpädagogische Reiten selbst an den körperlichen Grundfunktionen ansetze und deren Entwicklung fördere und nicht schwerpunktmäßig gezielt auf die Folgen des mangelnden Selbst- und Fremdvertrauens eingehe. Diese werde durch die Stellungnahme der Reittherapeutin der Klägerin vom 12. August 2012 bestätigt, in der sie ausführe, dass das heilpädagogische Reiten seinen Schwerpunkt auf der Ebene der geistigen Entwicklung, der Wahrnehmung und des Lernens setze und außerdem ein psychomotorisches Konzept darstelle, das sich mit der ganzheitlichen Förderung der Persönlichkeitsentwicklung des Menschen durch Bewegungserfahrungen beschäftige. Psyche und Motorik seien nach den Ausführungen der Reittherapeutin untrennbar miteinander verbunden und hätten starken gegenseitigen Einfluss aufeinander. Das Pferd vermittele eine Ganzheitserfahrung, weil es den Menschen über alle Sinne ansprechen könne und weil seine Bewegung einen Bewegungsdialog mit dem auf seinem Rücken Sitzenden eingehe. Durch eine verbesserte sensomotorische Integration führe das heilpädagogische Reiten zur Verbesserung der geistigen Fähigkeiten und bringe positive Effekte im sozialen Verhalten durch den pädagogisch therapeutisch begleiteten Umgang mit dem Pferd mit sich. Es erleichtere den Umfang mit Ängsten und Frustrationen und baue Vertrauen auf, das zur Erfahrung von Selbstwertgefühl und angemessener Selbsteinschätzung führe. Die Reittherapeutin sehe die weitere Teilnahme zur individuellen Entwicklungsförderung und zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft für die Klägerin als notwendig an, um den fortschreitenden Verlauf der drohenden seelischen Behinderung abzuwenden, zu verlangsamen oder die Folgen der Behinderung zu beseitigen oder zu mildern sowie die Psyche zu stärken und in gewisser Weise Hilfe zur Erziehung zu leisten. Das heilpädagogische Reiten setze damit schwerpunktmäßig konkret an den körpereigenen Grundfunktionen und nicht an den Folgen der Beeinträchtigung dieser Funktionen an. So zähle die Reittherapeutin gerade Bereiche wie geistige Entwicklung, Wahrnehmung, Lernen und Persönlichkeitsentwicklung durch Bewegungserfahrungen explizit als Schwerpunkte des heilpädagogischen Reitens auf. Aus den zahlreichen Gutachten und Stellungnahmen gehe hervor, dass die drohende seelische Behinderung aus der körperlichen und geistigen Behinderung der Klägerin resultiere. Kernpunkt der seelischen Behinderung sei dabei das bei der Klägerin zunehmende Störungsbewusstsein, das dazu führe, dass seelische bzw. emotionale Störungen aufträten.

Folgende Aspekte fielen in den Bereich der (Wieder-)Herstellung der körpereigenen Funktionen:

- Verbesserung der Motorik, - Stärkung der Muskulatur, - Überkreuzen der Körpermitte, - Ausübung von Arbeiten mit beiden Händen gleichzeitig, - Stärkung der Ausdauer und Konzentration, - bessere Orientierung, Ausgeglichenheit, mehr Ruhe, - Angstabbau, - Stärkung des Eigenvertrauens und des Selbstwertgefühls.

Durch die durch das heilpädagogische Reiten erzielte (Wieder-)Herstellung körpereigener Funktionen würden folgende Erfolge bei der Klägerin erzielt:

- eigenständiges Treffen von Verabredungen, - Halten des Blickkontaktes, - mehr Akzeptanz durch andere Kinder, - bessere Durchsetzungsfähigkeit in der Gruppe, - Abnahme der Selbstverletzungen, - Teilnahme am Gesprächskreis, - Abnahme des Einnässens.

Diese Auflistung zeige, dass das Heilpädagogische Reiten zuvorderst die o. g. körpereigenen Funktionen (wieder-)herstellen solle. Dieses habe zwar eindeutig positive Auswirkungen auf die soziale Teilhabe der Klägerin, es seien aber nur mittelbare und keine direkten Folgen des heilpädagogischen Reitens. Unmittelbare Erfolge des heilpädagogischen Reitens seien die Erfolge, die im Rahmen der körpereigenen Funktionen eingetreten seien und direkt durch das Reiten herbeigeführt würden. Mittelbare Erfolge seien diejenigen, die lediglich aus den unmittelbaren Erfolgen resultierten. So führe das Reiten selbst z. B. nicht zur Teilnahme am Gesprächskreis, sondern diese werde durch das gestärkte Selbstvertrauen begünstigt. Die positiven Auswirkungen des heilpädagogischen Reitens auf die soziale Teilhabe seien damit nur mittelbare Folgen der Reittherapie und resultierten aus den unmittelbaren Erfolgen im Rahmen der medizinischen Rehabilitation.

Insofern sei das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe rechtswidrig; denn es berücksichtige bei der Beurteilung der Leistungsziele und –erfolge nicht, dass die Folgen der körperlichen und geistigen Behinderung gleichzeitig Ursachen der drohenden seelischen Behinderung der Klägerin seien. Dass sich aus dieser Tatsache die Zuordnung des heilpädagogischen Reitens zu den Leistungen der medizinischen Rehabilitation gemäß § 26 SGB IX herleiten lasse, ergebe sich schon daraus, dass die Punkte, an die das heilpädagogische Reiten anknüpfe, schwerpunktmäßig körperliche Grundfunktionen seien, deren Störung die Ursache der Behinderungen, insbesondere der seelischen Behinderung der Klägerin seien. Insofern sei festzustellen, dass das heilpädagogische Reiten im vorliegenden Fall den Leistungen der medizinischen Rehabilitation nach § 26 SGB IX zuzuordnen sei, die nach § 54 SGB XII vorrangig durch die gesetzliche Krankenversicherung zu erbringen seien. Ein Anspruch könnte sich damit allenfalls gegen die gesetzliche Krankenversicherung richten. Dies sei jedoch für das heilpädagogische Reiten zurzeit auszuschließen, da es nicht als Heilmittel anerkannt und eine Kostenübernahme durch die Krankenversicherung damit ausgeschlossen sei. Diese Situation möge zwar für die Betroffenen unbefriedigend sein, das dürfe aber nicht dazu führen, dass eine solche Leistung durch den nachrangig verpflichteten Sozialhilfeträger erbracht werden müsse. Seine bisherigen Ausführungen zur Zuständigkeit des Jugendhilfeträgers bzw. des Verwaltungsgerichts halte er – der Beklagte – nicht länger aufrecht.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 16. September 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt mit Schriftsatz vom 5. Februar bzw. 13. Mai 2014,

die Berufung zurückzuweisen und den Beklagten zu verurteilen, ab Antrag-stellung die Kosten für das Heilpädagogische Reiten aus Mitteln der Einglie-derungshilfe einmal pro Woche zu übernehmen.

Die Klägerin wiederholt, vertieft und ergänzt sehr ausführlich ihren bereits erstinstanzlich dargelegten Standpunkt. Sie betont, dass das therapeutische Reiten in drei Unterpunkte aufgeteilt werde, das heilpädagogische Reiten, das heilpädagogische Voltigieren und die Hippotherapie. Das heilpädagogische Reiten habe Ziele, die sich in einzelnen Bereichen bedingten und sich gegenseitig ergänzten. Dieses seien Ziele im körperlichen, im sensorischen, im emotionalen, im kognitiven wie auch im sozialen Bereich. Bei der Unterform des heilpädagogischen Reitens sei die persönliche und soziale Entwicklung des Menschens das Ziel, hingegen würden bei der Hippotherapie Pferde zur Physiotherapie und Ergotherapie eingesetzt, mithin liege dort der Schwerpunkt auf Leistungen der medizinischen Rehabilitation. Wende man diese Ziele auf ihren Fall – den der Klägerin – an, so sei die Behandlung hauptsächlich auf die Abmilderung der sozialen Folgen der bei ihr bestehenden Entwicklungsstörungen gerichtet.

Entgegen der Auffassung des Beklagten sei Selbstvertrauen keine körpereigene Funktion, die wiederhergestellt werde. Die Stärkung des Eigenvertrauens und des Selbstwertgefühls ziele darauf ab, sich als eigenständige Persönlichkeit zu entfalten. Der Selbstwert sei keine körpereigene Grundfunktion, er sei nicht per se in einem Menschen vorhanden. Er werde vielmehr geprägt durch Erfahrungen, Kommunikation, von der Umwelt, forme den Charakter und sei Voraussetzung zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft. Insoweit werde Bezug genommen auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 19. Mai 2009, dort Rn. 20 der Entscheidungsgründe.

Sie – die Klägerin – sei weder körperlich noch geistig behindert, bei ihr drohe aber, wie im Bericht des UKSH vom 30. Juli 2012 festgestellt, eine seelische Behinderung. Der vom Beklagten vorgenommenen Differenzierung zwischen mittelbaren und unmittelbaren Folgen der Behinderung schließe sie – die Klägerin – sich weiterhin nicht an, da dafür keine Rechtsgrundlage bestehe. Die Fortschritte, die wesentlich dem heilpädagogischen Reiten zu verdanken seien, würden auch aus dem Grundschulzeugnis vom 11. Juli 2014 erkennbar, wonach sie einen "zunehmend unbeschwerten Zugang zu ihren Mitschülern" gefunden habe. Dieses zeige insbesondere, dass es ihr – der Klägerin – mehr und mehr gelinge, am Leben in der Gesellschaft teilzuhaben. Demgemäß knüpfe das heilpädagogische Reiten an den sozialen Folgen der Behinderung an, da eine Abkapselung und Beziehungsarmut verhindert werde. Ergänzend werde auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Oktober 2012 – 5 C 15/11 – verwiesen, in dem das Bundesverwaltungsgericht das heilpädagogische Reiten als Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft qualifiziert habe, sowie auf die zur Akte gereichte Anmerkung von Aa J im Diskussionsforum Rehabilitations- und Teilhaberecht. Wenn generell geistige Behinderungen, die mit Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten und der Sprache sowie einer längerfristigen Gefährdung der Integration einhergingen, als seelische Behinderungen eingestuft würden, so sei bei ihr – der Klägerin – von einer seelischen Behinderung auszugehen. Das ergebe sich aus dem zur Akte gereichten sonderpädagogischen Gutachten des Förderzentrums S Nordost vom 14. April 2014, in dem die Anerkennung eines sonderpädagogischen Förderbedarfs im Schwerpunkt Lernen vorgeschlagen werde. In Anlehnung an die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 19. Mai 2009 – B 8 SO 32/07 R –, wonach die Eingliederungshilfe im Rahmen der Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft bei Bedürftigkeit des Sozialhilfeempfängers auch die Übernahme der Kosten für Hörgerätebatterien umfasse, müssten auch für sie – die Klägerin – aus Mitteln der Eingliederungshilfe die Kosten für das so genannte heilpädagogische Reiten übernommen werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen; diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig; insbesondere ist die Zuständigkeit des Landessozialgerichts gegeben. Hinsichtlich eines eingliederungshilferechtlichen Anspruchs gestützt auf eine körperliche oder geistige Behinderung sind über § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII die §§ 53 Abs. 1, 54 Abs. 1 SGB XII i. V. m. § 55 Abs. 1 SGB IX als Anspruchsgrundlagen heranzuziehen, über die vor den Sozialgerichten in erster wie auch in zweiter Instanz zu entscheiden ist. Hinsichtlich einer drohenden seelischen Behinderung (nur eine solche liegt nach Ansicht der Klägerin vor, nicht aber eine körperliche und/oder geistige Behinderung) wäre zwar an sich der Verwaltungsrechtsweg eröffnet (vgl. § 51 Sozialgerichtsgesetz – SGG –, § 40 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO –, § 10 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII). In diesem Fall greift aber über § 202 Satz 1 SGG in entsprechender Anwendung die Regelung in § 17a Abs. 5 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG), wonach das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, nicht prüft, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist.

Die Berufung ist aber nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung bzw. Übernahme der gegenüber dem Beklagten geltend gemachten Kosten für das sog. heilpädagogische Reiten. Die die Kostenübernahme versagenden Bescheide des Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 16. September 2013, durch das die angefochtenen Bescheide aufgehoben worden sind und der Beklagte verurteilt worden ist, die Kosten für das heilpädagogische Reiten aus Mitteln der Eingliederungshilfe zu übernehmen, wobei als Grundlage die bisher seit Juni 2011 in Anspruch genommenen Therapieeinheiten gälten, hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Es ist aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Es kann dahinstehen, in welcher Höhe tatsächlich Kosten für die Reittherapie angefallen und in welchem Umfang diese – nachweisbar – bereits von den Eltern der Klägerin beglichen worden sind und bis wann der zeitlich unbegrenzte Antrag für die seit dem 7. Juni 2011 in Anspruch genommenen Therapieeinheiten gelten soll; denn ein Erstattungsanspruch der Klägerin für die (ggf.) von ihren Eltern getragenen Kosten der ohne Kostenzusage des Beklagten durchgeführten Reittherapie ist weder auf der Grundlage von § 3 Abs. 1 SGB XII, § 15 Abs. 1 Satz 4, 2. Alt. SGB IX, § 53 SGB XII, § 55 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2, 3 bzw. 7 i. V. m. § 58 Nr. 1 SGB IX (im Falle einer körperlichen oder geistigen Behinderung) noch gemäß §§ 2 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 5, 3 Abs. 2, 36a Abs. 3 Satz 1, 35a Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 3 SGB VIII i. V. m. § 53 Abs. 3 und 4 Satz 1 SGB XII i. V. m. § 55 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2, 3 bzw. 7 i. V. m. § 58 Nr. 1 SGB IX (bei drohender seelischer Behinderung) zu bejahen.

Ungeachtet der vom Beklagten zunächst geltend gemachten Überlegungen, dass hier im Hinblick auf die drohende seelische Behinderung der Klägerin der Träger der Kinder- und Jugendhilfe zuständig sein könnte und ein möglicher Anspruch in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu klären wäre, ist der Beklagte der zuerst angegangene Rehabilitationsträger und als solcher auch gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX zuständig, um den Rehabilitationsbedarf festzustellen, da er den Antrag der Klägerin nicht innerhalb der Zweiwochenfrist des § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IX gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX an einen (anderen) nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger weitergeleitet hat.

Die Frage, ob bei der Klägerin eine geistige Behinderung vorliegt (wie vom Sozialgericht im Hinblick auf das vom UKSH am 30. Juli 2012 festgestellte weit unterdurchschnittliche intellektuelle Begabungsniveau der Klägerin bejaht) oder ob die Klägerin weder körperlich noch geistig behindert ist, bei ihr aber eine seelische Behinderung droht (wie von Seiten der Klägerin, gestützt auf eine diesbezügliche Diagnose des UKSH) nachdrücklich vertreten wird), kann letztlich dahinstehen. Insofern bedarf es auch keiner exakten Abgrenzung etwa anhand der Definitionen, wie sie in der Verordnung nach § 60 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (Eingliederungshilfe-Verordnung) in dem dortigen § 2 für geistig wesentlich behinderte Menschen und in § 3 für seelisch wesentlich behinderte Menschen enthalten sind. Unstreitig gehört die Klägerin zum berechtigten Personenkreis; denn gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Gemäß Satz 2 dieser Vorschrift sind sie von Behinderung bedroht, wenn die Beeinträchtigung zu erwarten ist.

Seelisch behinderte Kinder wie auch die von einer seelischen Behinderung bedrohten Kinder haben gemäß § 35a Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB VIII Anspruch auf Eingliederungshilfe. Gemäß § 35a Abs. 3 SGB VIII richten sich Aufgabe und Ziel der Hilfe, die Bestimmung des Personenkreises sowie die Art der Leistungen nach § 53 Abs. 3 und 4 Satz 1, den §§ 54, 56 und 57 des Zwölften Buches, soweit diese Bestimmungen auch auf seelisch behinderte oder von einer solchen Behinderung bedrohte Personen Anwendung finden. Gemäß § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII gehen Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch für junge Menschen, die körperlich oder geistig behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind, hingegen – wie schon das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat – den Leistungen nach dem Achten Buch vor. In beiden Fällen ist – unterstellt, die o. g. Bestimmungen des SGB VIII, insbesondere auch die Unaufschiebbarkeit nach § 36a Abs. 3 Satz 1, letzter Halbsatz SGB VIII, wie auch alle sonstigen Voraussetzungen der genannten Regelungen im SGB XII wären tatbestandsmäßig erfüllt – letztlich eine Prüfung des Anspruchs nach § 53 Abs. 3 und 4 Satz 1 SGB XII, § 54 Abs. 1 SGB XII vorzunehmen. Eine solche ergibt, dass es sich in diesem Fall – entgegen der Auffassung des Sozialgerichts – bei dem von der Klägerin durchgeführten heilpädagogischen Reiten nicht um eine Maßnahme der sozialen Rehabilitation handelt, für die im Rahmen der Eingliederungshilfe nach den §§ 53 ff. SGB XII die Kostenübernahme/-erstattung erfolgen könnte, sondern um eine Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation i. S. v. § 54 Abs. 1 Satz 2 SGB XII i. v. m. § 26 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX. Nach der letztgenannten Norm werden Leistungen zur medizinischen Rehabilitation behinderter oder von Behinderung betroffener Menschen erbracht, um Behinderungen abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen oder eine Verschlimmerung zu verhüten. Gemäß § 26 Abs. 2 Nr. 4 umfassen Leistungen zur medizinischen Rehabilitation insbesondere Heilmittel einschließlich physikalischer, Sprach- und Beschäftigungstherapie sowie nach Nr. 6 dieser Bestimmung Hilfsmittel.

Wie auch zwischen den Beteiligten unstreitig ist, sind Leistungen der heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd, also auch das hier betroffene HPV/R, nicht vom Katalog der anerkannten Heilmittel nach § 32 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V), i. V. m. § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V, wonach der Gemeinsame Bundesausschuss insbesondere Richtlinien über die Verordnung u. a. von Heil- und Hilfsmitteln beschließen soll, erfasst. Demzufolge können die Kosten für das heilpädagogische Reiten als medizinische Rehabilitationsleistung nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung nach dem SGB V und wegen der "Sperrwirkung" in § 54 Abs. 1 Satz 2 SGB XII auch nicht im Rahmen der Eingliederungshilfe erbracht werden. Die letztgenannte Norm besagt ausdrücklich, dass die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und zur Teilhabe am Arbeitsleben jeweils den Rehabilitationsleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung oder der Bundesagentur für Arbeit entsprächen.

Die Abgrenzung von Leistungen der medizinischen Rehabilitation von Leistungen zur sozialen Rehabilitation erfolgt nach dem Leistungszweck. Maßgebend ist, welche Bedürfnisse mit dem Hilfsmittel oder der Maßnahme befriedigt werden sollen, also welchen Zwecken und Zielen das Hilfsmittel (in diesem Fall: die Maßnahme) dienen soll (BSG, Urteil vom 19. Mai 2009 – B 8 SO 32/07 R –, juris, Rn. 17). Dabei können sich die Leistungszwecke überschneiden (a. a. O., Rn. 23). Um eine soziale Rehabilitation handelt es sich somit immer dann, wenn die begehrten und im Hinblick auf den konkreten Bedarf erforderlichen Leistungen über die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung hinausreichen und über die Zwecke der gesetzlichen Krankenversicherung hinausgehende Ziele, z. B. nach § 55 Abs. 1 SGB IX die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen oder zu sichern, Grundlage für das Erfordernis einer Maßnahme sind (vgl. Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 27. Februar 2013 – L 9 SO 17/11 –). Dient eine Therapie im Einzelfall zwar auch der Verbesserung der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, steht dabei aber der medizinische Leistungszweck im Vordergrund, so ist sie allein der medizinischen Rehabilitation zuzuordnen (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 20. Au¬gust 2012 – L 20 SO 25/09 –, juris, Rn. 62 ff.). Bei der Abgrenzung der beiden unterschiedlichen Leistungsarten ist zu berücksichtigen, dass die Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nach § 55 Abs. 1 SGB IX an den sozialen Folgen einer Krankheit bzw. Behinderung ansetzen und deren Überwindung dienen (BSG, Urteil vom 31. März 1998 – B 1 KR 12/96 -). Sie sollen die Auswirkungen der Krankheit bzw. Behinderung auf die Lebensgestaltung auffangen oder abmildern (BSG, a.a.O., Rn. 11). Dagegen knüpfen Leistungen der medizinischen Rehabilitation nach § 26 SGB IX an der Krankheit selbst und ihren Ursachen an.

Der Senat zweifelt nicht daran, dass eine Reittherapie in Form des heilpädagogischen Reitens – wie von Klägerseite insbesondere unter Bezugnahme auf die Ausführungen der Reittherapeutin Sb ausführlich dargelegt – im Einzelfall vollständig oder jedenfalls schwerpunktmäßig eine Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft und eine ganzheitliche Förderung der persönlichen Entwicklung sein kann und – wenn motorische Defizite nicht oder nur in geringem Ausmaß vorliegen - nicht zwingend eine Leistung der medizinischen Rehabilitation sein muss. Das ergibt sich schon aus dem ganzheitlichen Therapieansatz; denn mit der Ressourcen orientierten ganzheitlichen Förderung sollen über motorische Impulse und die Verbundenheit mit dem Pferd auch Lernprozesse hinsichtlich von Selbstwahrnehmungen und Stärkung des Selbstvertrauens angestoßen werden.

Die Abgrenzung zwischen Leistungen der medizinischen gegenüber solchen der sozialen Rehabilitation hat aber gerade danach zu erfolgen, wo der Schwerpunkt des Bedarfs zu sehen ist, nicht danach, welche positiven Auswirkungen eine Maßnahme (hier: heilpädagogisches Reiten) generell haben kann und/oder im konkreten Fall auch hat. Entscheidend ist also, wo der Schwerpunkt des individuell-konkreten Bedarfs liegt. Sollte sich kein eindeutiger Schwerpunkt bzw. jedenfalls kein Überwiegen eines Komplexes gegenüber einem anderen ermitteln lassen, dürfte das zu Lasten der den Anspruch geltend machenden Person gehen; denn dann wäre die gemäß § 4 Abs. 1 SGB IX, § 10 Nr. 1 Sozialgesetzbuch, Erstes Buch (SGB I), erforderliche "Notwendigkeit" für gerade diese Maßnahme (hier: heilpädagogisches Reiten) nicht zu begründen.

Nach diesen Grundsätzen bestand der Bedarf bei der Klägerin für die zurzeit der Antragstellung beim Beklagten bereits begonnene Therapie jedenfalls nicht vorrangig im Bereich der sozialen Rehabilitation. Die dem Antrag auf Kostenübernahme beigefügten diversen Stellungnahmen, die einen breit gefächerten Überblick über die gesundheitliche Situation und das Persönlichkeitsbild der Klägerin abgeben und dadurch eine realistische Einschätzung der Bedarfssituation ermöglichen, sprechen vielmehr dafür, dass, wenn auch nicht ausschließlich, so doch schwerpunktmäßig, eine motorische Förderung als Anknüpfungspunkt für die Reittherapie anzunehmen ist.

In ihrer Stellungnahme vom 20. Mai 2011 hat die Sprachtherapeutin Frau Sc angegeben, die Teilnahme am heilpädagogischen Reiten wäre eine wichtige Maßnahme für die positive Entwicklung N s. Das heilpädagogische Reiten könne sich besonders auf das Gleichgewicht, die Koordination, die Konzentration, das Selbstbewusstsein, die sprachliche Pragmatik und damit auch die Kommunikationsanlässe und Kommunikationsmöglichkeiten positiv auswirken.

Prof. Dr. T /Frau Dr. Sd vom UKSH haben in ihrem Bericht vom 18. Mai 2011 als Diagnosen nach der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandten Gesundheitsprobleme (ICD-10) angegeben:

Kombinierte umschriebene Entwicklungsstörungen (F83) mit diskrepantem kognitivem Leistungsprofil im leicht unterdurchschnittlichen Bereich der Altersklasse, Entwicklungsstörung der motorischen Funktionen (F82.9) mit erheblichen Auffälligkeiten in der Handlungsplanung, expressive Sprachstörung (F80.1).

Textlich wurde dazu ausgeführt:

"Im Rahmen der motorischen Auffälligkeiten erhält N ein umfassendes Förderkonzept bestehend aus neurophysiologischer Entwicklungsförderung, Einzelintegration im Kindergarten sowie einer spezifischen Ergotherapie. Ergänzend zu diesem Therapieprogramm profitiert sie für die Verbesserung der Koordination und grobmotorischen Handlungsplanung von einer Hippotherapie. Wir halten diese zusätzliche Therapie für medizinisch sinnvoll für die Verbesserung der langfristigen Teilhabe von N."

In der Stellungnahme des Kinderarztes Dr. B vom 17. Mai 2011 heißt es u. a.:

" N weist viele Defizite auf – u. a.: feinmotorische Störung, Gleichgewichtsstörung, globale Retardierung, Dyspraxie, AVWS, Sprachentwicklungsrückstand –, die einer speziellen Therapie bedürfen. Deshalb erhält N schon verschiedene Fördermaßnahmen. Zusätzliche halte ich eine heilpädagogische Reittherapie für dringend erforderlich! Aufgrund der massiven Entwicklungsverzögerung und Wahrnehmungsstörung in allen Entwicklungsbereichen bei N droht eine ausgeprägte Behinderung. Nach meiner fachärztlichen Kenntnis ist zu erwarten, dass durch das Heilpädagogische Reiten die Folgen der Behinderung gemildert werden können. "

Frau Ab aus der Physiotherapeutischen Praxisgemeinschaft hat unter dem 7. Mai 2011 ausgeführt:

"N war aufgrund ihrer motorischen und senso motorischen Defizite über 2 Jahre lang in physiotherapeutischer Behandlung. Es besteht immer noch ein großer Förderbedarf gerade im Hinblick auf die bevorstehende Einschulung. Die einsetzende Therapiemüdigkeit bei N macht aber ein Umdenken erforderlich, so dass aus meiner Sicht ein ganzheitlicher Ansatz dringend erforderlich ist. Für N wäre das Heilpädagogische Reiten unbedingt zu empfehlen. Sie liebt Pferde und ist bei diesem Medium sehr motiviert."

Frau Ea und Frau Kd vom Verein für Gemeindepflege haben am 3. Mai 2011 u. a. angegeben:

" Da Ihre Tochter im Kindergarten weiterhin erhebliche Defizite im motorischen und sozialemotionalen Bereich offenbart, befürworten wir Ihren Ansatz, eine Förderung Ihrer Tochter N in Form von therapeutischem Reiten zu beantragen. Bei N besteht die Möglichkeit, mit dieser Maßnahme eine Zunahme von Wahrnehmung und Konzentrationsfähigkeit zu erreichen. Das durch die Schwierigkeiten der Kontaktaufnahme zu Gleichaltrigen entstandene mangelnde Selbstwertgefühl könnte sich ebenfalls anhand von therapeutischem Reiten deutlich verbessern und somit ergäbe sich die Möglichkeit für N , dieses kontinuierlich aufzubauen. "

Im Bericht des Dr. H /der Frau Dr. Se der Klinik A vom 2. Mai 2011 heißt es:

" Vorsorgemaßnahme vom 19. Januar 2011 bis zum 23. Februar 2011 stationär in unserer Mutter-Vater-Kind-Klinik Diagnosen: F89 Entwicklungsverzögerung, R47.8 expressive Sprachstörung. Aufgrund der o. g. Diagnosen und der zusätzlich bestehenden Konzentrationsschwierigkeiten und leichten Ablenkbarkeit von N ist eine weitere Förderung vor Eintritt in die Schule erforderlich. Als unterstützende Maßnahme für diese Beschwerden möchten wir insbesondere therapeutisches Reiten für N empfehlen. "

Die Heilpädagogin Frau G hat in ihrer Stellungnahme vom 29. April 2011 im Wesentlichen ausgeführt:

" N ist seit dem 19. Mai 2010 bei mir in der neurophysiologischen Entwicklungsförderung. Diese Förderung "INPP" beschäftigt sich mit der Erfassung neurophysiologischer Ursachen von Lern-, Verhaltens- und Entwicklungsstörungen bei Kindern und Jugendlichen. Dazu gehört ein tägliches Bewegungsübungsprogramm, welches für N aufgrund ihrer erheblichen Dyspraxie sehr schwer umzusetzen ist. Durch das konsequente Durchführen der Übungen durch die Eltern sind bei N Fortschritte in der Reizaufnahme und –verarbeitung zu verzeichnen. Dennoch ist es für das Mädchen von großer Wichtigkeit, zusätzlich ihren Muskeltonus, ihr Gleichgewicht, ihre Aufmerksamkeit und ihre erhebliche Dyspraxie durch das heilpädagogische Reiten zu stärken."

Die HNO-Ärztin Dr. Kc hat am 17. September 2010 in ihrer zusammenfassenden Beurteilung und Empfehlung ausgeführt:

"Noch deutliche Sprachentwicklungsstörung im Rahmen der allgemeinen psychomotorischen Retardierung mit zentralmotorischen Koordinationsstörungen. Die rechtsseitige Hochtonschallempfindungsschwerhörigkeit spielt eine geringere Rolle. Die Hörmerkspannenentwicklung entspricht einem ca. dreijährigen Kind, das Rhythmusgefühl ist noch nicht gut entwickelt, zumindest werden drei Rhythmusitems noch nicht nachgeklatscht. M. E. Ergotherapie sinnvoll, noch keine Logopädie, Fortführung der derzeitigen INPP-Therapie. Das geplante Heilpädagogische Reiten halte ich für indiziert zumal das Voltigieren im Winter nie durchführbar ist und die Gruppengröße für das Kind (braucht Einzelansprache) ungeeignet ist."

Im Arztbrief der Praxis für Ergotherapie L Ga vom 10. Mai 2011 heißt es:

" Es zeigen sich vor allem Defizite in ihrer propriozeptiven und vestibulären Wahrnehmungsverarbeitung, wie z. B. der Körpereigenwahrnehmung und der adäquaten Tonusregulation, wie auch der Grob- und Feinmotorik. Im vesti-bulären Bereich zeigen sich Defizite in den Stell- und Stützreaktionen. Im sozioemotionalen Bereich konnte ich beobachten, dass N noch ein geringes Selbstwertgefühl und eine geringe Frustrationstoleranz zeigt. Im kognitiven Bereich noch nicht altersentsprechend entwickelt Das Heilpädagogische Reiten wäre für N sinnvoll aufgrund der oben genannten Defizite wie z. B. der Probleme in der Körpereigenwahrnehmung, der Gleichgewichtsregulation und in den sozioemotionalen Kompetenzen. "

Diese Stellungnahmen zeigen, dass die Ausrichtung auf die motorische Förderung der wesentliche Ansatz für die Reittherapie war. Gerade an den diesbezüglichen Defiziten und damit – wie bereits der Beklagte umfänglich und zutreffend dargelegt hat – unmittelbar an diesen gesundheitlichen Beeinträchtigungen sollte angesetzt werden, um die Gesamtsituation für die Klägerin zu verbessern. Dass im Rahmen dieser Leistung zur medizinischen Rehabilitation zugleich Erfolge im Bereich der Aktivierung von Selbsthilfepotentialen, Hilfen zur seelischen Stabilisierung und zur Förderung der sozialen Kompetenz u.a. durch Training sozialer und kommunikativer Fähigkeiten und im Umgang mit Krisensituationen wie auch das Training lebenspraktischer Fähigkeiten, wie sie in § 26 Abs. 3 Nr. 2, 5 und 6 SGB IX ausdrücklich als Bestandteil der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation mit aufgeführt sind, erzielt werden sollten und nach den ausführlichen Angaben der Klägerin auch erreicht worden sind, führt nicht dazu, dass – losgelöst von den unmittelbaren Ansätzen und Auswirkungen auf die Motorik durch die Arbeit auf und mit dem Pferd – schwerpunktmäßig auf die o. g. weiteren positiven Auswirkungen der Therapie als entscheidendes Kriterium abzustellen und deshalb die Leistung insgesamt als eine solche der sozialen Rehabilitation einzustufen wäre.

Welch gewichtigen Raum die für erforderlich gehaltene Förderung der motorischen Fähigkeiten auch in der Folgezeit eingenommen hat, zeigt der Bericht des UKSH von Prof. Dr. T , Frau Dr. Sd und der Diplom-Psychologin Dr. Ke vom 30. Juli 2012, der nach der ICD-10-Klassifikation folgende Diagnosen ausweist:

"Expressive Sprachstörung (F80.1), zentrale Hörverarbeitungsstörung, umschriebene Entwicklungsstörung der motorischen Funktionen(F82.9), leichte Intelligenzminderung mit diskretem Leistungsprofil (F70), emotionale Störungen des Kindesalters mit drohender seelischer Behinderung (F93.8), Verdacht auf einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung mit besonderer Problematik in den visuellen Aufmerksamkeitsleistungen (F90.0)."

Die zusammenfassende Beurteilung und Therapieempfehlung lautet wie folgt:

"Wie bereits in den Voruntersuchungen fiel eine deutliche Dyspraxie bei allen Bewegungsabläufen auf. Es sollten insbesondere Kompensationsmechanismen mit N erarbeitet werden. Erfreulicherweise ist die motorische Förderung im Freizeitbereich angesiedelt (heilpädagogisches Reiten, Schwimmen). Diese Förderung sollte dringlich fortgeführt werden. Insbesondere das heilpädagogische Reiten ist zur Förderung der motorischen Entwicklung aber auch zur Stabilisierung des Selbstbewusstseins geeignet und für N unbedingt zu empfehlen. Auf der Grundlage der aktuell erhobenen Ergebnisse ist N s intellektuelles Begabungsniveau weit unterdurchschnittlich und damit im Bereich der geistigen Behinderung gelegen, das Leistungsprofil war heterogen. starkes Störungsbewusstsein, das sich negativ auf ihr Interaktions- und Kontaktverhalten auswirkt Es ist weiterhin von einer drohenden seelischen Behinderung auszugehen. Aufgrund der sozio-emotionalen Belastung des Mädchens sind ihre Aufmerksamkeitsprobleme zum jetzigen Zeitpunkt nicht sicher von einer Überforderungssituation abzugrenzen. "

Gerade im Hinblick auf die in den o. g. ärztlichen Befunden und weiteren Stellungnahmen häufig angesprochene Dyspraxie (umschriebene Koordinations- und Entwicklungsstörung) wie auch der genannten motorischen Defizite insgesamt ist auch auf die Stellungnahmen der Reittherapeutin Sb abzustellen, wonach deutliche Verbesserungen in der Koordination der Bewegungen bei der Klägerin durch die Therapie mit dem Pferd erzielt werden konnten. So hat Frau Sb in ihrer Stellungnahme vom 12. August 2012 u. a. ausgeführt, in der heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd stehe die Förderung der Entwicklung der Klägerin in folgenden Bereichen im Vordergrund: Zum einen bei der Wahrnehmung (Schulung des Gleichgewichts, der Körpereigenwahrnehmung, des Berührungsempfindens, der Erfahrung neuer Bewegungsimpulse und der Freude an der Bewegung ), weiter die Grobmotorik (Schulung der Bewegungsplanung und –koordination, Verbesserung der Haltungskontrolle und der Stützreaktionen, Rhythmusgefühl, angemessene Muskelspannung, Geschicklichkeit). Dazu heißt es weiter, die Förderung der o. g. Bereiche bedeute eine intensive Förderung der sensorischen Integration des kindlichen Gehirns; dieses bilde die Basis für die positive Weiterentwicklung des Kindes. N s Auffälligkeiten in der Sensomotorik beeinflussten die Qualität der anderen Entwicklungsbereiche immens. Alle Entwicklungsbereiche seien untrennbar miteinander verbunden und bildeten sich in gegenseitiger Abhängigkeit voneinander aus. Weiter wurde die Feinmotorik, u. a. Schulung der Fingerdifferenzierung, der Hand-Auge-Koordination sowie der angemessenen Muskelspannung, das Lernen/die geistige Entwicklung, das emotionale Verhalten (u. a. Aufbau und Stärkung von Selbstbewusstsein, Selbstwertgefühl und Selbsteinschätzung), das soziale Verhalten wie auch die Sprachentwicklung angeführt. Zu letzterem Bereich hieß es, die Basis für eine gute Sprachentwicklung sei eine gut funktionierende sensorische Integration. Zusammenfassend war angegeben, die Klägerin profitiere von dieser besonderen tiergestützten Entwicklungsförderung, da hierüber nicht nur motorische Fertigkeiten und sensorische Wahrnehmung trainiert würden, wodurch sich langfristig die Sprache entwickele, sondern auch die geistigen Fähigkeiten intensiv gefördert würden und emotionale und soziale Kompetenzen aus dieser Umgebung erwüchsen.

Verstärkt wird diese Darstellung in der weiteren Stellungnahme der Reittherapeutin vom 11. Januar 2013, in der es u. a. heißt, die Klägerin sei in der Lage, ihre eigene Körpermitte zu überkreuzen und auch mit beiden Händen gleichzeitig Arbeiten auszuüben (relativ kurz nach dem Therapiestart); diese Fähigkeit steigere sich fortlaufend. Sie könne beide Hände einsetzen, sie lerne, die zweite Hand sinnvoll bei vielen Tätigkeiten zu nutzen. Sie verwende die zweite Hand als Stütze, damit die Haupthand mehr Erfolg habe und schaue mit den Augen hin, sei insgesamt aufmerksamer, wodurch sie komplexe Lerninhalte zusammenhängender wahrnehme und verinnerliche, wodurch ihr der Lernerfolg bewusst werde, ihr Selbstbewusstsein sich steigere und sie mehr Freude am Lernen habe. Die Klägerin könne seit einigen Monaten nach Beginn des heilpädagogischen Reitens ihre Arme und Beine lateral, d. h. wechselseitig, bewegen, was in immer wiederkehrenden Übungen mit und auf dem Pferd intensiv gefördert worden sei, beide Gehirnhälften gleichermaßen anspreche und ebenso wie viele andere Körperwahrnehmungsübungen die Basis für die Eigenwahrnehmung bilde und die Grundvoraussetzung für ein adäquates Sozialverhalten bedeute. Hier habe zuvor definitiv kein Weg hingeführt und auch die Links/Rechts-Sicherheit sei in letzter Zeit größtenteils vorhanden. Der schwerpunktmäßige Aufbau auf dem Komplex der motorischen Förderung wird auch durch die abschließende ausführliche Darlegung von Frau Sb in deren Stellungnahme vom 11. Januar 2013 betont, wenn es dort heißt, da es sich bei der heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd um eine ganzheitliche Förderung handele und die Entwicklung des Menschen von vielen Faktoren abhänge, dürfe die sensorische Integration bei der Förderung entwicklungsverzögerter und behinderter Kinder keinesfalls außer Acht gelassen werden; denn sensomotorische Wahrnehmungsstörungen führten zu sozio-emotionalen Auffälligkeiten und diese zu Kommunikationsproblemen; denn die Wahrnehmung anderer setze eine gute Eigenwahrnehmung voraus, die ihrerseits ein gut ausgebildetes Körperschema voraussetze.

Auf der Grundlage der vorgenannten Unterlagen ist nach alledem kein Schwerpunkt und auch nicht jedenfalls ein eindeutig zu erkennendes Überwiegen des Bedarfs für eine Leistung der sozialen Rehabilitation festzustellen, sondern es ist von einer Leistung der medizinischen Rehabilitation aufgrund des Schwerpunkts des Bedarfs im motorischen/sensomo¬tori¬schen Bereich auszugehen, die aufgrund der Regelung in § 54 Abs. 1 Satz 2 SGB XII (wie oben dargelegt) eine Kostentragung zu Lasten des Beklagten nicht ermöglicht. Daher braucht der Senat weiteren rechtlichen Fragen darüber, ob eine Kostentragung für das heilpädagogische Reiten überhaupt noch ab Beginn der Schulzeit der Klägerin in Betracht gekommen wäre und inwieweit die Eltern der Klägerin an einer solchen Kostentragung hätten beteiligt werden können bzw. müssen, nicht im Einzelnen nachzugehen.

Das Sozialgericht hat die Auffassung vertreten, das HPV/R sei als Form der heilpädagogischen Förderung der Klägerin nicht etwa aufgrund der Vorschrift des § 55 Abs. 2 Nr. 2 SGB IX ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift seien Leistungen nach Abs. 1 (zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft) insbesondere heilpädagogische Leistungen für Kinder, die noch nicht eingeschult seien. Die Klägerin sei inzwischen eingeschult. Dieses führe jedoch nicht dazu, dass eine Leistungserbringung über § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i. V. m. § 55 Abs. 1 SGB IX ausgeschlossen wäre. Dabei hat sich das Sozialgericht auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Oktober 2012 (5 C 15/11 – juris) gestützt, in dem entschieden worden ist, dass Kindern oder Jugendlichen ein Anspruch auf Gewährung heilpädagogischer Leistungen in Form der heilpädagogischen Reittherapie als jugendhilferechtliche Eingliederungshilfe zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft auch dann zustehen könne, wenn sie eingeschult seien und eine ihrer Behinderung entsprechende Förderschule besuchten. Die Vorschrift des § 55 Abs. 2 Nr. 2 SGB IX sei nicht dahin zu verstehen, dass sie die Gewährung heilpädagogischer Leistungen als jugendhilferechtliche Eingliederungshilfe zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft für eingeschulte Kinder oder Jugendliche ausschließe. Die grammatikalische Auslegung zwinge nicht zu einem derartigen Normverständnis. Die Entstehungsgeschichte spreche vielmehr dafür, dass auch eingeschulte Kinder oder Jugendliche einen Anspruch auf Eingliederungshilfe hätten, weil ein anderes Verständnis auch der auf Offenheit und Lückenlosigkeit gerichteten Zielsetzung der jugendhilferechtlichen Eingliederungshilfe zuwiderlaufen würde. Es ist fraglich, ob dieser Auffassung, nach der die Gesetzeshistorie und der Gesetzeszusammenhang als entscheidend angesehen werden, zu folgen wäre, oder ob maßgeblich darauf abzustellen wäre, dass der klare Wortlaut eine solche Auslegung nicht zuließe, weil man berücksichtigen müsste, dass der Gesetzgeber, wenn er heilpädagogische Leistungen auch bereits eingeschulten Kindern hätte zukommen lassen wollen, in § 55 Abs. 2 Nr. 2 SGB IX den Relativsatz "die noch nicht eingeschult sind" (wie er sich im Übrigen ausdrücklich auch in § 56 Abs. 1 Satz 2 SGB IX findet) einfach hätte weglassen können (vgl. dazu Sozialgericht Aachen, Urteil vom 5. Juni 2012 – S 20 SO 176/11 –, juris, Rn. 24). Die Auslegung von Gesetzesvorschriften hat sich stets an deren Wortlaut zu orientieren. Maßgebend dabei ist der zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den diese hineingestellt ist. Nicht entscheidend ist dagegen die subjektive Vorstellung der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe oder einzelner ihrer Mitglieder über die Bedeutung der Bestimmung. Lässt sich eine solche objektive, am Wortlaut orientierte Auslegung feststellen, stellt diese die Grenze für die Auslegung dar (Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Beschluss vom 20. Januar 2016 – L 5 KR 238/15 B ER –). Zu diesen Überlegungen muss der Senat aber ebenso wenig eine Entscheidung treffen wie zu der Frage, ob und ggf. in welchem Umfang es (im Falle der Gewährung von Eingliederungshilfeleistungen zugunsten der Klägerin nach dem Sechsten Kapitel des SGB XII) den Eltern gemäß § 19 Abs. 3 SGB XII zuzumuten (gewesen) wäre, die Kosten für das heilpädagogische Reiten ihrer minderjährigen und unverheirateten Tochter aufzubringen. Denn ein Anspruch auf Eingliederungshilfe scheitert – wie oben dargelegt – an § 54 Abs. 1 Satz 2 SGB XII, wonach Leistungen zur medizinischen Rehabilitation den Reha-Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung entsprechen. Im Rahmen der Eingliederungshilfe sind also keine geringeren, aber auch keine weitergehenden Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zu erbringen als in der gesetzlichen Krankenversicherung (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 27. August 2009 – L 9 SO 5/08 –).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision durch den Senat gemäß § 160 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
Saved