L 5 KR 18/14

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Itzehoe (SHS)
Aktenzeichen
S 25 KR 195/10
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 18/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Ein Leistungsträger, der bestandskräftig über ein an ihn gem. § 14 Abs. 2 S. 1 SGB IX weitergeleiteten Antrag entschieden hat, bleibt auch anschließend im Verfahren nach § 44 SGB X zuständig. Jeder andere Leistungsträger ist für einen erneuten bei ihm gestellten Antrag, der als Antrag nach § 44 SGB X auszulegen ist, sachlich unzuständig und seine Entscheidung ist deshalb aufzuheben.
2. Der zuständige Leistungsträger ist in diesem Verfahren beizuladen und kann verurteilt werden, obwohl er über den Antrag nach § 44 SGB X nicht entschieden hat.
3. Zur Abgrenzung der Zuständigkeit von Krankenkasse, Sozialhilfe und Heim für Versorgung mit Hilfsmitteln bei vorstationärer Unterbringung.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 26. November 2013 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Bescheid der Beklagten vom 11. Mai 2010 in der Fassung des Wider- spruchsbescheides vom 18. Januar 2011 aufgehoben wird. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Versorgung mit einem Schwerkraftlagerungssitz ("Gravity Chair").

Der am. 1981 geborene und gesetzlich bei der Beklagten gegen Krankheit versicherte Kläger leidet an einem frühkindlichen Hirnschaden. Er ist steh-, geh- und sitzfähig, kann sich nonverbal mit geringen Lauten äußern und neigt in Gesellschaft mit anderen Personen zu autoaggressivem Verhalten. Er lebt in einer Wohngruppe der G Werkstätten und wird tagsüber in der angegliederten Tagesförderstätte betreut. Grundlage hierfür ist ein zwischen der Mutter und Vertreterin des Klägers sowie dem Beigeladenen zu 2) geschlossener Wohn- und Betreuungsvertrag vom 1. Mai 2010. Darin heißt es u. a. in § 3 Abs. 1 Satz 1: "Inhalt und Umfang der von der Einrichtung vorzuhaltenden Leistungen ergeben sich im Einzelnen aus dem Landesrahmenvertrag nach § 79 SGB XII sowie der Leistungs- und Prüfungsvereinbarung gemäß §§ 75 ff. SGB XII" ( ). Abs. 2: "Die Leistungen orientieren sich an der individuellen Lebenssituation und dem jeweiligen Bedarf ( ) des Bewohners sowie der Konzeption der Einrichtung. Ziel ist es, den Bewohnern unter Wahrung ihrer Menschenwürde und Achtung der Persönlichkeit ein unter Berücksichtigung der individuellen Neigungen und körperlichen, seelischen und geistigen Fähigkeiten (sowie des Gesundheitszustandes) selbstständiges und selbstbestimmtes Leben ausgerichtet an ihren individuellen Interessen und Bedürfnissen zu ermöglichen."

Die zwischen dem Beigeladenen zu 1) und dem Beigeladenen zu 2) geschlossene Leistungs- und Prüfungsvereinbarung gemäß § 75 Abs. 3 SGB XII für den Wohnbereich der G Werkstätten lautet auszugsweise:

"§ 3 Personenkreis Die Wohnangebote stehen folgenden Personen im Sinne der § 53 ff. SGB XII zur Verfügung: ( ) 2. Menschen mit besonderem Hilfebedarf, ( ) deren komplexes Behinderungsbild zusätzliche Unterstützung in mehreren der beispielhaft aufgeführten Bereiche im Rahmen der Eingliederungshilfe regelmäßig erfordert: ( ) Im Bereich des Sozialverhaltens erhebliche (Auto-)Aggres¬sions- und Verweigerungstendenzen ( )

§ 5 Umfang der Leistungen 1. Die Einrichtung bietet differenzierte, auf die Belange des § 3 beschriebenen Personenkreises, aus- und eingerichtete Wohnplätze an ( ) 3. Die von der Einrichtung zu erbringende Leistung entspricht in jedem Einzelfall in Art und Umfang dem Hilfeanspruch nach den §§ 1 und 9 sowie §§ 53, 54 SGB XII. Der Umfang der Leistungen ergibt sich aus § 6 LRV SH. Er überschreitet nicht das Maß des Notwendigen und orientiert sich an dem individuellen Hilfebedarf der/des jeweiligen Leistungsberechtigten. Die Hilfe wird dem einzelnen Menschen individuell im Rahmen des durch die Einrichtung zu erstellenden Förder- und Teilhabeplans gewährt. Sie wird begrenzt durch die räumliche, personelle und sächliche Ausstattung. ( ) 6. Die Ausstattung richtet sich nach den behinderungsbedingten Teilhabebedürfnissen des aufzunehmenden Personenkreises. ( )"

Der Beigeladene zu 1) und der Beigeladene zu 2) haben auch eine Leistungs- und Prüfungsvereinbarung gemäß § 75 Abs. 3 SGB XII für die Tagesförderstätte der G Werkstätten geschlossen.

Mit Kostenvoranschlag vom 19. Februar 2010 sowie einer ärztlichen Verordnung des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. von Z vom 1. Februar 2010 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Versorgung mit dem Schwerkraft-Lagerungs¬system Gravity Chair zu einem Rechnungspreis in Höhe von 911,54 EUR (Kostenvoranschlag vom 19. Februar 2010). Die Beklagte leitete den Antrag mit Schreiben vom 4. März 2010 zuständigkeitshalber an den Beigeladenen zu 1) weiter. Es handele sich nicht um eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung. Der Beigeladene zu 1) lehnte die Übernahme der Kosten mit – bestandskräftig gewordenem – Bescheid vom 9. März 2010 ab.

Mit weiterem Schreiben seiner Vertreterin vom 6. Mai 2010 beantragte der Kläger bei der Beklagten erneut die Versorgung mit diesem Schwerkraft-Lagerungssystem. Beigefügt wurde ein ärztliches Attest von Dr. von Z vom 22. März 2010, wonach eine Verordnung des Therapiestuhls dringend erforderlich sei. Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 11. Mai 2010 ab. Der beantragte Lagerungssitz sei in seiner Funktion als Stuhl/Sessel den Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens zuzuordnen. Der Bescheid ergehe auch nach dem SGB IX im Namen anderer Kostenträger, die aus den gleichen "medizinischen Gründen" keine Kostenzusicherung geben könnten. Hiergegen legte der Kläger durch Schreiben seiner Vertreterin am 31. Mai 2010 Widerspruch ein.

Der daraufhin von der Beklagten beauftragte Medizinische Dienst der Krankenversicherung Nord (MDK) kam in seinem Gutachten vom 6. August 2010 (U. K ) zu dem Ergebnis, dass der "Gravity Chair" nicht notwendig sei. Das Sitzmöbel selber diene weder dem Ausgleich einer Behinderung, noch beuge es einer Behinderung vor. Es sorge für ein komfortables und so glaubwürdig berichtet, auch ein angenehmes Sitzen im Sinne von sich geborgen fühlen. Die medizinische Indikation zur Versorgung sei nicht gegeben. Das gewünschte Sitzen in einer geborgenen Position könne durch andere Mittel erreicht werden. Einer eigentlichen Therapie diene das Sitzen ebenfalls nicht. Eine Kostenübernahme könne nicht empfohlen werden.

Unter Hinweis auf die Ausführungen wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 18. Januar 2011 zurück.

Zuvor hatte der Kläger bereits am 18. November 2010 Klage beim Sozialgericht Itzehoe erhoben. Er habe einen Anspruch auf Versorgung mit dem "Gravity Chair" als Hilfsmittel gemäß § 33 Abs. 1 SGB V. Der "Gravity Chair" sei für ihn erforderlich, um schwerwiegende Verletzungen, die er sich zufügen könne, zu verhindern und um den autoaggressiven Teil seiner Behinderung auszugleichen und insoweit seinen Teilhabeanspruch zu sichern. Angesichts der Schwere seiner Behinderung sei kein vollständiger Ausgleich möglich. Aber auch ein Mensch mit einer schweren Behinderung habe Anspruch auf weitestmöglichen Ausgleich. Nur bei Gelingen der Beruhigung und Entspannung könne er an Gruppenangeboten überwiegend teilnehmen und diese auch als Förderung erhalten. Den Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens sei der "Gravity Chair" entgegen der Auffassung der Beklagten nicht zuzuordnen. Das beantragte Hilfsmittel ziele nicht auf ein komfortables und angenehmes Sitzen als Selbstzweck ab. Ein ebenso geeignetes Hilfsmittel zur kurzfristigen Beruhigung sei nicht ersichtlich und werde von der Beklagten auch nicht genannt. Die zeitweise medikamentöse Ruhigstellung sei jedenfalls als in die körperliche Unversehrtheit stärker eingreifendes Mittel nicht gleich geeignet. Innerhalb der Gattung von Schwerkraft-Lagerungssystemen sei keine kostengünstigere Alternative bekannt und werde von der Beklagten auch nicht vorgeschlagen. Die G Werkstätten hätten, ohne dass die Einrichtung hierzu verpflichtet gewesen wäre und der Kläger hierauf einen Anspruch gehabt hätte, aufgrund der außerordentlichen Eignung des beantragten Hilfsmittels für die Einrichtung einen "Gravity Chair" angeschafft. Dieser könne für den Kläger im Werkstättenbereich eingesetzt werden. Im Bereich der Wohnstätte stehe das Hilfsmittel ihm jedoch nicht zur Verfügung.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 11. Mai 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. Januar 2011 zu verurteilen, ihn mit dem Schwerkraft-Lagerungssystem "Gravity Chair" des Herstellers RehaNorm zu versorgen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat an ihrer Rechtsauffassung festgehalten.

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

Der Beigeladene zu 1) hat erklärt, es sei nicht ersichtlich, dass die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ohne die Versorgung mit einem "Gravity Chair" gefährdet wäre. Der Kläger nehme bereits an seinem Umfeld teil. Der "Gravity Chair" solle es ihm lediglich ermöglichen, im Falle einer Anspannung mit einhergehendem autoaggressiven Verhalten schneller Beruhigung zu finden als das bislang der Fall sei. Der Kläger führe an, dass er nur so an Gruppenangeboten überwiegend teilnehmen könne. Diese Aussage sei nicht belegt. Der Beigeladene zu 1) sei Kostenträger für die Maßnahme der Tagesförderstätte sowie für die Unterbringung in der Wohnstätte der G Werkstätten. Im Rahmen dieses Verhältnisses sei dem Beigeladenen zu 1) das autoaggressive Verhalten des Klägers bekannt. Bekannt sei ebenfalls, dass die Betreuer der G Werkstätten Wege außerhalb des "Gravity Chair" und eventueller Medikation gefunden hätten, den Kläger "nach kurzer Zeit" wieder zu beruhigen. Es habe sich bewährt, dass er bei gutem Wetter nach draußen gehen und auf dem Rasen Gras oder Blätter pflücken könne oder alleine in der Sandkiste spiele. Bei schlechtem Wetter sitze der Kläger in solch einer Situation in seinem Zimmer und spiele mit seinem Koffer. Um eine solche Situation möglichst gar nicht erst entstehen zu lassen, sei geplant, den Kläger später aus der Tagesförderstätte kommen zu lassen, damit er erst zur Gruppe dazukomme, wenn es etwas ruhiger im Gemeinschaftsraum sei. Ein Anspruch auf Kostenübernahme aus Sozialhilfemitteln könne jedenfalls nicht erkannt werden.

In der mündlichen Verhandlung am 18. Februar 2013 hat das Sozialgericht sowohl den Betreuer des Klägers in der Tagesförderstätte D O als auch die Betreuerin in der Wohnstätte W Q als Zeugen gehört.

Die Beteiligten haben sich daraufhin mit einer Entscheidung ohne erneute mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Mit Urteil vom 26. November 2013 hat das Sozialgericht ohne einen weiteren Termin zur mündlichen Verhandlung die Klage abgewiesen und in den Entscheidungsgründen ausgeführt:

"Der Kläger hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Versorgung mit dem beantragten Schwerkraftlagerungssitz "Gravity Chair".

Ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte ergibt sich zunächst nicht aus § 33 Abs. 1 Fünftes Buches Sozialgesetzbuch (SGB V). Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. Dabei ist – was den hier allein infrage kommenden Fall des Behinderungsausgleichs (3. Variante) angeht – zwischen unmittelbarem und mittelbarem Behinderungsausgleich zu unterscheiden. Während das Hilfsmittel bei ersterem auf den Ausgleich der Behinderung selbst abzielt und damit dem unmittelbaren Ersatz der ausgefallenen Funktionen dient, ist letzterer auf den Ausgleich der direkten oder indirekten Folgen der Behinderung gerichtet (vgl. etwa BSG, Urteil vom 7. Oktober 2010 – B 3 KR 13/09 R, Rn. 16 ff., juris). Da Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung die medizinische Rehabilitation ist, also die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktion einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolgs, um ein selbstständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können, besteht im Falle des mittelbaren Behinderungsausgleichs ein Anspruch auf ein begehrtes Hilfsmittel immer dann, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und insoweit ein Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Zu den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens gehören das Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnehmen, Ausscheiden, die elementare Körperpflege, das selbstständige Wohnen sowie das Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraumes (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 18).

Die Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 Satz 1 3. Variante SGB V liegen nicht vor. Hierbei kann offen bleiben, ob der "Gravity Chair" den Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens zuzurechnen ist. Jedenfalls ist dieser im Falle des Klägers nach Auffassung der Kammer nicht zum Behinderungsausgleich erforderlich. Ein Grundbedürfnis des täglichen Lebens, wie vorstehend aufgezählt, dem durch den Lagerungssitz Rechnung getragen werden soll, ist beim Kläger nicht betroffen. Nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen und in Übereinstimmung mit den Schilderungen der Betreuer ist der Kläger insbesondere – unstreitig – geh-, steh- und sitzfähig. Denkbar wäre allenfalls, ein Grundbedürfnis des Freiseins von Selbstverletzungen anzunehmen. Als Folge der Behinderung tritt beim Kläger ein autoaggressives Verhalten auf. Daraus resultieren (Selbst-)Verletzungen. Im Hinblick auf Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) könnte es geboten sein, auch solche mittelbaren Folgen in den Anwendungsbereich des § 33 SGB V einzubeziehen, das heißt ein solches Freisein von Selbstverletzungen als ein zu sicherndes Grundbedürfnis anzuerkennen.

Selbst wenn man aber auf ein solches Grundbedürfnis abstellt, begründet dies keinen Anspruch auf das beantragte Hilfsmittel. Denn dieses ist insoweit nicht im Sinne des § 33 SGB V erforderlich. Die Nutzung des "Gravity Chair" ist, wie sich aus den vorliegenden Unterlagen und den übereinstimmenden Aussagen der Betreuer ergibt, nur ein Mittel von mehreren, um den Kläger wieder zu beruhigen. Wenn Anspannungen auftreten, so wird grundsätzlich versucht, den Kläger aus dieser belastenden Situation herauszuführen, insbesondere ihn in einen anderen Raum zu bringen. Ein weiteres Mittel ist eine Massage der Hand bzw. das Eincremen der Hand. Darüber hinaus kommen zur Beruhigung das Hinausgehen an die frische Luft, die Nutzung eines Bällebades sowie – als letztes Mittel – ein Wannenbad in Betracht. Andererseits ist es nicht so, dass durch das Vorhandensein dieses "Gravity Chairs" Selbst¬verletzungen im Wesentlichen ausgeschlossen wären. Zwar wird berichtet, dass der Kläger diesen Stuhl auch selber aufsucht bzw. aufgesucht hat. Andererseits ist es so, wie mehrfach berichtet, dass der Kläger nicht in der Lage ist, alleine aus einer für ihn belastenden Situation herauszukommen. Dass heißt, er ist selbst grundsätzlich nicht dazu fähig, eine für ihn belastende Situation als solche wahrzunehmen und eine entsprechende Konsequenz daraus zu ziehen. Selbst wenn ein solcher Stuhl vorhanden wäre, wäre der Kläger kaum in der Lage, diesen in Spannungssituationen zu nutzen.

Weiterhin kommt auch unter Gesichtspunkten sozialer Teilhabe eine Versorgung des Klägers mit dem beantragten Lagerungssitz nicht in Betracht.

Allerdings war die Beklagte zuständig und gehalten, einen möglichen Anspruch des Klägers auch auf Grundlage materiellen Sozialhilferechts nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) zu prüfen. Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) stellt der Rehabilitationsträger, werden Leistungen zur Teilhabe beantragt, innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist; bei den Krankenkassen umfasst die Prüfung auch die Leistungspflicht nach § 40 Abs. 4 SGB V. Stellt er bei der Prüfung fest, dass er für die Leistung nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu (§ 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX). Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf unverzüglich fest (§ 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX). Die Beklagte hatte als so genannter erstangegangener Rehabilitationsträger nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX den Antrag nicht weitergeleitet und das Begehren des Klägers daher umfassend unter Heranziehung des für alle Rehabilitationsträger geltenden Rechts zu prüfen. Die Beklagte hat dies möglicherweise auch so verstanden, wenn im Bescheid vom 11. Mai 2010 ausgeführt wird, der Bescheid ergehe – mit gleichem Ergebnis – nach dem SGB IX auch im Namen anderer Kostenträger.

Denkbare Rechtsgrundlage für einen Anspruch des Klägers ist insoweit § 54 Abs. 1 SGB XII in Verbindung mit § 55 Abs. 1, 2 Nr. 1 SGB IX sowie § 9 der Verordnung nach § 60 SGB XII (Eingliederungshilfe-Verordnung). Nach § 55 Abs. 1 SGB IX werden als Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft Leistungen erbracht, die den behinderten Menschen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ermöglichen oder sichern oder sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege machen und nach den Kapiteln 4 bis 6 des SGB IX nicht erbracht werden. Aufgabe dieser Eingliederungshilfe ist es dabei, eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und die behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern (§ 53 Abs. 3 Satz 1 SGB XII). Leistungen nach § 54 Abs. 1 SGB IX sind insbesondere die Versorgung mit anderen als den in § 31 SGB IX genannten Hilfsmitteln oder den in § 33 SGB IX genannten Hilfen (§ 55 Abs. 2 Nr. 1 SGB IX). Eine weitere Konkretisierung dieser Hilfsmittel findet sich in § 9 Eingliederungshilfe-Verordnung.

Nach dem Vortrag der Betreuer in der mündlichen Verhandlung am 18. Februar 2013 sprechen – ohne dass die Kammer dies zu entscheiden hätte – Gründe dafür, den Sitz als sinnvoll anzusehen, um dem Kläger die Teilnahme an Gruppenaktivitäten zu ermöglichen. Dies führte jedoch nicht zu einer weitergehenden Leistungspflicht der Beklagten. Zu beachten ist insoweit das sozialhilferechtliche Dreiecksverhältnis. Der Sozialhilfeträger erfüllt seine Verpflichtungen nach dem SGB XII nicht selbst, sondern bedient sich hierzu der G Werkstätten bzw. dessen Träger, der Norddeutschen Gesellschaft für Diakonie e.V., und verschafft dem Kläger einen Anspruch auf Sachleistung durch den Leistungserbringer (vgl. Jaritz/Eicher, jurisPK-SGB XII, § 75 Rn. 28). Der Beigeladene zu 1) hat hierzu mit dem Beigeladenen zu 2) eine Leistungs- und Prüfungsvereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII sowohl für die Wohnstätte (WohnLV) als auch für die Tagesförderstätte (TfSLV) geschlossen. Der Kläger seinerseits hat mit dem Beigeladenen zu 2) einen Wohn- und Betreuungsvertrag geschlossen. Aus diesen Regelungen folgt nach Ansicht des Gerichts, dass der Beigeladene zu 2) selbst – bei unterstellter Erforderlichkeit – für die Anschaffung des Lagerungssitzes zu sorgen hätte.

Das gilt einerseits für den Bereich der Wohnstätte der G Werkstätten.

Ausgangpunkt hierfür ist, dass nach der Leistungsvereinbarung, auf die der zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen zu 2) geschlossene Wohn- und Betreuungsvertrag (§ 3 Abs. 1 Satz 1) hinsichtlich des Inhalts der Leistung Bezug nimmt, die Wohneinrichtung gerade auch für Personen mit dem spezifischen Behinderungsbild des Klägers geschaffen ist. So sieht § 3 WohnLV vor, dass die Wohnangebote insbesondere auch Menschen mit besonderem Hilfebedarf mit erheblichen (Auto-)Aggressionstendenzen zur Verfügung stehen. Auch diesen Menschen bietet die Einrichtung, wie es in § 4 WohnLV zum Inhalt der Leistungen weiter heißt, ein möglichst breit differenziertes Spektrum von Angeboten, um der Art und Schwere der Behinderung, der unterschiedlichen Leistungsfähigkeit und Entwicklungsmöglichkeit sowie der Neigung der Menschen mit Behinderung so weit wie möglich Rechnung zu tragen (§ 4 Abs. 2 Satz 1 WohnLV). Dabei erfordert die besondere Lebenslage dieses Personenkreises, die jeweils spezifischen Eigenheiten des Einzelnen zu erfassen; denn an den individuellen Ressourcen hat sich die Förderung um so mehr auszurichten, je verborgener diese Möglichkeiten der Entwicklung sind (§ 4 Abs. 2 Satz 2 WohnLV). Zu den Leistungen gehören auch Angebote zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Fertigkeiten zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft (§ 4 Abs. 3 Satz 1 WohnLV). Damit werden insbesondere auch Gruppenaktivitäten erfasst. Der Umfang der Leistungen richtet sich nach den behinderungsbedingten Teilhabebedürfnissen des aufzunehmenden Personenkreises (§ 5 Abs. 6 Satz 1 WohnLV).

Zur Erfüllung dieser Aufhaben steht der Einrichtung wiederum eine angemessene sächliche Ausstattung zur Verfügung, welche einen sicheren und erfolgreichen Betrieb ermöglicht (§ 7 Abs. 2 Nr. 2.3. WohnLV). Es stehen die nach fachlicher Einschätzung erforderlichen Sachmittel zur Betreuung und Förderung zur Verfügung (§ 7 Abs. 2 Nr. 2.8 WohnLV). Hierfür erhält die Einrichtung vom Beigeladenen zu 1) eine entsprechende Vergütung. Nur dann, wenn die Einrichtung über die in § 3 WohnLV beschriebenen zwei Personenkreise hinaus Menschen mit besonderem Hilfebedarf aufnimmt, ist ein zusätzlicher Personal- und Sachkostenbedarf notwendig, der durch die vorliegende Leistungsvereinbarung nicht abgedeckt ist (vgl. § 3 WohnLV, vorletzter Absatz). Im Übrigen ist von Seiten des Beigeladenen zu 2) nicht gerügt worden und auch sonst nicht ersichtlich, dass die vom Beigeladenen zu 1) gewährte Vergütung zur Erreichung der Vertragszwecke von Vornherein unzulänglich wäre.

Gleiches gilt andererseits auch für den Bereich der Tagesförderstätte.

für einen Anspruch gegen die Einrichtung (wäre) der Zivilrechtsweg gegeben (vgl. Jaritz/Eicher, jurisPK-SGB XII, § 75 Rn. 101); eine Verurteilung des Beigeladenen zu 2) könnte ohnehin nicht erfolgen (vgl. § 75 Abs. 5 SGG)."

Gegen dieses den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 6. Februar 2014 zugestellte Urteil richtet sich seine Berufung, die am 6. März 2014 bei dem Schleswig-Hol¬steinischen Landessozialgericht eingegangen ist. Zur Begründung führt der Kläger aus, Hilfsmittel könnten auch als Ausgleich von "direkten und indirekten Folgen" eines Funktionsdefizits beansprucht werden, wenn dieser mittelbare Behinderungsausgleich ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betreffe. Zu den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens gehöre auch die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Teil seiner Behinderung sei es, dass er in der Gemeinschaft mit anderen, insbesondere bei stärkerer Geräuschentwicklung, sehr schnell angespannt sei und dann zu autoaggressivem Verhalten neige, bei dem er dann seinen Kopf gegen harte Gegenstände in seiner Umgebung schlage, sich in die Hände beiße und sich mit seiner ausgeprägten Kraft häufig mit gerade verfügbaren Gegenständen ernsthaft zu verletzen drohe. Wie sich sowohl aus der Befragung der Mitarbeiter der G Werkstätten in der mündlichen Verhandlung als auch den vorhandenen medizinischen Unterlagen ergebe, werde er bei Auftreten einer autoaggressiven Phase bei einer Platzierung in dem "Gravity Chair" ruhiger, weil er sich entspanne, wodurch er schließlich in die Lage versetzt werde, Gruppenveranstaltungen wieder beiwohnen zu können. Bei einem Verbleib in dem Stuhl während einer Gruppenveranstaltung würde er an dieser besser teilnehmen können, ohne dass die Gefahr des Ausschlusses von der Veranstaltung die Folge bei Auftreten des autoaggressiven Verhaltens sei. Aufgrund seiner schweren Behinderung spiele sich das gesellschaftliche Leben für ihn in der Einrichtung ab. Dazu gehöre, wie sich dies aus den Aussagen der Mitarbeiter der Einrichtung ergebe, die Teilnahme an Gemeinschaftsveranstaltungen der Einrichtung, wie das gemeinsame Singen, Trommeln usw ... Er sei aufgrund des unvorhersehbar auftretenden autoaggressiven Verhaltens nicht in der Lage, dauerhaft solchen Veranstaltungen beizuwohnen bzw. überhaupt in der Gruppe zu leben, denn bei Auftreten des unvorhersehbar aggressiven Verhaltens benötige er als Gegenmaßnahme Entspannungsübungen. Diese finde er in Massagen, einem Bälle-Bad oder weiteren von der Einrichtung vorgehaltenen Maßnahmen. Diese hätten aber für ihn die nachteilige Folge, dass er bei Inanspruchnahme dieser Maßnahmen dem gesellschaftlichen Ereignis nicht mehr beiwohnen könne. Entsprechendes gelte auch für das Zusammenleben mit den Mitbewohnern außerhalb dieser Veranstaltungen. Eine Platzierung im "Gravity Chair" bei Auftreten derartigen Verhaltens während einer gemeinschaftlichen Veranstaltung bzw. dem täglichen Zusammenleben führe dazu, dass das Verhalten aufhöre und er der Veranstaltung beiwohnen könne. Am Wochenende fänden allerdings in der Wohnstätte keine Gemeinschaftsveranstaltungen statt. In letzter Zeit sei der "Gravity Chair" auch mal am Wochenende von der Tagesförderstätte in die Wohnstätte verbracht worden. Dies sei hilfreich gewesen. Der "Gravity Chair" stelle keinen allgemeinen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens dar. Er werde eigens für den Zweck hergestellt, spezifisch einer Behinderung entgegenzuwirken und werde zumindest ganz überwiegend von Behinderten genutzt. Hilfsweise bestehe der Anspruch auf Versorgung mit dem "Gravity Chair" gegenüber dem Beigeladenen zu 1) im Rahmen der Eingliederungshilfe. Dieser Anspruch sei auch nicht deswegen ausgeschlossen, weil ihn der Beigeladene zu 2) mit dem "Gravity Chair" zu versorgen hätte. Die für alle Bewohner der Einrichtung des Beigeladenen zu 2) vorzuhaltende Ausstattung ergebe sich allein aus der Leistungs- und Vergütungsvereinbarung nach § 75 SGB XII. Richtig sei, wie vom Sozialgericht angenommeni, dass auch Einrichtungen der Behindertenhilfe eine Ausstattung zur Versorgung der Bewohnerinnen und Bewohner grundsätzlich entsprechend der konzeptionellen Ausrichtung der jeweiligen Einrichtung der Behindertenhilfe vorzuhalten hätten. In diesem Zusammenhang sei jedoch zu beachten, dass das Erfordernis und die Verpflichtung der Einrichtung, eine entsprechende Ausstattung vorzuhalten, die individuellen Bedarfe der Bewohnerinnen und Bewohner und die nur von diesen individuell zu nutzenden Hilfsmittel nicht umfasse. Denn die Einrichtung der Behindertenhilfe sei nicht verpflichtet, für sämtliche auftretenden individuellen Bedarfe entsprechende Hilfsmittel vorzuhalten. Die Schlussfolgerung des Sozialgerichts, dass der Beigeladene zu 2) den "Gravity Chair" aufgrund der konzeptionellen Ausrichtung der Einrichtung für den Kläger vorhalten müsse, könne nicht durchgreifen. Eine dementsprechende Vereinbarung oder vertragliche Verpflichtung bestehe nicht. Der "Gravity Chair" solle aufgrund des beschriebenen individuellen Bedarfs des Klägers auch nur durch diesen genutzt werden. Allein aus der Anschaffung des "Gravity Chair" durch die Tagesförderstätte könne keinesfalls ein Eingeständnis der Wohneinrichtung hinsichtlich einer generellen Pflicht zur Vorhaltung des "Gravity Chair" und einer durch die Vorhaltung gegebene mögliche Nutzung durch den Kläger konstruiert werden. Vielmehr müsse vorliegend der Fokus darauf gerichtet sein, dass der Kläger ein obig ausführlich beschriebenes und nachweisbares individuelles Bedürfnis für die Benutzung des "Gravity Chair" habe; dies aufgrund seiner Behinderung und der für ihn durch die Nutzung geschaffene Möglichkeit, das autoaggressive Verhalten als Teil seiner Behinderung auszugleichen und deren Folgen zu mildern. Derartige individuelle Ansprüche eines Bewohners könnten nicht von einer Leistungs- und Vergütungsvereinbarung erfasst sein.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 26. November 2013 und den Bescheid der Beklagten vom 11. Mai 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Januar 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Kläger mit dem Hilfsmittel Schwerkraftlagerungssystem "Gravity Chair" des Herstellers RehaNorm zu versorgen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend.

Der Beigeladene zu 1) beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das Urteil des Sozialgerichts ebenfalls für zutreffend. Vorrangig sei die Einrichtung für die Beschaffung des "Gravity Chair" verantwortlich. Selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte, ergebe sich keine Leistungspflicht des Beigeladenen zu 1), da der Kläger auch auf andere Weise als nur durch den "Gravity Chair" beruhigt werden könne.

Der Beigeladene zu 2) stellt keinen Antrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten. Diese haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig; sie ist jedoch nur in dem aus dem Urteilstenor ersichtlichen Umfang begründet.

Die vom Kläger angefochtenen Bescheide der Beklagten sind zwar rechtswidrig, der Kläger hat jedoch weder gegenüber der Beklagten noch gegenüber dem Beigeladenen zu 1) einen Anspruch auf Versorgung mit dem von ihm begehrten "Gravity Chair" als Hilfsmittel.

Der Bescheid der Beklagten vom 11. Mai 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. Januar 2011 ist rechtswidrig und aufzuheben, weil die Beklagte als unzuständiger Leistungsträger über den bei ihr gestellten Antrag vom 6. Mai 2010 entschieden hat.

Da bereits über denselben Streitgegenstand ein bestandskräftiger ablehnender Bescheid des Beigeladenen zu 1) vom 9. März 2010 vorgelegen hat, ist der bei der Beklagten gestellte Antrag vom 6. Mai 2010 als Antrag nach § 44 SGB X auszulegen, gerichtet auf die Rücknahme des Bescheids vom 9. März 2010 als rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt. Der Beigeladene zu 1) war erstangegangener Leistungsträger gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX. Seine Zuständigkeit endet nicht dadurch, dass er das Verfahren mit einem bestandskräftig gewordenen Verwaltungsakt abschließt. Er bleibt vielmehr auch für ein Verfahren nach § 44 SGB X zuständig und hat bei seiner Sachentscheidung dann auch alle außerhalb seiner "eigentlichen" Zuständigkeit liegenden in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen zu beachten. Deshalb fehlt es an einer Entscheidungsbefugnis der Beklagten. Ihre Bescheide sind deshalb wegen sachlicher Unzuständigkeit rechtswidrig und aufzuheben. Der Antrag vom 6. Mai 2010 hätte von der Beklagten gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 SGB I an den Beigeladenen zu 1) weitergeleitet werden müssen (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 20. Oktober 2009, B 5 R 5/07 R, in juris; Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 26. Juni 2013, L 1 SO 104/12, in juris; Ulmer, SGb 2015, 615 [618]).

Eine Verurteilung des Beigeladenen zu 1) gemäß § 75 Abs. 5 SGG in diesem Verfahren ist nach Auffassung des Senats grundsätzlich möglich, obwohl dieser bislang keine Entscheidung nach § 44 SGB X getroffen hat (vgl. Ulmer, ebenda). Da § 75 Abs. 5 SGG kein Vorverfahren auf Seiten des Beigeladenen verlangt (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 75 Rn. 18a), leuchtet es nicht ein, warum eine Entscheidung nach § 44 SGB X notwendig sein sollte. Dies folgt auch aus dem Schutzzweck der §§ 75 Abs. 5 SGG und 14 SGB IX, wonach die Antragsteller ohne Umwege einfach und schnell eine Entscheidung erhalten sollen.

Eine Verurteilung des Beigeladenen zu 1) kommt hier jedoch nicht in Betracht, weil der Kläger keinen Anspruch auf Versorgung mit einem "Gravity Chair" hat. Das Sozialgericht hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils ausführlich und zutreffend dargelegt, dass der Anspruch weder als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V) noch als Eingliederungshilfe (§ 54 Abs. 1 SGB XII in Verbindung mit § 55 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 SGB IX sowie der Eingliederungsvereinbarung) besteht. Weitere Anspruchsgrundlagen kommen nicht in Betracht. Dem folgt der Senat und sieht daher gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Im Hinblick auf die Berufungsbegründung des Klägers ist lediglich ergänzend auszuführen, dass der Kläger darin klargestellt hat, dass die Versorgung mit dem "Gravity Chair" für die Wohnstätte erfolgen und dort dem mittelbaren Behinderungsausgleich dienen solle. Er sieht in der Teilnahme an Gemeinschaftsveranstaltungen in der Wohnstätte ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens, weist aber andererseits darauf hin, dass an der Wohnstätte am Wochenende gar keine Gemeinschaftsveranstaltungen stattfinden und der "Gravity Chair" zudem gelegentlich zum Wochenende von der Tagesförderstätte in die Wohnstätte gebracht werde. Schon deshalb vermochte sich der Senat nicht davon zu überzeugen, dass die Versorgung des Klägers mit dem "Gravity Chair" erforderlich ist, zumal nach Aussage des Zeugen O die Autoaggression des Klägers nur zwei- bis dreimal (manchmal auch vier- bis fünfmal) in der Woche in der Tagesförderstätte ein Ausmaß erreiche, in dem der "Gravity Chair" zu deren Abbau hilfreich ist und es nach den vom Kläger nicht angegriffenen Feststellungen des Sozialgerichts auch andere Mittel für das Betreuungspersonal gibt, der Autoaggression entgegenzuwirken. Daher kann letztlich offenbleiben, ob die Teilnahme eines vollstationär untergebrachten erwachsenen Behinderten an Gemeinschaftsveranstaltungen in der Wohnstätte überhaupt zu den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 7. Oktober 2010, B 3 KR 13/09 R, in juris) gehört. Dies ist nach Auffassung des Senats sehr zweifelhaft. Denn im Rahmen des mittelbaren Behinderungsausgleichs ist die gesetzliche Krankenversicherung nur für den Basisausgleich der Folgen einer Behinderung eintrittspflichtig. Es geht hier nicht um einen Ausgleich im Sinne des vollständigen Gleichziehens mit den Möglichkeiten eines gesunden Menschen. Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung ist allein die medizinische Rehabilitation. Soweit es hingegen um die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft geht, ist nicht die Krankenkasse, sondern gegebenenfalls der Sozialhilfeträger leistungspflichtig. Die gesetzliche Krankenversicherung hat für vollstationär untergebrachte Versicherte nur die Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen, die individuell angepasst, ihrer Natur nach nur für den einzelnen Versicherten bestimmt und grundsätzlich nur für ihn verwendbar sind (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 6. Juni 2002, B 3 KR 67/01 R, in juris). Hierzu zählt der "Gravity Chair" ersichtlich nicht. Es handelt sich um einen Artikel aus Serienproduktion, der auch von anderen Behinderten in der Einrichtung genutzt werden kann und – wie die Erfahrung in der Tagesförderstätte zeigt – auch genutzt wird.

Hinsichtlich eines möglichen Anspruchs auf Eingliederung gegen den Beigeladenen zu 1) weist das Sozialgericht zutreffend darauf hin, dass der Sozialhilfeträger seine Verpflichtungen nach dem SGB XII dem Kläger gegenüber nicht selbst erfüllt, sondern sich insoweit der G Werkstätten bedient und dass sich aus der zwischen dem Beigeladenen zu 1) und dem Beigeladenen zu 2) geschlossene Leistungs- und Prüfungsvereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII ergibt, dass nicht der Beigeladene zu 1), sondern der Beigeladene zu 2) – bei unterstellter Erforderlichkeit – für die Anschaffung des "Gravity Chair" sorgen müsste. In diesem Fall wäre das begehrte Hilfsmittel der "Heimsphäre" zuzuordnen. Denn es handelt sich um eine Einrichtung "insbesondere auch (für) Menschen mit besonderem Hilfebedarf mit erheblichen (Auto-)Aggressionstendenzen" (§ 3 WohnLV), wobei sich nach § 5 WohnLV "die Ausstattung nach den behinderungsbedingten Teilhabebedürfnissen des aufzunehmenden Personenkreises (richtet)". Danach ist es die elementare Aufgabe des Heims, auftretenden Autoaggressionstendenzen der Bewohner aufzufangen und diese zu beruhigen. Dies kann durch das Personal und/oder Hilfsmittel geschehen. Dies findet Eingang in die Festlegung der Höhe des Pflegesatzes. In diesem Zusammenhang hat der Zeuge O auch die personalentlastende Bedeutung des "Gravity Chair" hervorgehoben (Notlösung, wenn nicht ausreichend Personal zur Verfügung steht). Auch das macht sehr deutlich, dass der "Gravity Chair" in der Wohnstätte kein individuelles Hilfsmittel für den Kläger wäre, sondern dem Heim die Erfüllung seiner Aufgaben erleichtern würde.

Unter diesen Umständen kommt es nicht mehr darauf an, ob es sich bei dem "Gravity Chair" um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens handelt.

Eine Verurteilung des Beigeladenen (zu 2) kommt hier von vornherein nicht in Betracht. Hierfür gibt es in § 75 Abs. 5 SGG keine Rechtsgrundlage. Dies ist nur in einem gesonderten Verfahren möglich, für das die Zivilgerichte zuständig wären.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Es ist sachgerecht, dass außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten sind, obwohl die vom Kläger angefochtenen Bescheide rechtswidrig sind, weil der Kläger das eigentliche Ziel der Klage, nämlich die Versorgung mit dem Hilfsmittel, nicht erreicht hat.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG zuzulassen, bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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